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Michael Sommer Rede
Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes
SPD-Bundesparteitag Dresden
Freitag, 13. November 2009 Es gilt das gesprochene Wort!
Liebe Delegierte, lieber Sigmar,
ich gratuliere dir zu deiner Wahl zum Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Ich wünsche dir für diese neue Aufgabe alle Kraft und viel Glück. Und ich wünsche dir die Solidarität und Unterstützung, ohne die kein Vorsitzender auskommt.
liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Genossinnen und Genossen,
zu Eurem Dresdner Parteitag überbringe ich Euch die herzlichen Grüße des Deutschen Gewerkschaftsbundes, des Bundes der Gewerkschaften, der Vertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland.
Ich bin der Einladung gerne gefolgt, heute zu Euch zu sprechen, denn auch und gerade in schwierigen Zeiten darf der Dialog zwischen Gewerkschaften und der Sozialdemokratie nicht abreißen.
Wir sprechen miteinander. Und wir hören einander zu.
Daran hat sich bei allen Meinungsverschiedenheiten der vergangenen Jahre nichts geändert. Daran wird sich auch nichts ändern und daran darf sich auch nichts ändern.
Liebe Delegierte,
ich habe Eure Debatte heute sehr genau verfolgt. Und ich habe die Analyse in Eurem Leitantrag sehr sorgsam gelesen. Ich denke, sie ist in weiten Teilen richtig. Leider.
Darin heißt es, bei allen Wahlen der vergangenen Jahre habe die SPD die stärksten Einbussen bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern verkraften müssen.
Und: Die Arbeitsmarktreformen hätten in weiten Teilen der Arbeitnehmerschaft Furcht vor sozialem Abstieg ausgelöst.
Rede von Michael Sommer beim
SPD-Bundesparteitag am 13. November 2009 in Dresden
Seite 2 von 3 Das ist wohl so.
Ich nenne beispielhaft die Rente mit 67, die Ausweitung des Niedriglohnsektors, der ausufernde Missbrauch von Leiharbeit,
die nicht hinzunehmende Zunahme von prekärer Beschäftigung, ich erinnere an die Mehrwertsteuererhöhung,
an die Steuergeschenke für Unternehmen, an die Deregulierung der Finanzmärkte.
Davon hat vieles Beifall in den Medien gefunden. Und es ist natürlich schick, in der Presse gut dazustehen.
Und natürlich ist es leichter, seiner eigenen Propaganda zu glauben, als unbequeme Kritik aufzunehmen.
Es ist auch bequemer, die veröffentlichte Meinung für die tatsächliche Meinung der Menschen zu halten.
Aber die Menschen sind nicht dumm. Sie wissen doch ganz genau, ob es ihnen besser geht oder schlechter. Und sie beurteilen sehr bewusst, welche Politik in ihrem Interesse ist und welche nicht.
Sie lassen sich nicht ins Bockshorn jagen. Nicht von Talk-Shows, in denen ihnen weisgemacht werden soll, dass Armutslöhne gut für das Land sind und Mindestlöhne des Teufels.
Sie lassen sich auch nicht für blöd verkaufen von aufgeblasenen Wirtschaftswissenschaftern, die ihnen einreden wollen, dass sie besser dran wären, wenn es keinen Kündigungsschutz und keine Mitbestimmung gäbe.
Und sie lassen sich auch nicht hinters Licht führen von Managern, die ihnen wortreich erklären, dass sie angeblich Millionen wert sind. Und noch einen Bonus bekommen müssen, damit sie bleiben. Oder gehen. Oder überhaupt arbeiten.
Liebe Delegierte,
nicht die Medien und auch nicht Beratungsgurus aus welchem Anbaugebiet auch immer, sondern die Wählerinnen und Wähler entscheiden selbst darüber, ob sie die Steuern zu hoch finden oder ob es ihnen doch wichtiger ist, einen Sozialstaat zu haben, der in der Lage ist, seine Aufgaben zu erfüllen.
Deshalb rate ich uns allen, die Qualität politischer Beschlüsse nicht daran auszurichten, ob diejenigen applaudieren, die darüber schreiben.
Sondern ob die Entscheidungen gut sind für die Millionen von Menschen, die davon betroffen sind.
Und ob die Leute diese Entscheidungen akzeptieren oder doch wenigstens für notwendig halten.
Rede von Michael Sommer beim
SPD-Bundesparteitag am 13. November 2009 in Dresden
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Und ich füge hinzu: Es macht mehr Sinn, auf den Beifall der eigenen Leute zu schielen als auf den Applaus des Gegners.
Es ist doch gar nicht so schwer, zu ermitteln, was die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land erwarten und hoffen:
Sie wollen gute Arbeit.
Sie wollen einen Lohn, mit dem sie sich und ihre Familien ernähren können.
Sie wollen Integration und Gleichheit.
Sie wollen gute Bildung und Ausbildung.
Sie wollen eine auskömmliche Rente und dass ihre Lebensleistung gewürdigt wird,
und sie wollen einigermaßen sicher sein, dass sie nach Schicksalsschlägen wie Krankheit oder Entlassung nicht endgültig abstürzen.
Und bei allen Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft, bei aller Globalisierung und Modernisierung sämtlicher Lebensbereiche gibt es doch eine Konstante, die sich niemals ändern wird:
Die Menschen werden immer nach ihrem kleinen Glück streben.
Sie wollen schlicht ihr Auskommen.
Sie wollen keinen Rückschritt, sondern sie wollen den kleinen Fortschritt.
Und genau das wollen sie mit ihrer Sozialdemokratie verbinden - übrigens auch mit ihren Gewerkschaften.
Sie wollen Frieden, im Innern und in der Welt. Sie wollen menschenwürdig leben, lernen, arbeiten und alt werden.
Sie wollen Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität.
Und dafür brauchen wir starke Einheitsgewerkschaften. Und dafür braucht Deutschland eine starke linke Volkspartei - eine starke SPD.
Also eine SPD, eine Sozialdemokratie, die aus sich heraus stark ist.
Also eine SPD, die wieder in die Lage kommt, eine politische Mehrheit als Alternative zu den Konservativen und Neoliberalen zu bilden und zu führen.
In diesem Sinn wünsche ich Euch Kraft, Mut und Zuversicht - und für die nächsten Tage gute Beratungen und kluge Beschlüsse.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.