DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
USA
Zu dem Beitrag „Eine interes- sante Alternative: Aus- und Wei- terbildung in den USA" von Dr.
med. Christian Breburda MD in Heft 42/1991:
Eigene Erfahrungen nicht deckungsgleich
Der Autor stellt in einer aktuellen Übersicht Zugangs- möglichkeiten und Fakten der Weiterbildung in den USA dar. Eine weitere Zu- gangsmöglichkeit zu einem
„residency program" besteht durch Ablegen einer Prüfung des National Board of Medi- cal Examiners (NBME). Die- ses Examen kann jedoch nur in den USA abgelegt werden.
Meine eigenen Erfahrun- gen im ersten Jahr eines „re- sidency program in psychia- try" an einem Medical Center einer renommierten amerika- nischen Universität an der Upper-East-Side in Manhat- tan decken sich nicht ganz mit denen des Autors.
Im krassen Gegensatz zu der ausgezeichneten Quali- fikation der Ärzte in me- dizinisch-wissenschaftlicher Theorie stand die klinische Realität. Im Widerspruch zu Vorgaben der „bell commis- sion" des Staates New York waren 36- bis 40-Stunden- Dienste an jedem dritten Tag, sechs bis sieben Arbeitstage pro Woche sowie eine tägli- che Arbeitszeit von durch- schnittlich 14 Stunden die Regel. Die Auswirkungen auf die Qualität der Patienten- versorgung sind leicht vor- stellbar. Ein anderes Moment stellte der extreme wirtschaft- liche Druck dar, unter dem die medizinische Versorgung selbst bei Privatversicherten stand, so daß im Vordergrund der Behandlung weniger indi- viduelle und medizinische Be- dürfnisse des Patienten als ökonomische Zwänge der Kli- nik standen. Die zur Zeit in den USA bestehende Rezes- sion verstärkte diesen Druck noch. Die Weiterbildung selbst ist sehr stark struktu- riert, was einen Vorteil für die allgemeine Qualitätskon- trolle bringt, nicht aber unbe-
dingt Selbstbestimmung und Eigenverantwortlichkeit be- züglich der eigenen Weiter- bildung fördert. Zeit für wis- senschaftliches Arbeiten exi- stiert während der ersten drei Jahre kaum. Der Bruttover- dienst im ersten Jahr der Weiterbildung beträgt zur Zeit in New York City zirka 31 000 Dollar per anno, Nachtdienste etc. werden nicht zusätzlich entgolten.
Bei den gegenwärtigen Le- benshaltungskosten in N. Y. C. bedeutet dies im Vergleich zu deutschem Stan- dard materiell eine deutliche Einbuße bezüglich der Le- bensqualität.
Insgesamt bietet eine Wei- terbildung in den USA sicher eine Erweiterung persönli- cher wie beruflicher Perspek- tiven, ob sich aber eine solche Investition in finanzieller oder fachlicher Hinsicht lohnt, muß wohl jeder für sich selbst entscheiden.
Dr. med. Matthias R.
Lemke, Psychiatrische Klinik der Heinrich-Heine-Universi- tät, Rheinische Landesklinik, Bergische Landstraße 2, W-4000 Düsseldorf 12 ORGANSPENDE
Zu dem Beitrag „Organisation der postmortalen Organspende: Ei- ne öffentliche Aufgabe", von Prof.
Dr. med. Walter Land und Rechts- anwalt Dr. jur. Ulrich Baur in Heft 48/1991:
Schutz der Menschenwürde nicht im Vordergrund
Auf der letzten Seite des Artikels heißt es unter ande- rem: „Steht die Organentnah- me als öffentliche Aufgabe unter der Obhut des Staates, ist jeder Verdacht unberech- tigt . ."
Es ist noch keine 50 Jahre her, daß bei in der Obhut des Staates befindlichen Patien- ten jeder Verdacht berechtigt war, daß die Interessen der Patienten zurückgestellt wur- den. So vergeßlich kann man doch nicht sein.
Dieser Absatz entlarvt die Intention des Absender- teams. Hier steht nicht der
Schutz der Menschenwürde im Vordergrund, sondern das bequemere Gelangen an ver- pflanzbare Organe. Dieses Problem erfordert sicherlich tiefergreifendes Nachdenken.
Dr. med. Ortmann, Kreis- krankenhaus, W-7580 Bühl KBV
Zu dem Beitrag „Vertreterver- sammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung: Solidarität im Verteilungskampf" in Heft 51-52/1991:
Keine Solidarität
Die Überschrift ist falsch und paßt nicht zur Realität.
Es wird leider in der inner- ärztlichen Situation keine So- lidarität und keine Kollegiali- tät geübt. Das gilt nicht nur für den völlig unakzeptablen, diskriminierenden und ag- gressiven Entwurf der Bun- desempfehlungsvereinba- rung, nach der die Berliner mit einem deutlich niedrige- ren Punktwert als die „Wes- sis" abgespeist werden soll- ten, sondern auch innerhalb aller Gremien der KBV.
Es gibt hier nirgendwo So- lidarität, sondern nur unkol- legiales Verhalten und ego- istische Profitgeier. Durch die lobbymäßigen Mehrheiten wird zum Beispiel seit Jahren eine adäquate Honorierung des EEG durch die Mehrheit der EKG-Erbringer (Interni- sten und Praktiker) blockiert, und die hier beschworene scheinbare gesellschaftspoliti- sche Solidarität ist in Wirk- lichkeit leider auch noch nicht erreicht.
Zu einer so euphorischen Überschrift war also kein An- laß.
Dr. med. Eberhard Hirsch- berg, Breite Str. 49, W-1000 Berlin 20
Fauler Kompromiß
So provoziert, wie es der Titel ausdrückt, habe ich mich gefühlt, als ich den Be- richt über den Beschluß der Vertreterversammlung zum Papier des KBV-Bundesvor- standes über die zusätzliche
hausärztliche Grundvergü- tung zu Weihnachten 1991 im Deutschen Ärzteblatt las.
Wie viele andere Kollegin- nen und Kollegen habe ich die Angebote zur Weiterbil- dung gern angenommen, um die Qualität der ärztlichen Versorgung zu verbessern — ein Aspekt, auf den ja in der gegenwärtigen richtigen Kampagne für eine gerechte Leistungsvergütung immer mit Recht hingewiesen wird.
Deshalb ist es mir völlig un- verständlich, wie ein Be- schluß zu einer pauschalen Zusatzvergütung gefaßt wer- den kann, der die bestraft, die sich um eine Erweiterung ih- res Leistungsangebotes be- müht haben, und die belohnt, die ordentlich viele Primär- scheine kassieren, nur um einmal Nr. 1 oder Nr. 70 aus- zustellen und dafür noch 10 DM extra zu kassieren.
Wenn man wirklich das Engagement der Hausärzte besser honorieren will, dann sollte man mühsam erbrachte Leistungen, wie die Hausbe- suche, besser honorieren. Mit diesem Weg kann sicher jeder ohne große Diskussionen und Kompromisse einverstanden sein, weil er einfach und ge- recht ist.
Der Beschluß der Vertre- terversammlung schafft dage- gen nur neues Unrecht, was auch nicht im Interesse der Kassen sein kann. Sollte es für eine Revision zu spät sein, werden viele Kollegen sich die Vertreter der Kranken- kassen als Helfer gegen die eigenen Standeskollegen neh- men müssen — eine absurde Situation.
Zu meiner eigenen Inter- essenlage: ich bin Kinderarzt, erbringe fachbezogene Son- derleistungen, aber ich bin natürlich auch ständig als Hausarzt meiner Patienten in der Pflicht und fühle mich durch diesen Beschluß betro- gen. Nach Umfrage auch un- ter nicht kinderärztlichen hausärztlich tätigen Kollegen stehe ich mit dieser Meinung nicht allein.
Dr. med. Hans-Jürgen Kühle, Ostanlage 2, W-6300 Gießen
A1 -642 (6) Dt. Ärztebl. 89, Heft 9, 28. Februar 1992