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Ferdinand von Tirol: Ambras und Ruhelust

” Niederl¨anderinnen“

3.2 Die Habsburger, das

3.2.2 Ferdinand von Tirol: Ambras und Ruhelust

Erzherzog Ferdinand II. von Tirol (1529-1595), der zweite Sohn Kaiser Ferdinands II. und Cousin Philipps II. von Spanien (in dessenGaler´ıa de Retratos del PardoFerdinand unter den HabsburgerPr´ıncipesauf der S ¨udwand figuriert), gilt neben Kaiser Rudolf II. als die mar-kanteste Sammlerpers ¨onlichkeit unter den ¨osterreichischen Habsburgern des 16. Jahrhunderts.

Auch wenn dieses Urteil zum Teil durch den Umstand des relativ intakten Erhaltungszustands von Teilen seiner Sammlung und der urspr ¨unglichen Ausstellungsr ¨aume bedingt ist650, bleibt die Person Ferdinands weiterhin bis zu einem gewissen Grad eine Ausnahmeerscheinung. In diesem Zusammenhang sei hier nur auf den Umstand verwiesen, daß sich der junge Erzherzog der dynastischen R ¨ason verweigerte und 1557 im geheimen die nicht standesgem ¨aße Augs-burger Patriziertochter Philippine Welser heiratete und somit auf legitime Erben verzichtete.

Von 1547 bis 1563 war er Statthalter in B ¨ohmen, ab 1565 Regent in Tirol. Nach dem Tod der Philippine Welser ging er 1582 eine zweite Ehe mit Anna Caterina Gonzaga ein651.

Die Fassadenmalerei im Innenhof des Hochschlosses Ambras

Die Sammlungen Erzherzog Ferdinands konzentrierten sich auf das in der N ¨ahe Innsbrucks gelegene Schloß Ambras und auf die Hofburg in der Tiroler Residenzstadt, hier vor allem auf das als Ruhelust bezeichnete Sommerschloß als unmittelbaren Erweiterungsbau der Hofburg.

Die Um- bzw. Erweiterungsbauten an beiden Schloßkomplexen begannen bald nach der ¨ Uber-nahme der Landesherrschaft durch den Erzherzog in der Mitte der 60er des 16. Jahrhunderts.

Aufgrund der etwas fr ¨uheren Zeitstellung der hier interessierenden Bau- und Sammlungskom-plexe und der noch umfassenderen enzyklop ¨adischen Ausrichtung der Sammlungen werden die Portr¨atbest¨ande von Schloß Ambras zuerst behandelt. Grunds ¨atzlich muß aber festgehal-ten werden, daß beide Sammlungskomplexe zusammengeh ¨oren.

Schloß Ambras wurde 1563 eigens als Wohnsitz f ¨ur Philippine Welser angekauft, da die Abb. 84

Bedingungen des Kaisers f ¨ur die Anerkennung der morganatischen Verbindung seines Sohnes unter anderem die vom f ¨urstlichen Hof getrennte Unterbringung von dessen

”Beywohnerin“

649Vgl. die Abschnitte 3.3.2 u. 4.1.

650Zu den Sammlungen seiner Verwandten vgl. u.a. den ¨Uberblick von Thomas DaCosta Kaufmann, From Treasury to Museum: The Collections of the Austrian Habsburgs, in: ELSNER/CARDINAL1994, S. 137-154, hier 142-146, sowie Abschnitt 3.2.3 in der vorliegenden Arbeit.

651Vgl. zur Biographie, immer noch am umfassendsten: Joseph Hirn, Erzherzog Ferdinand II. von Tirol. Geschichte seiner Regierung und seiner L¨ander, 2 Bde., Innsbruck: Wagner 1885-1888 (leider sind die von Hirn herangezogenen Archivalien wegen diverser Umsignierungen nur noch unter großen Schwierigkeiten aufzufinden); und als j¨ungere Ge-samtdarstellung zu Sammlerperson und Sammlungen: Christian Gries, Erzherzog Ferdinand von Tirol. Konturen einer Sammlerpers¨onlichkeit, in:Fr¨uhneuzeit-Info, Jg. 4, H. 2, 1993, S. 162-173, u. ders., Erzherzog Ferdinand II. von Tirol und die Sammlungen auf Schloß Ambras, in: ebd., Jg. 5, H. 1, 1994, S. 7-37; zu den Gemahlinnen Ferdinands zu-letzt: Philippine Welser & Anna Caterina Gonzaga. Die Gemahlinnen Erzherzog Ferdinands II., Ausst.kat. Innsbruck, Wien: Kunsthistorisches Museum 1998. – Die z.T. recht umfangreiche Literatur zu einzelnen Sammlungsbest¨anden wird gesondert am entsprechenden Ort verzeichnet werden.

verlangten. Die Anlage befand sich also offiziell im Besitz der Gemahlin Ferdinands und hatte im 15. Jahrhundert als mehrmals an Gattinnen von Erzherz ¨ogen verschriebenes Heiratsgut be-reits eine gewisse Tradition als

”weibliches Besitztum“652. Aus diesem Grund erfolgte in der ersten Ausbauphase von Ambras unter Ferdinand von Tirol von 1564 bis 1569 nur ein relativ z¨ugiger Umbau des Hochschlosses, unter weitgehender Einbeziehung vorhandener Bausub-stanz, allein zu Wohnzwecken f ¨ur die Familie des Erzherzogs und ohne Repr ¨asentationsr¨aume.

Die in diese Bauphase datierenden monumentalen Fassadenmalereien des Innenhofs nehmen

eine besondere Position ein, da sie scheinbar – und unter Bezug auf die nominelle Hausher- Abb. 85 rin – bevorzugt weibliche Figuren und Themen wiedergeben und einer m ¨annlich kodierten

heroischen Thematik nur eine untergeordnete Stellung zuweisen.

Das auf allen vier Hofseiten einheitliche Dekorationssystem ist in f ¨unf horizontale Streifen

¨uber einem illusionistisch gequaderten Sockelgeschoß unterteilt. Entsprechend den drei Ober-geschossen sind die Wandabschnitte zwischen den Fenstern mit drei Registern von – Skulptu-ren illusionieSkulptu-renden – GanzfiguSkulptu-ren in gemalten Nischen ausgef ¨ullt. Die beiden durchlaufen-den Wandstreifen zwischen durchlaufen-den Figurenfolgen sind friesartig szenisch angelegt: im unteren ein auf allen vier Seiten durchlaufender Bacchuszug; im oberen eine nicht sonderlich koh ¨arente Folge von alttestamentlichen und heidnisch-antiken Historien sowie nicht weiter identifizier-baren Schlachtenszenen. Es handelt sich als zum gr ¨oßten Teil, abgesehen von einem in den Bereich des Musischen verweisenden Orpheus, um heroische Themen. Die drei Register mit Einzelfiguren behalten die unteren beiden Wandzonen weiblichen Figuren in antikisierenden Nischen vor, w ¨ahrend m ¨annliche Einzelfiguren – zwischen Hermen und in grotesken (als mo-dern verstandenen?) Ornamentnischen nur in der obersten Wandzone enthalten sind. Hier beginnt auf der S ¨udwand eine Folge von Neun Helden, die in der S ¨udostecke der Ostwand mit Julius C¨asar abgeschlossen wird. Das ¨ubrige Personal dieses Registers sind nicht weiter zu identifizierende, m ¨oglicherweise als zeitgen ¨ossisch vorgestellte Ritterfiguren. Es ist wohl zu Recht darauf verwiesen worden, daß Ferdinand von Tirol mit dieser Figurenfolge an die in burgundischer Tradition stehende mythisch-imperiale Genealogie der Habsburger anschließen wollte, und man hat Vergleiche mit den gleichzeitig entstehendenImagines Gentis Austriacae und dem 1601 publizierten Bildkatalog der Heldenr ¨ustkammer des Erzherzogs, dem Arma-mentarium Heroicum, gezogen653.

Als weibliches Gegenst ¨uck zu dieser Heroenfolge muß die Serie der Heldinnen Judith, Esther, Birgitta und Jael im untersten Register der Ostwand verstanden werden, eine un-vollst¨andige Wiedergabe der durch die Anwesenheit der Hl. Birgitta bereits tendenziell ent-heroisierten Weiterentwicklung derneuf preuses, derNeun Guten Heldinnen654. Diese Folge konnte aber kaum als imagin ¨are Genealogie der Philippine Welser gelesen werden, es sei denn, das Ehepaar versuchte, die aus der Sicht der ¨ubrigen Habsburger nicht standesgem ¨aße Herkunft Philippines durch eine Angleichung an die mythische Bestimmung der Herkunft der Habsbur-ger wettzumachen. Dies ist aber eher unwahrscheinlich, da die Lesart der Heroinen bereits

652Vgl. GRIES1993, S. 162ff. m. Anm. 17 u. S. 167.

653Vgl. Elisabeth Scheicher, Ein

b¨ohmisches“ Schloß in Tirol. Zu den Fassadenmalereien des Ambraser Hochschlosses, in:Osterreichische Zeitschrift f¨ur Kunst und Denkmalpflege¨ , 46. Jg., 1992, S. 4-18 (die Benennung der Figuren des Bildprogramms folgt generell diesem Aufsatz). – Zu denImagines Gentis Austriacaeu. zur Heldenr¨ustkammer s.

auch unten.

654Zu den Neun Heldinnen s. Abschnitt 1.2.1.

durch die ¨ubrigen weiblichen Einzelfiguren determiniert ist: Auf der S ¨udwand schließen sich an die Heroinen die Tugenden Fides, Spes, Caritas, Justitia, Prudentia, Fortitudo, Temperantia und Sapientia divina an, auf der Nordwand die Personifikationen derArtes liberalesMusik, Geometrie, Arithmetik, Astronomie, Grammatik, Dialektik und Rhetorik. Die weiblichen Fi-guren der gegen ¨uberliegenden Seite sind nicht mehr zu identifizieren.

Das zweite Register mit weiblichen Nischenfiguren verweist auf die heidnisch-antike, g ¨ottlich-mythologische Ebene, allerdings sind die Figuren auf der Nord- und der Westwand nicht mehr zu bestimmen. Auf der Ostwand fand sich urspr ¨unglich m ¨oglicherweise eine Folge von G ¨ottinnen, auf der S ¨udwand ein Musen-Zyklus. Von diesen Figuren sind die G ¨ottin Diana und die Muse Euterpe noch mit einiger Sicherheit zu erkennen. Trotzdem ist die Gesamtaus-sage der beiden weiblich kodierten Figuren-Register eindeutig benennbar: Es handelt sich um eine Folge von Tugendpersonifikationen, zum Teil erg ¨anzt um statisch aufgefaßte weibliche exemplain der unteren Zone und um mythologische Frauenfiguren in der zweiten Fensterzone, die ebenfalls auf abstrakte Sachverhalte verweisen. Aktive Tugendexempel zur Veranschauli-chung der durch die Nischenfiguren personifizierten Ideale bietet allein der – mit Ausnahme von Judith und Holofernes auf der Ostwand – m ¨annlich kodierte Historienfries, der auch als politisch-aktives Gegenbild zu dem den K ¨unsten zugewandten, dionysischen Bacchus-Fries darunter verstanden werden kann. Die Tugendpersonifikationen und -exempel waren selbst-verst¨andlich auch auf die Person der Philippine Welser zu beziehen. Andererseits waren diese ethischen Aussagen zu allgemein und zudem noch der konventionellste Teil dieser Fassadende-koration, um als eine spezifische Allusion auf die Gemahlin Ferdinands II. von Tirol verstanden werden zu k ¨onnen. Dessen pers ¨onliche Interessen sind jedoch in der Heroenfolge des oberen Registers – wie im folgenden noch deutlicher erkennbar sein wird – bereits eindeutig pr ¨asent.

In dieser fr ¨uhen und noch wenig repr ¨asentativen Bau- und Ausstattungsphase ist Schloß Am-bras zwar im Besitz der Philippine Welser, in seiner nach außen gerichteten Repr ¨asentation verweist es aber bereits prim ¨ar auf ihren Gemahl und dessen Pers ¨onlichkeit.

Der sogenannte Spanische Saal, dieImagines Gentis Austriacaeund die Kleinbildnissammlung in Ambras

Mit der Errichtung eines freistehenden, im Inneren 43 Meter langen Saalbaus 1569-72 – un-Abb. 86

mittelbar anschließend an die Arbeiten im Kernschloß und diesem unterhalb an der S ¨udseite vorgelagert –, wurde Ambras endg ¨ultig zu einem repr ¨asentativen Wohnsitz eines F ¨ursten um-gestaltet. Dementsprechend findet sich im Inneren des galerieartigen, seit dem 19. Jahrhundert ohne erkennbaren Grund so genanntenSpanischen Saaleseine ganzfigurige Bildnisfolge von Tiroler Landesf ¨ursten. Die 27 Portr ¨ats bilden also eine dynastische, aber nicht allein auf die Genealogie der eigenen Familie bezogene Ahnengalerie zur Legitimierung der Landesherr-schaft des Erzherzogs. Unter diesen auf gesellLandesherr-schaftlicher Funktion und Politik beruhenden ikonographischen Voraussetzungen war der Anteil weiblicher Repr ¨asentation entsprechend ge-ring: Einzig Margarethe Maultasch unterbricht hier die Folge der m ¨annlichen F ¨ursten655.

655Vgl. zum sogenanntenSpanischen Saal: GEBESSLER1957, S. 86-93; Elisabeth Scheicher, Der Spanische Saal von Schloß Ambras. Die malerische Ausgestaltung, in: JbKW, Bd. 71, 1975, S. 39-94, u. G¨OTZ1980, S. 278f. – Einen guten, neueren ¨Uberblick ¨uber Schloß Ambras und die einzelnen Geb¨audeteile bietet der F¨uhrer: Alfred Auer u.a., Schloß Ambras, Mailand: Electa, Wien: Kunsthistorisches Museum 1996, hier S. 69.

Anders sieht dies bei den Bildnissammlungen des Erzherzogs aus, die im Kontext sei-ner enzyklop ¨adischen Sammlungsinteressen stehen und genealogisch begr ¨undet sind. Diese Portr¨atfolgen waren Teil seiner Kunst- und Wunderkammer, die in einem separaten, eigens zur Unterbringung der Sammlung errichteten und 1583 im wesentlichen vollendeten Geb ¨aude-komplex untergebracht war656. Innerhalb der Portr ¨atabteilung der Graphiksammlung657 Fer-dinands befand sich auch ein Exemplar derImagines Gentis Austriacaedes Francesco Terzio, das hier zun¨achst besprochen werden soll. Der Landesherr von Tirol hatte pr ¨agenden Einfluß auf die Konzeption dieser von ihm protegierten und finanzierten habsburgischen Portr ¨atgenea-logie als monumentale f ¨unfb¨andige Publikation im Medium der Druckgraphik. Die Quellen weisen vor allem Aktivit ¨aten Terzios im Bereich der Vermarktung aus und Versuche, neue hocharistokratische Kunden – so Karl IX. von Frankreich und Herzog Cosimo I. de’ Medici – f ¨ur ¨ahnliche Projekte zu gewinnen. Ausgangspunkt des Stichwerks waren die Bronzestand-bilder des Grabmals Kaiser Maximilians I. in der Innsbrucker Hofkirche. Das auf der Genea-logie Kaiser Maximilians I. von Burgkmair beruhende Programm und die Texte derImagines verfaßte Georg Resch von Geroldshausen. Eine erste Ausgabe erschien offenbar 1558, eine zweite, erweiterte Auflage ist auf dem Titelblatt mit 1569, auf der Schlußvignette mit 1573 datiert658. DieImaginessind also im wesentlichen aus dem Kontext der Historiographie und Genealogie des eigenen Hauses und im Wechselspiel mit ¨ahnlichen Projekten der propagandi-stischen Selbstdarstellung und Selbstvergewisserung konkurrierender europ ¨aischer Dynastien, vor allem der Valois in Frankreich659, heraus zu verstehen.

Die ganzfigurigen Portr ¨ats sind statuarisch – denkmalhaft – aufgefaßt, gepr ¨agt durch den Abb. 87 h ¨ofischen Portr¨atstil der spanischen Habsburger, was durch die architektonische Gliederung

der Bildfl¨ache mit einer verkr ¨opften Pilasterordnung und hochrechteckigen Feldern hinter den

656Die Literatur zur Kunst- und Naturaliensammlung Ferdinands II. von Tirol ist ¨außerst umfangreich. Vgl. u.a.VON SCHLOSSER1908, S. 35-72; Laurin Luchner, Denkmal eines Renaissancef¨ursten. Versuch einer Rekonstruktion des Ambraser Museums von 1583, Wien: Schroll 1958; Elisabeth Scheicher, Die Kunst- und Wunderkammern der Habs-burger, Wien/M¨unchen/Z¨urich: Molden 1979, S. 73-136; dies., The Collection of Archduke Ferdinand II at Schloss Ambras: Its Purpose, Composition and Evolution, in: IMPEY/MACGREGOR1985, S. 29-38; dies., Zur Entstehung des Museums im 16. Jahrhundert. Ordnungsprinzipien und Erschließung der Ambraser Sammlung Erzherzog Ferdinands II., in: Hermann Fillitz, Martina Pippal (Hrsg.), Akten des XXV. Internationalen Kongresses f¨ur Kunstgeschichte, Bd. 4: Der Zugang zum Kunstwerk: Schatzkammer, Salon, Ausstellung,

Museum“, Wien/K¨oln/Graz: B¨ohlau 1986, S. 43-52; BREDEKAMP1993, S. 35-39, u. GRIES1994. Grundlage f¨ur die Rekonstruktion der Sammlungen ist im wesentlichen das Inventar des Nachlasses Erzherzog Ferdinands in Ruhelust, Innsbruck und Ambras vom 30. Mai 1596, publiziert von Wendelin Boeheim, Urkunden und Regesten aus der K. K. Hofbibliothek, Regest Nr. 5556, in:

JbKW, Bd. 7/2, 1888, S. CCXXVI-CCCI, u. Bd. 10, 1889, S. I-X. Zur Funktion und Struktur eines solchen Samm-lungsinventars im Zusammenhang einer umfassenderen Rechtshandlung vgl. m. Bezug auf Ambras: Heinrich Klapsia, Von Kunstkammer-Inventaren. Versuch einer quellenkritischen Grundlegung, in: Mitteilungen des ¨osterreichischen Instituts f¨ur Geschichtsforschung, Bd. 49, 1935, S. 444-455, u. KETELSEN1990, S. 103-108, 119-126.

657Vgl. Peter W. Parshall, The Print Collection of Ferdinand, Archduke of Tyrol, in: JbKW, Bd. 78, 1982, S. 139-184, hier S. 158-162. – Die Graphiksammlung umfaßte auch drei Portr¨atalben, die in etwa analog zu der unten besprochenen Kleinbildnissammlung des Erzherzogs organisiert waren. Die Alben sollen aus diesem Grund hier nicht weiter ber¨ucksichtigt werden.

658Vgl. Elisabeth Scheicher, Die Imagines Gentis Austriacae des Francesco Terzio, in: JbKW, Bd. 79, 1983, S. 43-92;

zu Francesco Terzio: Albert Ilg, Francesco Terzio, der Hofmaler Erzherzogs Ferdinand von Tirol, in: JbKW, Bd. 9, 1889, S. 235-262, u. Mila Pistoi, Francesco Terzi, in: I Pittori Bergamaschi dal XIII al XIX secolo: Il Cinquecento, Bd. 2, Bergamo: Poligrafiche Bolis 1976, S. 593-608 u. Kat.Nr. 25 (Imagines); zum Grabmal Maximilians I. in der Innsbrucker Hofkirche: Vinzenz Oberhammer, Die Bronzestandbilder des Maximiliangrabmales in der Hofkirche zu Innsbruck, Innsbruck/Wien/M¨unchen: Tyrolia 1935, bes. S. 13-81 u. zuletzt: Elisabeth Scheicher, Kaiser Maximilian plant sein Grabmal, in: Jahrbuch des Kunsthistorischen Museums Wien, Bd. 1 (= JbKW, Bd. 93), 1999, S. 81-117, bes. S. 81-106.

659Vgl. hierzu die Angaben zurPetite GalerieHeinrichs IV. im Louvre in Abschnitt 1.3.3 und bes. die Literaturverweise in Anm. 216.

einzelnen Figuren noch verst ¨arkt wird660. Die ersten vier B¨ande enthielten m ¨annliche Ge-nealogien, zum Teil legend ¨are Stammb¨aume, ein Verfahren, das in der Historiographie im Verlauf des 16. Jahrhunderts bereits zugunsten von historischer Authentizit ¨at an Bedeutung verlor661. Im f ¨unften, der Kaiserin Maria, Gemahlin Maximilians II., gewidmeten Band sind in 13 Doppelportr ¨ats die Gemahlinnen der Habsburger zu einer separaten Gruppe zusammenge-stellt (entgegen dem ¨ublicheren Verfahren einer Zuordnung der jeweiligen Ehegatten in einem Doppelportr ¨at bzw. in zwei Einzelbildnissen). DiesePars Quintabeginnt mit dem Einzelbild-nis der Widmungstr ¨agerin, der Kaiserin Maria, und wird mit zwei Doppelportr ¨ats der vier Gemahlinnen Philipps II. von Spanien fortgesetzt. Darauf folgen die Bildnisse der K ¨onigin Elisabeth von Frankreich – Gattin Karls IX. und Nichte Ferdinands – und der Infantin Johanna von Portugal – Tochter Karls V. und Cousine des Erzherzogs –, dann die Gattinnen der Kai-ser Karl V. und Ferdinand I., die spanischen K ¨oniginnen Johanna und ihre Mutter Isabella die Katholische, weiterhin die beiden Gattinnen Maximilians I. – Maria von Burgund und Bianca Maria Sforza. Die Serie setzt sich in dieser Art – retrospektiv aufgefaßt wie die m ¨annlichen Generationenfolge derImagines– fort, bis schließlich als letztes Bild das Doppelportr ¨at der beiden Gemahlinnen K ¨onig Rudolfs I. von Habsburg, Anna und Agnes, erreicht wird662.

Von besonderem Interesse an denImaginesist diese Zusammenstellung der f ¨urstlichen Gat-tinnen zu einer eigenen Portr ¨atserie innerhalb der Gesamtkonzeption des Stichwerks. Da die familiellen Bez ¨uge zu den m ¨annlichen Habsburgern weiterhin den Ausgangspunkt f ¨ur die in-nere Organisation des Portr ¨atwerks bilden, wird die ¨ubliche geschlechtersymmetrische Anlage von genealogischen Portr ¨atfolgen und Stammb ¨aumen zwar nicht vollends aufgehoben, aber doch durchbrochen. Denn diese Bez ¨uge, anders als bei einer einfachen Gegen ¨uberstellung der Ehegatten, sind visuell nicht mehr nachvollziehbar. Die aus diesem Aufbrechen der Symme-trie heraus begr ¨undete differente Behandlung der Geschlechter beinhaltete die M ¨oglichkeit, den weiblichen Anteil an der Genealogie des Hauses ¨Osterreich zu reduzieren: Die Gemah-linnen der Habsburger werden, in einem zwar umfangreichen Teil, erst am Ende abgehandelt, w¨ahrend der

”m¨annliche“ Stammbaum in vier unterschiedlichen Abfolgen und Kategorien aus-gebreitet wird663. Außerdem wurde die durch die Separierung der weiblichen Mitglieder des Hauses sich bietende M ¨oglichkeit konsequentnichtgenutzt, durch ihre Regentschaft und ihren Einfluß auf die Familienpolitik politisch zwar bedeutsame, aber am Fortbestehen der Dyna-stie nicht beteiligte Habsburgerinnen, wie Margarethe von ¨Osterreich und Maria von Ungarn, in das Portr¨atwerk aufzunehmen. Allein Frauen in ihrer Funktion alsgenetrixund als Gat-tinnen der Herrscher finden eine Darstellungsberechtigung innerhalb der Genealogie.

Trotz-660SCHEICHER1983, S. 47f. – Zur Charakteristik der spanischen Portr¨atmalerei des 16. Jahrhunderts vgl. u.a.: Fri-derike Klauner, Spanische Portraits des 16. Jahrhunderts, in: JbKW, Bd. 57, 1961, S. 123-158; Juan Miguel Serrera, Alonso S´anchez Coello y la mec´anica del retrato de corte, in: Alonso S´anchez Coello y el retrato en la corte de Felipe II, Ausst.kat. Madrid: Museo del Prado 1990, S. 37-63; KUSCHE1991A, bes. S. 28-32; dies., El retrato cortesano en el reinado de Felipe II, in: FELIPEIIY EL ARTE1998, S. 343-382, u. Miguel Falomir Faus, Im´agenes de poder y evocaciones de la memoria. Usos y funciones del retrato en la corte de Felipe II, in: FELIPEII KAT. 1998, S. 203-227.

661SCHEICHER1983, S. 50f. – Vgl. zu den Urspr¨ungen dieses Verfahrens in der maximilianischen Genealogie der Zeit um 1500 (die sich allerdings bezeichnenderweise auf die m¨annlichen Vorfahren konzentrierte): Simon Laschitzer, Die Genealogie des Kaisers Maximilian I., in: JbKW, Bd. 7/1, 1888, S. 1-199.

662Vgl. mit weiterf¨uhrenden Angaben zu Beschriftungen und Vorlagen der jeweiligen Portr¨ats: SCHEICHER1983, S. 79-92.

663Die Aufgabe der Symmetrie der Geschlechter kann u.a. auch darin mitbegr¨undet sein, daß f¨ur das ohnehin schwierige und teilweise widerspr¨uchliche Unterfangen, einevera effigiesf¨ur die zum Teil legend¨aren Vorfahren zu (er-)finden, noch dadurch erschwert worden w¨are, das gleiche f¨ur die dann ebenfalls legend¨aren Gattinnen durchspielen zu m¨ussen.

dem zeigt das Aufbrechen der geschlechtersymmetrischen Zuordnung der Ehegatten auch die neuen M ¨oglichkeiten der h ¨ofischen Frau auf: DiePars QuintaderImaginesstellt die f ¨urstli-chen Frauen als eine eigene Korporation innerhalb der Geschichte der Familie dar, zum Teil ergeben sich – soweit es die Statuarik der Figurenbildung zul ¨aßt - pers ¨onliche Beziehungen zwischen den meist einander zugewandten und oft durch Blickkontakt, verhaltene Gestik und Accessoires miteinander kommunizierenden Frauen. Familielle Bindungen wie das Verh ¨altnis von Mutter und Tochter (Isabella von Kastilien und ihre Tochter Johanna) oder Schw ¨agerin-nen (die Kaiserin¨agerin-nen Isabella und Anna) usw. innerhalb der Doppelportr ¨ats k¨on¨agerin-nen so zum Ausdruck gebracht werden. Auf dieser Basis bilden dieImaginesein zun ¨achst auf die engen Grenzen einer letztlich m ¨annlich bestimmten Genealogie beschr ¨anktes Medium der Repr ¨asen-tation von Korporationen h ¨ofischer Frauen, das aber, wie das Beispiel Ruhelust zeigen wird, die M ¨oglichkeit zu einer weiteren ¨Offnung und Eigenst ¨andigkeit bereits beinhaltet.

Die Bildnisse der j ¨ungeren Mitglieder des Hauses ¨Osterreich in denImaginesgehen zum Teil auf die gleiche Portr ¨ataufnahme zur ¨uck wie deren Portr ¨ats in der Kleinbildnissammlung Ferdinands II. von Tirol. Damit ist ein engerer Zusammenhang zwischen dem Stichwerk und der in der Kunstkammer des Erzherzogs aufbewahrten Sammlung von zum Zeitpunkt der

In-ventarisierung etwas mehr als 950 Portr ¨ats hergestellt. Laut dem Nachlaßinventar von 1596 Abb. 88-90 waren sie in acht Truhen – somit f ¨ur einen Besucher nicht unmittelbar einsehbar – und m

¨ogli-cherweise auch – die Angaben in den Inventaren sind nur schwer zu beurteilen – teilweise in enger H¨angung an den W ¨anden untergebracht: zumeist Kopien, auf Papier im einheitlichen Format von 13,5 x 10,5 cm, und am oberen Rand mit Angaben zur Person der Dargestell-ten beschriftet. Der Beginn der Sammlungst ¨atigkeit Ferdinands f ¨allt f¨ur die Kleinbildnisse in die 70er Jahre des 16. Jahrhunderts und ist nach heutigem Kenntnisstand durch eine An-frage nach Bildnissen des s ¨achsischen F ¨urstenhauses f ¨ur das Jahr 1578 eindeutig belegt. Einen gewissen Schlußpunkt fanden die Erwerbungen um das Jahr 1590, wie sich aus dem Alter einiger Dargestellter erschließen l ¨aßt, ohne daß dadurch ein Hinweis darauf gegeben ist, ob die Sammlung auch als in gewisser Weise vollst ¨andig und abgeschlossen angesehen wurde.

¨ogli-cherweise auch – die Angaben in den Inventaren sind nur schwer zu beurteilen – teilweise in enger H¨angung an den W ¨anden untergebracht: zumeist Kopien, auf Papier im einheitlichen Format von 13,5 x 10,5 cm, und am oberen Rand mit Angaben zur Person der Dargestell-ten beschriftet. Der Beginn der Sammlungst ¨atigkeit Ferdinands f ¨allt f¨ur die Kleinbildnisse in die 70er Jahre des 16. Jahrhunderts und ist nach heutigem Kenntnisstand durch eine An-frage nach Bildnissen des s ¨achsischen F ¨urstenhauses f ¨ur das Jahr 1578 eindeutig belegt. Einen gewissen Schlußpunkt fanden die Erwerbungen um das Jahr 1590, wie sich aus dem Alter einiger Dargestellter erschließen l ¨aßt, ohne daß dadurch ein Hinweis darauf gegeben ist, ob die Sammlung auch als in gewisser Weise vollst ¨andig und abgeschlossen angesehen wurde.