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Archiv "SPD-Bundesparteitag in Wiesbaden: Zauberformel „Regionalisierung“" (03.12.1993)

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POLITIK LEITARTIKEL

SPD-Bundesparteitag in Wiesbaden

Zauberformel „Regionalisierung"

W

enn es nach dem Willen des jüngsten Bundespar- teitages der SPD geht, sol- len im Multi-Wahljahr 1994 zwei sozial- und gesundheitspo- litische Themen die Auseinanderset- zung mit dem „politischen Wider- part" bestimmen: die Arbeitsmarkt- politik und die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens in einer drit- ten Stufe zur Strukturreform. Zu Be- ginn des Parteitages gab der in Wies- baden mit großer Mehrheit wieder- gewählte SPD-Vorsitzende Rudolf Scharping den „Genossinnen und Genossen" die Marschzahl mit auf den Weg: Im Zentrum der Politik müsse die Überwindung der Arbeits- losigkeit stehen. Als „gesamtfiskali- sche Kosten der Arbeitslosigkeit"

wurden für 1993 rund 114 Milliarden DM genannt. Die Partei meint, es sei ein gesellschaftspolitischer Skandal und eine Mittelvergeudung, sich nicht energisch mit Zukunftsinvesti- tionen der galoppierenden Arbeitslo- sigkeit entgegenzustemmen Tiefe Unsicherheit, gespeist aus Angst und Ratlosigkeit, Angst vor wirtschaftli- chem Niedergang, der Sorge um den Arbeitsplatz, der Angst vor Umwelt- zerstörung — dies seien allesamt gro- ße Gefahrenmomente für den sozia- len Frieden. Denn dieser sei der

„entscheidende Produktionsfaktor gerade für Hochlohnländer".

Der sozialpolitische Experte der Partei, Rudolf Dreßler, MdB aus Wuppertal, nannte das Ziel: Bei ei- ner Regierungsübernahme durch die SPD wolle seine Partei die wachsen- de Zahl der Arbeitslosen (heute 3,5 Millionen) stoppen und in den näch- sten vier Jahren halbieren. Wie diese Herkulesarbeit geleistet werden soll, darüber ließen sich die SPD-Oberen nicht weiter aus; ebenso darf gerät- selt werden, wie die wirtschaftspoliti- sche Plattform der SPD fundiert und auch für die Wirtschaft ein attrakti- ves Angebot sein soll. Höhere Abga- benbelastungen, eine schärfere Steu- erprogression und die Erhöhung der

Versicherungspflicht- und Beitrags- bemessungsgrenze in der gesetzli- chen Krankenversicherung können nicht als probate Mittel und als „ge- samtdeutsche Strategie für Moderni- sierung, Beschäftigung und umwelt- verträgliches Wachstum" gewertet werden. Für die SPD ist eine grundle- gende Reform des Sozialstaates über- fällig. Solidarität, soziale Gerechtig- keit und ökonomische Vernunft müß- ten im Vordergrund stehen.

An Haupt und Gliedern

Ein aus Bayern kommender, an die Bundestagsfraktion überwiesener Antrag streitet für eine konsequente (bürgernahe) „regionalisierte Ge- sundheitspolitik". Eine „versicherten- orientierte Umgestaltung" bedeute ei- ne strukturelle Erneuerung des tra- dierten Systems an Haupt und Glie- dern. Die SPD will mit der Regiona- lisierung die Entscheidungsebenen unterhalb der Länderebene ansiedeln.

Die Planungsräume der Raumord- nung, die Versorgungsräume der Kassenärztlichen Vereinigungen, Regierungsbezirke und die Landkrei- se sollten Träger aller gesundheitspo- litischen Entscheidungen „vor Ort"

werden.

Entsprechend früherer Vor- schläge der SPD plädiert der Antrag für die Errichtung regionaler Ge- sundheitskonferenzen, die die wich- tigsten Steuerungsinstitutionen in- nerhalb der Region verbinden müß- ten, um sowohl die öffentlichen als auch die privaten Leistungsangebote aufeinander abzustimmen und zu in- tegrieren. In den Regionalkonferen- zen sollten sowohl die öffentlichen als auch die privaten „Leistungsan- bieter" einschließlich der Kranken- kassen, der Wohlfahrtsverbände und der Repräsentanten der Patienten, der Selbsthilfegruppen sowie die Kommunen und staatlichen Gesund- heitsämter vertreten sein. In einer

Art „basisdemokratischem" Willens- bildungs- und Entscheidungsprozeß sollten die Gesundheitskonferenzen kritisch über Inhalte, Strukturen, Budgets, politische und ökonomische Zwänge diskutieren sowie verbind- lich Prioritäten setzen und die Bud- gets bestimmen. Koordinierungsar- beit sollten sie auf dem Gebiet der Gesundheitserziehung und bei der Realisierung von Präventionspro- grammen leisten.

Durchgängig strebt der überwie- sene Antrag eine totale Vernetzung von regionalen Angeboten an. Dabei müsse berücksichtigt werden, daß unterschiedliche soziale Leistungs- und Hilfsnetze auch unterschiedliche Angebote erbringen können. Mone- täre Fragen sollten in solidarisch fi- nanzierten Sozialversicherungen ge- löst werden. Die Dienstleistungen zum Beispiel in der ambulanten Ver- sorgung sollten von Kommunen, Wohlfahrtsverbänden sowie privaten Anbietern — ganz beiläufig und zu- letzt genannt: Ärzten, Zahnärzten, Apothekern u.a. — erbracht werden.

Stationäre, teilstationäre und ambu- lante Leistungen sollten künftig stär- ker verzahnt werden. Lokale Ge- sundheitszentren sollten die Bürger/

Versicherten persönlich ansprechen.

Wie die Gesundheitszentren der ver- flossenen DDR sollten diese Zentren über „Kombinationsangebote im am- bulanten und teilstationären Bereich verfügen" Anknüpfend an von Wal- ter Auerbach, dem ehemaligen SPD- Staatssekretär aus Hannover, gepräg- te Überlegungen aus den fünfziger Jahren, sollte eine alles umfassende

„Sozialgemeinde" gebildet werden.

Die SPD will zwar nicht behaup- ten, daß das Gesundheitswesen alles und jedes kurieren könne, aber es müßten in Um- und Mitwelt, in der Arbeitswelt und in der Freizeit sol- che Lebensverhältnisse geschaffen werden, damit sich möglichst viel vom „Basisgut Gesundheit" erhalten und wiederherstellen läßt.

Dr. Harald Clade

Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 48, 3. Dezember 1993 (19) A1-3199

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