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Die Heldinnengalerie: Von Ber¨uhmten Frauen und Ber¨uhmten M¨annern in Bildender Kunst und Literatur

Die Entstehung von

”Frauengalerien“ ist in den letzten Jahren verst ¨arkt zum Gegenstand kunst-historischer Forschung geworden33. Der Begriff meint Frauen in literarischen Sammelvi-ten wie in Bildnisfolgen unterschiedlicher ikonographischer Typologie: Im wesentlichen sind diese zu unterscheiden in idealtypische Folgen vonmulieres illustresund in Folgen mit kon-kreter Portr¨atabsicht, wobei ¨Uberlagerungen vorkommen k ¨onnen und nicht selten von den Auftraggebern beabsichtigt sind. Die Erforschung dieser Gattung erfolgte nicht zuletzt aus spezifisch frauen- bzw. geschlechtergeschichtlicher Perspektive, ist doch der

”Frauenkatalog“, die Auflistung herausragender Frauen und ihrer Leistungen ein zentrales Beweismittel fr ¨uher feministischer Schriften34. Viele Fragen sind allerdings noch offen geblieben bzw. stellen sich erst jetzt auf der Grundlage eines entwickelten Forschungsstandes. In unserem Zusammen-hang sind vor diesem Hintergrund vor allem zwei Gesichtspunkte von Interesse: Zum einen die Bedeutung der Darstellung von Frauen im Kontext

”etablierter“ M¨anner-Folgen, zum an-deren die Funktion der jeweils als

”weiblich“ verstandenen Eigenschaften der Dargestellten in diesem Kontext.

1.1 Grundlagen in der antiken Literatur

ZyklenBer ¨uhmter Frauensind in ihrer Entstehung strukturell nicht von den ¨alteren M¨anner-Folgen zu trennen. Viri illustresentstehen in der Antike als Sammelviten von M ¨annern mit exemplarischervirtus. Auf der Grundlage verschiedener Traditionsstr ¨ange griechischer Bio-und Historiographie finden sich die Anf ¨ange biographischer Reihen Ber ¨uhmter M¨anner im 1. Jahrhundert v.Chr. bei den r ¨omischen Autoren Varro, Atticus, Cicero und Cornelius Nepos.

Plutarch, Plinius d.J. und Sueton schaffen dann die f ¨ur die nachantike Rezeption bedeutsamen Kompilationen. Mit der Etablierung des Christentums wurde die Gattung zur Propagierung christlicher Moralvorstellungen aufgegriffen. Als Tugendexempel ersetzten jetzt

”christliche Helden“ ihre heidnischen Vorg ¨anger35.

Die ersten Biographien von Frauen finden sich in den Vitensammlungen Plinius’ d.J. und ei-nes anonymen Zeitgenossen: Sie betreffen Cloelia, deren Vita wie die der Lukretia eng mit den

33Vgl.: La Galerie des Femmes Fortes / Die Galerie der Starken Frauen. Die Heldin in der franz¨osischen und ita-lienischen Kunst des 17. Jahrhunderts. Bearbeitet von Bettina Baumg¨artel uns Silvia Neysters, Ausst.kat. D¨ussel-dorf/Darmstadt, M¨unchen: Klinkhardt & Biermann 1995.

34Vgl. zu Vorkommen und Funktion von Frauenkatalogen in verschiedenen fr¨uhen Schriften zur Geschlechterfrage, besonders bei Christine de Pizan: Magarete Zimmermann, Vom Streit der Geschlechter. Die franz¨osische und italieni-sche Querelle des Femmes des 15. bis 17. Jahrhunderts, in: ebd., S. 14-33.

35Zur Geschichte derviri-illustres-Thematik in der antiken Literatur: Christiane L. Joost-Gaugier, The Early Begin-nings of the Notion of

Uomini Famosi“ and the

De Viris Illustribus“ in Greco-Roman Literary Tradition, in:artibus et historiaeNr. 6, 1982, S. 97-115. Zum Stellenwert der Thematik im Mittelalter vgl.: Ludwig Traube, Vorlesungen und Abhandlungen, Bd. 2: Einleitung in die lateinische Philologie des Mittelalters, M¨unchen: Beck 1911, S. 162-165.

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Anf¨angen der r ¨omischen Republik verbunden ist, und die Vestalin Claudia. Bei Plutarch ist die Vitensammlung von Frauen nicht Teil seiner Parallelbiographien, sondern wurde mit anderen Schriften zu seinenMoraliazusammengefaßt36. Diese Sammlung wurde in der Renaissance aber auch separat ediert und hatte besonders auf dieQuerelle des Femmeseinen nicht geringen Einfluß. Außerhalb der engeren Grenzen derviri illustres-Thematik k ¨onnen allerdings wesent-lich ¨altere Frauenreihen ausgemacht werden. Die seit dem Altertum Hesiod zugeschriebe-nenFrauenkatalogebilden eine nach genealogischen Gesichtspunkten erstellte Sammlung von Frauengestalten, die Verbindungen mit G ¨ottern eingegangen waren, und deren Nackommen-schaft halbg ¨ottlicher Heroinen und Heroen37. Sie Sammlung wurde vermutlich angeregt von der Aufz¨ahlung der

”Frauen und T ¨ochter von Helden“ im elften Buch der Odyssee38. Neben diesen vorwiegend positiv besetzten Frauengestalten findet sich bei Hesiod aller-dings auch einerdermisogynen Mythen aus den Anf ¨angen der abendl ¨andischen Kultur: die Pandoralegende39. An diese schließt sich der fr ¨uhgriechische Dichter Semonides mit einer Typenreihe von Frauen an, deren Charakter durch ihre Abkunft von Tieren bestimmt ist. Typi-sierung und Reihung, grundlegende Muster misogyner Literatur, sind hier bereits angelegt40.

Von den lateinischen Autoren ¨uberliefern vor allem Vergil in seinerAeneisund mehr noch Ovid in denHeroidesumfangreichere Frauenkataloge41, deren Rezeption dem Mittelalter im Gegensatz zu den griechischen Texten keine Probleme bereitete.

36JOOST-GAUGIER1982A, S. 112. Vgl. Plutarchus, Moralia, Bd. 2, Leipzig: Teubner21971 [1935], S. 225-272:

Mulierum Virtutes.

37Hesiod, S¨amtliche Gedichte. Theogonie – Erga – Frauenkataloge. ¨Ubersetzt und erl¨autert von Walter Marg, Z ¨urich/Stuttgart: Artemis 1970, S. 393-536. Zur Aktualit¨at Hesiods in der prezi¨osen Frauenliteratur des 17. Jahrhun-derts (s. die Abschnitte 1.3.3 u. 1.4) vgl. Renate Baader, Dames de lettres. Autorinnen des prezi¨osen, aristokratischen undmodernen“ Salons (1649-1698): Mlle de Scud´ery – Mlle de Montpensier – Mme d’Aulnoy [Romanistische Abhandlungen, Bd. 5], Stuttgart: Metzler 1986, S. 121f.

38Homer, Od., 11, 195-329. – Vgl. zu diesen Frauenkatalogen: Glenda Mcleod, Virtue and Venom. Catalogs of Women from Antiquity to the Renaissance, Ann Arbor: The University of Michigan Press 1991, S. 11-24.

39Hesiod,Theog., 570-612,Erga, 60-105 [HESIOD1970, S. 58ff., 235-242 (Kommentar), 310f., 344ff. (Kommentar)].

– Die klassische Studie zur Pandoralegende: Dora Panofsky, Erwin Panofsky, Pandora’s Box. The Changing Aspects of a Mythical Symbol [Bollingen Series, Bd. 52], Princeton: Princeton UP21962 [1956].

40Vgl. Hermann Fr¨ankel, Dichtung und Philosophie des fr¨uhen Griechentums. Eine Geschichte der griechischen Epik, Lyrik und Prosa bis zur Mitte des f¨unften Jahrhunderts, M¨unchen: Beck31969, S. 232-236. Das Fragment des Semo-nides enth¨alt einen guten und sieben schlechte Tier- bzw. Naturtypen, z.B.:

Verschieden hat den Geist des Weibes Gott gemacht im Anfang. Eine aus der Sau, dem Borstenvieh, [...].

Aus Meer die andre; sie hat zweierlei Sinn.

An einem Tage lacht sie und ist sehr vergn¨ugt;

der Fremde, der ins Haus kommt, ist des Lobes voll:

Bei allen Menschen gibt es keine zweite Frau, die trefflich ist wie diese oder sch¨on wie sie“.

Ein andermal ist sie nicht zu ertragen und nicht anzusehen, unzug¨anglich, denn sie tobt unnahbar wie die H¨undin ¨uber ihrem Wurf;

zu allen: Feinden, Freunden, ohne Unterschied benimmt sie sich ungn¨adig, schroff und widerlich.

So wie die See oft unbeweglich stille steht, harmlos und f¨ur den Schiffer eine große Lust zur Zeit des Sommers, aber oft dann wieder tobt gewaltig str¨omend mit der Wellen lautem Schall:

ihr l¨aßt am ehesten sich vergleichen solch ein Weib mit ihren Launen und der wechselnden Natur. [...]

(Zitiert nach Fr¨ankel, S. 232f.).

41Vgl. zu beiden und weiteren Beispielen: MCLEOD1991A, S. 14-34.

1.2 Mittelalterliche Tradition und fr ¨uhhumanistische Vitenliteratur in Bildzyklen des Trecento und des Quattrocento: Boccaccio, Neuf Preux und Neuf Preuses , Petrarca

1.2.1 Die Thematik der Ber¨uhmten Frauen zwischen Hof und fr ¨uhem B ¨urgertum

Aufgrund ihrer nur ungen ¨ugenden ¨Uberlieferung haben bildliche Darstellungen Ber ¨uhmter M¨anner in der antiken Kunst keinen Einfluß auf die Entstehung monumentaler Folgen von uo-mini famosiunddonne famosein der italienischen Malerei des Trecento gehabt42. Bereits der fr ¨uheste bekannte, Giotto zugeschriebene, wenn auch nicht erhalteneuomini illustri-Zyklus im Castelnuovo von Neapel enthielt Frauenfiguren, die biographisch mit den dargestellten Hel-den verbunHel-den waren. Demnach handelte es sich nicht um eine Folge von eigenst ¨andigen donne famose. Auftraggeber war K ¨onig Robert d’Anjou von Neapel, in dessen Regierungs-zeit von 1309 bis 1343 folglich die Ausf ¨uhrung der Fresken anzusetzen ist. Wegen ihrer fr ¨uhen Zerst¨orung w¨ahrend der Regierung Alfons V. von Aragon (1416-1458) erscheint ihre Zuschrei-bung an Giotto u.a. durch Ghiberti und Vasari als nicht gesichert, zumal die Autorschaft Giottos an den ihm ebenfalls von Ghiberti zugeschriebenen Incoronata-Fresken von Neapel in der For-schung stark angezweifelt wird. Sollte allerdings die Urheberschaft Giottos zutreffen – und die alte ¨Uberlieferung sollte nicht v ¨ollig ignoriert werden –, ist eine Datierung des Zyklus im Castelnuovo in den Jahren seines angenommenen Aufenthalts in Neapel von 1329 bis 1332 wahrscheinlich43.

Abgesehen von ihrer Bedeutung als fr ¨uhester bekannteruomini illustri-Zyklus in der Ma-lerei sind die Neapolitaner Fresken vor allem aufgrund ihrer Interpretation des Geschlechter-verh¨altnisses von besonderem Interesse. Als ikonographische Quellen haben sich in sechs verschiedenen Manuskripten neun Sonette erhalten, die jeweils einer der in dersalades Ca-stelnuovo dargestellten Personen gewidmet sind und die Bildfolge mit leichten Abweichungen von einander erl ¨autern. Zu einem der Sonette ist die ¨Uberschrift ¨uberliefert, die den Verfasser bezeichnet als

”il quale essendo nella sala del re Roberto a Napoli vide dipinti questi famosi huomini. E lui f`e a ciaschuno il suo sonetto chome qui apresso.“44Creighton Gilbert hat nach einer Analyse der erhaltenen Manuskripte eine neue Rekonstruktion des urspr ¨unglichen Zy-klus vorgelegt, die hier ¨ubernommen werden soll: Jeweils symmetrisch einander zugeordnet nehmen Alexander und Caesar – diese beiden als einzige ohne weibliche Assistenzfigur – als

42Zur bildlichen Darstellung in der Antike (im Medium der Plastik vor allem auch als in Bibliotheken situierte Galerien von Philosophen- und Dichterportr¨ats, vgl. Thuri Lorenz, Galerien von griechischen Philosophen- und Dichterbild-nissen bei den R¨omern, Mainz: von Zabern 1965) und zum Verlust dieser Tradition im Mittelalter vgl.: Christiane L. Joost-Gaugier, Poggio and Visual Tradition: Uomini Famosiin Classical Literary Description, in: artibus et hi-storiae, Nr. 12, 1985, S. 57-74. Zur Darstellung deruomini famosiin Italien vgl.: Heidy B¨ocker-Dursch, Zyklen ber¨uhmter M¨anner in der Bildenden Kunst Italiens - ‘Neuf preux’ und ‘uomini illustri’. Eine ikonologische Studie, Diss. M ¨unchen 1973, und, die Probleme der j¨ungeren Forschung zusammenfassend und kritisch befragend: Martina Hansmann, Andrea del Castagnos Zyklus der ‘uomini famosi’ und ‘donne famose’. Geschichtsverst¨andnis und Tu-gendideal im Florentinischen Fr¨uhhumanismus [Bonner Studien zur Kunstgeschichte, Bd. 4], M¨unster/Hamburg: Lit 1993, S. 26-98.

43Vgl. B ¨OCKER-DURSCH1973, S. 11f.

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[...] welcher, als er in dersalades K¨onigs Robert von Neapel war, diese ber¨uhmten M¨anner gemalt sah. Und er machte auf jeden ein Sonett, wie es nun folgt.“ Zitiert nach: HANSMANN1993, S. 33, Anm. 20. ¨Ubersetzung d. Verf.

– Zu Robert von Neapel und den Beginn von ¨ahnlichen Portr¨ats vgl. u.a.: Andrew Martindale, Heroes, ancestors, relatives and the birth of the portrait [4th Gerson Lecture], Maarssen/Den Haag: SDU 1988, S. 24f. (wiederabgedruckt in: ders., Painting the Palace. Studies in the History of Medieval Secular Painting, London: Pindar 1995, S. 75-116).

Vertreter eines j ¨ungeren Abschnitts der antiken Geschichte eine Randstellung ein, Salomon (dessen Begleiterin im Sonett alsmaledetta creaturaangesprochen wird) und Samson (mit der namentlich nicht genannten Delilah) stehen als nicht-klassische Helden f ¨ur das Alte Testament, w¨ahrend die der griechischen Mythologie und dem trojanischen Sagenkreis entlehnten Figuren entweder durch ihre St ¨arke, wie Herkules (mit Deianira) und Hektor (mit Penthesilea), oder durch ihre Liebesgeschichten, wie Aeneas (mit Dido) und Paris (mit Helena), verbunden sind.

Achilles (mit Polyxena) steht als

”Uber-Held“ im Zentrum und hat keinen Gegenpart¨ 45.

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Eingang

Paris/Helena