I. Grundstruktur der Quantenmechanik 11
2.3. Observablen und Projektionsmessung
|ψit
0
=hψt0 |ψt0i=hψt0 |U(t, t0)†U(t, t0)|ψt0i=hψt|ψti= |ψit
(32) Wie wir in Abschnitt 2.3 sehen werden, gew¨ahrleistet diese Invarianz der Norm, dass bei der Messung einer beliebigen physikalischen Gr¨oße die Wahrscheinlichkeit, irgendei-nes der m¨oglichen Messergebnisse zu erhalten, zu jedem Zeitpunkt 1 ist; dass man also bei einer Messung mit Sicherheit einen der m¨oglichen Messwerte erh¨alt.
Zuletzt stellt die Unitarit¨at sicher, dass der Zeitentwicklungsoperator invertierbar ist.
Das bedeutet, dass die Zeitentwicklung abgeschlossener Quantensysteme theoretisch im-mer umkehrbar ist, also jeder der so beschriebenen Prozesse r¨uckg¨angig gemacht werden kann.
Durch diese ersten beiden Postulate k¨onnen abgeschlossene Quatensysteme eigentlich vollst¨andig beschrieben werden. Es stellt sich nun aber die Frage, wie uns Beobachtern quantenmechanische Systeme zug¨anglich gemacht werden k¨onnen. Dieser Frage ist das 3. und letzte Postulat der Quantenmechanik gewidmet.
2.3. Observablen und Projektionsmessung
Wie ich im vorigen Abschnitt bereits angemerkt habe, entsprechen die Zust¨ande eines Systems in der Standardquantenmechanik nicht direkt etwas Beobachtbarem. Um die Theorie nun mit Beobachtungen und Messungen verkn¨upfen zu k¨onnen, muss ein Bezug zu beobachtbaren (observablen) physikalischen Gr¨oßen hergestellt werden. Dem Mess-postulat zufolge gibt es unendlich viele solcher observabler Gr¨oßen. Betrachtet werden in realistischen Modellen bis auf wenige Ausnahmen wie dem Spin aber ausschließlich klassische Observablen wie Energie, Impuls und Ort. Die Messgr¨oßen sind wie folgt in den Formalismus der Quantenmechanik eingebaut:
Jeder physikalischen Messgr¨oße ist ein selbstadjungierter Operator zugeordnet. Vom Beobachter wahrgenommen bzw. gemessen wird das Messergebnis – eine reelle Zahl oder ein Tupel reeller Zahlen, wie es auch in der klassischen Mechanik der Fall ist. (z.B.x= 3 oder (x, y, z) = (0,2,−3)) Die m¨oglichen Messergebnisse bei einer Messung sind die Ei-genwerte des zur Messgr¨oße geh¨origen Operators, welche wegen dessen Selbstadjungiert-heit alle reell sind. Welcher Eigenwert bei einer Einzelmessung tats¨achlich auftritt, ist zuf¨allig. Es kann lediglich eine Wahrscheinlichkeitsverteilung ¨uber die m¨oglichen Mess-werte – auf dem Spektrum des Messoperators – angegeben werden. (Es kann also lediglich
angegeben werden, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Eigenwerte bei einer tats¨achlichen Messung auftreten.) Im Zuge der Messung ver¨andert sich der Zustand des gemessenen Systems. Nach der Messung einer Observable befindet sich das System stets in einem Eigenvektor des zugeh¨origen Messoperators. Man erh¨alt den Zustand nach der Messung, indem man den vor der Messung vorliegenden Zustand auf den zum gemessenen Eigen-wert geh¨origen Unterverktorraum des Zustandsraumes projeziert.
Durch dieses Postulat kommt ein stochastisches Element in die Quantentheorie, welche bis zu diesem Punkt absolut deterministisch war. Die Messung f¨uhrt zu indeterministi-schen und irreversiblen Prozessen, welche Ausl¨oser einiger Interpretationsschwierigkeiten der Quantentheorie sind, wie in Abschnitt 6 thematisiert wird.
Postulat 3: Projektive Messung von Observablen
Jeder physikalischen Messgr¨oßeAkann in der Quantenmechanik ein selbst-adjungierter Operator ˆAzugeordnet werden.
Messwert Die m¨oglichen Messergebnisse bei einer Messung der Obser-vable A sind, unabh¨angig vom Zustand ρ des gemessenen Systems, die Eigenwerte λ∈σ( ˆA) des zugeh¨origen Operators ˆA. Welcher Eigenwert bei einer einzelnen Messung schlussendlich auftritt, ist zuf¨allig.
Die Wahrscheinlichkeit daf¨ur, einen bestimmten Eigenwert λ ∈ σ( ˆA) bei einer Messung zu erhalten, ist vom Zustand ρ des gemessenen Systems abh¨angig und ist durch
Pρ(λ) =Sp(ρ Pλ) (33)
gegeben. Dabei istPλ der Projektor auf den von λerzeugten Eigenraum.
Projektion Wird bei einer Einzelmessung der Eigenwert λ gemessen, so erf¨ahrt der urspr¨ungliche Zustand ρ des Systems die instantane Zu-stands¨anderung
ρ−−−−−−−→(Messung) Pλρ Pλ
Sp(ρ Pλ) (34)
Erwartungswert Der Erwartungswert der Messergebnisse bei der Mes-sung der Observablen Aam System mit Zustand ρ ist gegeben durch
hAiˆ ρ..=Sp ρAˆ(a)
=Sp
ρ X
λ∈σ( ˆA)
λ·Pλ(b)
= X
λ∈σ( ˆA)
λ·Sp(ρ Pλ) =
= X
λ∈σ( ˆA)
λ·Pρ(λ). (35)
Er ist das gewichtete Mittel aller m¨oglichen Messwerte.
aJeden selbstadjungierten Operator ˆA kann man mittels der Projektoren auf seine Eigenr¨aumePλdurch ˆA=P
λ∈σ( ˆA)λ·Pλdarstellen. (vgl. Mathematische Grundlagen, Seite 7)
bDie Spur ist linear.
Nat¨urlich l¨asst sich auch dieses Postulat ¨uber die Observablen und Messungen in der Quantenmechanik wieder auf den Fall reiner Zust¨ande vereinfachen:
Postulat 3: Projektive Messung von Observablen (rein)
Jeder physikalischen Messgr¨oßeAkann in der Quantenmechanik ein selbst-adjungierter Operator ˆAzugeordnet werden.
Messwert Die m¨oglichen Messergebnisse bei einer Messung der Obser-vable A sind, unabh¨angig vom Zustand |ψi des gemessenen Systems, die Eigenwerte λ∈σ( ˆA) des zugeh¨origen Operators ˆA. Welcher Eigenwert bei einer einzelnen Messung schlussendlich auftritt, ist zuf¨allig.
Die Wahrscheinlichkeit daf¨ur, einen bestimmten Eigenwert λ ∈ σ( ˆA) bei einer Messung zu erhalten, ist vom Zustand |ψi des gemessenen Systems abh¨angig und ist durch
P|ψi(λ) =
Pλ|ψi
2 (36)
gegeben. Dabei ist Pλ der Projektor auf den von λ erzeugten Eigenraum.
Pλ|ψi ist also jener Vektor, den man durch Projektion des urspr¨unglichen Zustands auf den zu λ geh¨origen Eigenraum erh¨alt. Die Auftrittswahr-scheinlichkeit des Eigenwertsλentspricht dem Quadrat der L¨ange des pro-jezierten Vektors.
Projektion Wird bei einer Einzelmessung der Eigenwert λgemessen, so wird der urspr¨ungliche Zustand |ψi des Systems instantan auf den von λ erzeugten Eigenraum projiziert (und wieder auf die L¨ange 1 normiert).
|ψi−−−−−−−→(Messung) Pλ|ψi
kPλ|ψi k (37)
Erwartungswert Der Erwartungswert der Messergebnisse bei der Mes-sung der Observablen Aam System mit Zustand |ψi ist gegeben durch
hAiˆ |ψi..=hψ|Aˆ|ψi=hψ| X
λ∈σ( ˆA)
λPλ|ψi (c)= X
λ∈σ( ˆA)
λhψ|Pλ|ψi=
= X
λ∈σ( ˆA)
λ·
Pλ|ψi
2= X
λ∈σ( ˆA)
λ·P|ψi(λ). (38)
Er ist das gewichtete Mittel aller m¨oglichen Messwerte.
cDas Skalarprodukt ist linear.
3Ich habe in diesem dritten Postulat die zu Observablen geh¨origen Operatoren durch ein Dach gekennzeichnet, um den Unterschied zwischen den Observablen und den Operatoren – die nur deren zugeordnete mathematische Objekte sind – hervorzuheben. Im weiteren Verlauf meiner Arbeit werde ich wieder auf das Dach verzichten, da es f¨ur gew¨ohnlich aus dem Kontext hervor geht, welches der beiden Objekte gereade gemeint ist.
Durch das Messpostulat gewinnen Basen und Basisdarstellungen an Bedeutung, wel-che bis dato f¨ur die Theorie v¨ollig bedeutungslos waren. Die Auftrittswahrscheinlich-eiten der m¨oglichen Messwerte h¨angen n¨amlich von der Eigenbasis des betrachteten Messoperators ab. Betrachtet man reine Zust¨ande und Observablen mit nicht entarteten Eigenwerten, so ist dies leicht ersichtlich. Sehen wir uns beispielsweise den Messope-rator A = Pn
i=1λi|eii hei| mit den n nicht entarteten Eigenwerten {λi}ni=1 und den normierten Eigenvektoren {|eii}ni=1 an. Die Eigenvektoren {|eii}ni=1 bilden eine ONB des Zustandsraumes H. Deshalb l¨asst sich jeder beliebige reine Zustand |ψi ∈ H als Linearkombination der Eigenvektoren von Adarstellen:
|ψi=
n
X
i=1
hei|ψi |eii (39)
Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer Messung der Observable A der Messwert λi auf-tritt, ist durch
P|ψi(λi) =| hei|ψi |2, (40) also durch das Betragsquadrat der Koordinate von|ψi bez¨uglich der Messbasis{|eii}ni=1 gegeben.