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Archiv "SPD-Bundesparteitag: Die „Partei der Arbeit“ will Steuern und Staatsverschuldung erhöhen" (02.07.1982)

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Spektrum der Woche Aufsätze .Notizen

Die gespeicherten personenbezo- genen Patientendaten müssen nach einer bestimmten Frist für die weitere Verwendung gegen- über Dritten gesperrt werden. Auf Amtshilfeersuchen anderer öffent-

licher Stellen darf nur in begrün- deten Einzelfällen und nur im un- bedingt erforderlichen Ausmaß Auskunft erteilt werden. Nur wenn die vorgenannten Anforderungen erfüllt werden, ist nach meiner Auffassung ein wirksamer Schutz des Patientengeheimnisses trotz Abhängigkeit des einzelnen von Sozial- und Versicherungsleistun- gen gewährleistet und damit das angesichts dieser Abhängigkeiten nicht mehr voll wirksame Instru- ment der Einwilligungserklärung zu stützen.

Es gehört zur der Eigenart unseres Berufes, in schwierigen Situatio- nen Ermessensentscheidungen treffen zu müssen. Dies ist — wenn Sie so wollen — Glanz und Elend der ärztlichen Tätigkeit. So kön- nen wir Ihnen mit dem vorgelegten Thesenpapier auch keine Richtli- nien vorlegen, aus denen Sie für jede Situation die richtige Verhal- tensweise ablesen können. So, wie bei der Betreuung unserer Pa- tienten, deren Wohl die Richt- schnur unseres Handelns ist, müs- sen wir die ärztliche Schweige- pflicht ganz als ein Grundrecht an- sehen, das die sich vertrauensvoll an uns wendenden Menschen uns gegenüber haben. Diesem Grund- recht räume ich einen so hohen Rang ein, daß ich ihm immer den Vorrang geben würde vor jeder gesetzlichen Regelung. Die vor- nehmste Pflicht des Arztes ist es, Schaden von seinem Patienten ab- zuwehren. Dazu gehört auch, den Patienten vor unnötigen und un- gerechtfertigten Eingriffen in sei- ne Privatsphäre zu bewahren.

Wenn wir das Ansehen der Ärzte- schaft und das Vertrauen der Be- völkerung in unseren Berufsstand erhalten wollen, müssen wir jede Anstrengung unternehmen, der drohenden, immer stärker wer- denden Aushöhlung der ärztli- chen Schweigepflicht entgegen-

zuwirken.

SPD-BUNDESPARTEITAG

Über 1100 Anträge aus den Orts-, Kreis- und Bezirksverbänden so- wie aus Arbeitskreisen und vom Vorstand hatte sich der Bundes- parteitag der SPD vom 19. bis zum 23. April in München zur Erledi- gung vorgenommen. Nur knapp die Hälfte davon schaffte man, weil es außerordentlich schwer fiel, sich in der Beschäftigungspo- litik und in der „Außen-, Friedens- und Sicherheitspolitik" soweit zu einigen, daß tragfähige Mehrhei- ten zustande kamen.

Selten in der jüngeren Geschichte haben sich die Sozialdemokraten so sehr selbst im Wege gestanden wie in der ausführlichen wirt- schafts- und sozialpolitischen De- batte um die Beschäftigungspoli- tik. Eine selbstzerfleischende Dis- kussion allerdings hatte der Bun- deskanzler schon vorab verhin- dert, indem er der Partei das Recht zuerkannte, in ihrer Meinungsbil- dung und in ihren Forderungen weiter zu gehen und weiter zu pla- nen, als in der Koalitionsregierung mit den Freien Demokraten in praktische Politik umgesetzt wer- den kann.

War damit der Antagonismus zwi- schen Partei und Regierung mo- mentan entschärft, so tat sich um so stärker der Widerstand ökono- mischer Zusammenhänge gegen- über dem wirtschafts- und sozial- politisch Gewollten der Basis auf.

Die Partei kann nach ihrem Selbst- verständnis Strukturkrisen und in- ternationale Abhängigkeiten der Wirtschaftsentwicklung nicht ak- zeptieren. Wolfgang Roth, offen- bar neuer wirtschaftspolitischer Chefdenker der Partei, griff des- halb Willy Brandts Wort vom

„Neokonservativismus" auf und formte daraus das Angriffsziel: die

„Neokapitalisten".

Wolfgang Roth charakterisierte die von der SPD zu bekämpfende Ideologie so: „Für die Neokapitali- sten gibt es zwei Ursachen für die Beschäftigungskrise. Der Faktor Kapital wird zu niedrig und der Faktor Arbeit wird zu hoch ent- lohnt. Eine überhöhte Lohnquote einerseits und die zu hohe Staats- beziehungsweise Sozialleistungs- quote andererseits haben den In- vestitionsfonds unserer Volkswirt- schaft geplündert. Volkswirtschaft ist das System von einfachen kom- munizierenden Röhren. Was hier fehlt, muß dort zu viel sein. Somit ist in dieser Ideologie logisch: wer Löhne und Staatsleistung zurück- drängt, bringt die Investitionstätig- keit wieder nach oben." Roth zeig- te sich allerdings bereit zuzuge- ben, daß nicht etwa die gegenteili- ge Ansicht die für die SPD zu ver- tretende sei. Auf alle Fälle aber müsse der Staat sehr viel stärker in seiner lenkenden Rolle gesehen werden.

Das beschäftigungspolitische Kon- zept der SPD lautet nach diesem Parteitag eindeutig: mehr Staat.

Im Leitantrag des Vorstandes, in den der Parteitag deutliche Kritik an der Geldpolitik der Bundes- bank einfügte, heißt es daher:

„Konjunkturpolitisch hat auch der Staat Verantwortung für eine aus- reichende Nachfrage zu tragen.

Öffentliche Investitionen und Aus- gaben dürfen nicht prozyklisch er- folgen und in Zeiten schwacher Wirtschaftsentwicklung gesenkt werden."

Kompromisse gibt es nach Ansicht der Partei auch nicht auf dem Be- reich der sozialen Sicherung. Im beschlossenen Leitantrag des Vorstandes heißt es dazu: „Wir setzen auf den sozialen Frieden in unserem Land, der auf einem ho-

Die „Partei der Arbeit" will Steuern und Staatsverschuldung erhöhen

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Ausgabe B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 26 vom 2. Juli 1982 61

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Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen S PD-Bu ndesparte itag

hen Niveau an sozialer Sicherheit und auf der Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Arbeitsleben be- ruht. Die Fähigkeit zum sozialen Frieden ist Grundbedingung für eine positive wirtschaftliche Ent- wicklung. Sie erfordert die Auf- rechterhaltung unseres sozialen Netzes und die Weiterentwicklung der Mitbestimmung."

Allerdings heißt es - eine bemer- kenswerte Variante - in der am Ende des Parteitags veröffentlich- ten "Münchener Erklärung" des Parteivorstandes: "Zur Konsoli- dierung der sozialen Sicherungs- systeme sind wir unter Bedingun- gen bereit, die das Prinzip Gerech- tigkeit wahren". Damit sind Ein- schränkungen des sozialen Netzes zweifellos möglich.

Wie weit die SPD sich mit ihren steuerpolitischen Beschlüssen des Parteitages selbst von einem Teil ihrer bisherigen Wählerschaft, nämlich dem (so die "Münchener Erklärung") "sozialen Bündnis von Arbeitnehmerschaft und fort- schrittlichem Bürgertum" ent- fernt, wird sich künftig zeigen. Zur Finanzierung des Beschäftigungs- programms und des sozialen Net- zes wurden jedenfalls fast aus- schließlich Maßnahmen beschlos- sen, die den Mittelstand belasten, unter anderem

1. Eine Arbeitsmarktabgabe, auch für Selbständige und Beamte, 2. Weitere Einschränkungen der Steuervorteile für Abschreibungs- gesellschaften,

3. Einschränkungen des Ehe- gatten-Splittings,

4. Verschärfung der Bodenge- wi n n-Versteueru ng,

5. Aufstockung des Steuerfahn- dungs-und Betriebsprüfungsdien- stes,

6. Wegfall der Abzugsfähigkeit von Bewirtungskosten und Ge- schenken,

7. Einführung einer zeitlich befri- steten Ergänzungsabgabe für hö- here Einkommen und Gewinne,

8. Anhebung der Vermögensteuer, 9. "Gewerbesteuerähnliche Abga- ben auf alle Gewinneinkünfte (z. B. freie Berufe)",

10. Erhöhung des Spitzensteuer- satzes bei der Einkommen- und Körperschaftssteuer.

Die SPD hat auf dem Münchener Parteitag wirtschaftlich und so- zialpolitisch fast alle Kräfte auf die Beschäftigungspolitik konzen- triert, ohne jedoch eindrucksvolle oder gar mit dem Koalitionspart- ner durchsetzbare Maßnahmen zu erarbeiten. Hinzu kommt eine in den Konturen noch nicht recht er- kennbare Initiative in der Woh- nungsbaupolitik und die Absichts- erklärung, die Partei werde sich wieder stärker im Bereich der Ver- mögensbildung engagieren.

ln der Wirtschafts- und Sozialpoli- tik sind auf dem Münchener Par- teitag die Prioritäten des aktuellen Parteiwillens deutlich geworden. Die Forderung nach mehr Staat, mehr Lenkung ergänzt sich mit dem Angriff auf den "Neokonser- vativismus", wobei diese Vokabel gegen die Befürworter marktwirt- schaftlicher Lösungen in der Wirt- schaftspolitik und gegen die Prot- agonisten von mehr Bürgerbeteili- gung im Bereich der Sozialen Si- cherung eingesetzt wird.

Die Sozial- und Wirtschaftspolitik der Regierung Schmidt/Genscher wird durch die Ergebnisse des Münchener Parteitags wohl wenig beeinflußt werden. Der neue Bun- desarbeitsminister Heinz West- phal und die Antje Huber-Nachfol- gerin Anke Fuchs stehen nicht für diesen neuen Aufbruch der SPD, sondern für eine Fortsetzung der bisherigen Linie. Viel mehr als die Verwirklichung von Willy Brandts Wort von der "Konsolidierung der sozialen Sicherungssysteme unter der Bedingung des Prinzips der Gerechtigkeit" wird die Regie- rungskoalition im Bereich der So- zialpolitik trotz der markigen Re- den und Beschlüsse des Münche- ner SPD-Parteitags wohl nicht bringen.

Diplom-Volkswirt Hartmut Friel

Mehr Staat im Gesundheitswesen

Aus den Anträgen an den Bundesparteitag der SPD Die SPD hat auf ihrem Münchener Parteitag das gesamte Antragspa- ket zur Gesundheitspolitik sQwie eine große Anzahl von Anträgen zur sozialen Sicherung nicht mehr behandelt und auf Parteitagsbe- schluß an den Parteivorstand zur Bearbeitung überwiesen. Da die Empfehlungen der Antragskom- mission - in der 8 vom Parteivor- stand benannte Mitglieder neben je einem Delegierten der Bezirks- bzw. Landesverbände (22) vertre- ten sind- bei Abstimmungen des Parteitages überwiegend berück- sichtigt werden, lassen sich aus den zustimmenden Voten der An- tragskommission aber doch Rück- schlüsse auf den gegenwärtigen Standort der Sozialdemokrati- schen Partei und die Schwerpunk- te innerparteilicher Reformdiskus- sionen ziehen.

Vom Parteitag behandelt und an den Parteivorstand überwiesen wurden Anträge zur sozialen Si- cherung, die u. a. Kostendämp- fungsmaßnahmen sowie die Ren- tenreform betreffen. Plädiert wird darin etwa für

~ eine dauerhafte Bindung der Arzt- und Zahnarzthonorare an die Entwicklung des Beitragsaufkom- mens bei den gesetzlichen Kran- kenkassen; die volle Einbeziehung des Arzneimittelmarktes und der Entwicklung der Krankenhaus- pflegesätze in die Kostendämp- fungsbemühungen; die Abrech- nung von Gesundheitsleistungen mit den Kassen nur nach Quittung durch den Versicherten; die Ab- lehnung der Wiedereinführung von Karenztagen im Krankheitsfall sowie aller Versuche, über die bis- herige Kostenbeteiligung hinaus di·e Versicherten zusätzlich zu be- lasten; einen die Kassenarten übergreifenden Finanzausgleich; eine weitere Einschränkung der

62 Heft 26 vom 2. Juli 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe B

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