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Elisabeth I. von England und Katharina de’ Medici

weibl. Figur unbezeichnete

1.3.2 Elisabeth I. von England und Katharina de’ Medici

In den Vitensammlungen des 16. Jahrhunderts wie der erweiterten Boccaccio-Ausgabe von Betussi und Serdonati sind vor allem auch zwei regierende K ¨oniginnen und eine Regentin pr¨asent: Die bereits von Castiglione als ideale F ¨urstin benannte Isabella von Kastilien sowie Elisabeth I. von England und die franz ¨osische Regentin Katharina de’ Medici. Die beiden letztgenannten F ¨urstinnen stellen in ihrer Selbst- bzw. Fremdrepr ¨asentation wichtige Pr ¨aze-denzf¨alle f¨ur die sp¨atere Konzeption derfemme fortedar. Beide Regentinnen hatten eine weib-liche Herrschaftsaus ¨ubung zu rechtfertigen und beide nutzten die ¨uberkommene Vorstellung der zwei K ¨orper des Souver ¨ans – des institutionellen/ ¨offentlichen und des realen/privaten153. Bei Elisabeth I. war dies mit der Konzeption ihrer Person alsUnmarried Queenverbunden, einer komplex-austarierten Zur ¨uckstellung des realen K ¨orpers der K ¨onigin hinter ihrem insti-tutionellen K ¨orper. Dies mußte mit dem auf biologischer Reproduktion basierenden System politischer Macht ¨ubertragung der Monarchie in Widerspruch geraten154.

benannt (ebd., S. 656-59).

151Hierzu ausf¨uhrlicher: Abschnitt 3.1.1.

152Vgl. zu beiden Aspekten Kap. 3. – Die Widmung der Florentiner Ausgabe durch den Verleger Filippo Giunti an die Großherzogin Christine von Lothringen benennt alsvirt`uder Frauen traditionell die Kardinaltugenden, vergleicht das Werk pflichtschuldig mit der Antike und verweist auf das Renomm´ee Boccaccios. Allerdings folgt er mit seinem Verweis auf den Anteil toskanischer Frauen der neueren Tendenz zu einem zeitgen¨ossischeren Lokalbezug in den Er-weiterungen des Frauenkatalogs, besonders bei Serdonati. – Die umfangreiche ¨ubrige Literatur des 16. Jahrhunderts zur Thematik derBer¨uhmten Frauen– darunter die Plutarch-AusgabeDe claris mulieribus(Venedig, 1498-1500), Agrippas Margarethe von ¨Osterreich gewidmetes TraktatDe nobilitate et praecellentia foeminei sexus(vgl. die krit.

Textausgabe: Henri Corneille Agrippa, De nobilitate et praecellentia foeminei sexus [Travaux d’Humanisme et Re-naissance, Bd. 243], Genf: Droz 1990) und Torquato TassosDiscorso della virt`u femminile e donnesca(1582) – kann in dieser kunsthistorisch orientierten und nur an den wichtigen Verkn¨upfungspunkten auf die Literatur zur¨uck-greifenden Untersuchung nicht ber¨ucksichtigt werden. Es wird aber im weiteren des ¨ofteren noch auf die vielf¨atigen Querverbindungen eingegangen werden. Plutarch ist eine wichtige Referenz f¨ur die Darlegung der These der Gleich-heit weiblicher und m¨annlicher Tugenden noch in Traktaten des 17. Jahrhunderts. Das gleiche gilt f¨ur Agrippa, der nahezu alle sp¨ater gel¨aufigen Exempel bereith¨alt. Tassos Ausnahme heroischer Frauen von der Vorschrift eines keu-schen Lebens sollte sp¨ater u.a. von Le Moyne bestritten werden (s. Abschnitt 1.3.3). – Der Frauenkatalog Gian Giorgio Trissinos innerhalb seiner 1524 publiziertenRitrattiwird in den Abschnitten 2.2.1 u. 2.3 angesprochen werden.

153Grundlegend: Ernst H. Kantorowicz, Die zwei K¨orper des K¨onigs. Eine Studie zur politischen Theologie des Mittel-alters, M¨unchen: dtv 1990.

154Vgl. zum Problem der Herrschaft der Elisabeth I. von England zuletzt umfassend: Ursula Machoczek, Die regierende K ¨onigin – Elisabeth I. von England. Aspekte weiblicher Herrschaft im 16. Jahrhundert [Reihe Geschichtswissenschaft,

Elisabeths Bildnis ist von der Kunstgeschichte oft als

”hieratisch“ oder

”ikonisch“ beschrie-ben worden, eine Ausdrucksqualit ¨at, die mit der Institutionalisierung ihres K ¨orpers korre-liert. Das sp¨ate, um 1600 entstandene sogenannteRegenbogen-Portr ¨atder K ¨onigin enth ¨alt Abb. 21

die Summe diverser Bildstrategien, die den realen K ¨orper unter dem symbolischen Verweissy-stem des institutionellen K ¨orpers verschwinden lassen und die in der Allusion auf Astraea, der gerechten Jungfrau in Ovids Metamorphosen (1, 150) und Vergils 4. Ekloge, kulminieren155. Somit wird deutlich, daß dasimageder K ¨onigin aus der besonderen Situation der Herrschafts-legitimation entwickelt wurde und eine singul ¨are L ¨osung darstellt, die unabh ¨angig von der Person Elisabeths nicht funktionieren und kaum exemplarische Wirkung haben konnte156. Die symbolische Aufladung ihres Bildnisses n ¨ahert dieses dem Identifikationsportr ¨at an und bie-tet durchaus Ankn ¨upfungspunkte f ¨ur die Transmission exemplarischer Eigenschaften, doch die hieratische Formalisierung des Portr ¨ats weist dieses als Abbild eines institutionalisierten Herrscherinnenk ¨orpers aus. Somit bleibt der ikonographische Apparat an die Institution der Monarchie gebunden, deren Repr ¨asentantin in diesem Falle weiblichen Geschlechts ist und die aufgrund der in der englischen Geschichte h ¨aufigen Erbfolgekonflikte einer besonderen Legitimation bedarf157.

Im Gegensatz zu Elisabeth I. von England war Katharina de’ Medici nicht regierende K ¨oni-gin, sondern ab 1560 Regentin f ¨ur ihren unm ¨undige Sohn Karl IX.; nach dessen Vollj ¨ahrigkeit nimmt sie als

”K¨oniginmutter“ Einfluß auf die Politik. Die f ¨ur Frankreich aufgrund des sa-lischen Gesetzes ungew ¨ohnliche Situation weiblicher Regentschaft bedurfte der Legitimation durch ein vorbildliches Exempel, um ihre Rechtm ¨aßigkeit durch Text- und Bildpropaganda zu begr ¨unden. 1562 erstellte Nicolas Houel mit seinerHistoire de la Royne Arth´emisedie geeignete Textgrundlage f ¨ur die Stilisierung der Regentin. Die Auftragslage f ¨ur das nie publi-zierte Manuskript ist unklar; es geh ¨orte zur Bibliothek der K ¨onigin und wird, wenn es nicht von ihr direkt in Auftrag gegeben wurde, zumindest ihre Zustimmung gefunden haben. Hou-els R¨uckgriff auf Artemisia, die Witwe des K ¨onigs Mausolos und Regentin ¨uber Karien, ist zun¨achst nicht besonders ungew ¨ohnlich, geht vielmehr konform mit der h ¨aufigen Erw¨ahnung ihrer Person in Frauenkatalogen und auch in bildlichen Darstellungen. Erst durch die Aufla-dung ihrer Vita durch Momente, die eindeutig dem Leben der Katharina de’ Medici entlehnt

Bd. 39], Pfaffenweiler: Centaurus 1996. Dort auch weiterf¨uhrende Literatur. Nicht bei Machoczek: Dennis Moore, Recorder Fleetwood and the Tudor Queenship Controversy, in: LEVIN/WATSON1987, S. 235-251. Die Auswirkun-gen des Konzepts derUnmarried Queenauf die elisabethanische Kultur werden eingehend analysiert von: Philippa Berry, Of Chastity and Power. Elizabethan Literature and the Unmarried Queen, London/New York: Routledge 1989.

– Der Erkl¨arungsbedarf, der durch die weibliche Herrschaft bei der Untertanenschaft ausgel¨ost wurde, spiegelt sich auch in Reaktivierung ¨alterer Muster

politisch aktiver“ Frauen wie derneuf preuseswider. Vgl. S. 35.

155Den gegenw¨artigen Forschungsstand zum Portr¨at Elisabeths gibt wieder: David Howarth, Images of Rule. Art and Politics in the English Renaissance, 1485-1649, Berkeley/Los Angeles: University of California Press 1997, S. 102-119, bes. S. 114f. Das Standardwerk zum Portr¨at der elisabethanischen und fr¨uhen Stuart-Zeit: Roy Strong, The English Icon: Elizabethan and Jacobean Portraiture, London: Routledge & Kegan Paul / New York: Pantheon 1969. – Zur Astraea-Ikonographie Elisabeths I. vgl.: Frances A. Yates, Astraea. The Imperial Theme in the Sixteenth Century, London/Boston: Routledge & Kegan Paul 1975, S. 29-87, 215-219, bes. S. 216-219.

156Daß die Ikonographie der K¨onigin zur Selbstrepr¨asentation ihrer Untertaninnen nicht herangezogen werden konnte, selbst wenn diese ¨uber einen verm¨ogenden Haushalt verf¨ugten, best¨atigt auch: Alice T. Friedman, Wife in the English Country House. Gender and the Meaning of Style in Early Modern England, in: LAWRENCE1997, S. 111-125, bes.

S. 119.

157Dies gilt auch, wenn – wie im sp¨aten 16. Jahrhundert geschehen – sich diese Stilmerkmale außerhalb des Herrscher-portr¨ats ausbreiten. Hierbei handelt es sich um die Imitation der vom Hof vorgebenen stilistischen Motive, ohne deren Funktionen und Inhalte zu ¨ubernehmen. Vgl. die Serien voncostume piecesaus der Produktion der Malerfamilien Gheeraerts und de Critz sowie von William Larkin. Vgl. STRONG1969, S. 259-304, 313-336, sowie hier Abschnitt 4.1.3.

sind, gewinnt die Darstellung Houels ihre besondere Bedeutung. Als Ansatz zu einer bild-propagandistischen Umsetzung derHistoire entstanden 59 Zeichnungen von Antoine Caron mit Tapisserie-Entw ¨urfen, die jedoch – soweit ersichtlich – nicht zu Lebzeiten der Katharina de’ Medici umgesetzt wurden. Entsprechend dem Manuskript kann man sie in die drei the-matischen Bereiche Witwenschaft samt ¨uber den Tod hinausreichender Gattenliebe, Erziehung des Thronfolgers sowie Aus ¨ubung der Regentschaft einteilen158.

Die Identifizierung der Katharina de’ Medici mit der f ¨ur ihre Gattentreue ber ¨uhmten anti-ken Regentin – sie erbaute das Mausoleum als Grabmonument f ¨ur ihren verstorbenen Gatten, das sp¨ater zu den Sieben Weltwundern gez ¨ahlt wurde – macht deutlich, daß Katharinas Legi-timation als Regentin allein auf ihrer Witwenschaft und Mutterschaft beruhte: Die ¨uber den Tod hinausgehende Bindung an Heinrich II. und die Erziehungsberechtigung f ¨ur den Thron-folger garantierten ihre Herrschaft. Dies kommt auch in der Bildform Antoine Carons zum

Ausdruck, der die K ¨onigin immer in Bezug zu ihrem verstorbenen Mann oder zu ihrem Sohn Abb. 22 setzt, ihr dabei in ihrer Gestik, Positionierung und figurativen Auffassung durchaus Raum –

”Entscheidungsraum“ – zugesteht. Daraus ergibt sich unmittelbar die Frage, inwieweit man es hier mit einem Bild der Selbst- oder der Fremdrepr ¨asentation zu tun hat. Daß die erfolgreiche Selbstinszenierung der Katharina de’ Medici als Witwe entscheidend zu ihrem Verbleib an der Macht beigetragen hat, soll nicht bestritten werden, doch muß die Artemisia-Geschichte auch als Dokument eines m ¨annlichen Verst¨andnisses weiblicher Regentschaft verstanden werden.

Zu diesem Zweck ist ein Vergleich mit dem 1586 ebenfalls von Nicolas Houel verfaßten und der K ¨oniginmutter gewidmeten TraktatLes M´emoires et Recherches de la d´evotion, pi´et´e, et charit´e des illustres Roynes de Francesinnvoll. Darin bietet Houel einen ¨Uberblick ¨uber die Kunstpatronage franz ¨osischer K ¨oniginnen auf dem Gebiet der geistlichen Stiftungen und stellt eine Verbindung zwischen diesen

”guten Taten“ und der Erf ¨ullung ihrer dynastischen Aufgabe alsgenetrixher159. Die Aktualit¨at dieses Werks lag in der Kinderlosigkeit Heinrichs III. und dem drohenden Ende der Valois-Dynastie. In diesem Zusammenhang ist die Verkn ¨upfung der Mutterschaft als der prim ¨aren Aufgabe der K ¨onigin mit dem traditionellen, eng abgesteckten Bereich der f ¨ur k ¨onigliche Frauen m ¨oglichen Kunstpatronage in Form der Stiftung von Hos-pit¨alern, Kirchen, Kl ¨ostern und – besonders aktuell – Grabmonumenten von Interesse. Katha-rina de’ Medici war als Artemisia dieser Aufgabe mit der Stiftung der Valois-Kapelle in Saint Denis als Grablege ihrer Dynastie auch nachgekommen, entsprach aber ansonsten kaum den Vorstellungen Houels: Ihre umfangreiche Baut ¨atigkeit im s¨akularen Bereich, u.a. die Tuilerien, und die von ihr organisierten, der rituellen Umsetzung der Herrschaft ihrer Dynastie dienen-den Hoffeste sprengten dienen-den engen Rahmen der bisherigen Kunstpatronage durch franz ¨osische K¨oniginnen bei weitem. Indem Katharina de’ Medici am Hof mit s ¨akularen Auftr ¨agen pr¨asent blieb, machte sie ihre faktische Macht sichtbar, die zwar deutlich ¨uber das ¨offentliche Bild der

158Den besten ¨Uberblick bietet: Sheila ffolliott, Catherine de’ Medici as Artemisia: Figuring the Powerful Widow, in:

FERGUSON/QUILLIGAN/VICKERS1986, S. 227-241. Vgl. auch: Ulrika von Haumeder, Antoine Caron. Studien zu seiner

Histoire d’Arth´emise“, Diss. Heidelberg 1976; Ivan Cloulas, Catherine de M´edicis, Paris: Fayard 1979, bes. S. 319-369; Jean Ehrmann, Antoine Caron. Peintre des fˆetes et des massacres, Paris: Flammarion 1986, S. 52-83, u. R.J. Knecht, Catherine de’ Medici, London/New York: Longman 1998, S. 220-245. Zur bildlichen Tradition vgl. u.a. den sienesischen Bildzyklus in Abschnitt 1.2. Auch hat Artemisia bereits als Prototyp einer franz¨osischen Regentenwitwe gedient: Anne de Beaujeu (vgl.FFOLLIOTT1986, Anm. 20).

159Im 17. Jahrhundert sind z.B. Val-de-Grˆace in Paris und die Theatinerkirche in M¨unchen sichtbare Dokumente f¨ur die Verbindung zwischen der Geburt eines Thronfolgers und einer geistlichen Stiftung.

pflichterf ¨ullenden Witwe hinausging, jedoch nie mit diesem kollidierte160.

Bei einem Vergleich von Houels Traktat ¨uber Kunstpatronage mit seiner fr ¨uherenHistoire de la Royne Arth´emisel ¨aßt sich feststellen, daß der Autor in beiden F ¨allen mittels eines Ka-talogs von K ¨oniginnen bzw. Regentinnen letztlich zu einer konservativen Bestimmung weib-licher Regentschaft gelangt161. Der Zugriff auf den Themenkreis derBer ¨uhmten Frauen mit-tels der Parallelisierung der Biographie der Katharina de’ Medici und der Vita der Artemisia erm ¨oglicht eine m¨annlich-konservative Sicht auf die weibliche Regentschaft, die durch ihre vielf¨altigen Bez ¨uge auf den verstorbenen Gatten bzw. auf den nachfolgenden Sohn allenfalls als eine ¨Uberbr ¨uckung innerhalb der

”nat ¨urlichen“ Folge der m ¨annlichen Dynasten erscheint:

Die weibliche Regentschaft wird auf diesem Wege

”verm¨annlicht“. Daß sich dies f ¨ur Kathari-nas Machterhaltung als n ¨utzlich erwies, ¨andert nicht viel an der Tatsache, daß dasexemplum der Artemisia im Text Houels wie im Bild Carons ein m ¨annlich gepr ¨agtes Bild von Witwen-schaft und weiblicher RegentWitwen-schaft ist162.

Katharina de’ Medici war in ihrer ¨offentlichen Selbstdarstellung mittels Kunst keineswegs auf die bisher einer K ¨oniginwitwe nach Houels Traktat zugestandenen religi ¨osen Stiftungen und dynastischen Grabmonumente beschr ¨ankt. Auch scheint sie der Historie in ihrer ¨offent-lichen Wirkung weniger zugetraut zu haben als anderen Bildgattungen und Medien163. Im Hˆotel de la Reine verzeichnet das Nachlaßinventar dagegen insgesamt 341 Portr ¨ats, womit Katharina sich allerdings von ihren europ ¨aischen Standes- und Zeitgenossen nicht sonderlich unterschied164.

160Vgl. zu Houels zweitem Traktat und der Kunstpatronage der Katharina de’ Medici: Sheila ffolliott, The Ideal Queenly Patron of the Renaissance. Catherine de’ Medici Defining Herself or Defined by Others?, in: LAWRENCE1997, S. 99-110.

161Außer Artemisia f¨uhrt dieHistoirenoch Olympias, die Mutter Alexanders des Großen, Julia Mammaea, Mutter des r¨omischen Kaisers Severus Alexander, Zenobia, Fredegunde, Adela von Champagne, Blanca von Kastilien, Jeanne de Navarra, Isabeau de Bavi`ere und Anne de Beaujeu an (vgl.VONHAUMEDER1976, S. 230f., u.FFOLLIOTT1986, Anm. 36).

162Die These von Barbara Gaehtgens (Macht-Wechsel oder die ¨Ubergabe der Regentschaft, in: FEMMESFORTES1995, S. 64-78, bes. S. 68-71), die die Asche ihres Mannes trinkende Artemisia sei ein historischesexemplumf¨ur die Ein-verleibung k¨oniglicher Macht, indem sie – nach dem Modell von Kantorowicz – den nat¨urlichen mit dem politischen K ¨orper zur Deckung bringt, w¨urde das hier vorgetragene Verst¨andnis einer

verm¨annlichten“ weiblichen Regentschaft st¨utzen. Allerdings m¨ussen gegen diese Interpretation Einw¨ande erhoben werden: 1. Das Bild der aschetrinkenden Artemisia als Symbol der Gattentreue ist eine zu popul¨are Episode in der Vita der Artemisia, als daß ihr Vorkommen in der Caron-Folge einer weitergehenden Erkl¨arung bed¨urfe. Ohne weitere Argumente ist eine Deutung im Sinne des Zwei-K¨orper-Modells nicht haltbar. 2. Es ist gerade der Sinn des politischen K¨orpers, daß er beim Tod des nat¨urlichen K ¨orpers des K¨onigs die Monarchie aufrechterh¨alt, und zwar im unmittelbaren ¨Ubergehen auf seinen Nachfolger, ohne irgendwelche Umwege ¨uber einen Regenten, egal welchen Geschlechts. Gaehtgens’ These einer Manipulation dieses Konzepts durch die Konstruktion der weiblichen Regentschaft als

Zwischenlager“ des m¨annlichen Herrscherk¨orpers ist ¨außerst problematisch, da die ideologische Grundlegung der franz¨osischen Monarchie dadurch st¨arker ersch¨uttert worden w¨are, als durch die Sanktionierung der Regentschaft h¨atte gewonnen werden k¨onnen. Außerdem widerspricht diese Konstruktion der Konzeption des politischen K¨orpers, da er gerade die Institution und nicht die Person umfaßt.

– Die Autorin hat ihre These noch in einem anderen Zusammenhang dargelegt: Barbara Gaehtgens, L’Art`emisede G´erard van Honthorst ou les deux corps de la reine, in:Revue de l’Art, Nr. 109, 1995, S. 13-25. Gegen die These von Gaehtgens spricht sich dagegen aus, allerdings mit anderen Argumenten als der Verfasser: Bettina Baumg¨artel, Zum Bilderstreit um die Frau im 17. Jahrhundert. Inszenierungen franz¨osischer Regentinnen, in:Querelles. Jahrbuch f¨ur Frauenforschung, Bd. 2, 1997, S. 147-182, bes. 152f.

163Vgl.FFOLLIOTT1997, S. 109.

164Darunter finden sich u.a. folgende zusammengeh¨orige Gruppen: in der Großen Galerie im ersten Obergeschoß eine Folge franz¨osischer und europ¨aischer Herrscher jeweils mit ihren Gemahlinnen (z.T. auch weitere Familien-angeh¨orige), flankiert von zwei Malereikabinetten (eines Medici-, das andere Portr¨ats von weiteren Familienmitglie-dern und europ¨aischen Pers¨onlichkeiten [darunter:818. Quatre tableaux du portraict de dames estrang`eres] gewidmet).

Vgl. Edmond Bonnaff´e, Inventaire des meubles de Catherine de M´edicis en 1589, Paris: Aubry 1874, S. 12f., S. 77, Nr. 175-179, S. 126-129, Nr. 612-637, S. 137-143, Nr. 685-724, S. 150, Nr. 805f., S. 151, Nr. 812-820. – Zur Struktur solcher f¨urstlichen Portr¨atsammlungen im 16. Jahrhundert vgl. Abschnitt 3.1.1.

Somit stellt sich die Frage, ob Katharina de’ Medici nur aus Geldknappheit die Artemisia-Folge nicht als Tapisserien umsetzen ließ – bei gleichzeitigen hohen Ausgaben f ¨ur andere Auftr¨age165– oder ob sie letztlich an dieser Form der Bildpropaganda mit der Konsolidierung ihrer Herrschaft das Interesse verlor, weil dasexemplumder Artemisia in seiner patriarchali-schen Ausdeutung hinter ihrer eigenen Person zur ¨uckstand.