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Die Grotta der Isabella d’Este, das Quartiere di Eleonora und die Thematik der Ber¨uhmten Frauen in der italienischen Literatur desThematik derBer¨uhmten Frauenin der italienischen Literatur des

weibl. Figur unbezeichnete

1.3.1 Die Grotta der Isabella d’Este, das Quartiere di Eleonora und die Thematik der Ber¨uhmten Frauen in der italienischen Literatur desThematik derBer¨uhmten Frauenin der italienischen Literatur des

16. Jahrhunderts

In den Sammlungsr ¨aumen der Isabella d’Este (1474-1539) im Palazzo Ducale von Mantua, demAppartamento della Grottaan derCorte Vecchia, befand sich ¨uber der T ¨ur, die vom Stu-diolo in die Grotta f ¨uhrt,

”ein Bronze imitierendes Bild [...] von der Hand des besagten Man-tegna, auf dem ein Meeresschiff mit einigen Figuren darinnen und einer, die ins Wasser f ¨allt, dargestellt ist“126. Das Bild ist als Darstellung der jungfr ¨aulichen Griechin Hippo identifiziert worden127. Wenn dies zutrifft, kann das Bild mit zwei weiteren noch erhaltenenbronzi finti

Mantegnas in Verbindung gebracht werden, denen cama ¨ıeu-PendantsJudith mit dem Haupt Abb. 17 des HolofernesundDido. Unter den erhaltenen Grisaillen Mantegnas finden sich insgesamt

ein ¨uberdurchschnittlich große Anzahl von DarstellungenBer ¨uhmter Frauen, so eine weitere Judith in Dublin mitSamson und Delilah in der Londoner National Gallery als mutmaßli-chem Pendant, dort ebenfalls das Bildpaar vonTucciaundSophonisbesowieDie Einf ¨uhrung des Kultes der Kybele in Rom, 1505/06 f ¨ur den venezianischen Edelmann Francesco Cornaro entstanden128. Diese Gem¨alde sind f ¨ur verschiedene Kontexte geschaffen worden, aber es be-steht die M ¨oglichkeit, daß zumindest ein Teil davon im Auftrag der Isabella d’Este gefertigt wurde. Die singul ¨are Stellung der mutmaßlichen Hippo im Studiolo derCorte Vecchiaspricht jedoch dagegen, daß ein solcher Zyklus jemals vollst ¨andig in ein von Isabella d’Este konzi-piertes Auststattungsprogramm integriert gewesen ist129.

Im Gegensatz zu dieser nur untergeordneten Bedeutung der Thematik derBer ¨uhmten Frauen imAppartamento della Grottader Isabella d’Este findet sich ein st ¨arker systematisierter Zu-griff auf den Gegenstand derdonne famoseimQuartiere di Eleonoraim Palazzo Vecchio zu Florenz. Eleonora di Toledo (1519-1562) war eine Tochter des spanischen Vizek ¨onigs von Neapel, Pedro de Alvarez de Toledo, und die Ehefrau von Cosimo I. de’ Medici, des Herzog von Florenz und sp ¨ateren ersten Großherzogs von Toskana. Ihr Wohnquartier war im zweiten Geschoß des Stadtpalasts untergebracht, der 1540 von dem Herzogspaar bezogen wurde und

126Stivini-Inventar von 1542, Nr. 207; in ¨Ubersetzung publiziert in: Sylvia Ferino-Pagden (Hrsg.),

La prima donna del mondo“. Isabella d’Este – F¨urstin und M¨azenatin der Renaissance, Ausst.kat. Wien: Kunsthistorisches Museum 1994, S. 263-275.

127Vgl. Clifford M. Brown,

Fruste et strache nel fabricare“. Isabella d’Este’s Apartments in the Corte Vecchia of the Ducal Palace in Mantua, in: Cesare Mozzarelli, Robert Oresko, Leandro Ventura (Hrsg.), La Corte di Mantova nell’et`a di Andrea Mantegna: 1450-1550 [Biblioteca del Cinquecento, Bd. 75], Rom: Bulzoni 1997, S. 295-335, bes. S. 316f., Anm. 41.

128Jane Martineau (Hrsg.), Andrea Mantegna, Ausst.kat. London: Royal Academy of Arts/New York: Metropolitan Mu-seum of Art 1992, S. 394-416, Kat.Nr. 129, 133ff.(Keith Christiansen); FERINO-PAGDEN1994, S. 246, Kat.Nr. 89f.

129Da Isabella d’Este die Wohnung an derCorte Vecchiaerst 1519 bezog, kann das Gem¨alde des 1506 verstorbenen Mantegna nicht f¨ur diesen Ort gemacht worden sein. – Einen guten ¨Uberblick ¨uber die umfangreiche Literatur zu Isabella d’Este als Kunstsammlerin und Auftraggeberin bietet: Clifford M. Brown, A Ferrarese Lady and a Mantuan Marchesa. The Art and Antiquities Collections of Isabella d’Este Gonzaga (1474-1539), in: LAWRENCE1997, S. 53-71. Gesondert erw¨ahnt seien aus der j¨ungeren Literatur: ders., La Grotta di Isabella d’Este. Un simbolo di continuit`a dinastica per i duchi di Mantova, Mantua: Arcari 1985; Giovanni Romano, Auf dem Weg zur

modernen Manier“:

Von Mantegna zu Raffael, in: Italienische Kunst. Eine neue Sicht auf ihre Geschichte, Bd. 2, Berlin: Wagenbach 1987, S. 301-369; Rose Marie San Juan, The Court Lady’s Dilemma: Isabella d’Este and Art Collecting in the Renaissance, in: The Oxford Art Journal, Bd. 14, Nr. 1, 1991, S. 67-78; FERINO-PAGDEN1994 u. Isabella d’Este. I luoghi del collezionismo, in:Civilt`a Mantovana, Nr. 14-15, 1995; vgl. auch Abschnitt 2.2.1.

noch wenige Jahre zuvor der republikanischen Stadtverwaltung als Amtssitz gedient hatte.

Die Dekoration desQuartieremit der Heldinnenthematik durch Giorgio Vasari und Giovanni Stradano wurde 1561/62 – in den letzten beiden Lebensjahren der an Tuberkulose erkrankten Herzogin – ausgef ¨uhrt. Die Bildfelder sind in gegliederte Decken und anschließenden, am oberen Wandabschluß umlaufenden Frieszonen eingelassen. Die vier R ¨aume haben jeweils eine altr ¨omische, alttestamentliche, altgriechische und christlich-mittelalterliche Heroine zum Gegenstand.

della Signoria Piazza Gualdrada

Sala di Camera Verde

Cappella

Studiolo

Uffizien

Sala di Ester

Sala di Penelope Sala delle

Sabine

Textabb. 1.3: Schematischer Grundriß des Quartiere di Eleonora, Palazzo Vecchio, Florenz DieSala delle Sabinezeigt im mittleren Bildfeld die Sabinerinnen, wie sie Frieden zwischen den R ¨omern und den Sabinern stiften. Begleitet wird diese zentrale Darstellung in den ¨ubrigen Bildfeldern von Allegorien wie den Personifikationen vonpax,fama,concordia,fortitudound caritassowie den G ¨ottern Diana, Juno und Mars. Die Decke ist insgesamt also dem vermit-telnden und m ¨aßigendem Einfluß von Frauen auf die M ¨anner und die Politik gewidmet. Die darauffolgendeSala di Ester zeigt eine weitere exemplarische Historie, in der eine Frau als Abb. 18

vorbildliche F ¨urstengattin durch den mutigen Einsatz ihres Lebens ordnend in die Politik eines Staates eingreift, ohne allerdings unmittelbar Macht auszu ¨uben. Die biblische Heroine Esther ist im zentralen Bildfeld bei ihrem Zusammentreffen mit Ahasver dargestellt; die umgeben-den Bildfelder geben einzelne Szenen der Esther-Geschichte wieder. Das weibliche Gegenbild der Esther, die ungehorsame und aus diesem Grund verstoßene K ¨onigin Vashti, und der Groß-wesir Haman, der als H ¨ofling ohne das Wissen des Herrschers eigenm ¨achtig agiert, aber von Esther entlarvt wird, vermitteln die wichtigsten inhaltlichen Momente in der Ikonographie des Raumes: Die F¨urstin tritt als tugendhafte und gehorsame Gattin des Herrschers auf, die den Hof des noch nicht gefestigten fr ¨uhabsolutistischen Staates kontrolliert und so den Regenten unterst ¨utzt und vor etwaigen eigenm ¨achtigen Handlungen seiner H ¨oflinge warnt.

Weniger h¨aufig dargestellt als Esther, aber innerhalb von ZyklenBer ¨uhmter Frauenvor al-lem der literarischen ¨Uberlieferung nicht unbekannt, ist das Thema der treuen Gattin des

Odys-seus in derSala di Penelope. Das zentrale Rundbild stellt Penelope und ihren Hofstaat beim Weben dar. Das Bild spielt gleichermaßen auf Handarbeiten als weibliche T ¨atigkeit und die Textilproduktion als Grundlage des Wohlstandes der Stadt Florenz an. In den Zwickeln fin-den sich Flußg ¨otter, die das Territorium des Herzogtums bezeichnen. Der Fries besteht aus Darstellungen der Kardinaltugenden in den Symmetrieachsen und Szenen der Odyssee in den l¨anglichen Bildfeldern zu beiden Seiten der Tugenden: Der h ¨auslichen T¨atigkeit der Frauen wird der ¨offentliche T ¨atigkeitsbereich des Mannes gegen ¨ubergestellt.

DieSala di Gualdradabricht mit ihrem zentralen DeckenbildGualdrada verweigert Kaiser Abb. 19 Otto IV. einen Kußaus der herk ¨ommlichen ¨UberlieferungBer ¨uhmter Frauenaus. Gualdrada

ist die Hauptfigur einer von Villani ¨uberlieferten Erz ¨ahlung aus dem fr ¨uhen 13. Jahrhundert.

Die junge Frau war dem Kaiser wegen ihrer Sch ¨onheit aufgefallen, und ihr Vater hatte Otto IV.

erlaubt, sie zu k ¨ussen, was sie diesem jedoch mit der Begr ¨undung verweigerte, daß sie keinen Mann k ¨ussen d ¨urfe, der nicht auch ihr Ehemann sei. Somit geht die Geschichte der Gualdrada mit der Thematik der ehelichen Treue in den vorangehenden R ¨aumen ¨uberein. Hauptgrund f ¨ur die Auswahl dieses Stoffes scheint sein Lokalbezug gewesen zu sein: In derSala di Gualdradra ist das Thema der donna famosa im Gegensatz zu den ¨ubrigen R¨aumen auf das Mittelbild beschr¨ankt; die Felder des Frieses zeigen, neben den mittig angeordneten Tugenden, Veduten von Florentiner Straßen und Pl ¨atzen mit auf diesen stattfindenden Festivit ¨aten130.

Die Ehe zwischen Cosimo I. und Eleonora hatte ihre politische Begr ¨undung in der f ¨ur die neue Medici-Dynastie lebenswichtigen Verbindung zum kaiserlichen Machtapparat. Eleonora erf ¨ullte aber auch die Vorstellung, daß die Braut Cosimos

”bella, nobile, riccha, et giovane“

zu sein habe. Die Herzogin f ¨uhrte wenigstens zweimal 1541 und 1543 die Regentschaft f ¨ur ihren Mann, doch scheint ihre bedeutendste politische Intervention die Einf ¨uhrung der Jesuiten in Florenz 1551 betroffen zu haben. Die meisten literarischen und ikonographischen Ausdeu-tungen ihrer Person thematisieren ihre F ¨ahigkeit, Nachkommen und Erben f ¨ur die neue Medici-Dynastie zu geb ¨aren. Dies f ¨uhrte ihr am Tag ihres feierlichen Einzugs 1539 in die Stadt Florenz durch die Porta al Prato ein dort errichteter Triumphbogen unmittelbar vor Augen, auf dem die allegorische Statue derfecunditasplaziert war und dessen Aussage im Palazzo Medici als dem Zielpunkt des Einzuges durch weitere Verweise auf Eleonora alsgenetrixbeibehalten wurde.

Aber auch als Eleonora di Toledo die Erbfolge der Medici durch ihre Kinder gesichert hatte, blieb die Allusion auf ihre Fruchtbarkeit und ihre Assoziation mit der Gottheit Juno Grundlage ihrer ¨offentlichen Repr ¨asentation. Paolo Giovio macht dies besonders deutlich, als er 1551 f ¨ur die R¨uckseite einer Portr ¨atmedaille der Eleonora das Bild einer Pfauhenne mit ihren Kindern und dem Motto

”CVM PVDORE LAETA FECVNDITAS“ vorschl ¨agt. Der Pfau ist das Tier der Juno, von dem Giovio sagt, das er

”uccello di somma pudicizia, bellezza e fecondit`a“

sei, der Vogel der h ¨ochsten Schamhaftigkeit, Sch ¨onheit und Fruchtbarkeit. Noch aus Anlaß

130Einen guten ¨Uberblick bietet: Ettore Allegri, Alessandro Cecchi, Palazzo Vecchio e i Medici. Guida Storica, Flo-renz: S.P.E.S. 1980, S. 195-212; zur k¨unstlerischen Zusammenarbeit von Vasari und Stradano imQuartierevgl.: Paola Barocchi, Vasari Pittore [Collana d’Arte, Bd. 9], Florenz: Barb`era 1964, S. 48-53; dies., Complementi al Vasari pit-tore, in: Atti e Memorie dell’Accademia Toscana di Scienze e Lettere

La Colombaria“, Bd. 28, N.S. 14, 1963/64, S. 251-309, bes. S. 279-282. – Die j¨ungere Forschung zu der Wohnung der Eleonora di Toledo im Palazzo Vecchio konzentrierte sich bisher vor allem auf ihre 1540-45 durch Bronzino ausgestaltete Kapelle: Janet Cox-Rearick, Bron-zino’s Chapel of Eleonora in the Palazzo Vecchio, Berkeley/Los Angeles/Oxford: University of California Press 1993;

Carolyn Smyth, An Instance of Feminine Patronage in the Medici Court. The Chapel of Eleonora da Toledo in the Palazzo Vecchio, in: LAWRENCE1997, S. 72-98. Eine 1997 von Ilaria Hoppe an der TU Berlin abgeschlossene Magisterarbeit zumQuartiere di Eleonoralag dem Verf. nicht vor.

ihres Todes nennt Bronzino die Herzogin

”la casta Giunon di Leonora“ und bei der gleichen Gelegenheit erkl ¨art Pietro Vettori die Gabe, Kinder zu bekommen, als den K ¨onigsweg der Frauen auf dem Weg zur Erl ¨osung:

Di tutti quei beni d’animo et di corpo che possono havere i Mortali, perche potendo gl’uhomini alzarsi et aggrandirsi per mill’altre vie, le Donne quasi per quest’una sola si aprono la strada di salir al Cielo.131

In Eleonoras Bildnissen verbindet Bronzino zum ersten Mal in prominenter Weise die For-Abb. 20

mel des Staatsportr¨ats mit der Darstellung von Mutter und Kind, in der Fassung der Uffizien noch erg ¨anzt um das Granatapfelmuster des Kleides als Zeichen der Fruchbarkeit132.

Besteht nun ein Widerspruch zwischen der nahezu ausschließlich auffecunditas abgestell-ten ¨offentlichen Repr ¨asentation der Eleonora di Toledo und der Ausgestaltung ihresQuartiere von 1561/62 oder ist der sp ¨ate Zugriff auf die Heldinnenthematik gar als bewußte Emanzi-pation von ihrer einseitigen ¨offentlichen Darstellung zu verstehen? Prinzipiell besteht kein Widerspruch zwischen dem vor allem auf die ehelichen Pflichten einer F ¨urstin abgestellten Bildprogramm ihres Wohnquartiers und derfecunditas-Thematik der Allegorien, Impresen und Portr¨ats. Doch enthalten die Historien der Sabinerinnen und der Esther imQuartierepolitische Implikationen, die deutlich ¨uber die Rolle der F ¨urstin als Geb¨arerin hinausgehen, wenngleich sie nur auf eine beratende und vermittelnde Funktion der h ¨ofischen Frau anspielen. Von Co-simo I. ist bekannt, daß er großen Einfluß auf die Ausgestaltung der Privatkapelle der Eleonora im Palazzo Vecchio von 1540-45 gehabt hat. Inwieweit sich die Herzogin sp ¨ater von diesem Einfluß ihres Mannes gel ¨ost hat, ist umstritten und noch zu wenig erforscht133. Festzuhalten ist, daß auch bei genauerer Kl ¨arung der Intentionen, die zur Ausgestaltung desQuartiere di Eleo-noramit der Heldinnenthematik gef ¨uhrt haben, das Bildprogramm keine Aussagen enth ¨alt, die ¨uber das Verst¨andnis der h ¨ofischen Frau in der italienischen Traktatliteratur und Dichtung des Cinquecento hinausgehen. Die Ikonographie desQuartierewiderspricht nicht dem zeit-typischen Verst¨andnis von den Aufgaben einer F ¨urstengattin, ist aber dennoch offen f ¨ur eine Deutung, die darin ein Dokument f ¨ur die Emanzipation der Eleonora von ihrem einseitigen Bild alsgenetrixsieht.

Dieexemplader Heldinnen im Wohnquartier der Eleonora korrespondieren mit den h ¨ofi-schen Verhaltensnormen f ¨ur Frauen, die in Italien sp ¨atestens mit dem 3. Buch von Castiglio-nesIl Cortegiano(1528) in pr ¨agnanter Form auf einem neuen Niveau zusammengestellt waren.

Der Diskurs ¨uber die Frauen imCortegianoverbindet Fragen der Etiquette, Bildung und mu-sischen Begabung der h ¨ofischen Frau sowie ihres Umgangs mit den m ¨annlichen Mitgliedern des Hofes mit der Streitfrage einer prinzipielle Gleichrangigkeit von Frauen und M ¨annern134. Doch wird auch deutlich, daß von einer F ¨urstin gr ¨oßere Einschr ¨ankungen erwartet wurden, als

131

Von allen G¨utern des Geistes und des K¨orpers, die die Sterblichen besitzen k¨onnen, aufgrund deren die M¨anner auf tausend verschiedene Arten aufsteigen und sich verbessern k¨onnen, ¨offnen sich die Frauen gleichsam durch dieses einzige [sc. Gut = Fruchtbarkeit] den Weg, um in den Himmel aufzusteigen.“ - ¨Ubersetzung d. Verf., Nachweis s.

folgende Anm.

132Vgl. COX-REARICK1993, S. 22-53; Zitate:

bella...“, S. 23; Giovio, S. 43; Bronzino u. Vettori, S. 51.

133Vgl. ebd., passim, u. SMYTH1997. Smyth erkennt im Vergleich mit Cox-Rearick eine sich st¨arker entwickelnde Unabh¨angigkeit der Eleonora di Toledo gegen¨uber Cosimo in Fragen des Ausstattungsprogramms der Kapelle und der Kunstpolitik im allgemeinen. Abschließend stellt sie aber fest, daß die Rolle der Herzogin als Auftraggeberin noch nicht gen¨ugend gekl¨art ist.

134MACLEAN1980, S. 5, bezeichnetIl Cortegianoals ¨Ubermittler von

synthetic views of woman which concord with the intellectual outlook of their day.“

von ihren Hofdamen: Ihre vermittelnde T ¨atigkeit hatte die F ¨urstin immer in den Dienst ihres regierenden Gatten zu stellen und im h ¨ofischen Kontext hatte sie eher eine reglementierende Funktion einzunehmen als aktiv daran teilzunehmen, wie letztlich ja auch die Herzogin von Urbino imCortigiano. DieexempladesQuartiere di Eleonoralassen, abgesehen von der Mo-deration der Sabinerinnen und dem Verhalten Esthers135– diese stehen f ¨ur die beschriebene vermittelnde und ¨uberwachende Funktion der F ¨urstin –, kaum eine h ¨ofische T¨atigkeit im Sinne desCortegianoerkennen. Penelopes Handarbeiten und die extreme

”amour ¨ose“ Zur ¨uckhaltung der Gualdrada zeigen deutlich die Grenzen im Aktionsraum einer f ¨urstlichen Gattin auf. Ca-stiglione entwirft hingegen ein Bild von derdonna di palazzo, das einerseits von familiellen Bindungen weitgehend befreit und andererseits doch nur innerhalb der von M ¨annern gesetzten Grenzen funktionieren kann136.

Als Folge dieses erweiterten und wirkungsvoll propagierten Diskurses ¨uber Aufgabenbe-reiche und Stellenwert von Frauen in der ersten H ¨alfte des 16. Jahrhunderts ist auch die nun aufkommende Tendenz zur Aktualisierung der KatalogeBer ¨uhmter Frauenbis in die Gegen-wart hinein zu verstehen. Am Beginn der langen Entstehungsgeschichte des 3. Buches vonIl Cortegiano1506/08 steht die Sammlung von Quellen zur GeschichteBer ¨uhmter Frauenaus Vergangenheit und Gegenwart. Wie die meisten Traktate der italienischen Renaissance ¨uber Frauen, besonders aber Mario EquicolasDe Mulieribus(ca. 1501), nutzt Castiglione eine drei-teilige Argumentationsstruktur f ¨ur seine Darstellung: Einer philosophischen Einf ¨uhrung fol-gen dieexempla Ber ¨uhmter Frauen, die durch enkomiastische Ausf ¨uhrungen ¨uber dem Autor bekannte, zumindest jedoch zeitgen ¨ossische Frauen abgeschlossen werden. Wie Equicola ent-fernt sich Castiglione von der Tradition Boccaccios und vertritt einen historisch relativierten und weniger distanzierten Standpunkt. Vor allem aber gelingt es Castiglione in der Schlußfas-sung von 1528, die Liste derexempla Ber ¨uhmter Frauenaus bereits vorhandenen Publikationen wirkungsvoll in den theoretischen ¨Uberbau des Diskurses einzuarbeiten, so daß die prinzipiell uneinheitlichen und zum Teil widerspr ¨uchlichenexemplaeiner Argumentationslinie folgend gelesen werden k ¨onnen137.

Dieexempla Ber ¨uhmter Frauenim 3. Buch desCortegiano138, die

”laudi delle donne“, ver-folgen zwei Ziele: die Darstellung der Frau als Gef ¨ahrtin des Mannes und das Konzept der weiblichen Keuschheit. Bereits hierin wird deutlich, daß der Frauenkatalog trotz Castigliones Umredaktion und thematisch orientierter Argumentation im Vergleich zu den ¨ubrigen Teilen des 3. Buches als konservative Aufladung derexempladie meisten Traditionalismen mit sich tr¨agt. Noch problematischer erweist sich die ¨Ubertragung der Konzeption auf zeitgen ¨ossische Frauen, was besonders bei einem Vergleich der verschiedenen Fassungen desCortegianobis

135Die Sabinerinnen nehmen auch imCortegianoeine prominente Stellung ein: Vgl. III,30 (Baldassare Castiglione, Il Cortegiano, hrsg. v. Carlo Cordi´e, Mailand/Neapel: Ricciardi 1991, S. 235f.).

136Vgl. Stephen D. Kolsky, Women through Men’s Eyes: the Third Book ofIl Cortegiano, in: Tom O’Neill (Hrsg.), The Shared Horizon, Dublin: Irish Academic Press 1990, S. 41-91, bes. S. 64f. Kolsky spricht von

foregrounding the lady’s social graces and her r ˆole as a high-society hostess. In the second place, her r ˆole in the home as mother is minimized. If this can be considered in one way as liberation from traditional duties, it can also be viewed as a further reduction in the lady’s powers: her essential function will not be as manager of property, like Castiglione’s mother, where she could exertrealinfluence in crucial matters. Instead, she must entertain men“ (S. 64).

137Ebd., S. 46-50. Zu Equicola und der Argumentationsweise von weiteren Frauentraktaten der italienischen Renais-sance vgl.: Conor Fahy, Three Early RenaisRenais-sance Treatises on Women, in: Italian Studies, Bd. 11, 1956, S. 30-55 (mit einem Verzeichnis von Traktaten des 15. und 16. Jahrhunderts), u. Stephen D. Kolsky, Mario Equicola. The real courtier [Travaux d’Humanisme et Renaissance, Bd. 246], Genf: Droz 1991, bes. S. 70-76.

138III, 21-49 (CASTIGLIONE1991, S. 225-259).

zur Publikation von 1528 deutlich wird. Im Gegensatz zu den historischen Beispielen werden die aktuellen Exempel st ¨andigen Ver ¨anderungen unterzogen: M ¨oglicherweise mit dem Blick auf ein internationales Publikum reduziert Castiglione den Anteil italienischer Frauen, da ihr Bekanntheitsgrad zu sehr von tagespolitischen Geschehnissen abh ¨angt; ¨uberhaupt scheinen die italienischen F ¨urstinnen eher als Parabel f ¨ur den prek ¨aren Zustand ihres Landes zu dienen statt als Exempel f ¨ur die Hofdame. Diese, diedonna di palazzo, die der eigentliche Gegenstand des Diskurses ist, kommt unter den zeitgen ¨ossischen Exempeln nicht vor, die zumeist den F¨urstinnen gewidmet sind. Die Aus ¨ubung weiblicher Macht wird durch das Idealbild einer re-ginaals Gegenst ¨uck zum idealen Herrscher exemplifiziert: Isabella die Katholische von Kasti-lien. Ihre Darstellung nimmt als einzige ein ganzes Kapitel ein und unterscheidet sich dadurch deutlich von der anderer zeitgen ¨ossischer Frauen. Isabella steht f ¨ur eine abstrakte Konzep-tion einer starken Monarchie als Gegenbild zur Zersplitterung Italiens, die in der wechselnden Fortuna seiner F ¨urstinnen zum Audruck kommt. Als solche ist die Herrschaft Isabellas nicht geschlechtlich kodiert. Das Modell der politisch aktiven Frau, derviragoals Vorl ¨auferin der femme forte, lehnt Castiglione ab139. Noch offensichtlicher wird die Problematik der Schilde-rung zeitgen ¨ossischerexemplain der Beliebigkeit, mit der Castiglione die Charakterisierung der Duchessa di Francavilla, die aus der Schlußfassung gestrichen wird, dann zur Darstellung der Isabella d’Este heranzieht. Die geschilderten Eigenschaften sind so allgemein, daß sie nicht zur Beschreibung individueller Leistung dienen k ¨onnen140.

Durch die Betonung voncastitasim zweiten Teil der Exempelsammlung gibt Castiglione nicht nur Verhaltensmaßregeln f ¨ur den Umgang zwischen den Geschlechtern am Hof, sondern es gelingt ihm dadurch auch die Einbindung des KatalogsBer ¨uhmter Frauenin sein ¨ubergeord-netes neoplatonisches Liebeskonzept, das den Schlußpunkt des Diskurses im 3. Buch bildet.

Auf diese Weise bewegt sich Castiglione in eine m ¨annliche Perspektive zur ¨uck, die das vierte und letzte Buch desCortegianowieder bestimmen wird, und definiert die h ¨ofische Frau allein durch ihre Funktion innerhalb einer umfassenden Liebeskonzeption141.

Auf diese Weise bewegt sich Castiglione in eine m ¨annliche Perspektive zur ¨uck, die das vierte und letzte Buch desCortegianowieder bestimmen wird, und definiert die h ¨ofische Frau allein durch ihre Funktion innerhalb einer umfassenden Liebeskonzeption141.