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Von Paolo Giovio zur Legitimation f ¨urstlichen Selbstverst¨andnisses in derin der

Pr´ıncipes, damas y caballeros – Tugend und Sch¨onheit im Kontext der Kunst- und Wunderkammern

3.1 Der ethnographische und der moralistische Blick: Frauengalerien im Kontext der enzyklop¨adischen Portr¨atsammlung der Kunst- und

3.1.1 Von Paolo Giovio zur Legitimation f ¨urstlichen Selbstverst¨andnisses in derin der

Ahnengalerie“

Die Bildnissammlung des Historikers und Bischofs von Nocera Paolo Giovio (1483-1552) kann stellvertretend f ¨ur den ¨Ubergang von den ZyklenBer ¨uhmter M¨annerdes Fr ¨uhhumanis-mus zu einem neuen Sammlungstyp f ¨ur Portr¨ats betrachtet werden. Giovios Sammlung ist

570So auch in Urbino selbst, vgl. das Inventar von 1623/24,

Quadri et retratti“, Nr. 2:

Quadri 62 con cornici di noce mezzani, con retratti di Carlo Magno imp[erato]re, di Gottofredo, Salandrino, [...] Emanuelle duca di Savoia, Aless[andr]o Farnese duca di Parma, Paulo Povia [sc. Giovio] ves[cov]o di Nocera, Sadoletto card[ina]le, Pietro Bembo, Agostino Nifio [sc. Nifo] filosofo, Tomasso Auro [sc. Moro ?], Lud[ovi]co Ariosto, [...] Aristotile et Platone, q[ua]li tutti sono per ordine in Galleria“ (SANGIORGI1976, S. 319f.). Offenkundig standen sich die Herrschergestal-ten sowie die LiteraHerrschergestal-ten und Philosophen in dieser Galerie gegen¨uber, so daß der Ersteller des Inventars die Herrscher in chronologischer Ordnung erfaßt, die Literaten allerdings in gegenl¨aufiger Richtung von den j¨ungsten zu den ¨altesten Vertretern verzeichnet hat. Zur Herkunft solcher Galerien vgl. Abschnitt 1.2.

571Die vielf¨altigen Probleme der Sammlungsstrukturen von Kunst- und Wunderkammern insgesamt k¨onnen an die-ser Stelle nat¨urlich nicht behandelt werden. Es sei allerdings neben dem Klassiker von Julius von Schlosdie-ser, Die Kunst- und Wunderkammern der Sp¨atrenaissance. Ein Beitrag zur Geschichte des Sammelwesens [Monographien des Kunstgewerbes, 11. N.F.], Leipzig: Klinkhardt & Biermann 1908, auf einige ausgew¨ahlte, j¨ungere Titel verwiesen:

Oliver Impey, Arthur MacGregor (Hrsg.), The Origins of Museums. The Cabinet of Curiosities in Sixteenth- and Seventeenth-Century Europe, Oxford: Clarendon 1985; Horst Bredekamp, Antikensehnsucht und Maschinenglauben.

Die Geschichte der Kunstkammer und die Zukunft der Kunstgeschichte [Kleine Kulturwissenschaftliche Bibliothek, Bd. 41], Berlin: Wagenbach 1993; Ellinoor Bergvelt, Debora J. Meijers, Mieke Rijnders (Hrsg.), Verzamelen. Van rariteitenkabinet tot kunstmuseum, Heerlen: Open universiteit, Gaade Uitgevers 1993; Ingo Herklotz, Neue Literatur zur Sammlungsgeschichte, in: Kunstchronik, 47. Jg., 1994, S. 117-135; John Elsner, Roger Cardinal (Hrsg.), The Cultures of Collecting, London: Reaktion Books 1994; Andreas Grote (Hrsg.), Macrocosmos in Microcosmo. Die Welt in der Stube. Zur Geschichte des Sammelns 1450 bis 1800 [Berliner Schriften zur Museumskunde, Bd. 10], Opladen: Leske u. Buderich 1994, u. Klaus Minges, Das Sammlungswesen der fr¨uhen Neuzeit. Kriterien der Ordnung und Spezialisierung [Museen – Geschichte und Gegenwart, Bd. 3], M¨unster: Lit 1998, bes. S. 25-98.

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zuerst in einem Brief von 1521 bezeugt, ab 1536 wird der erweiterte Bestand in einer neu errichteten Villa am Stadtrand von Como, dem

”Museum“, untergebracht. Die r ¨aumliche An-ordnung der zuletzt etwa 400 Bildnisse ist nicht sicher zu rekonstruieren, es lassen sich aber vier Bildnisgruppen unterscheiden: die beiden Gruppen der bereits verstorbenen und der noch lebenden Dichter und Gelehrten, in der dritten Gruppe u.a. die Maler und Bildhauer sowie die vierte und letzte Gruppe der P ¨apste, K ¨onige und anderer Herrscher. Die postum durch den Basler Verleger Pietro Perna publizierten und mit Holzschnitten von Tobias Stimmer nach der Sammlung in Como illustrierten Portr ¨atwerke Giovios stellen das wichtigste Verbreitungs-medium f ¨ur Giovios Sammlungskonzept dar: 1575 erschienen dieElogia virorum bellica vir-tute illustrium, 1577 dieElogia virorum literis illustriumund 1578 die beiden B ¨ande derVitae illustrium virorum572.

Was die Sammlung Giovios von anderen zeitgen ¨ossischen und ¨alteren Konzeptionen unter-scheidet, sind zum ersten das wissenschaftliche Interesse des Historikers an physiognomischer Authentizit¨at der historischen Personen – soweit dies mit den M ¨oglichkeiten seiner Zeit zu verwirklichen war –, zum zweiten das umfassendere, enzyklop ¨adische Interesse sowie zum dritten – als Folge des letztgenannten Faktums – die konsequente Verwertung der aus der Portr¨atsammlung gewonnenen Daten in Giovios publizistischer T ¨atigkeit. Deren Konsequenz war die mediale Verbreitung der Sammlung, wenn auch zum gr ¨oßten Teil erst postum und nicht ohne ein ber ¨uhmtes antikes Vorbild, M. Terentius Varro. Man kann in gewissem Sinne von einer

”Portr¨atisierung“ der Geschichte sprechen, auch wenn die Historiker, selbst Giovio, immer zur ¨uckhaltend gegen ¨uber dieser Quelle waren und die angebrachte Skepsis gegen ¨uber ihrer Glaubw ¨urdigkeit mit dem beginnenden 18. Jahrhundert nicht mehr zu ¨ubergehen war573. Der enzyklop ¨adische Umfang dieses Projekts f ¨uhrte schon bald an die Grenzen des doch recht traditionellen Ordnungsgef ¨uges, so daß man sich, den ¨uberlieferten Angaben zufolge, die Sammlung Giovios nicht zu sehr als systematisierte, auf den eigentlichen Raum des

” Mu-seums“ beschr¨ankte Portr¨atgalerie vorzustellen hat, sondern eher als eine ¨uber verschiedene Orte verteilte Anh¨aufung von Gem ¨alden mit einem Schwerpunkt auf dem Sammlungsraum des

”Museums“, aber auch einer gewissen Tendenz zur Unordnung. Ein entscheidender Schritt zu einer geordneten Erscheinung der Sammlung war die Publikation durch Perna, wodurch das re-lative Durcheinander ¨uberspielt und vor der ¨Offentlichkeit unsichtbar gemacht wurde574. Dem ist die relative und von Giovio wohl kaum intendierte Modernit ¨at seiner durch den Akt des

572Vgl. zur Sammlung Giovios und deren Publikation: RAVE1959; ders., Das Museo Giovio zu Como, in: Miscella-nea Bibliothecae Hertzianae, M¨unchen: Schroll 1961, S. 275-284; Paolo Giovio. Collezioni Giovio. Le immagini e la storia, Ausst.kat. Como 1983; Paul Tanner, Paolo Giovio, Pietro Perna, Tobias Stimmer und ihre Portr¨atwerke, in:

Tobias Stimmer, 1539-1584. Sp¨atrenaissance am Oberrhein, Ausst.kat. Basel: Kunstmuseum 1984, S. 223-239; Paolo Giovio. Il Rinascimento e la memoria, Atti del Convegno, Como: Societ`a a Villa Gallia 1985; Linda Susan Klinger, The portrait collection of Paolo Giovio, 2. Bde., Diss. Princeton 1991; dies., Images of Identity. Italian Portrait Col-lections of the Fifteenth and Sixteenth Century, in: MANN/SYSON1998, S. 67-79, bes. S. 72-77; Andreas Wartmann, Drei Portr¨atwerke aus der zweiten H¨alfte des 16. Jahrhunderts, in: BERGHAUS1995, S. 43-60, bes. S. 45-48; zur Biographie Giovios vgl. j¨ungst: T.C. Price Zimmermann, Paolo Giovio. The Historian and the Crisis of Sixteenth Century Italy, Princeton: Princeton UP 1995. Zur Fortwirkung des humanistisch-giovianischen Konzepts vgl. Francis Haskell, Die Geschichte und ihre Bilder. Die Kunst und die Deutung der Vergangenheit, M¨unchen: Beck 1995, S. 62-93; zum fr¨uhen 17. Jahrhundert vgl. Susan J. Barnes, TheUomini Illustri, Humanist Culture, and the Development of a Portrait Tradition in Early Seventeenth-Century Italy, in: dies., Walter S. Melion (Hrsg.), Cultural Differentiation and Cultural Identity in the Visual Arts [Studies in the History of Art, Bd. 27], Washington: National Gallery of Art 1989, S. 81-92. Unter den Nachfolgern Giovios verdient Andr´e Thevet besondere Beachtung. Vgl. Jean Adh´emar, Andr´e Thevet. Collectionneur de portraits, in:Revue Arch´eologique, Bd. 20, 1942/43, S. 41-54.

573Vgl. zu diesem Problem: HASKELL1995, S. 37-93, zu Giovio S. 55-62, 81f.

574Vgl. ebd., S. 62.

Sammelns entstandenen Version der Geschichte gegen ¨uberzustellen, in dem durch Flexibilit ¨at und Offenheit des Sammelns – dem Hinzuf ¨ugen und Weglassen von Einzelbildnissen – das starre, an ¨alteren Modellen orientierte theoretische Ordnungsgef ¨uge Giovios aus sich selbst heraus hinterfragt wird. Somit unterminiert die Erfassung von Realit ¨at in der ungeordneten Vielzahl der Portr ¨ats letztlich das teleologische Geschichtsmodell, das sie eigentlich beweisen sollte.

Als Folge dieses eher untergr ¨undigen Paradigmenwechsels ist die Bervorzugung von klein-formatigen, transportablen Brustbildern in den Sammlungen des 16. Jahrhunderts zu verstehen, wogegen ¨altere FolgenBer ¨uhmter M¨annerzumeist als Ganzfiguren in wesentlich geringerer Anzahl erschienen575. Man kann sogar von einer Umkehrung der Formate sprechen: W ¨ahrend das Staatsportr¨at zeitgen ¨ossischer Personen im fr ¨uhen 16. Jahrhundert zur ganzfigurigen, le-bensgroßen Darstellung tendierte, nahmen Vertreter historischer Bildniszyklen immer ¨ofter das kleinere Format des Brustbildes an576. Ein weiterer Grund f ¨ur diesen Wechsel ist die funktio-nale N¨ahe der Historie zur Schriftform des Buchdrucks: Der Wissenschaftler Giovio orientierte sich quasi an publizierbaren Formaten. Doch hatte die Gattung des Bildnisvitenbuchs bereits schon ihre eigene Tradition577. Ein außergew ¨ohnliches Beispiel f ¨ur ein Bildnisvitenbuch mit 172 Portr¨ats Ber¨uhmterwie auch

”ber ¨uchtigter“ Frauen ist das 1497 in Ferrara erschienene Werk De plurimis claris sceletisque mulieribusvon Jacobus von Bergamo, worin auch eine

geringe Anzahl lokaler zeitgen ¨ossischer Frauen enthalten ist578. Abb. 76 Mit der Verbreitung des humanistischen Modells einer Geschichte in Form von

Einzel-portr¨ats in der Nachfolge Giovios und der damit verbundenen Best ¨atigung eines m ¨annlich gepr¨agten Leistungs- und Werteprofils war aber der Anteil der Frauen in den entsprechenden Portr¨atsammlungen und Bildnisb ¨uchern ¨außerst gering579. In Giovios Sammlung in Como be-fanden sich unter den gegenw ¨artig nachweisbaren 394 Portr ¨ats nur Bildnisse von 18 Frauen, von denen sechs mit großer Wahrscheinlichkeit erst nach dem Tod des Sammlers

hinzu-575Vgl. dazu sowie zu Ausnahmen: Abschnitt 1.2.

576Vgl. Joanna Woodall, Introduction: Facing the subject, in: dies. (Hrsg.), Portraiture. Facing the subject, Manchester/

New York: Manchester UP 1997, S. 1-25, bes. S. 2. – Die Funktion von historischen M¨unz- und Medaillenbildnissen (Transzendierung von Autorit¨at an das Herrscherbildnis auf einer ahistorischen Ebene, in Umkehrung Verleihung von Authentizi¨at an ein historisierendes Portr¨at) in diesem Prozeß soll zumindest erw¨ahnt werden, ausf¨uhrlicher behandelt kann dieser Zusammenhang an dieser Stelle jedoch nicht. Vgl. zu diesem Portr¨attyp u.a. HASKELL1995, S. 23-53. Außerdem soll auf die Entstehung und Verbreitung eines halbfigurigen Typus der Lukretia-Darstellung im fr¨uhen 16. Jahrhundert in den Niederlanden verwiesen werden. Hier l¨aßt sich parallel zu dem oben geschilderten Prozeß die Herausbildung einer Tendenz zur exemplarischen Einzelgestalt und zur Frontfl¨achenentbreitung in Anverwandlung der Bildtypen des Andachtsbildes und des halbfigurigen Portr¨ats (u.a. vermutlich auch in der Form des Identifikati-onsportr¨ats als Lukretia) erkennen. Mit dieser ¨Uberf¨uhrung der Historie in ein

privates“ Format ist ein ¨asthetischer und ikonologischer Wertsprung verbunden, der der medialen Entwicklung im Bereich des Buchdrucks und der In-dividualisierung des Mediums Buch vergleichbar ist. Die Entstehung der Einfiguren-Historie unter dem Vorzeichen einer gr¨oßeren emotionalen Beteiligung des Betrachters ist also gleichfalls im Kontext der Tendenz zum historisieren-den Brustbild zur verstehen. Vgl. zu historisieren-den niederl¨andischen Lukretia-Darstellungen: Dietrich Schubert, Halbfigurige Lucretia-Tafeln der 1. H¨alfte des 16. Jahrhunderts in den Niederlanden, in:Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes der Universit¨at Graz, Bd. 6, 1971, S. 99-110, bes. S. 106; zum Verfahren vgl. auch: G¨unther Heinz, Gedanken zu Bildern der

donne famose“ in der Galerie des Erzherzogs Leopold Wilhelm, in: JbKW, Bd. 77, 1981, S. 105-118, bes. S. 105.

577Vgl. RAVE1959, S. 121-141.

578Vgl. ebd., S. 126.

579Vgl. zur Begr¨undung: Abschnitt 1.2.2. – Das giovianische Sammlungsmodell von vorzugsweise m¨annlichen Ber¨uhmtheiten in seiner Reinform fand folglich vor allem in der Ausstattung von privaten und ¨offentlichen Biblio-theken seine Fortsetzung. Vgl. BURKE1994, S. 106, u. HASKELL1995, S. 83; dazu: Andr´e Masson, Le D´ecor des Biblioth`eques du Moyen ˆAge `a la R´evolution [Histoire des Id´ees et Critique Litt´eraire, Nr. 125], Genf: Droz 1972, bes. S. 107, 109, 113f., 117, 146. Die Aufstellung von Literatenbildnissen in Bibliotheken war durch die antike Uberlieferung sanktioniert (s. L¨ ORENZ1965, S. 1f.).

gef ¨ugt wurden. Außerdem bezeugt das Auswahlprofil ¨uberkommene Wertungskriterien f ¨ur die ”Ber¨uhmtheit“ von Frauen, Ariosts

”belle e sagge donne“ ebenso wie die

”mulier sce-leta“ – in diesem Fall Sabina Poppea – des Jacobus von Bergamo. Weiterhin verweisen bei Giovio zwei Bildnisse von F ¨urstinnen und ihren S ¨ohnen auf das genealogische Prinzip der ari-stokratischen Portr ¨atgalerie, und auch die beiden Portr ¨ats osmanischer Favoritinnen kommen einem spezifischen Interesse des 16. Jahrhunderts nach, das sich in den f ¨urstlichen Galerien Ber¨uhmter M¨anner und Frauenfortsetzen wird. Das anonyme Bildnis einer

”veneciana ve-stita di verdo“ wiederum k ¨onnte der Charakterisierung nach dem venezianischen Portr ¨attyp der”sch¨onen Frau“ entsprechen580. Somit zeigen sich im Sammlungsprofil Giovios trotz der geringen Anzahl weiblicher Bildnisse bereits Strukturen, die in sp ¨ateren Sammlungen von Frauenportr ¨ats ebenfalls zum Tragen kommen.

Das Aufgreifen des giovianischen Sammlungsmodells durch Herzog Cosimo I. de’ Me-dici, der ab 1552 Bildnisse aus Giovios Sammlung durch Cristofano dell’Altissimo kopieren ließ581, und die umgehend einsetzende Rezeption durch weitere europ ¨aische F¨urstenh ¨ofe hatte auch die Anpassung der programmatischen Ausrichtung des Konzepts an ge ¨anderte Funkti-onszusammenh ¨ange zur Folge.

So ließ zum Beispiel – und dies ist nur eine Auswahl fr ¨uher bzw. umfangreicher Samm-lungsprojekte – Herzogin Ippolita Gonzaga ann ¨ahernd gleichzeitig mit Cosimo I. Bildnisse aus Giovios Sammlung kopieren582. Die Hez ¨oge Albrecht V. und Wilhelm V. von Bayern griffen in den 70er Jahren des 16. Jahrhunderts f ¨ur ihre Portr ¨atsammlung von F ¨ursten, P¨apsten, Kar-din¨alen, Entdeckern usw. sowohl auf das Sammlungskonzept als auch auf den Bestand Giovios zur ¨uck583. Und 1576 begann Erzherzog Ferdinand II. von Tirol seine umfangreiche Sammlung von Kleinbildnissen, eng an Giovio angelegt und doch mit signifikanten Unterschieden584.

580KLINGER1991, Bd. 2, S. 32f., Kat.Nr. 58 (Lucrezia Borgia), S. 39, Kat.Nr. 71 (Mihrimah bzw. Cameria [Ca-mella], Tochter S¨uleymans d.Gr.), S. 40, Kat.Nr. 75 (Bianca Cappello), S. 57, Kat.Nr. 110 (Vittoria Colonna), S. 74, Kat.Nr. 140 (Clelia Farnese), S. 75, Kat.Nr. 145 (Felicit`a dei Conti di Calepio), S. 85, Kat.Nr. 163 (Veronica Gambara), S. 94f., Kat.Nr. 178 (Giulia Gonzaga), S. 115, Kat.Nr. 214 (Lucrezia di Serra), S. 117f., Kat.Nr. 220 (Fausta Mancina), S. 157, Kat.Nr. 300 (Claudia Ragonia), S. 159, Kat.Nr. 304 (Roxelana H¨urrem), S. 161f., Kat.Nr. 310 (Sabina Pop-pea), S. 171, Kat.Nr. 320 (Favoritin von Selim I.), S. 172, Kat.Nr. 324 (Bona von Savoyen mit ihrem Sohn), S. 173f., Kat.Nr. 327 (Christine von D¨anemark, Herzogin von Mailand und Lothringen), S. 175 Kat.Nr. 329 (Doppelportr¨at von Isabella Sforza von Aragon und ihrem Sohn Francesco), S. 198, Kat.Nr. 368 (Portr¨at einer Venezianerin); vgl.

bes. die Struktur¨ahnlichkeiten zu den Sammlungen Ferdinands II. von Tirol (Abschnitt 3.2.2) u. zum venezianischen Portr¨attyp der

sch¨onen Frau“ (Abschnitt 2.4).

581Vgl. u.a. Wolfram Prinz, Die Sammlung der Selbstbildnisse in den Uffizien, Bd. 1: Geschichte der Sammlung [Ita-lienische Forschungen, 3. Folge, Bd. 5], Berlin: Gebr. Mann 1971, S. 20, 28, u. ders., Filippo Pigafettas Brief ¨uber die Aufstellung der uomini illustri-Sammlung in den Uffizien, in: Flor Mitt, Bd. 22, 1978, S. 305-311. Die Entwicklung der Portr¨atsammlungen der Medici im 16. Jahrhundert wird in Abschnitt 3.3.1 ausf¨uhrlicher er¨ortert.

582PRINZ1971, S. 20 m. Anm. 40.

583Vgl. u.a. Franz von Reber, Die Bildnisse der herzoglich bayerischen Kunstkammer nach dem Fickler’schen Inven-tar von 1598, in:Sitzungsberichte der philosophisch-philologischen und der historischen Classe der k. b. Akademie der Wissenschaften, Jg. 1893, 1. Bd., S. 2-56; Otto Hartig, Die Kunstt¨atigkeit in M¨unchen unter Wilhelm IV. und Albrecht V. (1520-1579). Neue Forschungen, in: MJbBK, N.F., Bd. 10, 1933, S. 147-225, hier S. 209ff.; Berndt Ph.

Baader, Der bayerische Renaissancehof Herzog Wilhelms V. (1568-1579). Ein Beitrag zur bayerischen und deut-schen Kulturgeschichte des 16. Jhdts. [Sammlung Heitz. Akademische Abhandlungen zur Kulturgeschichte, B. V, 3], Leipzig/Straßburg: Heitz 1943, S. 268-272; s. auch die Abschnitte 3.1.2 u. 3.1.3. – Die Mail¨ander Korrespondenz Herzog Wilhelms V. ist ¨außerst aufschlußreich in Hinblick auf die Orientierung an Giovio, den Erwerb von Portr¨ats, die Herstellung von Kopien und die Aufbewahrung der Bildnisse in

Beh¨altnissen /pyxides“ am bzw. durch den baye-rischen Hof. Vgl. H. Simonsfeld, Mail¨ander Briefe zur bayebaye-rischen und allgemeinen Geschichte des 16. Jahrhunderts, in:Abhandlungen der historischen Classe der K¨oniglich Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 22, 1902, S. 231-575. Die erste Erw¨ahnung von Kopien nach Giovio hier in einem Brief von Prospero Visconti an Herzog Wil-helm vom 25. November 1572 (S. 290f., Nr. 79). Simonsfeld gibt auch eine Zusammenfassung der diesbez¨uglichen Briefinhalte mit Stellennachweisen (S. 523-528).

584Vgl. Abschnitt 3.2.2.

Dagegen war die vor 1584 imGoldenen Saaldes Kasseler Stadtschlosses installierte Portr ¨at-galerie des Landgrafen Wilhelm IV. von Hessen-Kassel auf

”die Bildnisse aller Kaiser, K ¨onige, Kurf ¨ursten und weltlichen F ¨ursten, die vom Jahr 1530 bis zum Jahr 1581 in dem christlichen Gemeinwesen die Herrschaft ausge ¨ubt haben“, wie eine Inschrift ¨uber dem Eingang besagte, beschr¨ankt. Die Serie ist durch 120 im Hessischen Landesmuseum in Kassel aufbewahrte kleine Herrscherportr ¨ats, die wahrscheinlich entweder als Vorlagen dienten oder Kopien der gr ¨oßeren Serie sind, in gewissem Umfang dokumentiert. Demnach setzte Landgraf Wilhelm in der gemalten Portr ¨atserie nur ein Segment des giovianischen Konzeptes um: die Bildnisse regierender F ¨ursten und einiger

”Kriegshelden“ seiner Zeit unter Ausschluß der von Giovio und auch von Ferdinand von Tirol ber ¨ucksichtigten nicht-christlichen, osmanischen Herrscher.

Dagegen stimmte er in der Systematik des Sammelns und des Beschaffens wie auch in der Serialit¨at und Vereinheitlichung des Mediums, der Darstellungsform und vermutlich auch der Pr¨asentation mit den vorgenannten Sammlern ¨uberein; mit Ferdinand von Tirol stand er auch in Kontakt und tauschte Bildnisse aus585. Das reduzierte Programm des protestantischen F ¨ursten ist aus den spezifischen Anforderungen und Funktionen des Goldenen Saals als Repr ¨asen-tationsort von Herrschaft heraus zu verstehen: Ein etwaiges enzyklop ¨adisches Interesse an K¨unstlern, Literaten oder außereurop ¨aischen Herrschern586war hier weniger zu dokumentie-ren, und eine Galerie der P ¨apste und Kardin ¨ale stand f ¨ur den Protestanten des 16. Jahrhunderts an einem offiziellen Ort außer Frage. Aber auch der dynastisch-genealogische Aspekt stand f¨ur Wilhelm IV. nicht im Vordergrund, sondern die Repr ¨asentation von christlicher Herrschaft als solcher. So sind in die urspr ¨ungliche Bildnisreihe nur regierende Herrscherinnen und Re-gentinnen aufgenommen worden; entsprechend der erhaltenen kleinen Bildfolge in Kassel, abz ¨uglich der Gem ¨alde, die nicht mit der Ausstattungsphase unter Wilhelm IV. korrelieren k ¨onnen, sind dies f ¨unf Frauen unter 95 ¨uberlieferten Bildnissen: Maria Tudor, Elisabeth I. von England, Maria Stuart, Katharina de’ Medici und Jeanne d’Albret587.

Die eigene Familie wurde im Goldenen Saal durch eine Reihe von 12 Landgrafen- und Landgr¨afinnenb ¨usten, die vermutlich noch von Wilhelm IV. projektiert, vielleicht aber erst unter dessen Sohn, Landgraf Moritz, zur Ausf ¨uhrung kamen, repr ¨asentiert588. In dieser

dyna-585Vgl. Hildemarie Schwindrazheim, Eine Portr¨atsammlung Wilhelms IV. von Hessen und derG ¨uldene Saal“, in:

Marburger Jahrbuch f¨ur Kunstwissenschaft, Bd. 10, 1937, S. 263-306. Dort auch Hinweise auf weitere f¨urstliche Portr¨atsammlungen des 16. Jahrhunderts (S. 264-269). ZumGoldenen Saal, seiner Ausstattung und Programmatik vgl. auch: August Gebeßler, Der profane Saal des 16. Jahrhunderts in S¨uddeutschland und den Alpenl¨andern. Gestal-tungsprinzipien des profanen Monumentalraums in der deutschen Renaissance, Diss. M¨unchen 1957, S. 97-101, u.

Dorothea Heppe, Das Schloß der Landgrafen von Hessen in Kassel von 1557 bis 1811 [Materialien zur Kunst- und Kulturgeschichte in Nord- und Westdeutschland, Bd. 17], Marburg: Jonas 1995, S. 103-109. ¨Ubersetzung der Inschrift zit. n. ebd., S. 106. Zu den Kontakten zwischen Wilhelm IV. von Hessen-Kassel und Ferdinand von Tirol vgl. ebd., S. 108f., Brief des Landgrafen an Erzherzog Ferdinand vom 30. M¨arz 1582:

Ferner aber m¨ogenn wir E:L. dienst-freundlich nicht verhalttenn, das wie E:L. exempel nach gleicher gestaltt einenn sahll zu Caßell inn unserm schloß zurichtenn lassenn, darin wir aller keyser, k¨onige, chur unndt furstenn conterfet, so ab anno. 30. biß uff diß jegen-werttige jahr regierett, gernn habenn wolltenn. Nuhnn habenn wir dieselbigenn mehrertheill zusammen pracht, ohnn alleinn, das uns noch E:L. unndt deroselbenn hernn Bruders Erczherczogk Caroli, deßgleichenn eczlicher italianischer furstenn imagines noch manglenn, inmassenn sie ab inliegendem verczeichnuß freundtlich zu sehenn.“

586Zu den Portr¨atserien osmanischer Herrscher in der Folge Giovios in europ¨aischen Kunstsammlungen des 16. Jahrhun-derts vgl. Hans Georg Majer, Zur Ikonographie der osmanischen Sultane, in: Martin Kraatz, J¨urg Meyer zur Capellen, Dietrich Seckel (Hrsg.), Das Bildnis in der Kunst des Orients [Abhandlungen f¨ur die Kunde des Morgenlandes, Bd. L, 1], Stuttgart: Steiner 1990, S. 99-128, bes. S. 102-112.

587SCHWINDRAZHEIM1937, S. 294-97, Kat.Nr. 75f., 78, 85, 91. Bezeichnenderweise wurde bei einer um 1700 erfolg-ten Erg¨anzung der Galerie von diesem Prinzip abgewichen und das hessische und Teile des s¨achsischen F¨urserfolg-tenhauses in genealogischem Sinn erg¨anzt, d.h., es wurden Bilder des regierenden F¨ursten und von dessen Ehegattin aufgenom-men. Vgl. ebd., S. 285ff., Kat.Nr. 32-42, S. 290ff., Kat.Nr. 59-64, S. 302, Kat.Nr.118ff.

588Vgl. ebd., S. 275ff., u. HEPPE1995, S. 107f.

stischen Reihe sind die F ¨urstengattinnen wie in einer Reihe fr ¨uherer Ahnengalerien als Garan-tinnen des genealogische Prinzips integriert. Die Durchdringung bzw. Erg ¨anzung des giovia-nischen Sammlungsmodells durch das genealogisch-dynastische Modell der Ahnengalerie589, zumeist in einem hocharistokratischen Kontext590, wie sie hier in Kassel stattgefunden hat, ist eine der wichtigsten Voraussetzungen f ¨ur die Entstehung

”autonomer“ Galerien weiblicher Bildnisse im 16. Jahrhundert: Das dynastische Prinzip ließ es kaum zu, die Pr ¨asenz von Frauen in aristokratischen Portr ¨atgalerien, die auf Genealogie gr ¨undeten, auszuschließen. Auf diese Weise als Serie in gr ¨oßerer Anzahl

”sichtbar“ geworden und in den Kontext enzyklop ¨adisch an-gelegter Bildnissammlungen gestellt, kam die Frauenportr ¨atgalerie als visuelles Medium weib-licher Repr¨asentation ins Blickfeld aristokratischer Ausstattungs- und Sammlungsprogramme.

In den folgenden Abschnitten dieses Kapitels wird anhand ausgew ¨ahlter Beispiele aufgezeigt, wie sich bedingt durch jeweils unterschiedliche Kontexte verschiedene M ¨oglichkeiten auto-nomer Repr ¨asentation von Frauen in Bildnisserien ergaben, und zwar weitgehend unabh ¨angig von einer typologischen Bezugnahme zur tradierten IkonographieBer ¨uhmter Frauen.