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Heldinnengalerie – Sch¨onheitengalerie

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Academic year: 2022

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Studien zu Genese und Funktion weiblicher Bildnisgalerien 1470-1715

Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorw ¨urde der Philosophisch-historischen Fakult ¨at

der Ruprecht-Karls-Universit¨at Heidelberg, Kunsthistorisches Institut

vorgelegt bei

Professor Dr. Michael Hesse

von

Michael Wenzel M.A.

aus

Bad Hersfeld

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Vorwort . . . 9

Einleitung . . . 11

1 Die Heldinnengalerie: VonBer ¨uhmten FrauenundBer ¨uhmten M¨annernin Bilden- der Kunst und Literatur 21 1.1 Grundlagen in der antiken Literatur . . . 21

1.2 Mittelalterliche Tradition und fr ¨uhhumanistische Vitenliteratur in Bildzyklen des Trecento und des Quattrocento: Boccaccio,Neuf PreuxundNeuf Preuses, Petrarca . . . 23

1.2.1 Die Thematik derBer ¨uhmten Frauenzwischen Hof und fr ¨uhem B ¨urger- tum . . . 23

1.2.2 Der Fr ¨uhhumanismus und sein Einfluß auf die Ikonographie derBer ¨uhm- ten Frauen. . . 40

1.3 Femmes fortes?– Ausstattungsprogramme der Appartements von Frauen: He- roinen und das Identifikationsportr ¨at im 16. und 17. Jahrhundert . . . 46

1.3.1 Die Grotta der Isabella d’Este, das Quartiere di Eleonora und die The- matik derBer ¨uhmten Frauenin der italienischen Literatur des 16. Jahr- hunderts . . . 47

1.3.2 Elisabeth I. von England und Katharina de’ Medici . . . 55

1.3.3 Vom Palais du Luxembourg nach Versailles . . . 59

1.4 FortitudoversusPulchritudo? . . . 88

2 Der Sch¨onheitsdiskurs in Portr¨at und Gesellschaft der italienischen Renaissance 95 2.1 Der m¨annliche Blick, Leonardos ”Bilderfindung“ und der Mail ¨anderCodicetto 95 2.1.1 Leonardos ”Bilderfindung“ . . . 95

2.1.2 Kulturelle Differenz und serielle Darstellung . . . 100

2.1.3 Der Mail ¨anderCodicetto . . . 107

2.2 Das Bildnis der Renaissancef ¨urstinnen . . . 113

2.2.1 Isabella d’Este . . . 114

2.2.2 Giulia Gonzaga . . . 117

2.2.3 Giovanna d’Aragona . . . 122

2.3 Die Notwendigkeit der Sch ¨onheit: Raphael, die selektive Imitation und das neoplatonische Konzept . . . 125

2.4 Darstellungen von Kurtisanen und M ¨atressen? – Venedig, Tizian und die Bild- nistypen der ”sch¨onen Frau“ . . . 141

2.5 Sch ¨onheit als Emanzipationstechnik: Lucretia Marinella und die Verteidigung der Sch ¨onheitsmittel . . . 160

3 Pr´ıncipes, damas y caballeros– Tugend und Sch¨onheit im Kontext der Kunst- und Wunderkammern 165 3.1 Der ethnographische und der moralistische Blick: Frauengalerien im Kontext der enzyklop ¨adischen Portr¨atsammlung der Kunst- und Wunderkammern . . . 165

3.1.1 Von Paolo Giovio zur Legitimation f ¨urstlichen Selbstverst¨andnisses in der”Ahnengalerie“ . . . 165

3

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3.1.2 M ¨unchen: Die Hofdamenserie der Herzogin Jacob ¨aa . . . 170

3.1.3 M ¨unchen: Die Kost ¨umbildnisse der ”Niederl¨anderinnen“ . . . 175

3.2 Die Habsburger, das ”Symmetrieproblem“ und die Stellung des Frauenportr ¨ats im Kontext der Kunst- und Wunderkammern . . . 180

3.2.1 Philipp II. von Spanien und dieGaler´ıa de Retratos del Pardo. . . 180

3.2.2 Ferdinand von Tirol: Ambras und Ruhelust . . . 190

Die Fassadenmalerei im Innenhof des Hochschlosses Ambras . . . 190

Der sogenannte Spanische Saal, dieImagines Gentis Austriacaeund die Kleinbildnissammlung in Ambras . . . 192

Die”36. sch ¨oner frawen Conterfette“ im Damensaal von Schloß Ruhelust197 Portr¨ats sch¨oner Frauen, 1591/92 . . . 214

3.2.3 Rudolf II. von Habsburg und das Prinzessinnenportr ¨at . . . 220

3.2.4 Philipp IV. von Spanien und dieGaler´ıa del Mediod´ıades Alten Alc´azar in Madrid . . . 223

3.3 Fr ¨uhe italienische Sch ¨onheitengalerien: DieBellezze di Artiminoder Medici und das Projekt Vincenzos I. Gonzaga von Mantua . . . 228

3.3.1 Florenz und dieBellezze di Artimino . . . 228

3.3.2 Mantua . . . 237

4 Frauen in der h ¨ofischen Gesellschaft – Sch ¨onheitengalerien des 17. Jahrhunderts 245 4.1 Die Entwicklung der Sch ¨onheitengalerie an den H ¨ofen der Oranier und der Stuarts in Den Haag und London . . . 248

4.1.1 Amalie von Solms . . . 249

Die Serie der zw ¨olf ”franz ¨osischen K ¨oniginnen“ . . . 251

Die Damenportr ¨atserie von Gerard van Honthorst . . . 252

Die Serie der ”englischen Damen“ . . . 254

4.1.2 Die Portr ¨atgalerie des Maurits Lodewijk von Nassau-Beverweerd . . . 256

4.1.3 Anthonis van Dyck und die Entwicklung der Sch ¨onheitengalerie in England . . . 262

4.1.4 DieWindsor Beautiesund der Restaurationshof der Stuarts . . . 271

Die Gem¨alde . . . 273

Beauties und Flagmen: Datierung, Lokalisierung und Typologie der Serie . . . 280

Althorp und andere verwandte Serien . . . 290

Neoplatonic Love, Beauty und die h ¨ofische Gesellschaft der engli- schen Restauration . . . 293

4.1.5 DieHampton Court Beautiesder K ¨onigin Maria II. von England . . . . 299

4.1.6 DiePetworth Beautiesder Duchess von Somerset: Die Frauengalerie als offizielle Repr¨asentation . . . 307

4.1.7 Conclusio: Beauties aus eigenem Recht – Der Funktionswandel der Frauengalerie am englischen Hof . . . 314

4.2 Frankreich und die Tradition des prezi ¨osen Portr¨ats . . . 318

4.2.1 Versailles . . . 320

4.2.2 ”Les plus belles femmes de la Cour“ und die M ¨atressen des K ¨onigs: Chˆateau Bussy-Rabutin als Anti-Versailles? . . . 325

4.3 Maria Mancini, die Colonna und die Sch ¨onheitengalerien in Rom . . . 336

4.3.1 Die Colonna in Rom: Die Inventare . . . 336

4.3.2 Die Chigi in Ariccia: Die Gem ¨alde . . . 343

4.4 Savoyen . . . 358

4.4.1 Die Portr ¨atserie des Palazzo Reale in Turin . . . 359

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4.4.2 Die Galerie Karl Emanuels II. von Savoyen . . . 361 4.4.3 Die Galerie der Kurf ¨urstin Henriette Adelaide von Savoyen in M ¨unchen 364 4.5 Florenz . . . 370 4.5.1 Cosimo III. de’ Medici: Die neue Kultur des universalen Sammelns . . 370 4.5.2 Vittoria della Rovere und die Portr ¨atgalerien von Poggio Imperiale als

Mittel weiblicher Repr¨asentation . . . 373 4.5.3 DieBellezze Ovalider Violante Beatrix von Bayern . . . 379 4.6 Deutschland um 1700 . . . 381

4.6.1 Kopierte Sch ¨onheit – Import aus Paris? Die Sch ¨onheitengalerien des Kurf ¨ursten Max Emanuel von Bayern . . . 381 4.6.2 Von K ¨onigin Sophie Charlotte in Preußen zu Markgr ¨afin Wilhelmine

von Bayreuth – Die Frauenportr ¨atgalerie im Umfeld des preußischen Hofes . . . 387 5 Zusammenfassung: Argumentationsstrategien

”personaler“ und

”historischer“

Galerien 405

Ausblick: Blick zur ¨uck nach vorn oderWie ein

”ideales Jahrhundert“ sich in der

Frauengalerie manifestiert 413

A Unpublizierte Quellen 431

B Dokumentation 433

B.1 Geoffrey Chaucer, The Legend of Good Women, Prolog, Ballade, Vers 203-223 433 B.2 Ariost, Orlando furioso, 46. Gesang, Strophe 3-10 . . . 433 B.3 Ausz ¨uge aus dem Briefwechsel zwischen de Peiresc und Rubens, 1622/23 . . . 434 B.4 Bildzyklus derBer ¨uhmten FrauenimCabinet de la Reinedes Chˆateau de Ri-

chelieu nach den Kommentaren von Benjamin Vignier, 1676 . . . 435 B.5 Ausz ¨uge aus dem Briefwechsel Galeazzo Maria Sforzas vom Februar 1473,

eine Bildnisserie junger M ¨adchen betreffend . . . 437 B.6 Auszug aus einem Inventar von Anne de Bretagne, 1500 . . . 438 B.7 Bernardo Bellincioni, ¨Uber Leonardos Portr ¨at von Cecilia Gallerani, vor 1492 . 438 B.8 Briefe von Jacopo d’Atri an Isabella d’Este vom Januar 1510 . . . 439 B.9 Cod. Trivulzio Nr. 2159, Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana,

Mailand, Textausz ¨uge . . . 440 B.10 Inventarium Oder Beschreibung aller deren Stuckh und sachen, frembder und

Inhaimischer bekanter und unbekanter selzamer und verwunderlicher ding, so auf Ir F ¨urstl: Dhtl: Herzogen in Baijrn etc. Kunst Camer zusehen und zufinden ist angefangen den 5. februarii. Anno MDXCVIII. Beschriben durch Joan Bap- tista Ficklern, der Rechten Doctorn F ¨urstl: Dhtl: in Baijrn hofrath zu M ¨unchen etc., M ¨unchen, Bayerische Staatsbibliothek, cod. germ. 2133, Ausz ¨uge . . . 441 B.11 Argote de Molina, Discurso sobre el Libro de la Monter´ıa que mand´o escreuir

el muy alto y muy poderoso Rey Don Alonso de Castilla, y de Le´on, 1582, Auszug: Descricci´on del Bosque y Casa Real del Pardo . . . 451 B.12 Nachlaßinventar des Erzherzogs Ferdinand II. von Tirol in Ruhelust, Innsbruck

und Ambras vom 30. Mai 1596, Ausz ¨uge . . . 453 B.13 Beschreibung des Damensaals von Schloß Ruhelust in Innsbruck von Philipp

Hainhofer, 1628 . . . 454 B.14 Briefe des Bischofs Francesco Sporeno an Erzherzog Ferdinand II. von Tirol,

Rom 1591/92, Ausz ¨uge . . . 455

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B.15 Nachlaßinventar des Kardinals Francesco Maria del Monte von 1627, Auszug . 456

B.16 Inventar des Alc´azar in Madrid von 1686,Galer´ıa del Mediod´ıa, Auszug . . . . 457

B.17 Inventar der Villa Artimino vom 10. M ¨arz 1608 [sc. 1609], Ausz ¨uge (Gem¨alde) 459 B.18 Liste derBellezze di Artiminonach Entstehungszeit und heutigem Bestand . . 463

B.19 Korrespondenz zu den Portr ¨atauftr¨agen des Frans Pourbus d.J. in Neapel sowie zu weiteren Portr ¨atlieferungen, 1607-09 . . . 464

B.20 Inventar der Northumberland-Sammlung von 1671, Ausz ¨uge ohne Wertangaben 466 B.21 Inventareintr ¨age und weitere Dokumente zu denWindsorundHampton Court Beauties . . . 467

B.22Garde-Meuble-Inventar des Schlosses von Versailles von 1666 (Journal du Garde-Meuble), Ausz ¨uge . . . 479

B.23 Bildunterschriften der Tour Dor´ee, Chˆateau de Bussy-Rabutin, und Ausz ¨uge aus der diesbez ¨uglichen Korrespondenz des Bauherrn . . . 481

B.24 Inventarausz ¨uge zum Gem ¨aldebesitz der Colonna unter besonderer Ber ¨uck- sichtigung der Portr ¨atserien, ab 1664 . . . 484

B.25 Inschriften und Beschreibung der Sch ¨onheitengalerie und weiterer R ¨aume der Villa Il Vascello, nach Matteo Mayer (1677) und Johann Georg Keyßler (1741) 491 B.26 Inventar des Palazzo Reale, Turin, 1682, Ausz ¨uge . . . 493

B.27 Briefwechsel des Großherzogs Cosimo III. de’ Medici mit Nikolaas Heinsius und Donato Alamanni, 1668 . . . 495

B.28 Dokumente zur Portr ¨atausstattung der Villa Poggio Imperiale unter Vittoria della Rovere . . . 498

B.29 Inventar der Villa Lappeggi, 1732, Ausz ¨uge . . . 521

B.30 Inventar von Schloß Nymphenburg, 1769, Ausz ¨uge . . . 523

B.31 Inventar von Schloß Charlottenburg, 1705, Ausz ¨uge . . . 525

B.32 Inventare der Wilhelmine von Bayreuth, 1737/1741 und 1758, Ausz ¨uge . . . . 530

B.33 Die Portr¨atserie imBeauty Roomvon Strawberry Hill . . . 531

C Literaturverzeichnis 533

D Abbildungsverzeichnis 583

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Zeitschriften:

BSHAF:Bulletin de la Soci´et´e de l’Histoire de l’Art franc¸ais Flor Mitt: Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz

MEFRM:M´elanges de l’ ´Ecole Franc¸aise de Rome. Moyen ˆAge. Temps Modernes MEFRIM:M´elanges de l’ ´Ecole Franc¸aise de Rome. Italie et M´editerran´ee MJbBK:M¨unchner Jahrbuch der Bildenden Kunst

JbKW:Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Allerh ¨ochsten Kaiserhauses/ Jahr- buch der kunsthistorischen Sammlungen in Wien

JWCI:Journal of the Warburg and Courtauld Institutes Archive:

ASF:Archivio di Stato di Firenze

BayHStA:Bayerisches Hauptstaatsarchiv M ¨unchen, Staatsarchiv f ¨ur Oberbayern TLA:Tiroler Landesarchiv Innsbruck

Sonstiges:

TB: Taschenbuchausgabe UP: University Press

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Vorwort

Nach ann¨ahernd sechs Jahren Forschung und Niederschrift k ¨onnen jetzt diese Studien als Dis- sertation eingereicht werden. In dieser Zeit wurde mir vielf ¨altige Unterst ¨utzung zuteil, f ¨ur die ich hier meinen aufrichtigen Dank aussprechen m ¨ochte.

Meine Eltern f ¨orderten mich in jeder Hinsicht, die Landesgraduiertenf ¨orderung Baden- W¨urttemberg finanziell. Die akademische Betreuung ¨ubernahmen mein Doktorvater Herr Pro- fessor Dr. Michael Hesse und die zweite Gutachterin Frau Professor Dr. Silke Leopold. Kor- rigierende Eingriffe leisteten die Korrekturleserinnen Lydia Hilberer, Susanne Kuhn, Ariane Mensger, Karin M ¨uller-Kelwing, Franziska Vogel-Eckerlin und der Korrekturleser Winfried Neumann.

Wissenschaftliche Unterst ¨utzung kam mir von vielen Seiten zu: Dr. Julia Marciari Alexan- der (New Haven, Yale Center for British Art), Andrea Bartelt M.A. (M ¨unchen), Dr. Gerd Bar- toschek (Potsdam, Stiftung Preußische Schl ¨osser und G¨arten Berlin-Brandenburg), Amanda Bevan (Richmond, Public Record Office), Dr. Friedl Brunckhorst (Bad Homburg, Verwaltung der Staatlichen Schl ¨osser und G¨arten Hessen), Melissa Dalziel (Oxford, Bodleian Library – Department of Western Manuscripts), Dr. Ernst G ¨otz (M ¨unchen, Bayerische Verwaltung der Staatlichen Schl ¨osser, G¨arten und Seen), Dr. Susanne Groom (East Molesey, Historic Royal Palaces), Sabine Koloch M.A. (Marburg), Prof. Dr. Katharina Krause (Universit ¨at Marburg), Dr. Peter O. Kr ¨uckmann (M ¨unchen, Bayerische Verwaltung der Staatlichen Schl ¨osser, G¨arten und Seen), Dr. Alastair Laing (London, National Trust), Dr. Catharine MacLeod (London, Na- tional Portrait Gallery), Prof. Dr. Justus M ¨uller Hofstede (Bonn), Lydia van Oort (Rijswijk, Instituut Collectie Nederland), Dr. Giovanni M. Piazza (Mailand, Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana), Dr. Friedrich Polleroß (Universit ¨at Wien), Dr. Christopher Rowell (Polesden Lacey, National Trust – Southern Region), Dr. Wolfgang Savelsberg (Kulturstif- tung Dessau W ¨orlitz), Dr. Karl Sch ¨utz (Wien, Kunsthistorisches Museum – Gem ¨aldegalerie), Dr. Simon Thurley (Museum of London), Dr. Peter Volk (M ¨unchen, Bayerisches National- museum), Lucy Whitaker (London, Royal Collection Trust) sowie von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Staatsarchivs Florenz.

Ein ganz besonderer Dank geht an Herrn Dr. Manfred Rupert (Innsbruck, Tiroler Landes- archiv), der seine Freizeit an Ostern und Pfingsten 1998 f ¨ur meine Anfrage aufbrachte, an Frau Mag. Veronika Sandbichler (Innsbruck, Kunsthistorisches Museum – Sammlungen Schloß Ambras), die mir meine Forschungen zu der Ruheluster Sch ¨onheitengalerie durch ihre stete Bereitschaft zur Auskunft erst erm ¨oglichte, an Frau Dr. Stephanie Goda Tasch (Berlin), deren Forschung einen wesentlichen Anstoß zu meiner eigenen Arbeit gab und die mir ihre Dis- sertation bereits vor dem Druck ¨uberließ (die Arbeit ist inzwischen bei VDG in Weimar als Buch erschienen, wird aber hier noch in der Manuskriptfassung zitiert), an Frau Dr. Ingeborg Wiegand-Uhl (M ¨unchen), die mir den Nachlaß von Dr. Lada Nikolenko zug ¨anglich machte, und an die Mitarbeiter des Palazzo Chigi in Ariccia, die mir ein wegen Restaurierung geschlos- senes Museum ¨offneten und mich die Bildnisse der dortigen Sch ¨onheitengalerie, die noch nicht auf ihre angestammten W ¨ande zur ¨uckgekehrt waren, eingehend studieren ließen.

(10)

Die Literatur wird in den Fußnoten nur bei der ersten Nennung vollst ¨andig zitiert. Jede wei- tere Nennung erfolgt in der Regel in den Fußnoten als in Kapit ¨alchen gedruckte Autorenangabe oder Kurztitel, die im Literaturverzeichnis aufgeschl ¨usselt werden.

Bei Seitenangaben meint der Zusatz

”f.“ die genannte und die darauffolgende Seite,

”ff.“ die genannte und die n ¨achsten zwei Seiten. Ansonsten werden Anfangs- und Endseite angegeben.

Das Literaturverzeichnis verzichtet zugunsten einer leichteren Handhabung auf eine etwaige Unterteilung nach publizierten Quellen, Erscheinungsdatum, Sekund ¨arliteratur, Ausstellungs- katalogen, Zeitschriftenartikeln u. ¨a.

Bei Quellentexten erfolgt die Transkription von

”u“ und

”v“ zur besseren Lesbarkeit meist entsprechend dem Lautwert. In einigen F ¨allen wurde das originale Schriftzeichen beibehalten, wenn dies dem Charakter der jeweiligen Quelle eher entsprach. Die Schreibung der Eigenna- men stellt ein nicht zu untersch ¨atzendes Problem dar. Hier wird so verfahren, daß die Namen europ¨aischer Herrscher und ihrer Gattinnen weitgehend in der gebr ¨auchlichen deutschen Fas- sung angeben werden, die Aristokratie aber in der jeweiligen Landessprache. Dabei konnten kleinere Abweichungen nicht immer vermieden werden. Originalzitaten wird in der Regel nur bei deutlicher Abweichung von dem heutigen Sprachgebrauch eine ¨Ubersetzung beigegeben (etwa bei deutlich vor 1600 entstandenen Quellen).

Jena, im April 2001 Michael Wenzel

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Villa. Innen. Nacht.

Alle im Saal tanzen, man h¨ort dieselbe Musik wie vorher. Zwei J¨unglinge – die Hausherren – kommen auf die neu eintreffenden G¨aste zu. Man macht sich schnell miteinander bekannt.

Stimmen:

– Prinz Marescalchi.

– Don Alessandro.

– Don Ferdinando.

Marcello hat pl¨otzlich ein Glas Whisky in der Hand und blickt sich im Saal um, wo rings an den W¨anden B¨usten von P¨apsten stehen, Vorfahren der Hausherren.

[...]

Eine wundersch¨one, ausl¨andisch wirkende Dame, Isabella, beginnt trotz ihrer junonischen Sch¨onheit bei den ersten Kl¨angen eines Rock wild zu tanzen, mit anmutiger Gewandtheit und einer fremdartigen, fast urmenschlichen Eleganz.

[...]

Ein weibisch wirkender J¨ungling im Smoking, der auf der Armlehne eines Sessels sitzt, wendet sich mit gepflegtem Akzent zu jemandem in einer Gruppe.

J¨ungling: Ich muß unbedingt Milch trinken. Ich bin ganz beduselt. Wo gibts denn Milch?

Hast du welche, Sonja?

Eine sch¨one Dame vom Typ ‘Corps diplomatique’ mit herrlichen, beinahe entbl¨oßten Br¨usten, dreht sich l¨achelnd um und antwortet, ohne eine Miene zu verziehen in slawischem Tonfall.

Dame: Nein.

[...]

Ein M¨adchen wendet sich zu ihm, um mit ihm anzustoßen. Da erkennt Marcello Maddalena.

[...]

Indem sie nebeneinander langsam an den Marmorb¨usten der P¨apste entlang spazieren, liest Marcello die Inschriften.

Marcello:

Caelestinus III.

Pelagius II.

Sixtus IV.

Kardinal Scipioni.

[...]

Die zitierten Passagen stammen aus Federico Fellinis Drehbuch zuLa Dolce Vitaund schil- dern Szenen einer Party in den Mauern einer alten r ¨omischen Villa1. Der Regisseur artikuliert darin seine Vorstellung moderner Dekadenz innerhalb einer morbiden r ¨omischen Adelskultur.

Indiz f ¨ur die soziale Stellung der Besitzer der Villa sind die Papstb ¨usten, die in sich gleich- zeitig das Konzept einer Ahnengalerie und einer Portr ¨atfolge Ber ¨uhmter M¨annervorstellen.

W¨ahrend der Dreharbeiten in Palazzo und Villa Giustiniani-Odescalchi von Bassano di Sutri n ¨ordlich von Rom, unweit des Lago di Bracciano, nahm Fellini an der Szene eine entschei- dende Ver¨anderung vor, die nicht im Drehbuch vorkommt: Im Labyrinth der S ¨ale des Palazzo wandeln die beiden Hauptdarsteller Marcello Mastroianni und Anouk Aim´ee zun ¨achst an ei- ner Folge von C ¨asarenb ¨usten vor ¨uber – anstelle der P ¨apste des Drehbuchs – und stehen dann unvermittelt vor einer Reihe barocker Frauenportr ¨ats. Marcello findet sofort Gefallen an der Frauengalerie, bewundert im Schein eines Streichholzes ihre Sch ¨onheit –

”Sie haben alle die gleichen Augen“ – und fragt sich, wer die Dargestellten wohl gewesen seien. Als Antwort erh¨alt er von seiner Filmpartnerin nur ein eher gelangweiltes

”Großm ¨utter..., Urgroßm ¨utter...“2.

1Federico Fellini, La Dolce Vita, Z¨urich: Diogenes 1974, S. 116-119.

2Zur Frauengalerie in Bassano di Sutri vgl. Abschnitt 4.3.

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Vermutlich ist die Idee zur ¨Anderung der Szene erst vor Ort entstanden, nachdem Fellini die Frauenportr ¨atgalerie im Palazzo zuf ¨allig entdeckt hatte. Die Protagonisten des Films wie auch die typisierten Vertreter bestimmter Gesellschaftsschichten werden inLa Dolce Vitast ¨andig mit Exempeln der r ¨omischen Geschichte konfrontiert, in der ausgew ¨ahlten Sequenz vor allem mit labyrinthartig dargebotenen Zeugnissen der r ¨omischen Renaissance- und Barockkultur.

Da finden sich die Spr ¨oßlinge alter r ¨omischer Adelsfamilien in den Pal ¨asten ihrer Vorfahren, umgeben von Marmorb ¨usten von l¨angst verstorbenen P ¨apsten und Kardin ¨alen, die von vergan- gener Macht und Gr ¨oße k ¨unden. Und die Frauen, sie sind

”sch¨on“. Das wird von Fellini mehr- fach wiederholt. Auch l ¨aßt sich diese Sch ¨onheit in Kategorien fassen:

”eine sch ¨one Dame vom Typ ‘Corps diplomatique’“. Es ist vielleicht nur Zufall, daß eine der Akteurinnen den gleichen Namen wie die ber ¨uhmte Markgr ¨afin von Mantua aus dem Hause Este tr ¨agt: Isabella,

”von Pietro Bembo aus der Zusammensetzung von ‘isos’ und ‘bella’ (gleichm ¨aßig, in allen Teilen gleich sch ¨on) abgeleitet“3. Das tief ausgeschnittene Dekollet´e einer anderen Sch ¨onheit, Sonja, verweist dagegen mit gr ¨oßerer Deutlichkeit auf ¨ahnlich ins Bild gesetzte

”sch¨one“ Frauen in Abb. 181

der Portr¨atmalerei des 17. Jahrhunderts.

Nachdem Fellini bereits im Drehbuch – mit der Papstgalerie – und sp ¨ater im ausgef ¨uhr- ten Film – mit den C¨asarenb ¨usten – die Selbstrepr ¨asentation einer r ¨omischen Adelfamilie an ein m¨annliches heroisches Modell gekoppelt hatte, war es nur folgerichtig, auch eine Frauenportr ¨atgalerie ins Bild zu setzen. Sammlungen weiblicher Portr ¨ats wie die des Pa- lazzo Giustiniani-Odescalchi werden als Sch ¨onheitengalerien bezeichnet, ein bis zum Ende des 19. Jahrhunderts in aristokratischen Wohnsitzen vorkommender Sammlungstyp h ¨aufig gleich- artiger Frauenportr ¨ats. Dadurch, daß das Leitthema dieser Galerien durch die Sch ¨onheit ihrer Dargestellten definiert wird, werden wesentliche konzeptionelle Unterschiede zu ihren m ¨annli- chen Pendants vorausgesetzt: Die P ¨apste und antiken C ¨asaren sind aufgrund ihrer Rolle in der Geschichte bildw ¨urdig, ihr Tun wird als exemplarisches Handlungsmodell f ¨ur folgende Gene- rationen aufgefaßt. ¨Ahnliches gilt f ¨ur m¨annliches Heldentum: Die vorbildliche Tat sichert dem Helden seinen Platz in der Geschichte, macht ihn erinnerungs- und damit portr ¨atw¨urdig.

Die Portr¨atw¨urdigkeit der Frauen resultiert dagegen aus ihrem K ¨orper, selbst wenn daraus im platonischen Sinne auf ihre Seele geschlossen worden sein mag. Sch ¨onheit und Geb ¨arf¨ahig- keit – diese den Fortbestand einer Familie gew ¨ahrleistende Eigenschaft wurde inLa Dolce Vita durch die Benennung der Galerie als Abfolge von Großm ¨uttern und Urgroßm ¨uttern ebenfalls ins Spiel gebracht – erf ¨ullen traditionelle Erwartungsmuster an Frauen in patriarchalisch orga- nisierten Gesellschaften. Die Verweigerung einer heroischen und damit historischen Existenz der Frauen findet darin ihre Begr ¨undung. Die Dargestellten bleiben namenlos.

Diese sehr holzschnittartig formulierte These bedarf einer ¨Uberpr ¨ufung und Modifikation vor dem Hintergrund neuerer geschlechtergeschichtlicher Forschungsans ¨atze. Auch ist ihre Grundlegung in einer kurzen Sequenz eines italienischen Filmklassikers der sp ¨aten 1950er Jahre kaum als wissenschaftlich zu bezeichnen. Trotzdem gibt dies Anlaß zu weiterer Fragen- und Thesenbildung: Widerspruch wird beispielsweise bereits dadurch motiviert, daß es so- wohl Modelle des weiblichen Heroismus als auch die Figur der Heldin in der Geschichte ge-

3Paul Kristeller, zit. n.: Willi Hirdt, Gian Giorgio Trissinos Portr¨at der Isabella d’Este. Ein Beitrag zur Lukian- Rezeption in Italien [Studien zum Fortwirken der Antike, Bd. 12], Heidelberg: Winter 1981, S. 14. – Vgl. Abschnitt 2.2.1.

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geben hat. Ebenso ist die Historie selbst aus m ¨annlich dominierter Persepektive keine rein m¨annliche Angelegenheit: Bereits in der Antike war ein historiographischer und literarischer Kanon Ber ¨uhmter Frauenentstanden. Dessen visuelle Repr ¨asentation als Heldinnengalerie entwickelte sich im sp¨ateren Mittelalter parallel zu den ZyklenBer ¨uhmter M¨anner.

Konnten aber Portr ¨atgalerienBer ¨uhmter M¨anner und Frauen ¨uberhaupt geschlechtersym- metrisch angelegt werden? Oder f ¨uhrte die Differenz der Geschlechter in der Gesellschaft eo ipso zu ideologischen Unterschieden bei Auswahl und Zusammenstellung exemplarischer Personen? Und wessen Interessen diente die Formulierung einer Heldinnengalerie? Kapitel 1 widmet sich diesem Fragenkomplex und untersucht die Voraussetzungen zum Verst ¨andnis der weiteren Entwicklung weiblicher Bildnisgalerien, die von einer Analogie zu m ¨annlichen – heroisch und historisch begr ¨undeten – Bildnisfolgen Abstand nehmen und eine

”eigene“ For- mulierung der Portr ¨atw¨urdigkeit propagieren.

Auch ist weibliche Sch ¨onheit nicht allein ein m ¨annliches Konstrukt. Kapitel 2 zeigt die sozialen, kulturellen und ideologischen Bedingungen auf, die im 15. und 16. Jahrhundert in Italien zur Entstehung eines Sch ¨onheitsdiskurses und eines Portr ¨attyps der

”sch¨onen Frau“

f¨uhrten, w¨ahrend das 3. Kapitel eine Verortung des weiblichen Bildnisses im Kontext der Kunst- und Wunderkammern sucht. Dieses enzyklop ¨adisch ausgerichtete Sammlungsmodell mit seiner ausgesprochenen Tendenz zur Symmetriebildung hatte entscheidenden Einfluß auf das”Sichtbar-Werden“ der Frauen im Bildnis-Kosmos der Sammlungen.

Das – in mehrfacher Hinsicht zentrale – Kapitel 4 hat die vielf ¨altigen Funktionen der Frauen- portr¨atgalerie in der Hofkultur des 17. Jahrhunderts zum Inhalt. Im Mittelpunkt steht die so- ziale Formation der Hofdamen. Die Frauen an den F ¨urstenh ¨ofen bedienen sich der kulturellen Funktion der Sch ¨onheit zur ¨Uberwindung gesellschaftlicher Grenzen und zur Emanzipation von m¨annlicher Dominanz.

Die eingangs angef ¨uhrte Sequenz aus La Dolce Vita belegt die Pr ¨asenz einer solchen hi- storischen Sammlungsform bis in die Gegenwart. Somit erm ¨oglicht der Blick auf die Frau- enportr¨atgalerie, den gegenw ¨artigen Diskurs ¨uber das Verh ¨altnis von Mann und Frau und die Differenz der Geschlechter zu erweitern.

Die Schwerpunkte dieses gegenw ¨artigen Diskurses charakterisieren Arlette Farge und Na- talie Zemon Davis in ihrer Einleitung zum BandFr ¨uhe NeuzeitderGeschichte der Frauenals

”soziale Konstruktion der Geschlechterdifferenz und das oszillierende Feld der Spannungen zwischen Mann und Frau“4. Und weiter:

Will man heute eine andere Geschichte der Frauen schreiben, so muß man sich von einer bestimmten Sicht der Vergangenheit l¨osen und einen neuen Blick auf die Quellen werfen.

Anstatt sich von zeitgen¨ossischen Zeugnissen und Vorstellungen leiten zu lassen, m¨ussen wir, so gut es geht, s¨amtliche Kenntnisse ¨uber die weibliche Realit¨at und die damaligen Texte, die sich mit ihr besch¨aftigen, vergleichen, wohl wissend, daß beide komplement¨ar miteinander verflochten sind. Es f¨uhrt zu nichts, eine Geschichte der Frauen zu schrei- ben, die sich nur mit deren Handlungen und jeweiligen Lebensweise befaßt, ohne die Art und Weise zu ber¨ucksichtigen, wie der ¨offentliche Diskurs ihr Wesen beeinflußt hat, und umgekehrt. Die Frauen jener Zeit ernst zu nehmen heißt, ihr Handeln auf dem Feld der Beziehungen zu rekonstruieren, die sich zwischen ihnen und dem anderen Geschlecht eta- blierten, und in dem Verh¨altnis der Geschlechter ein gesellschaftliches Konstrukt zu sehen,

4Georges Duby, Michelle Perrot (Hrsg.), Geschichte der Frauen, Bd. 3: Fr¨uhe Neuzeit. Hrsg. v. Arlette Farge und Natalie Zemon Davis, Frankfurt a.M./New York: Campus 1994, S. 14.

(14)

dessen Geschichte zum Forschungsobjekt gemacht werden kann und sollte.5

In der vorliegenden Arbeit sind die

”Texte“ Objekte aus dem Bereich der bildenden Kunst:

Gem¨alde und Ensembles von Gem ¨alden. Folglich bezieht sich eine Diskursanalyse weniger auf Texte als auf Bilder und ihre Tradierung. Die Argumentationsweisen visueller Medien sind aber nur bedingt mit denen von Texten zu vergleichen: Die argumentative Struktur von Bildern ist offener, ihre Produktionsbedingungen unterscheiden sich wesentlich von der Herstellung und den Verbreitungsformen von Texten, ihr kultureller Kontext ist oft ein anderer.

Besonders Portr¨ats m¨ussen vor dem Hintergrund eines erweiterten Verst ¨andnisses von All- tagskultur betrachtet werden. Zwar ist ihr Gegenstand weitgehend

”aristokratisch“ gepr ¨agt.

Doch dient die Erweiterung des Alltags-Begriffs dazu, eine einseitige Beschr ¨ankung auf ein Ph¨anomen der

”Elitekultur“ aufzubrechen. Wieder liefern Arlette Farge und Natalie Zemon Davis die Begr ¨undung:

Es handelt sich hier um eine erweiterte Sicht des Alltags: Der Beschreibung der Frau zwi- schen Arbeit, Ehe und Familie [...] entspricht [...] eine Analyse derjenigen Frau, die auf- grund ihrer Herkunft in die

”Politik“ eingetreten ist, der K¨onigin und der Prinzessin. Diese ungew¨ohnliche Aufteilung ist weder durch die Lust am Paradoxen noch durch den Wunsch zu schockieren motiviert. In der Tat handelt es sich hier um die bescheidene Vorstellung ei- ner neuen Konzeption der Geschichtsschreibung. Vom 16. bis zum 18. Jahrhundert nimmt die Frau ohne jeden Zweifel an der

”Politik“ teil, auch wenn dieses Wort damals nat¨urlich nicht die Bedeutung haben konnte, die es heute hat. Und wer kann dies besser demon- strieren als Prinzessinnen und K¨oniginnen? Es ist zweifellos an der Zeit, die Geschichte der K¨oniginnen und der Frauen des Hofes aus dem Ghetto sehr eingeschr¨ankter Sicht- weisen, aus den Anekdoten und Bettgeschichten herauszuholen. H¨ofische Verbindungen, M¨atressen, Gunstbezeigungen, strategische Eheschließungen und Intrigen k¨onnen durch- aus im Sinne eines politischen Funktionierens einer Hofgesellschaft analysiert werden, die mit ihren Anliegen und ihren zahlreichen Schwierigkeiten ringt. Niemand wird ¨ubersehen, daß ein Abgrund eine Magd von einer K¨onigin trennt, und der ihnen [...] jeweils zuge- wiesene Platz soll diese Kluft nicht reduzieren, sie vielmehr betonen und somit zeigen, daß jede weibliche Situation in ihrem sozialen und politischen Kontext analysiert werden muß. Zwischen diesen beiden extremen Gestalten, zwischen Melkschemel und Thron, lie- gen andere weibliche Wirklichkeiten. Der K¨orper der Frau, ihr Erscheinungsbild, ihre Sexualit¨at machen sie so anziehend und so gef¨ahrlich. [...] Die Mechanismen der da- mit zusammenh¨angenden ¨Asthetik und Verf¨uhrungskraft waren so kodiert, daß das arme, aber h¨ubsche M¨adchen großen Gefahren ausgesetzt war, w¨ahrend das arme und h¨aßliche M¨adchen ¨uberhaupt keine Identit¨at besaß.6

Die identit¨atsstiftende Funktion der Sch ¨onheit hatte zur Folge, daß Frauenportr ¨atgalerie und Sch¨onheitengalerie sp ¨atestens seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert in eins fallen. Und wenn das arme, h¨aßliche und sozial niedrigstehende M ¨adchen keine Identit ¨at besaß, dann war um- gekehrt das h ¨aßliche, aber sozial hochstehende und folglich eine Identit ¨at besitzende M¨adchen sch¨on. Der Begriff

”sch¨one Frau“ steht aus diesem Grund im vorliegenden Text h ¨aufig in Anf ¨uhrungszeichen. Es geht weniger um eine tats ¨achliche Erscheinung als um eine gesell- schaftliche Kodierung von Sch ¨onheit.

5Ebd., S. 12. Der genannte Band enth¨alt vier weitere Beitr¨age, die hier von Interesse sind: Sara F. Matthews Grieco, K ¨orper, ¨außere Erscheinung und Sexualit¨at; V´eronique Nahoum-Grappe, Die sch¨one Frau; Franc¸oise Borin, Frauen- bilder, u. Claude Dulong, Salonkultur und Literatur von Frauen, in: ebd., S. 61-101, 103-118, 211-278, u. S. 415-440.

6Ebd., S. 15f. - Zur subjekt- und identit¨atskonstituierenden Funktion von Sch¨onheit vgl. auch: Marie Claude Phan, Sich sch¨on machen heißt, sich zur Frau manchen. ¨Uber die Gestaltung des Gesichts im Italien des 15. und 16. Jahrhun- derts, in: Olivier Burgelin, Philippe Perrot (Hrsg.), Vom ewigen Zwang zu gefallen. Etikette und¨außere Erscheinung, Leipzig: Reclam 1994, S. 62-79.

(15)

Es liegt notwendigerweise in der Struktur der Sch ¨onheitengalerien begr ¨undet, daß in dieser Arbeit in erster Linie nur die h ¨ofischen Seite des Frauenlebens reflektiert wird. Trotzdem ist der Gegenpart in der Gestalt des

”armen, aber h ¨ubschen M¨adchens“ sp¨atestens seit dem englischen Restaurationshof h ¨aufiger in den Frauenportr ¨atgalerien vertreten7.

Die Frauenportr ¨atgalerie ist demnach vorrangig in einer sozialen Gruppe situiert, die Nor- bert Elias als

”h ¨ofische Gesellschaft“ bezeichnet hat8. Dieser Begriff wird hier ¨ubernommen, aber modifiziert. Wenn von

”h ¨ofischer Gesellschaft“ gesprochen wird, dann nicht im Sinn ei- nes monolithischen gesamteurop ¨aischen Ph¨anomens nach franz ¨osischem Vorbild, wie es von Elias behauptet wird, sondern entsprechend ihrer jeweiligen regionalen Struktur, die sich in Hofordnung und Zeremoniell ¨außert9. Die h ¨ofische Gesellschaft wird als eine soziale Forma- tion verstanden, deren Struktur sich an den verschiedenen H ¨ofen Europas prinzipiell ¨ahnelt, deren jeweilige spezifische Organisation sich jedoch zum Teil deutlich unterscheidet.

Allerdings ist dies aus dem hier gew ¨ahlten Betrachtungswinkel nur ein sekund ¨ares Problem.

Die jeweiligen Viten der Protagonistinnen dieser Arbeit sind gerade dadurch charakterisiert, daß sie die soziale Ordnung des Hofes, an dem sie situiert sind, tendenziell durchbrechen.

Außerdem geben Hofordnungen und Zeremoniellb ¨ucher ein vergleichsweise ideales Bild der H¨ofe10, deren Realit¨at aber h¨aufig weit von ihrer vorbildlichen Gestalt der Theorie entfernt war.

Die verschiedenen Verbindungslinien zwischen Frauenportr ¨atgalerie und h ¨ofischer Gesell- schaft bedingen auch, daß diese Galerien als ein Ph ¨anomen der Fr ¨uhen Neuzeit behandelt wer- den. Der Untersuchungszeitraum endet in etwa mit dem Jahr 1715: Mit dem Tod Ludwigs XIV.

ist in den meisten europ ¨aischen Staaten eine h ¨ofische Kultur vollst¨andig ausgepr ¨agt – gleich- viel, ob in Anlehnung an das oder in Konkurrenz zu dem franz ¨osischen Modell. Der Spanische Erbfolgekrieg hatte gleichzeitig die Grenzen des durch die h ¨ofische Kultur repr ¨asentierten po- litischen Systems aufgezeigt. Das 18. und sogar noch das 19. Jahrhundert setzten zwar die Tradition der Frauenportr ¨atgalerie fort. Doch zeigt das KapitelAusblick, daß das funktionale Spektrum der Galerien sich nicht mehr erweitert, es sei denn, daß in retrospektiver Weise auf eine bestimmte ¨altere Position bezuggenommen und nun als

”historische“ begriffen wird.

Die Begriffe

”Portr¨at“ und

”Bildnis“ werden in dieser Arbeit synonym gebraucht. Sie be- zeichnen Kunstwerke, deren wesentlicher Zweck die Darstellung eines oder mehrerer Men- schen ist. So banal diese Feststellung zun ¨achst erscheint, so wird damit doch eine bestimmte Absicht verfolgt: Sp ¨atestens seit dem sp¨aten 18. Jahrhundert und der Romantik werden Portr ¨ats

¨uber die Wiedererkennbarkeit der Dargestellten als unverwechselbare Individuen definiert, ist

7Diese Aussage bedeutet nicht, daß von einer linearen Entwicklung der Sch¨onheitengalerien im Sinne einer zuneh- menden sozialen ¨Offnung gesprochen werden kann. In gewissem Sinne stehen sich am Anfang und am Ende der Entwicklung mit den Projekten von Vincenzo I. Gonzaga und von Ludwig I. von Bayern strukturell sehr ¨ahnliche Galerien gegen¨uber. Diese zun¨achst recht paradox anmutende Anmerkung wird sich mit dem Fortgang der Argu- mention und in Folge einer st¨arkeren Differenzierung zwischen einzelnen Galerien aufkl¨aren. Vgl. zu den genannten Beispielen Abschnitt 3.3.2 u. Kap.Ausblick.

8Norbert Elias, Die h¨ofische Gesellschaft. Untersuchungen zur Soziologie des K¨onigtums und der h¨ofischen Aristo- kratie, Frankfurt a.M.: Suhrkamp TB61992 [1969].

9Zur Kritik an Elias in diesem Zusammenhang vgl. Volker Bauer, Die h¨ofische Gesellschaft in Deutschland von der Mitte des 17. bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. Versuch einer Typologie [Fr¨uhe Neuzeit, Bd. 12], T¨ubingen:

Niemeyer 1993, bes. S. 33-53.

10Vgl. hierzu die vorz¨ugliche ¨Ubersicht aus frauengeschichtlicher Perspektive von Sabine Koloch, Zeremoniellb¨ucher als Forschungsaufgabe kulturhistorischer Frauenforschung, in:Kritische Berichte, Jg. 24, 4/1996, S. 43-60.

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das Subjekt im Gesicht erkennbar und auch darstellbar. In der 2. H ¨alfte des 19. Jahrhunderts hat dann Jacob Burckhardt die Entwicklung des Individuums am Beginn der Fr ¨uhen Neuzeit in der italienischen Renaissance verortet11. Und noch 1985 hat Gottfried Boehm den Ursprung der Portr¨atmalerei in der italienischen Renaissance durch die Koppelung von Bildnis und In- dividuum beschrieben12. Boehm z¨ahlt die Bildnisse sch ¨oner Frauen folglich zur Kategorie der nicht-individualisierten Portr ¨ats. Eine Definition des Bildnisses durch die zwingende Ver- bindung von individualisierter Repr ¨asentation und Subjektkonstituierung muß aber abgelehnt werden. Sie mißversteht die identit ¨atsstiftende Funktion von Maske und Rolle in der Fr ¨uhen Neuzeit. In dieser Epoche wurde das Portr ¨at gerade wegen seiner zwischen dargestellter Person und Betrachter vermittelnden Rolle eingesetzt13. Nicht unverwechselbare physiognomische Eigenheiten geben im Bild ¨uber ein vermeintliches Individuum Auskunft, sondern Botschaf- ten werden kodiert und an einen bestimmten Rezipientenkreis mitgeteilt14. Die Dargestellten einer Portr¨atserie stehen zudem im Spannungsfeld von Subjekt und sozialer Formation, der sie angeh ¨oren und die in einer Bildnisgalerie in der Regel auch repr ¨asentiert wird15.

Die Entwicklung der Portr ¨atmalerei folgt innerhalb der Kunstgeschichte bis zu einem ge- wissen Grad eigenen Gesetzen16. Unabh¨angig von seiner sozialen Kodierung – und doch auf das engste mit dieser verflochten – ist das Portr ¨at das Konstrukt einer kunstimmanenten Ent- wicklung, die selbstredend wiederum nicht außerhalb gesellschaftlicher Einflußlinien gedacht werden kann. Gemeint ist eine Doppelkodierung des Bildnisses: eine soziale, die die Darge- stellten zum Gegenstand hat, und eine ¨asthetische, die die Darstellungsmodi betrifft und auf einer zweiten Ebene wieder sozial definiert wird. Seit der Entstehung des nachantiken Portr ¨ats in der Renaissance entfaltet sich ein Wechselspiel zwischen den beiden Polen der sozialen und der ¨asthetischen Kodierung des Bildnisses. Gattungstheoretische ¨Uberlegungen f ¨uhren zur Anlagerung von Elementen der in der Hierarchie h ¨oher stehenden Historie an das Portr ¨at, womit nicht nur die Bildniskunst, sondern auch die dargestellte Person eine Standeserh ¨ohung erfuhren. Mit der

”Etablierung eines mittleren Genres“17im 18. Jahrhundert war die Assimilie- rung von Genre-Elementen im Portr ¨at, zum Beispiel durch Pietro Rotari18, notwendige Folge eines Prozesses, mit dem die traditionelle Gattungshierarchie durch K ¨unstler und Publikum fortschreitend in Frage gestellt wurde.

Die traditionelle Gattungshierarchie hatte einen weitreichenden Einfluß auf das Fach Kunst- geschichte. Die angeblich niedere Gattung des Portr ¨ats und die serielle,

”unk ¨unstlerische“

11Jacob Burckhardt, Die Kultur der Renaissance in Italien, Frankfurt a.M.: Deutscher Klassiker Verl. 1989 [1860], S. 137-174.

12Gottfried Boehm, Bildnis und Individuum. ¨Uber den Ursprung der Portr¨atmalerei in der italienischen Renaissance, M¨unchen: Prestel 1985.

13Vgl. Andreas Prater, Die vermittelte Person. Berninis B¨uste Ludwig XIV. und andere Portraits des Barock, in: Wil- helm Schlink (Hrsg.), Bildnisse. Die europ¨aische Tradition der Portraitkunst, Freiburg i.Br.: Rombach 1997, S. 161- 220.

14Die Arch¨aologie hat ein solches Modell bereits relativ fr¨uh entwickelt. Vgl. Luca Giuliani, Bildnis und Botschaft.

Hermeneutische Untersuchungen zur Bildniskunst der r¨omischen Republik, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1986.

15Zur Kritik an Boehm besonders in diesem Aspekt vgl. Peter Burke (Rez.), Gottfried Boehm, Bildnis und Individuum.

Uber den Ursprung der Portr¨atmalerei in der italienischen Renaissance, M¨unchen, Prestel, 1985, in:¨ Kunstchronik, Bd. 41, 1988, S. 24ff.

16Vgl. BOEHM1985, S. 9.

17Vgl. Werner Busch, Das sentimentalische Bild. Die Krise der Kunst im 18. Jahrhundert und die Geburt der Moderne, M¨unchen: Beck 1993, S. 239-263.

18Vgl. Kap.Ausblick.

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Fertigung der Galerien ließen es als gerechtfertigt erscheinen19, in Serie gemalte weibliche Bildnisse nur am Rande des traditionellen kunsthistorischen Kanons wahrzunehmen. Dar- aus ergibt sich ein Forschungsdefizit bei der Lokalisierung des heutigen Aufenthaltorts, der Zuschreibung an einen Maler und der genaueren Identifzierung der Dargestellten einzelner Portr¨ats:

The moment a portrait of a beauty leaves its original place in a castle or a family gallery and begins its wandering throughout the world in quest of a new abode, it generally loses its first and right name and runs danger of being re-named after one of the famous women of its time. It is a loss for art history as well as for general history because it not only deprives them of an original person, but also involves the wrong attribution to an artist and destroys the possiblity of a right identification of a replica or a later copy.20

Ein weiteres Problem stellt der

”romantische“ Versuch der ¨alteren Kunstgeschichte dar, m¨oglichst viele Bildnisse ber ¨uhmter Frauen der Vergangenheit zu

”erhalten“, ein Unterfan- gen, das selbst bereits wieder interpretationsw ¨urdig ist und ein interessantes Licht auf das Frauenbild der Kunstgeschichte des 19. und fr ¨uhen 20. Jahrhunderts wirft:

It is amazing how little imagination and knowledge of the faces of the historical figures are displayed in the attribution of portraits in general and those of the famous beauties in particular. There are four or five names for the Renaissance women: Beatrice d’Este for the Milanese School; her sister, Isabella d’Este for the Ferrarese artists and Titian;

Bianca Capello and the ladies of the Medici family for Bronzino. All seventeenth century female portraits by English artists are called, where they lack a name, Nell Gwynn or Barbara Villiers, and most of the seventeenth century French portraits, of blond and dark- haired women alike, bear the name of Hortense Mancini, Duchess of Mazarini, or her sister Maria. Their only rivals are Mme de Montespan and Mlle de la Valli`ere whose names were attached to several portraits without any consideration of likeness.21

Eine Studie, die weibliche Portr ¨ats zum Gegenstand hat, kann nicht ohne die Ber ¨ucksichti- gung neuerer Ans ¨atze und Ergebnisse der Geschlechterforschung vorgenommen werden. Die Einf ¨uhrung der Kategorie des sozial und kulturell determinierten Geschlechts –genderoder Genus – in Unterscheidung von biologi(sti)schen Definitionen ist eines der wichtigsten Er- gebnisse der diesbez ¨uglichen Forschung der letzten drei Jahrzehnte22. Die Hervorkehrung der Differenz der Geschlechter hat eine Reihe bisher nicht hinterfragter Theoreme von angeblich universalgeschichtlicher Relevanz als m ¨annlichen Perspektivismus benannt. Weniger beachtet wurde aber, daß die neuen Erkenntnismethoden selbst der Gefahr unterlagen, einseitige Ge- schichtsmodelle zu propagieren. Der ¨Ubergang von der Frauenforschung der sp ¨aten 1960er und 70er Jahre zur gegenw ¨artigen Geschlechterforschung konnte diesem Problem nur zum Teil begegnen. Die Kategorie des Geschlechts zieht weitere Differenzierungen etwa sozialer, ethnischer, religi ¨oser und kultureller Art nach sich. Sie beschleunigt einen Prozeß des wissen- schaftlichen Erkenntnisgewinns, an dessen Ende nur noch Aussagen ¨uber kleine, spezifische und im oben genannten Sinn mehrfach definierte Gruppen gemacht werden k ¨onnen.

19Vgl. die Urteile der ¨alteren Kunstgeschichte zu einzelnen Sch¨onheitengalerien und Bildnissen, die in den folgenden Kapiteln wiedergegeben werden.

20Lada Nikolenko, The Beauties’ Galleries, in:Gazette des Beaux-Arts, 108. Jg., 1966, S. 19-24, hier S. 22.

21Ebd., S. 20f.

22Einen soliden ¨Uberblick innerhalb einer inzwischen kaum mehr ¨uberschaubaren Literatur bietet: Hadumod Buß- mann, Renate Hof (Hrsg.), Genus. Zur Geschlechterdifferenz in den Kulturwissenschaften, Stuttgart: Kr¨oner 1995.

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Diese Zersplitterung der wissenschaftlichen Erkenntnis k ¨onnte zur Folge haben, daß gene- ralisierte Aussagen kaum noch zu treffen w ¨aren. Andererseits ergibt sich aus der Vervielf ¨alti- gung relevanter Differenzkategorien auch, daß eine einzige Kategorie wie das Geschlecht als Erkl¨arungsmodell nicht absolute Relevanz erlangen kann. Vielmehr entsteht eine Textur dif- ferenter Aspekte, die wiederum als ¨ubergreifendes, komplexes, aber keinesfalls teleologisch ausgerichtetes Geschichtsmodell verstanden werden kann. Die vorliegende Studie sieht sich auf dieser Grundlage in der Position, einen ¨uber mehrere Jahrhunderte w ¨ahrenden Entwick- lungsstrang verfolgen zu k ¨onnen. Die soziale Konstruktion von Geschlecht im Sinn vongender oder Genus wird dabei vorausgesetzt, ohne daß diese Begriffe im Text unbedingt Verwendung finden. Inzwischen sollte diese Definition im Kontext einer historischen Studie Vorrang vor dem biologischenSexusgenießen und nicht eigens gekennzeichnet werden m ¨ussen.

Eine weitere Unterscheidung, die sich aus der j ¨ungeren Forschung ergibt, ist die zwischen Selbst- und Fremdrepr ¨asentation. Repr¨asentation meint hier Darstellung im weiteren Sinne des englischenrepresentation. Im Bereich der Portr ¨atmalerei verweist diese Differenzierung meist auf die Anteile von Dargestellten und Darstellenden am Bild. Der wissenschaftliche Zugriff auf das Eigene und das Fremde kann selbstredend nur n ¨aherungsweise erfolgen, da der Verfasser weder mit dem einen noch dem anderen identisch ist. Trotzdem ist es sinnvoll, beispielsweise nach den jeweiligen Anteilen der Auftraggeberin, des K ¨unstlers, des Programm- autors und verschiedener politischer Entscheidungstr ¨ager an der Repr ¨asentation der Maria de’

Medici in ihrer Galerie im Palais du Luxembourg zu fragen und diese den beiden genannten Kategorien zuzuordnen23. Die Funktion eines Bildes und seine Bedeutung k ¨onnen so – gerade aus geschlechtergeschichtlicher Perspektive – in ihrer Komplexit ¨at exakter bestimmt werden.

Die Frage nach dem Repr ¨asentierten hat auch Auswirkungen auf die gew ¨ahlten Begrifflich- keiten: In einer Vorbemerkung

”zur Nomenklatur“ seiner Monographie der Sch ¨onheitengalerie Ludwigs I. von Bayern hat Gerhard Hojer auf terminologische Unterschiede bei der Benen- nung dieses Sammlungstyps hingewiesen. Zwischen

”Sch¨onheiten-“ und

”Sch¨onheitsgalerie“

entscheidet er sich f ¨ur letzteren, inzwischen gebr ¨auchlicheren Begriff und begr ¨undet dies mit dem”¨asthetischen und sittlichen Ideal“ Ludwigs24.

”Sch¨onheit“ repr ¨asentiert danach ein all- gemeines, ¨uberindividuelles Ideal, w ¨ahrend der Ausdruck

”Sch¨onheiten“ die einzelnen Darge- stellten meint25. Aus der Perspektive dieser Arbeit ist es richtiger, von

”Sch¨onheitengalerien“

zu sprechen, da der Begriff

”Sch¨onheiten“ individuelle Personen bezeichnet. So nennt John Evelyn die Mitglieder eines Hofstaats

”great beauties, & noble-men“26. Die zeitgen ¨ossischen Bezeichnungen der Galerien sind selten besonders pr ¨azis. Ludwig I. von Bayern und dessen Zeitgenossen umschrieben seine Sammlung als Sch ¨onheiten-Sammlung, Sch ¨onheitengalerie, Sch¨onheitssammlung und als

”meine Sammlung der Sch ¨onheiten“. Aussagen zu ¨alteren Ga- lerien entsprechen noch weniger einer bestimmten Klassifikation:

”Li ritratti di tutte le pi`u

23Vgl. Abschnitt 1.3.3.

24Gerhard Hojer, Die Sch¨onheitsgalerie K¨onig Ludwigs I., M¨unchen/Z¨urich: Schnell & Steiner31990 [1979], S. 8.

25Ein ¨ahnliches Problem stellt die Unterscheidung zwischen Antike- und Antikenrezeption dar. Vgl. dazu: Wolfgang Ernst, Historismus im Verzug. Museale Antike(n)rezeption im britischen Neoklassizismus (und jenseits) [Beitr¨age zur Geschichtskultur, Bd. 6], Hagen: Rottmann 1992, S. 13:

Die in dieser Arbeit typographisch unentschiedene Schreibweise der ‘Antike(n)rezeption’ m¨ochte das Spannungsverh¨altnis zwischen dem historischen Gegenstand al- tertumskundlicher Texte (Antike) und dem arch¨aologischen Objekt (Antiken), also das darin implizierte diskursive Zittern zwischen Signifikant und Signifikat des Klassizismus offen zutage treten lassen. Roland Barthes hat auf den sinnproduktiven Effekt semantischer Verflechtungen im Schriftbild hingewiesen.“

26Vgl. Abschnitt 4.1.4.

(19)

belle dame del mondo“ heißt es bei Vincenzo I. Gonzaga,

”un grand salon, o`u sont les plus belles femmes de la Cour“ bei Bussy-Rabutin und

”die Bildnisse mehrerer Sch ¨onheiten, die ich gesammelt habe [...]“ bei Wilhelmine von Bayreuth27.

Eine ¨ubergreifende Untersuchung der Frauenportr ¨atgalerien der Fr ¨uhen Neuzeit stand bisher noch aus. Ein kurzer Aufsatz Lada Nikolenkos in derGazette des Beaux-Artsvon 1966 gab einen ersten ¨Uberblick vor allem der italienischen Galerien des 17. Jahrhunderts28. Weitere Er- gebnisse vor allem zur Typologie der Sch ¨onheitengalerien wurden in der j ¨ungeren Literatur zur Galerie Ludwigs I. von Bayern erbracht, und zwar durch Ulrike von Hase im entsprechenden Kapitel ihrer Stieler-Monographie29und Gerhard Hojer mit den Bemerkungen zu typenge- schichtlichen Wurzeln der Frauengalerie in seiner Monographie der Galerie Ludwigs30. Auf- grund ihrer Funktion als historische Herleitung zu einer Werkgruppe innerhalb einer K ¨unst- lermonographie bzw. aufgrund ihrer Orientierung an einer breiteren Leserschaft konnten diese Arbeiten notwendigerweise nur einzelne Aspekte herausstellen. Eine 1974 verfaßte Leidener doctoraalscriptievon Nora Schadee h ¨atte f¨ur die Forschung einen Impuls und mit der Zusam- menstellung der wichtigsten Objekte eine Basis f ¨ur weitergehende Untersuchungen abgeben k ¨onnen, wenn diese Arbeit ver ¨offentlicht worden w ¨are31. In den letzten Jahren waren einzelne Maler wie Johann Heinrich Tischbein d. ¨A., einzelne Gattungen wie das englische Identifikati- onsportr¨at oder einzelne Galerien wie die in Dessau-Mosigkau Gegenstand monographischer Untersuchungen32. In diesen Arbeiten wurden – von dem jeweiligen Gegenstand ausgehend – jeweils kurze ¨Uberblicke zur Entwicklung der Frauenportr ¨atgalerien gegeben. Jede gab wert- volle Anregungen zum Thema, betonte aber meist auch das noch vorhandene Forschungsdefi- zit.

Mit der vorliegenden Studie wird eine vollst ¨andigere Sicht auf weibliche Portr ¨atreihen der Fr¨uhen Neuzeit versucht. Eine katalogartige Gesamtschau ist jedoch nicht beabsichtigt, viel- mehr wird das Material in exemplarischen Analysen dargeboten und diskutiert. Im Mittel- punkt der Untersuchung stehen Werkkomplexe der Bildenden Kunst, die allerdings zumeist erst mittels historischer Inventare und anderer Dokumente in ihrem Bestand rekonstruiert werden m ¨ussen. H¨aufig sind die Quellen rar, wenig aussagekr ¨aftig, widerspr ¨uchlich oder – schlimmstenfalls – gar nicht vorhanden. Andernorts ist wieder die schriftliche ¨Uberlieferung aussagekr¨aftig, die Kunstwerke sind dagegen verloren. Die Verkn ¨upfung von Bild- und Text- quellen nimmt dabei von Mal zu Mal kriminalistische Z ¨uge an. Diese

”Detektivarbeit“ wird in der Regel im Text dargelegt. Der Leser hat so die Gelegenheit, an der Rekonstruktion einzel- ner Frauenportr ¨atgalerien teilzuhaben. Ein umfangreicher Anhang gibt wichtige Textquellen im Wortlaut wieder und erlaubt, die Argumentation des Verfassers kritisch zu begleiten. Nicht

27Vgl. HOJER1979, S. 8 (zu Ludwig I.); zu den ¨ubrigen Zitaten vgl. die Nachweise in den Abschnitten: 3.3.2, 4.2.2 u. 4.6.2.

28NIKOLENKO1966.

29Ulrike von Hase, Joseph Stieler 1781-1858. Sein Leben und sein Werk. Kritisches Verzeichnis der Werke [Materialien zur Kunst des 19. Jahrhunderts, Bd. 4], M¨unchen: Prestel 1971, S. 91-107.

30HOJER1979, S. 25-35.

31Nora Schadee, Galante galerijen. Een poging tot karakterisering van de schoonhedengalerij, doctoraalscriptie Leiden o.J. [1974]. Das anscheinend einzige ¨offentlich zug¨angliche Exemplar befindet sich im Kunsthistorischen Institut der Universit¨at Leiden. Einedoctoraalscriptieentspricht in Anspruch und Umfang ungef¨ahr einermaster thesisbzw. einer gr¨oßeren Magisterarbeit.

32Vgl. zu den genannten Beispielen die Literaturverweise der Abschnitte 4.1.1, 4.1.3-4.1.6 u. Kap.Ausblick.

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zuletzt soll der Corpus an Texten auch anderen Wissenschaftlern Gelegenheit zu weiterer For- schung geben.

(21)

Die Heldinnengalerie: Von Ber¨uhmten Frauen und Ber¨uhmten M¨annern in Bildender Kunst und Literatur

Die Entstehung von

”Frauengalerien“ ist in den letzten Jahren verst ¨arkt zum Gegenstand kunst- historischer Forschung geworden33. Der Begriff meint Frauen in literarischen Sammelvi- ten wie in Bildnisfolgen unterschiedlicher ikonographischer Typologie: Im wesentlichen sind diese zu unterscheiden in idealtypische Folgen vonmulieres illustresund in Folgen mit kon- kreter Portr¨atabsicht, wobei ¨Uberlagerungen vorkommen k ¨onnen und nicht selten von den Auftraggebern beabsichtigt sind. Die Erforschung dieser Gattung erfolgte nicht zuletzt aus spezifisch frauen- bzw. geschlechtergeschichtlicher Perspektive, ist doch der

”Frauenkatalog“, die Auflistung herausragender Frauen und ihrer Leistungen ein zentrales Beweismittel fr ¨uher feministischer Schriften34. Viele Fragen sind allerdings noch offen geblieben bzw. stellen sich erst jetzt auf der Grundlage eines entwickelten Forschungsstandes. In unserem Zusammen- hang sind vor diesem Hintergrund vor allem zwei Gesichtspunkte von Interesse: Zum einen die Bedeutung der Darstellung von Frauen im Kontext

”etablierter“ M¨anner-Folgen, zum an- deren die Funktion der jeweils als

”weiblich“ verstandenen Eigenschaften der Dargestellten in diesem Kontext.

1.1 Grundlagen in der antiken Literatur

ZyklenBer ¨uhmter Frauensind in ihrer Entstehung strukturell nicht von den ¨alteren M¨anner- Folgen zu trennen. Viri illustresentstehen in der Antike als Sammelviten von M ¨annern mit exemplarischervirtus. Auf der Grundlage verschiedener Traditionsstr ¨ange griechischer Bio- und Historiographie finden sich die Anf ¨ange biographischer Reihen Ber ¨uhmter M¨anner im 1. Jahrhundert v.Chr. bei den r ¨omischen Autoren Varro, Atticus, Cicero und Cornelius Nepos.

Plutarch, Plinius d.J. und Sueton schaffen dann die f ¨ur die nachantike Rezeption bedeutsamen Kompilationen. Mit der Etablierung des Christentums wurde die Gattung zur Propagierung christlicher Moralvorstellungen aufgegriffen. Als Tugendexempel ersetzten jetzt

”christliche Helden“ ihre heidnischen Vorg ¨anger35.

Die ersten Biographien von Frauen finden sich in den Vitensammlungen Plinius’ d.J. und ei- nes anonymen Zeitgenossen: Sie betreffen Cloelia, deren Vita wie die der Lukretia eng mit den

33Vgl.: La Galerie des Femmes Fortes / Die Galerie der Starken Frauen. Die Heldin in der franz¨osischen und ita- lienischen Kunst des 17. Jahrhunderts. Bearbeitet von Bettina Baumg¨artel uns Silvia Neysters, Ausst.kat. D¨ussel- dorf/Darmstadt, M¨unchen: Klinkhardt & Biermann 1995.

34Vgl. zu Vorkommen und Funktion von Frauenkatalogen in verschiedenen fr¨uhen Schriften zur Geschlechterfrage, besonders bei Christine de Pizan: Magarete Zimmermann, Vom Streit der Geschlechter. Die franz¨osische und italieni- sche Querelle des Femmes des 15. bis 17. Jahrhunderts, in: ebd., S. 14-33.

35Zur Geschichte derviri-illustres-Thematik in der antiken Literatur: Christiane L. Joost-Gaugier, The Early Begin- nings of the Notion of

Uomini Famosi“ and the

De Viris Illustribus“ in Greco-Roman Literary Tradition, in:artibus et historiaeNr. 6, 1982, S. 97-115. Zum Stellenwert der Thematik im Mittelalter vgl.: Ludwig Traube, Vorlesungen und Abhandlungen, Bd. 2: Einleitung in die lateinische Philologie des Mittelalters, M¨unchen: Beck 1911, S. 162-165.

21

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Anf¨angen der r ¨omischen Republik verbunden ist, und die Vestalin Claudia. Bei Plutarch ist die Vitensammlung von Frauen nicht Teil seiner Parallelbiographien, sondern wurde mit anderen Schriften zu seinenMoraliazusammengefaßt36. Diese Sammlung wurde in der Renaissance aber auch separat ediert und hatte besonders auf dieQuerelle des Femmeseinen nicht geringen Einfluß. Außerhalb der engeren Grenzen derviri illustres-Thematik k ¨onnen allerdings wesent- lich ¨altere Frauenreihen ausgemacht werden. Die seit dem Altertum Hesiod zugeschriebe- nenFrauenkatalogebilden eine nach genealogischen Gesichtspunkten erstellte Sammlung von Frauengestalten, die Verbindungen mit G ¨ottern eingegangen waren, und deren Nackommen- schaft halbg ¨ottlicher Heroinen und Heroen37. Sie Sammlung wurde vermutlich angeregt von der Aufz¨ahlung der

”Frauen und T ¨ochter von Helden“ im elften Buch der Odyssee38. Neben diesen vorwiegend positiv besetzten Frauengestalten findet sich bei Hesiod aller- dings auch einerdermisogynen Mythen aus den Anf ¨angen der abendl ¨andischen Kultur: die Pandoralegende39. An diese schließt sich der fr ¨uhgriechische Dichter Semonides mit einer Typenreihe von Frauen an, deren Charakter durch ihre Abkunft von Tieren bestimmt ist. Typi- sierung und Reihung, grundlegende Muster misogyner Literatur, sind hier bereits angelegt40.

Von den lateinischen Autoren ¨uberliefern vor allem Vergil in seinerAeneisund mehr noch Ovid in denHeroidesumfangreichere Frauenkataloge41, deren Rezeption dem Mittelalter im Gegensatz zu den griechischen Texten keine Probleme bereitete.

36JOOST-GAUGIER1982A, S. 112. Vgl. Plutarchus, Moralia, Bd. 2, Leipzig: Teubner21971 [1935], S. 225-272:

Mulierum Virtutes.

37Hesiod, S¨amtliche Gedichte. Theogonie – Erga – Frauenkataloge. ¨Ubersetzt und erl¨autert von Walter Marg, Z ¨urich/Stuttgart: Artemis 1970, S. 393-536. Zur Aktualit¨at Hesiods in der prezi¨osen Frauenliteratur des 17. Jahrhun- derts (s. die Abschnitte 1.3.3 u. 1.4) vgl. Renate Baader, Dames de lettres. Autorinnen des prezi¨osen, aristokratischen undmodernen“ Salons (1649-1698): Mlle de Scud´ery – Mlle de Montpensier – Mme d’Aulnoy [Romanistische Abhandlungen, Bd. 5], Stuttgart: Metzler 1986, S. 121f.

38Homer, Od., 11, 195-329. – Vgl. zu diesen Frauenkatalogen: Glenda Mcleod, Virtue and Venom. Catalogs of Women from Antiquity to the Renaissance, Ann Arbor: The University of Michigan Press 1991, S. 11-24.

39Hesiod,Theog., 570-612,Erga, 60-105 [HESIOD1970, S. 58ff., 235-242 (Kommentar), 310f., 344ff. (Kommentar)].

– Die klassische Studie zur Pandoralegende: Dora Panofsky, Erwin Panofsky, Pandora’s Box. The Changing Aspects of a Mythical Symbol [Bollingen Series, Bd. 52], Princeton: Princeton UP21962 [1956].

40Vgl. Hermann Fr¨ankel, Dichtung und Philosophie des fr¨uhen Griechentums. Eine Geschichte der griechischen Epik, Lyrik und Prosa bis zur Mitte des f¨unften Jahrhunderts, M¨unchen: Beck31969, S. 232-236. Das Fragment des Semo- nides enth¨alt einen guten und sieben schlechte Tier- bzw. Naturtypen, z.B.:

Verschieden hat den Geist des Weibes Gott gemacht im Anfang. Eine aus der Sau, dem Borstenvieh, [...].

Aus Meer die andre; sie hat zweierlei Sinn.

An einem Tage lacht sie und ist sehr vergn¨ugt;

der Fremde, der ins Haus kommt, ist des Lobes voll:

Bei allen Menschen gibt es keine zweite Frau, die trefflich ist wie diese oder sch¨on wie sie“.

Ein andermal ist sie nicht zu ertragen und nicht anzusehen, unzug¨anglich, denn sie tobt unnahbar wie die H¨undin ¨uber ihrem Wurf;

zu allen: Feinden, Freunden, ohne Unterschied benimmt sie sich ungn¨adig, schroff und widerlich.

So wie die See oft unbeweglich stille steht, harmlos und f¨ur den Schiffer eine große Lust zur Zeit des Sommers, aber oft dann wieder tobt gewaltig str¨omend mit der Wellen lautem Schall:

ihr l¨aßt am ehesten sich vergleichen solch ein Weib mit ihren Launen und der wechselnden Natur. [...]

(Zitiert nach Fr¨ankel, S. 232f.).

41Vgl. zu beiden und weiteren Beispielen: MCLEOD1991A, S. 14-34.

(23)

1.2 Mittelalterliche Tradition und fr ¨uhhumanistische Vitenliteratur in Bildzyklen des Trecento und des Quattrocento: Boccaccio, Neuf Preux und Neuf Preuses , Petrarca

1.2.1 Die Thematik der Ber¨uhmten Frauen zwischen Hof und fr ¨uhem B ¨urgertum

Aufgrund ihrer nur ungen ¨ugenden ¨Uberlieferung haben bildliche Darstellungen Ber ¨uhmter M¨anner in der antiken Kunst keinen Einfluß auf die Entstehung monumentaler Folgen vonuo- mini famosiunddonne famosein der italienischen Malerei des Trecento gehabt42. Bereits der fr ¨uheste bekannte, Giotto zugeschriebene, wenn auch nicht erhalteneuomini illustri-Zyklus im Castelnuovo von Neapel enthielt Frauenfiguren, die biographisch mit den dargestellten Hel- den verbunden waren. Demnach handelte es sich nicht um eine Folge von eigenst ¨andigen donne famose. Auftraggeber war K ¨onig Robert d’Anjou von Neapel, in dessen Regierungs- zeit von 1309 bis 1343 folglich die Ausf ¨uhrung der Fresken anzusetzen ist. Wegen ihrer fr ¨uhen Zerst¨orung w¨ahrend der Regierung Alfons V. von Aragon (1416-1458) erscheint ihre Zuschrei- bung an Giotto u.a. durch Ghiberti und Vasari als nicht gesichert, zumal die Autorschaft Giottos an den ihm ebenfalls von Ghiberti zugeschriebenen Incoronata-Fresken von Neapel in der For- schung stark angezweifelt wird. Sollte allerdings die Urheberschaft Giottos zutreffen – und die alte ¨Uberlieferung sollte nicht v ¨ollig ignoriert werden –, ist eine Datierung des Zyklus im Castelnuovo in den Jahren seines angenommenen Aufenthalts in Neapel von 1329 bis 1332 wahrscheinlich43.

Abgesehen von ihrer Bedeutung als fr ¨uhester bekannteruomini illustri-Zyklus in der Ma- lerei sind die Neapolitaner Fresken vor allem aufgrund ihrer Interpretation des Geschlechter- verh¨altnisses von besonderem Interesse. Als ikonographische Quellen haben sich in sechs verschiedenen Manuskripten neun Sonette erhalten, die jeweils einer der in dersalades Ca- stelnuovo dargestellten Personen gewidmet sind und die Bildfolge mit leichten Abweichungen von einander erl ¨autern. Zu einem der Sonette ist die ¨Uberschrift ¨uberliefert, die den Verfasser bezeichnet als

”il quale essendo nella sala del re Roberto a Napoli vide dipinti questi famosi huomini. E lui f`e a ciaschuno il suo sonetto chome qui apresso.“44Creighton Gilbert hat nach einer Analyse der erhaltenen Manuskripte eine neue Rekonstruktion des urspr ¨unglichen Zy- klus vorgelegt, die hier ¨ubernommen werden soll: Jeweils symmetrisch einander zugeordnet nehmen Alexander und Caesar – diese beiden als einzige ohne weibliche Assistenzfigur – als

42Zur bildlichen Darstellung in der Antike (im Medium der Plastik vor allem auch als in Bibliotheken situierte Galerien von Philosophen- und Dichterportr¨ats, vgl. Thuri Lorenz, Galerien von griechischen Philosophen- und Dichterbild- nissen bei den R¨omern, Mainz: von Zabern 1965) und zum Verlust dieser Tradition im Mittelalter vgl.: Christiane L. Joost-Gaugier, Poggio and Visual Tradition: Uomini Famosiin Classical Literary Description, in: artibus et hi- storiae, Nr. 12, 1985, S. 57-74. Zur Darstellung deruomini famosiin Italien vgl.: Heidy B¨ocker-Dursch, Zyklen ber¨uhmter M¨anner in der Bildenden Kunst Italiens - ‘Neuf preux’ und ‘uomini illustri’. Eine ikonologische Studie, Diss. M ¨unchen 1973, und, die Probleme der j¨ungeren Forschung zusammenfassend und kritisch befragend: Martina Hansmann, Andrea del Castagnos Zyklus der ‘uomini famosi’ und ‘donne famose’. Geschichtsverst¨andnis und Tu- gendideal im Florentinischen Fr¨uhhumanismus [Bonner Studien zur Kunstgeschichte, Bd. 4], M¨unster/Hamburg: Lit 1993, S. 26-98.

43Vgl. B ¨OCKER-DURSCH1973, S. 11f.

44

[...] welcher, als er in dersalades K¨onigs Robert von Neapel war, diese ber¨uhmten M¨anner gemalt sah. Und er machte auf jeden ein Sonett, wie es nun folgt.“ Zitiert nach: HANSMANN1993, S. 33, Anm. 20. ¨Ubersetzung d. Verf.

– Zu Robert von Neapel und den Beginn von ¨ahnlichen Portr¨ats vgl. u.a.: Andrew Martindale, Heroes, ancestors, relatives and the birth of the portrait [4th Gerson Lecture], Maarssen/Den Haag: SDU 1988, S. 24f. (wiederabgedruckt in: ders., Painting the Palace. Studies in the History of Medieval Secular Painting, London: Pindar 1995, S. 75-116).

(24)

Vertreter eines j ¨ungeren Abschnitts der antiken Geschichte eine Randstellung ein, Salomon (dessen Begleiterin im Sonett alsmaledetta creaturaangesprochen wird) und Samson (mit der namentlich nicht genannten Delilah) stehen als nicht-klassische Helden f ¨ur das Alte Testament, w¨ahrend die der griechischen Mythologie und dem trojanischen Sagenkreis entlehnten Figuren entweder durch ihre St ¨arke, wie Herkules (mit Deianira) und Hektor (mit Penthesilea), oder durch ihre Liebesgeschichten, wie Aeneas (mit Dido) und Paris (mit Helena), verbunden sind.

Achilles (mit Polyxena) steht als

”Uber-Held“ im Zentrum und hat keinen Gegenpart¨ 45.

..

.

. .

.

Eingang

Paris/Helena Achilles/Polyxena

Aeneas/Dido

Caesar Alexander

Samson/

Delilah Penthesilea

Hektor/

Deianira Herkules/

weibl. Figur unbezeichnete Salomon/

Textabb. 1.1: Rekonstruktion des Freskenzyklus von Neapel nach Gilbert

Das Programm des Neapler Zyklus l ¨aßt sich nicht ohne weiteres in gel ¨aufige ikonogra- phische Traditionen einbinden. Es handelt sich weder um einen

”modifizierten“neuf preux- Zyklus46, noch um einen fr ¨uhhumanistischen Rekurs auf die Antike und die oben genannten Sammelviten vonviri illustres47, sondern um eine fr ¨uhe italienische Fassung derWeibermacht- bzw. Minnesklaven- Thematik mit interessanten Parallelen zu einer der ersten bekannten ausf ¨uhrlichen Formulierungen des Themas als Bildfolge in Konstanz (zu datieren 1306-16 oder um 1350)48. Die Heroen bleiben in Neapel allerdings die programmatischen Hauptfigu-

45Creighton Gilbert, Boccaccio Looking at Actual Frescoes, in: Gabriel P. Weisberg, Laurinda S. Dixon (Hrsg.), The Documented Image. Visions in Art History, Syracuse, N.Y.: Syracuse UP 1987, S. 225-241, bes. 230-239.

46Laut B ¨OCKER-DURSCH1973, S. 100. Vgl. dagegen HANSMANN1993, S. 41 m. Anm. 61.

47Diesen Ansatz vertritt Christiane L. Joost-Gaugier (Giotto’s Hero Cycle in Naples: A Prototype of Donne Illustri and a Possible Literary Connection, in:Zeitschrift f¨ur Kunstgeschichte, Bd. 43, 1980, S. 311-318), die Petrarca als einen m ¨oglichen Autor nennt. Vgl. dagegen wiederum: HANSMANN1993, S. 34, Anm. 25. – Im Verlauf der Argumentation dieses Abschnitts werden sowohlneuf preuxals auch die fr¨uhhumanistischen Programme in der Folge Petrarcas an- gesprochen werden, so daß die ablehnende Haltung gegen¨uber der Inanspruchnahme dieser beiden ikonographischen Traditionen f¨ur den Zyklus von Neapel verst¨andlich wird.

48GILBERT1987, S. 234-237, mit Nachweisen zu den einzelnen Figuren, v.a. zu Achilles und Caesar, die ohne weib- liche Assistenzfigur dargestellt sind. Zu Begriff und Ikonographie derMinnesklavenals

M¨anner, selten auch Frauen, die sich von der Liebe bet¨oren ließen“, vgl.: Andreas Vizkelety, Minnesklaven, in: Engelbert Kirschbaum (Hrsg.),

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