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Archiv "Chorea Huntington: Die präsymptomatische DNA-Diagnostik: Schlußwort" (22.11.1990)

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Academic year: 2022

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nischem Sachverstand, beraterischer Kompetenz und persönlichem Enga- gement sowohl von Fachleuten als auch Betroffenen konnte Familien im Rahmen genetischer Beratung auch vor der Ära der DNA-Diagno- stik wirksame Hilfe zuteil werden.

Diese Art von Hilfe wird auch in Zu- kunft die unverzichtbare Grundlage der Betreuung von HK-Familien sein, ist doch nur ein Bruchteil aller Risikopersonen an der konkreten Durchführung der DNA-Diagnostik interessiert. Dies zeigen sowohl un- sere eigenen praktischen Erfahrun- gen, als auch die Ergebnisse der Pi- lotprojekte ausländischer Forscher- gruppen. Dies dürfte nicht zuletzt darin begründet sein, daß die Mög- lichkeit der DNA-Diagnostik bei der HK neue, zusätzliche Probleme für die Betroffenen und damit auch für die genetische Beratung aufwirft, wodurch enge Grenzen für die prak- tische Anwendung und eine genaue Definition der Rahmenbedingungen erforderlich werden. Es wäre des- halb wünschenswert gewesen, wenn hierauf der Schwerpunkt eines Infor- mations- und Weiterbildungsartikels zur DNA-Diagnostik bei HK im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT ge- legen hätte, und wenn eine eindeuti- ge Standortbestimmung und fundier- te Diskussion erfolgt wäre. Eine sol- che Diskussion läßt der Artikel lei- der vermissen. Sie ist nicht durch die Erwähnung „ernstzunehmen- der Vorbehalte" und den Verweis auf mit unzureichender Methodik durchgeführte Umfragen zur Einstel- lung von Risikopersonen zur prädik- tiven Diagnostik zu ersetzen, die zu- dem für die Bundesrepublik nicht re- präsentativ sind. Auch hätte man sich einen deutlicheren Hinweis auf die sehr umfassenden internationa- len Richtlinien gewünscht, die im üb- rigen gemeinsam von der Internatio- nal Huntington Association (IHA) und der World Federation of Neuro- logy (WFN) erarbeitet wurden. (Die- se Richtlinien liegen jetzt in einer kommentierten Ubersetzung der Huntington Gesellschaft e. V. vor und können dort angefordert werden (Huntington Gesellschaft e. V., Ge- schäftsstelle, Oberstadtstr. 23, 7452 Haigerloch, Telefon 0 74 74/71 81 [71 91]).

Die genetische Diagnostik bei einer nicht verhinderbaren und nicht behandelbaren Erkrankung wie der HK ist sowohl in ihren Intentionen als auch in ihren Konsequenzen eine fundamental andere als diejenige für zum Beispiel die Hypercholesterinä- mie. Die Protokolle für die Pilotpro- jekte, die andernorts initiiert wur- den, wurden deshalb auf der Basis breiter, interdisziplinärer Diskussion entwickelt. Mehrere jüngste Publika- tionen belegen, daß sich trotz sorg- fältigster Planung diese Art prädikti- ver Diagnostik als viel komplexer und problematischer herausstellt, als man sich jemals vorstellen konnte (Bloch und Hayden 1990). Es han- delt sich also keinesfalls um eine me- dizinische Routinediagnostik, die in jedem Fall von HK durchzuführen ist. Eher dürfte es so sein, daß die er- forderlichen Rahmenbedingungen hinsichtlich Vor- und Nachsorge in den meisten Fällen fehlen oder nur mit Schwierigkeiten zu etablieren sind. Ohne die Etablierung solcher Rahmenbedingungen, zu denen in erster Linie eine zeit- und personal- intensive Beratung gehört, könnte die DNA-Diagnostik bei HK sich in ganz anderer Weise als immer wie- der apostrophiert, als Modellfall er- weisen, nämlich als der Einstieg in eine eugenisch orientierte Gesund-

Schlußwort

Den Ausführungen von Herrn Dr. Lange (Düsseldorf) und Herrn Priv.-Doz. Dr. Wolf (Freiburg) kann ich weitgehend zustimmen. Herr Dr.

Lange hat völlig recht, daß die Cho- rea Huntington nicht heilbar, wohl aber eine symptomatische Therapie möglich ist. Verschiedene Untersu- chungsmethoden erlauben eine klini- sche Diagnose im Frühstadium der Krankheit und teilweise vor Krank- heitsmanifestation. Eine Unterschei- dung zwischen probatorischen CH- Genträgern und Nichtgenträgern ist damit nicht möglich. Allein die DNA-Diagnostik kann dies leisten.

Sie steht den Risikoprobanden zur Verfügung, wenn sie sie in Anspruch nehmen wollen. Die Empfehlungen der Internationalen Huntington-As-

heitspolitik bei nicht behandelbaren, spät manifestierenden Erkrankun- gen. Dringend erforderlich wäre es in diesem Zusammemhang, so ge- bräuchliche Begriffe wie Indikation und Prävention neu zu überdenken, um betroffene Familien vor sozialem und/oder medizinischem Druck und den Folgen nicht rückholbarer Infor- mationen zu schützen, wenn die po- sitiven Möglichkeiten, die die DNA- Diagnostik eventuell in Einzelfällen haben mag, genutzt werden sollen.

Ob ein solcher noch genau zu defi- nierender Nutzen das Eingehen der Gefahren prädiktiver genetischer Diagnostik bei HK rechtfertigt, ver- mag gegenwärtig niemand zu sagen.

Es liegt aber in der Verantwortung der Wissenschafter und Ärzte, dies vorauszudenken und sich bei der zu- künftigen Praxis an den Ergebnissen einer solchen Diskussion der ethi- schen Dimension genetischer Dia- gnostik zu orientieren.

Privatdozent

Dr. med. Gerhard Wolff Medizinische Genetik, Psychotherapie Leiter der

Genetischen Beratungsstelle am Institut für Humangenetik Albertstraße 11

W-7800 Freiburg i. Br.

sociation (IHA) geben die Rahmen- bedingungen ab, in die die präsym- ptomatische DNA-Diagnostik bei ei- nem Risikoprobanden eingebettet sein muß. Wir legen größten Wert darauf, daß diese Empfehlungen, die im Journal of Medical Genetics 1990; 27: 34-38 publiziert worden sind, eingehalten werden. Unser In- formationsblatt über die DNA-Dia- gnostik bei Chorea Huntington, wel- ches wir jedem Arzt und jedem Rat- suchenden auf Wunsch zuschicken, hält sich an die Empfehlungen.

Die Formulierungen auf dem Deckblatt und im Inhaltsverzeichnis des Heftes 8 des DEUTSCHEN ÄRZTEBLATTES, in dem mein Ar- tikel erschienen ist, sind bedauerlich, aber nicht von mir zu vertreten. Dr.

Wolf stellt dar, daß nach seinen praktischen Erfahrungen nur ein Bruchteil aller Risikopersonen an Dt. Ärztebl. 87, Heft 47, 22. November 1990 (75) A-3749

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der konkreten Durchführung der DNA-Diagnostik interessiert ist. Un- sere Erfahrung sieht anders aus: Un- ser Informationsblatt über die prä- symptomatische DNA-Diagnostik bei Chorea Huntington mußte be- reits nach einem Jahr in einer zwei- ten Auflage erscheinen. Seitdem wir am 1. Januar 1989 die DNA-Diagno- stik angeboten haben, haben sich be- reits 44 Risikoprobanden für die Diagnostik bei uns angemeldet oder wurden von Genetischen Beratungs- stellen bei uns angemeldet.

Die Ergebnisse der Pilotprojekte ausländischer Forschergruppen, auf die Dr. Wolf hinweist, zeigen zwar, daß die Inanspruchnahme der prä- symptomatischen DNA-Diagnostik in den ersten 16 Monaten mit 12,6 Prozent geringer war, als anhand von Befragungen erwartet wurde (Bloch et al. 1989); die Autoren geben je- doch zu bedenken, daß diese Aus- wertung keine Rückschlüsse zuläßt, in welchem Zeitraum Risikoperso- nen prädiktive Testprogramme in Anspruch nehmen oder welche Gruppe zuerst das Angebot einer präsymptomatischen DNA-Diagno- stik annimmt. Auch wenn weniger Ratsuchende, als erwartet, an der konkreten Durchführung einer prä- symptomatischen DNA-Diagnostik interessiert sind, ist dies für uns kein Grund, das Angebot zurückzuneh- men. Wir stehen auf dem Stand- punkt, daß es weitgehend unwichtig ist, wieviele Risikoprobanden die DNA-Diagnostik in Anspruch neh- men wollen. Derjenige oder diejeni- ge, der/die sie nach ausführlicher ge- netischer Beratung für sich im Rah- men seiner Lebens- und Familien- planung wünscht, sollte sie aber auch erhalten können.

Solange dies eine individuelle Entscheidung bleibt, kann die DNA- Diagnostik keinesfalls als der Ein- stieg in eine eugenisch orientierte Gesundheitspolitik bei nicht behan- delbaren, sich spät manifestierenden Erkrankungen, gesehen werden.

Dieser Einstieg ist viel eher zu er- warten, wenn man weiterhin dem Gedanken nachhängt, ein Heterozy- gotenscreening für Mukoviszidose zu initiieren.

Dr. Lange weist auf die Deut- sche Huntington-Hilfe e. V., Dr.

Wolff auf die Huntington-Gesell- schaft e. V. hin. Beides sind Selbst- hilfe-Organisationen, die auch im Hinblick auf die präsymptomatische DNA-Diagnostik für Chorea Hun- tington konträre Standpunkte ein- nehmen. Als Beispiel sei der „Van- couver-Appell der Deutschen Hun- tington-Gesellschaft" genannt, in dem den Mitgliedern empfohlen wird, die präsymptomatische DNA- Diagnostik zum gegenwärtigen Zeit- punkt nicht in Anspruch zu nehmen.

Den Risikopersonen in den Famili- en, in denen die Chorea Huntington vorkommt, wäre sicherlich sehr ge- holfen, wenn die beiden Selbsthilfe- organisationen einvernehmliche Re- gelungen finden könnten, auch im Hinblick auf die DNA-Diagnostik und die dafür erforderlichen Rah- menbedingungen.

Mit meinem Artikel wollte ich auf die Möglichkeit der DNA-Dia- gnostik bei Chorea Huntington hin- weisen, wobei ich die von Dr. Wolff genannten Problembereiche leider nur ungenügend berücksichtigen konnte. Dies hätte den mir einge- räumten Platzumfang gesprengt und sollte meines Erachtens nachgeholt werden. Ich stimme Dr. Wolff zu, daß „die erforderlichen Rahmenbe- dingungen hinsichtlich Vor- und Nachsorge" bei vielen Probanden, die die Diagnostik wünschen, nur sehr schwer zu gewährleisten sind.

Bei uns melden sich viele Risikoper- sonen, die die Diagnostik wünschen, aber am Wohnort oder in der nähe- ren Umgebung keinen psychothe- rapeutisch ausgebildeten und mit der Chorea-Huntington-Problematik vertrauten Betreuer für die Vor- und Nachsorge finden können.

Wir haben zu den verschieden- sten Gelegenheiten angeregt, daß Psychotherapeuten und Psychiater eine spezielle Schulung in bezug auf die Betreuung von Risikoprobanden aus Chorea-Huntington-Familien er- halten sollten, an deren Organisati- on und Durchführung wir uns jeder- zeit beteiligen wollen.

Dr. med. Ulrike Thies Institut für Humangenetik der Universität Göttingen Großlerstraße 12 d W-3400 Göttingen

Ätiopathogenese und Prävention der Atopie

Nachtrag

Zu unserem Kurzbericht im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT (87, Heft 42, 18. Oktober 1990) möchten wir ergänzen, daß seit dem 1. Okto- ber 1990 in der Bundesrepublik Deutschland das gammalinolensäu- rehaltige Präparat Epogam® als zu- gelassenes Arzneimittel zur Behand- lung des atopischen Ekzems zur Ver- fügung steht. Ferner möchten wir be- richtigen, daß Epogam, welches in der Tabelle „Gammalinolensäure- Quellen" zusammen mit Diätetika aufgelistet wurde, ein Arzneimittel darstellt, das zuerst in England ein- geführt wurde.

Ein Mangel langkettiger Ome- ga-6-Fettsäuren konnte kürzlich im Fettgewebe von Patienten mit atopi- schem Ekzem (1) sowie in Lympho- zyten des Nabelschnurbluts atopie- gefährdeter Neugeborener nachge- wiesen werden (2). Diese Befunde unterstützen die von uns postulierte Bedeutung langkettiger Omega-6- Fettsäuren für die Reifung und Funktion immunkompetenter Zellen des atopischen Immunsystems (3).

Literatur

1. Wright, S.; Sanders, T.A.B.: Adipose tissue es- sential fatty acid composition in atopic dermat- itis. Abstract P 143, Symposium Dermatology in the Year 2000, London, May 22-25, 1990 2. Galli, E. et al.: Essential fatty acids in cord blood lymphocytes of infants "at risk" for ato- py. Pediatric Res. 26 (5) (1989) 519 3. Melnik, B. C.; Plewig, G.: Atopy: a prosta-

glandin E precursor- and receptor dependent defect in T-cell maturation and function? Br.

J. Dermatol. 123 (1990) 126 Anschrift der Verfasser:

Priv.-Doz. Dr. med. Bodo Melnik Hautarzt

Eickhoffstraße 20 W-4830 Gütersloh 1

Prof. Dr. med. Gerd Plewig Hautklinik der

Heinrich-Heine-Universität Moorenstraße 5

W-4000 Düsseldorf 1 A-3750 (76) Dt. Ärztebl. 87, Heft 47, 22. November 1990

Referenzen

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