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DGB Bundesvorstand VB Annelie Buntenbach Abteilung Sozialpolitik

Henriette-Herz-Platz 2 10178 Berlin

Rückfragen an:

Hanns Pauli

Tel.: 030 24060-604 Fax: 030 24060-226

Stellungnahme des

Deutschen Gewerkschaftsbundes zu den

Anträgen der Opposition

der Fraktion der SPD

Drucksache 17/12818 vom 19. 3. 2013 und

der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 17/11042 vom 17. 10. 2012 und

der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/10867 vom 26. 9. 2012

sowie

dem Antrag der Regierungskoalition/Fraktion der CDU/CSU und FDP

Drucksache 17/13088 vom 16.4.2013

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I. Allgemeines

Der DGB begrüßt die Initiativen der Fraktionen SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, die sich mit dem Problem psychischer Belastungen im Arbeitsleben beschäf- tigen. In vielen Punkten besteht Übereinstimmung zwischen den Positionen und Vor- schlägen der Fraktionen und denen des DGB. Der Antrag der Regierungskoalition hingegen geht bedauerlicherweise in den wesentlichen Fragen der Regulation und Unterstützung der Prävention an der Sache vorbei (s. III.).

Der Handlungsdruck ist groß: Arbeitsdruck und Stress am Arbeitsplatz sind über einen langen Zeitraum angewachsen. Der DGB-Index Gute Arbeit und der Stressreport Deutschland 2012 der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zeigen, dass die Leistungsanforderungen und die Arbeitsdichte zunehmen, ebenso die Zahl der Überstunden und der Umfang der Schichtarbeit. Dazu kommen häufig geringe Handlungsspielräume für die Beschäftigten.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die steigende Zahl von prekär arbeitenden Men- schen: Geringfügige und befristete Beschäftigung, Leiharbeit oder erzwungene Teil- zeitarbeit sind auf dem Vormarsch – häufig verbunden mit sehr geringem Arbeits- einkommen. Beschäftigte in solchen „Randbelegschaften“ sind häufig schlechteren Arbeitsbedingungen ausgesetzt und werden kaum von Maßnahmen des Arbeits- schutzes und der Gesundheitsförderung erreicht. Auch leiden sie besonders stark unter der Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Notwendig ist deshalb ein ganzheit- licher Ansatz, der auch Arbeitsmarktpolitik und die Wiederherstellung der Ordnung auf dem Arbeitsmarkt einbezieht.

Die Zahl der psychisch erkrankten Menschen nimmt ganz wesentlich wegen dieser Belastungen im Arbeitsleben zu. Zwar dominieren andere somatische Erkrankungen – auch bei arbeitsbedingten Erkrankungen – immer noch das Krankheitsgeschehen, die Dynamik der Zunahme von psychischen Erkrankungen ist aber erschreckend. Außer- dem werden gerade auch psychosomatische Erkrankungen wie Herz-, Kreislauf- oder Rückenbeschwerden oder Diabetes in ihrem Entstehen durch psychische Belastungen

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in der Arbeitswelt gefördert. Hierdurch werden nicht nur viel menschliches Leid, son- dern auch sehr hohe Kosten ausgelöst.

Die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage in Folge psychischer Erkrankungen hat sich in den vergangenen 15 Jahren fast verdoppelt. Etwa 40 % der Neuzugänge in die Er- werbsminderungsrente beruhen mittlerweile auf entsprechenden Diagnosen. Arbeits- bedingte psychische Belastungen verursachen ca. 10 Milliarden Euro direkte Krank- heitskosten. Zusätzlich entstehen indirekte Kosten (durch Arbeitsunfähigkeit, Invalidi- tät und Mortalität) in Höhe von über 19 Milliarden Euro jährlich (Quelle: Wolfgang Bödeker).

Der DGB begrüßt deshalb, dass die Debatte um die psychischen Belastungen auch im Bundestag geführt wird – als wichtiger Schritt zu konkretem politischen Handeln. Alle Verantwortlichen – vorrangig Arbeitgeber und staatliche Stellen – müssen ihren Pflichten im Arbeitsschutz, bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen und bei der Ver- besserung von Arbeitsbedingungen nachkommen. Notwendig ist eine Strategie, bei der die Akteure abgestimmt handeln und ihre jeweiligen Aufgaben erfüllen und so die Gefährdung aus psychischen Belastungen vermeiden oder wenigstens verringern (vgl. Beschluss des DGB-Bundesvorstands vom 9. April 2013, Gefährdung durch psy- chische Belastungen bei der Arbeit vermeiden – Psychisch erkrankte Menschen besser unterstützen).

Hierzu

- muss die staatliche Regulierung einen geeigneten Rahmen für das Handeln in den Betrieben und Dienststellen setzen. Die Regelungslücke ist durch eine Verordnung zum Schutz vor Gefährdungen durch Gefährdungen durch psy- chische Belastung bei der Arbeit (Anti-Stress-Verordnung) zu schließen.

Auch das Vorschriften- und Regelwerk der gesetzlichen Unfallversicherung ist weiterzuentwickeln.

- müssen die Arbeitgeber diese Regeln in den Betrieben und Dienststellen um- setzen. Das wichtigste Instrument ist die Gefährdungsbeurteilung, die flä- chendeckend durchgeführt werden und sich auf alle, insbesondere auch die psychischen Gefährdungen erstrecken muss.

- müssen die Beschäftigtenvertretungen aktiv einbezogen werden, damit sie den Prozess unterstützen können. Ihre Rolle muss im Betriebsverfassungs- gesetz bzw. in den Personalvertretungsgesetzen gestärkt werden. Die Kom- petenz der Beschäftigten und ihrer Vertretungen muss verstärkt genutzt werden, um Gefährdungen infolge der Arbeitsbedingungen zu verhindern. In

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diesem Zusammenhang kommt auch dem Führungsverhalten besondere Be- deutung zu.

- müssen die Aufsichtsdienste der Länder und der gesetzlichen Unfallversiche- rung aktiv die Arbeitsschutzmaßnahmen in den Betrieben und Dienststellen kontrollieren. Dazu muss die Gewerbeaufsicht hinsichtlich ihrer personellen und sachlichen Ausstattung wesentlich gestärkt werden. Bei Verstößen ge- gen gesetzliche und untergesetzliche Vorgaben müssen die Aufsichtsbehör- den wirksame Sanktionen verhängen können und auch tatsächlich anwen- den.

- können und müssen die Sozialversicherungen die Unternehmen und Dienst- stellen besser bei Maßnahmen und Projekten der Prävention und Gesund- heitsförderung sowie der Wiedereingliederung von erkrankten Menschen un- terstützen. Hier ist zum einen die Selbstverwaltung, zum anderen auch der Gesetzgeber gefordert, die geeigneten Rahmenbedingungen zu schaffen.

- müssen psychisch erkrankte Menschen zudem schneller und zielgenauer Hil- fe bekommen. Dies gilt vor allem im Hinblick auf die therapeutische Akut- versorgung von psychisch erkrankten Menschen und im Hinblick auf vor- gelagerte niedrigschwellige Hilfsangebote.

Um die Belastungen im Arbeitsleben zu verringern, sind also auch Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen notwendig. Zudem müssen die notwendigen Res- sourcen bei staatlichen Stellen, in den Sozialversicherungen und bei den Arbeitgebern zur Verfügung gestellt werden. Der DGB begrüßt es, dass in allen drei Anträgen der Oppositionsparteien auf die in diesem Bereich bestehende Regelungslücke hin- gewiesen wird. Es ist darauf hinzuweisen, dass eine Stärkung des Arbeitsschutzes, der Aufsicht und des Engagements der Sozialversicherungsträger nicht nur zur Verrin- gerung psychischer Belastungen beiträgt, sondern voraussichtlich auch zur generellen Verbesserung der Arbeitsbedingungen führen würde.

II. Zu den Anträgen der Opposition

1. Antrag der SPD-Fraktion (BT Drucksache 17/10867 )

Der Antrag der SPD-Fraktion fordert zu Recht den Erlass einer Anti-Stress- Verordnung und betont dabei zutreffend, dass prekäre Arbeitsverhältnisse beson- ders berücksichtigt werden sollten (II.1 a). Beschäftigte, die sich in prekären Arbeits-

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bedingungen befinden, sind im besonderen Maße gesundheitlich bedroht. Die Ein- dämmung von psychischen Erkrankungen erfordert neben einem zureichenden Ge- sundheitsschutz deshalb auch die Veränderung von zentralen Rahmenbedingungen in Fragen der Arbeitsplatzsicherheit und der Entlohnung. Ebenfalls zu Recht weist der Antrag auf die erheblichen Versäumnisse der Bundesregierung hin, die die skizzierten Fragen des Arbeitsschutzes und der Ordnung auf dem Arbeitsmarkt generell nicht ausreichend angegangen ist.

Übereinstimmung besteht auch in der Forderung (II.1b), dass das Betriebliche Ein- gliederungsmanagement (BEM) flächendeckend in den Betrieben und Verwal- tungen umgesetzt werden muss. Wie bei den Arbeitsschutzregelungen gibt es auch beim BEM ein erhebliches Umsetzungsdefizit – und das, obwohl die Arbeitgeber gleichermaßen wie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von einer konsequenten Umsetzung profitieren würden. Auch der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften gehen davon aus, dass Sanktionen bei Verstößen gegen § 84 SGB IX eingeführt wer- den müssen.

Dazu könnte § 84 SGB IX hinsichtlich seiner arbeitsrechtlichen Folgen einer Kündi- gung durch den Arbeitgeber geschärft werden, falls kein BEM durchgeführt wurde.

Insbesondere ist das BEM als Wirksamkeitsvoraussetzung für personenbedingte Kün- digungen auszugestalten: Bei Versäumung der Durchführung eines BEM müsste die Kündigung wegen Verletzung des das Kündigungsschutzrecht beherrschenden „ulti- ma-ratio-Prinzips“ unwirksam sein bzw. erhöhte Darlegungslasten des Arbeitgebers auslösen.

Um die betriebswirtschaftlichen Anreize zu stärken, ist auch die vorgeschlagene Ver- längerung der Lohnfortzahlung denkbar, wenn der Arbeitgeber seinen Pflichten im BEM-Verfahren nicht nachgekommen ist. Dieser Vorschlag orientiert sich an den positiven niederländischen Erfahrungen, die auf einem vergleichbaren Prinzip beru- hen. Zudem ist es erforderlich, dass der Arbeitgeber für die Durchführung des BEM Ressourcen bereitstellt.

Begrüßt wird, dass das BEM nicht lediglich bei Erkrankungen des Arbeitnehmers, sondern auch bei Vorfällen des sogenannten „Mobbing“ eingesetzt werden soll.

Zwar hat der Arbeitgeber aus der Fürsorgepflicht die Obliegenheit, „Mobbing“- Vorwürfe aufzuklären und geeignete Maßnahmen gegen festgestelltes „Mobbing“ zu ergreifen. Jedoch zeigt sich in der Praxis, dass weder in die Aufklärung der Vorgänge noch in die Abhilfe in zureichendem Maße investiert wird. Dies hat seine Ursache sicherlich auch darin, dass Arbeitgeber im Umgang mit „Mobbing“ unsicher sind. Die Anwendung des BEM-Verfahrens in diesen Fällen würde dem Arbeitgeber zumindest geeignete Verfahrensweisen eröffnen.

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Nachdrücklich unterstützen DGB und Mitgliedsgewerkschaften vor diesem Hinter- grund auch den Vorschlag, die in § 84 Abs. 3 SGB IX vorgesehenen Boni wieder abzuschaffen (II.1.c). Zum einen wurden von den Sozialversicherungsträgern kaum Boni-Modelle entwickelt, so dass die Praxisrelevanz dieser Regelung ohnehin gering ist. Zum anderen ist es ordnungspolitisch falsch, für die Einhaltung von gesetzlichen Pflichten Vergünstigungen zu gewähren. Stattdessen sollten durch die Sozial- versicherungsträger mehr Mittel in die bessere Beratung und Unterstützung von Un- ternehmen – vorrangig der kleinen und mittelständischen – in Fragen der „Gesund- heit im Betrieb“ investiert werden. Der Bund könnte dazu – beispielsweise im Rah- men der Demografiestrategie – mit den Spitzenorganisationen der Sozial-

versicherungsträger Zielvereinbarungen treffen, wie die Beratung der Unternehmen einerseits und das Fallmanagement für Versicherte andererseits weiterentwickelt werden können, um die Stärken des gegliederten Sozialsystems besser nutzen zu können.

Von großer Bedeutung in diesem Zusammenhang ist die bessere Zusammenarbeit der Sozialversicherungszweige bei der Förderung von Prävention. Die Vorschläge des Antrags gehen hier in die richtige Richtung (II.1.e). Ziel bei der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) muss sein, dass die Krankenkassen untereinander ihre Aktivitäten besser koordinieren und gleichzeitig die Zusammenarbeit mit der Auf- sichtstätigkeit und der Präventionsförderung der Unfallversicherungsträger ver- bessern. Vor allem solche Projektansätze sind unterstützenswert, die die konkreten Arbeitsbedingungen in den Blick nehmen bzw. Verhältnis- und Verhaltensprävention nutzenstiftend miteinander verbinden. Besonders wirkungsvoll ist die von den Kran- kenkassen unterstützte Betriebliche Gesundheitsförderung nämlich dann, wenn sie auf dem „klassischen“ Arbeitsschutz aufbaut (u. a. auf den Ergebnissen der Gefähr- dungsbeurteilungen) und seine Umsetzung fördern. Damit wird BGF Teil eines Be- trieblichen Gesundheitsmanagements – das in kleinen Betrieben natürlich anders organisiert werden muss als in Großbetrieben. Der Entwurf des Präventionsförde- rungsgesetzes der Bundesregierung müsste in diesem Sinne weiterentwickelt werden.

Die bessere Zusammenarbeit der Sozialversicherungsträger ist aber nicht nur bei der Förderung der Prävention notwendig, sondern über die gesamte Versorgungskette hinweg (von Prävention über die Akutversorgung bis hin zur Rehabilitation und be- trieblichen Wiedereingliederung). Die Beratung sowohl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als auch ihrer Arbeitgeber muss verbessert werden, wie auch der An- trag unter II.2 e zu Recht fordert. So können die Sozialversicherungsträger die Ge- meinsamen Servicestellen zu Anlauf- und Lotsenstellen weiterentwickeln, an die sich insbesondere kleine und mittelständische Arbeitgeber wenden können, wenn sie präventiv tätig werden wollen bzw. wenn sie Beschäftigte mit gesundheitlichen Prob- lemen im Betrieb haben und mit ihnen nach Lösungen für eine Weiterbeschäftigung

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suchen. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wiederum benötigen bei komple- xen Hilfebedarfen ein Fallmanagement, das bei einem federführenden Leistungsträger angesiedelt werden sollte und das für die betroffenen Menschen einen umfassenden Unterstützungsprozess mit dem Ziel der möglichst weitgehenden Teilhabe organisiert.

Beide Beratungsinstrumente sind schon jetzt im SGB IX angelegt, müssen aber ge- setzgeberisch geschärft werden, damit sie in der Praxis „ankommen“.

Der DGB unterstützt den Vorschlag eines verstärkten Mitbestimmungsrechts bei der Gestaltung des Arbeitsplatzes und bei der Betrieblichen Gesundheitsförderung (II.1.d). Die Akzeptanz entsprechender Maßnahmen bei den Beschäftigten steigt, wenn ihre Vertretung an deren Gestaltung mitwirken konnte. Das Mitbestimmungs- recht in diesen Fragen sollte in § 87 Abs. 1 Nr. 7 Betriebsverfassungsgesetz ausdrück- lich erwähnt werden.

Wenn ein klares Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht, ist, wie von der SPD vorgeschlagen, eine Verpflichtung des Arbeitgebers zum Betreiben Betrieblicher Ge- sundheitsförderung denkbar. Die flächendeckende Um- und Durchsetzung des „klas- sischen“ Arbeitsschutzes sollte aber erst einmal Vorrang haben, solange es hier noch so gravierende Defizite gibt.

Unverzichtbar ist auch, dass der Antrag Sanktionen bei Verstößen gegen die Arbeitsschutzregeln und gegen die Pflicht zur Erstellung einer Gefährdungsbeurtei- lung vorsieht (II.1.f). Allerdings kann die Ersatzvornahme der Gefährdungsbeurteilung durch Dritte – also nicht dem Arbeitgeber – nicht das primäre Durchsetzungsmittel sein. Gefährdungsbeurteilungen haben den Sinn, dass daraus Maßnahmen des Ar- beitsschutzes abgeleitet werden, bei denen die Arbeitgeber selbst aktiv werden müs- sen. Als praktikable Sanktionen kommen deswegen Bußgelder in Frage, verbunden mit Aufklärung und Beratung.

Positiv zu bewerten ist die Hervorhebung der Gemeinsamen Deutschen Arbeits- schutzstrategie durch die SPD-Fraktion (II. 2.d). Das 3. GDA-Ziel zu psychischen Belastungen bietet auch aus gewerkschaftlicher Sicht einen geeigneten Rahmen für Aktivitäten des Staates, der Sozialversicherungszweige und der Sozialpartner. Die Gewerkschaften werden den Prozess daher im Rahmen ihrer Handlungsmöglichkeiten und Aufgaben unterstützen. Allerdings müssen die staatlichen Gewerbeaufsichts- ämter gestärkt werden. Deshalb unterstützt der DGB die Forderung, dass die perso- nelle Ausstattung der Gewerbeaufsichtsämter wieder verbessert und die Aufsichts- personen ausreichend qualifiziert werden müssen. Der Bund ist dringend auf- gefordert, im Rahmen der GDA sowie der ASMK dazu Gespräche mit den Bundes- ländern zu führen.

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Psychische Störungen, die auf arbeitsweltbezogene Belastungen zurückgehen, gehö- ren zu den arbeitsbedingten Erkrankungen. Die Unfallversicherungsträger haben zwar die Aufgabe, arbeitsbedingte Erkrankungen präventiv zu bearbeiten, allerdings ent- stehen bei arbeitsbedingten psychischen Erkrankungen keine Entschädigungs- ansprüche gegenüber der Unfallversicherung (weder in Form von medizinischer Ver- sorgung und Wiedereingliederungsleistungen noch in Form von finanzieller Kompen- sation). Diese unbefriedigende Situation könnte verbessert werden, wenn psychische Erkrankungen in die Berufskrankheitenliste aufgenommen werden. Der DGB unterstützt deshalb den Prüfauftrag (II. 1.h), damit die komplexen rechtlichen und sozialmedizinischen Fragestellungen in Bezug auf die Aufnahme psychischer Erkran- kungen in die Berufskrankheitenliste angegangen werden.

Der DGB unterstützt die Forderung einer neuen Dynamisierungsregelung für das Reha-Budget der Deutschen Rentenversicherung. Die bestehende Regel reicht nicht mehr aus: Die Bedarfe nehmen in den nächsten Jahren beträchtlich zu, weil die rehaintensiven Jahrgänge immer stärker besetzt sind und die Inanspruchnahme von Rehaleistungen – unter anderem wegen der zunehmenden Chronifizierung psychi- scher Erkrankungen – weiter steigen wird. Darüber hinaus hat die Renten-

versicherung seit einiger Zeit einen erweiterten gesetzlichen Auftrag zu präventiven Aktivitäten. Und wenn der Gesetzgeber auf der Erhöhung des gesetzlichen Renten- alters beharrt, erhöht auch dies den Rehabedarf. Folglich muss die Dynamisierungs- regel so verändert werden, dass die genannten Faktoren Berücksichtigung finden und das Rehabudget in den nächsten Jahren bedarfsgerecht steigen kann.

Doch trotz Prävention und Rehabilitation werden es viele Menschen nicht schaffen, bis zur Regelaltersgrenze arbeiten zu können. Für ein unabhängiges Leben im Alter sind aber abgesicherte flexible Übergänge in die Rente − neben dem Leistungs- niveau und der Regelaltersgrenze − von zentraler Bedeutung. Wo Übergänge nicht gelingen, kommt es zu Lücken zwischen Berufstätigkeit und Rente und es drohen Hilfebedürftigkeit (ALG II-Bezug), Rentenkürzungen und schließlich erhebliche Siche- rungslücken im Alter. Die Bundesregierung ist daran gescheitert, eine konsens- und umsetzungsfähige Rentenreform zu erarbeiten. Mit Blick auf flexible Übergänge feh- len den Sozialpartnern notwendige Rahmenbedingungen, um den Beschäftigten passgenaue Ausstiegsoptionen zu ermöglichen.

Im Antrag der SPD werden insbesondere zwei Möglichkeiten genannt. Auch der DGB fordert die Schaffung der Möglichkeit, zusätzliche Beiträge zur gesetzlichen Ren- tenversicherung zum Ausgleich von Abschlägen schon vor dem 55. Lebensjahr leisten zu können und die Teilrente ab 60 als eigene Rentenart einzuführen. Darüber hin- aus haben DGB und Gewerkschaften weitere Anforderungen an den Gesetzgeber formuliert. Dazu gehören die Schaffung eines verbesserten Rechtsanspruchs auf Teil- zeit zumindest für Ältere und die Wiedereinführung der BA-geförderten Altersteilzeit

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ebenso wie zumindest die Aussetzung der Anhebung der gesetzlichen Regelalters- grenze. Dringend geboten sind deutliche Verbesserungen bei der Erwerbsminderungs- rente (in einem ersten Schritt durch eine sofortige Verlängerung der Zurechnungszei- ten auf mindestens 62 Jahre sowie eine bessere Bewertung der letzten Jahre vor Eintritt der Erwerbsminderung). Gerade die Erwerbsminderungsrente ist auch für Menschen mit psychischen Erkrankungen von großer Bedeutung.

2. Antrag der Fraktion DIE LINKE (BT Drucksache 17/11042)

Der Antrag beschreibt die Ausgestaltung der Anti-Stress-Verordnung. Bei der Gefährdungsbeurteilung muss – wie richtigerweise dargestellt wird – die Gestaltung der Arbeitsaufgabe, der Arbeitsorganisation, der sozialen Bedingungen sowie der Bedingungen des Arbeitsplatzes und der Arbeitsumgebung berücksichtigt werden.

Zu Recht wird auch die Arbeitszeit als wesentliche Stellschraube für übermäßige Beanspruchung von Beschäftigten benannt. Insbesondere sollten zur besseren Gestal- tung von Schichtsystemen die dazu vorhandenen arbeitswissenschaftlichen Erkennt- nisse stärker berücksichtigt werden. Die Gestaltungsbefugnis hierzu muss − wie bis- her auch − bei den betrieblichen Vertretungen liegen. Durch eine klarere Regelung in einer Anti-Stress-Verordnung könnte eine umfassendere Umsetzung von Schichtsys- temen gefördert werden, die die Gesundheit schonen. Die weiteren vorgeschlagenen Änderungen im Arbeitszeitrecht sind ebenfalls positiv zu bewerten.

Sinnvoll sind klarstellende gesetzliche Regelungen zu Fragen der Erreichbarkeit und der Abrufbarkeit von Arbeitsleistungen. Zwar sind die geltenden Regelungen des ArbZG insoweit eindeutig, als dass sie eine Inanspruchnahme des Arbeitnehmers etwa durch Telefonate oder E-Mails während der Ruhezeit (§ 5 ArbZG) zwischen den arbeitstäglichen Arbeitseinsätzen ausschließen. Jedoch ist festzustellen, dass immer mehr Arbeitnehmer die gesetzlichen Ruhenszeiten aus unterschiedlichen Motivlagen (zum Beispiel um Arbeitsüberlastungen am Arbeitsplatz „vorzubeugen“ oder solche

„nachzusorgen“) von sich aus oder aber auf Druck des Arbeitgebers nicht einhalten.

Die Verantwortung für die Verletzung der Ruhenszeiten liegt auf jeden Fall beim Arbeitgeber. Denn der allgemeine Gedanke des Arbeitsschutzes basiert darauf, dass der Arbeitgeber nicht nur für die von ihm veranlasste, sondern auch für die von ihm hingenommene Verletzung des Arbeitsschutzes verantwortlich ist. Insoweit wäre eine Klarstellung in § 5 ArbZG zweckmäßig, durch die geregelt wird, dass der Arbeitgeber in der Ruhezeit keine Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers annehmen darf. Entspre- chend ist § 22 Ziff. 5 ArbZG dahingehend zu ergänzen, dass nicht nur die Unter-

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lassung der Gewährung von Ruhezeiten, sondern auch die Entgegennahme von Ar- beitsleistungen in der Ruhezeit bußgeldbewehrt ist.

Zudem bedarf die dienstplanmäßige Gestaltung von geteilten Schichten, die insbe- sondere in den Bereichen persönlicher Dienstleistungen (ambulante Pflege, Assistenz- dienste, usw.) oder dem Reinigungsgewerbe häufig anzutreffen ist, einer gesetzlichen Regulierung.

Überstunden sowie Schicht- und Wochenendarbeit sind – soweit tarifliche Regelungen nicht bestehen - auch über rechtliche Regelungen zurückzudrängen. Das System der Ausgleichszeiträume für Überstunden, Schicht- und Wochenendarbeit muss im Interesse des Gesundheitsschutzes strikter gefasst werden. Dabei sind auch gesetzliche Vorgaben für Zuschläge auf Mehr-, Schicht- und Nachtarbeit erforderlich.

Die Möglichkeiten, die Umsetzung aus der Nacht- in die Tagschicht (§ 6 Abs. 4 Ziff. 2 und 3) verlangen zu können, sind zu erweitern.

Der DGB hält es wie die antragstellende Fraktion für sinnvoll, die Beschwerde- und Einspruchsmöglichkeiten der Beschäftigten zu stärken.

Zentral ist weiterhin die Forderung der Fraktion DIE LINKE, dass fehlende oder man- gelnde Gefährdungsbeurteilungen als Ordnungswidrigkeit geahndet werden müssen.

Entsprechende Sanktionsgrundlagen sind überfällig (vgl. hierzu Ausführungen unter II. 1).

Der Antrag der Fraktion DIE LINKE hebt auch zu Recht hervor, dass die gesundheits- gefährdende Arbeitsverdichtung häufig etwas mit dem Personaleinsatz bzw. der Personalbemessung zu tun haben. Eine einheitliche Personalbemessung in Kran- kenhäusern geht daher in die richtige Richtung, würde zu einer besseren Versorgung der Patientinnen und Patienten führen und hätte eine Pilotfunktion für andere Bran- chen.

Der Antrag thematisiert richtigerweise zudem, dass betriebliche Interessen- vertretungen eine wichtige Rolle bei der Umsetzung gesundheitsschützender Ar- beitsbedingungen spielen müssen. Die Mitbestimmungsmöglichkeiten auszudehnen auf wirtschaftliche Steuerungsmethoden, die die Gesundheit z. B. durch Erhöhung des Drucks auf die Beschäftigten beeinflussen können, ist deshalb ein wichtiger An- satz. Sinnvoll erscheint es auch, Fragen der Gestaltung der Arbeitsaufgabe, der Ar- beitsorganisation und der Arbeitsumgebung deutlicher als bisher der erzwingbaren Mitbestimmung zu unterwerfen. Darüber hinaus ist ein umfassendes Mitbestim- mungsrecht bei der Betrieblichen Gesundheitsförderung durch Aufnahme in § 87 I Nr.

7 BetrVG zu realisieren.

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3. Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (BT Drucksache 17/12818) Die Fraktion befürwortet wie die bereits besprochenen Anträge, die Regelungs- lücke bei psychischen Belastungen und Stress am Arbeitsplatz durch eine eigenstän- dige Rechtsverordnung (Anti-Stress-Verordnung) zu schließen. Auch in diesem Antrag werden die wichtigen Handlungsfelder wie monotone Tätigkeiten, dauerhafte Über- oder Unterforderungen, Nacht- und Schichtarbeit sowie systematische Verstöße ge- gen das Arbeitszeitgesetz und unzureichende Arbeitsorganisationen genannt.

Die von der Fraktion geforderte Rahmenvorschrift für § 6 ArbZG „zur Durchsetzung von alters- und alternsgerechten Arbeitszeitmodellen bei Nacht- und Schicht- arbeit“ (II.2.c des Antrags) erfordert eine Erweiterung der Verordnungsermächtigung des § 8 ArbZG. Der Geltungsbereich einer solchen Rahmenvorschrift wäre wie in § 6 Abs. 5 ArbZG auf die Arbeitsverhältnisse zu beschränken, für die keine tariflichen Regelungen Anwendung finden. Im Zuge dieser Rahmenvorschrift sollte im Übrigen auch eine (altersunabhängige) Konkretisierung der unspezifischen Ausgleichs- regelungen des § 6 Abs. 5 ArbZG erfolgen.

Begrüßt wird zudem die Forderung nach einer gesetzlichen Regelung, die den Verfall von Arbeitszeit verhindert und eine Bezahlung bzw. Zeitausgleich jeglicher Ar- beitszeit bewirken soll (II.2.e des Antrags). Dabei wäre ein Vorrang von Arbeitszeit- ausgleich vor Arbeitszeitabgeltung gesetzlich festzuschreiben. Auch sind entweder sehr kurze Ausgleichszeiträume oder bei längeren Ausgleichszeiträumen Maßnahmen der Insolvenzsicherung gesetzlich zu regeln. Insgesamt verweisen wir zum Thema Arbeitszeit auf unsere vorhergehenden Ausführungen unter II. 2.

Das Schließen der Regelungslücke sollte dabei nach der Vorstellung der Gewerk- schaften nicht allein durch staatliches Recht, sondern auch durch Regelungen und Informationsangebote der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung erfolgen.

Zu Recht weist der Antrag (II.2.h) auf die Bedeutung der Sozialpartner hin. Schon jetzt gibt es in mehreren Tarifverträgen Regelungen, die auf die Förderung der Ge- sundheit bzw. der Beschäftigungsfähigkeit zielen. Ebenfalls von großer Bedeutung sind die Gestaltungsmöglichkeiten von Betriebs- und Personalräten – gerade auch in jenen Fragestellungen, die im Antrag genannt werden (Maßnahmen zur Reduktion von Stress, Gestaltung von Dienstplänen usw.). Damit die Kompetenz der Beschäftig- tenvertretungen hier noch stärker genutzt werden kann, ist eine Stärkung des Mitbe- stimmungsrechts sinnvoll.

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Ausdrücklich unterstützt der DGB die Forderung der antragstellenden Fraktion, dass die staatlichen Aufsichtsbehörden beim Arbeitsschutz einschließlich der Berufs- genossenschaften personell gestärkt werden sollen. Die Entwicklung der letzten 20 Jahre hat dazu geführt, dass vor allem die Gewerbeaufsicht kaputt gespart wurde.

Hier ist dringend Personal aufzustocken und für die Anforderungen der sich wandeln- den Arbeitswelt zu qualifizieren. Der Bund sollte im Rahmen der ASMK mit den Län- dern beraten, wie die Gewerbeaufsichtsämter wieder gestärkt werden können. Die Bundesländer sollten unter Wahrung der föderalen Zuständigkeiten im Rahmen von Selbstverpflichtungen entsprechende Vereinbarungen mit dem Bund treffen.

Der DGB unterstützt den Ansatz der Fraktion, eine umfassende Dokumentations- pflicht hinsichtlich der Gefährdungsbeurteilung einzuführen. Die Betriebsgröße ist hierbei irrelevant.

Sinnvoll sind auch die vorgeschlagen Aktivitäten zur Bekämpfung von Mobbing in Betrieben und Dienststellen.

Der Antrag weist zu Recht auf das Problem hin, dass in Betrieben ohne Beschäftig- tenvertretungen die Umsetzung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements verbessert werden kann, wenn externe Expertinnen und Experten dabei helfen. DGB und Mitgliedsgewerkschaften unterstützen deshalb die Vorschläge, BEM auch durch bessere Beratung und Unterstützung der Sozialversicherungsträger in den Betrieben und Verwaltungen voranzubringen (auf die Ausführungen oben wird verwiesen).

Anders als die Antragsteller hält der DGB die Verteilung von Boni und Prämien im Zusammenhang mit der Einführung von BEM aber nicht für sinnvoll: Zum einen we- gen der skizzierten ordnungspolitischen Gründe; zum anderen, weil kleine finanzielle Vergünstigungen an den Beweggründen der Unternehmen, BEM einzuführen (oder eben nicht), wenig ändern wird.

Wichtiger als solche Vergünstigungen sind eine gute Beratung und die Unterstützung durch einen unbürokratischen Zugang zu konkreten Leistungen, die im Rahmen der Prävention und der Rehabilitation gesetzlich vorgesehen sind und von den Sozial- versicherungsträgern erbracht werden können.

Begrüßt wird die Forderung, dass die Rechtsansprüche der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Rahmen des BEM auf individuell zugeschnittene Arbeitsbedingun- gen, Hilfsmittel und Assistenz gestärkt werden sollen. Eine entsprechende Regelung ist auch zur Umsetzung und Konkretisierung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen erforderlich.

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Auch der Antrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen greift das Problem der prekä- ren Beschäftigungsverhältnisse auf. Sie führen oft zu anhaltenden Stress- situationen für die Menschen. Die Belastung kann einerseits durch bessere Gestaltung der Arbeit erreicht werden. Leiharbeit und befristete Beschäftigung müssen aber als Beschäftigungsform auf das unbedingt notwendige Maß zurückgedrängt werden, da sie ebenso wie Scheinwerkverträge und Scheinselbstständigkeit Beschäftigte in die (Selbst-) Ausbeutung und damit in die Krankheit treiben. Die Durchsetzung von

„Equal Pay“, die Einführung von gesetzlichen Mindestlöhnen, die Stärkung der Tarif- autonomie durch die Erleichterung von Allgemeinverbindlichkeitserklärungen und die Stärkung der Mitbestimmungsrechte von Betriebs- und Personalräten in Bezug auf die Beschäftigung von Leiharbeitnehmer/innen oder Werkvertragnehmer/innen stellen wichtige Beiträge dazu da, prekäre Beschäftigungsformen zurückzudrängen.

Der DGB unterstützt die Forderung nach besseren Rahmenbedingungen für flexible, abgesicherte Übergänge in die Rente. Neben einer Teilrente ab dem 60. Le- bensjahr und deutlichen Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente fordert der DGB weitere Maßnahmen zur Absicherung flexibler Übergänge (siehe Stellungnahme zum Antrag der SPD-Fraktion, Abschnitt II. 1).

Eher skeptisch steht der DGB der Forderung nach einer Garantierente gegenüber.

Insbesondere drohen neue Ungerechtigkeiten für diejenigen, die durch ihre geleis- teten Beiträge eine Rente knapp oberhalb der Garantierente erhalten und dann nur ein sehr geringer Abstand zu denjenigen besteht, die bei deutlich niedrigeren eigenen Beiträgen eine fast gleichwertige Rente erhalten. Zudem lässt sich bei einer Höhe der Garantierente von 850 Euro nicht ausschließen, dass trotzdem Leistungen der Grund- sicherung im Alter in Anspruch genommen werden müssten. Denn deren durch- schnittliche Höhe liegt schon heute besonders in Ballungszentren über diesem Betrag.

Der DGB sieht in einer Verlängerung der Rente nach Mindesteinkommen eine system- gerechte und wirksame Lösung. Durch die Höherwertung von Niedrigrenten um den Faktor 1,5 bis zur Höhe von 75 % des Durchschnittseinkommens können langjährig versicherte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine Rente oberhalb der Grund- sicherung erhalten. Wichtig ist außerdem, Zeiten der Arbeitslosigkeit angemessen bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen. Unabhängig vom konkreten Instrument im Kampf gegen Altersarmut ist es aus Sicht des DGB eine zwingende Voraussetzung, dass die Finanzierung aus Steuermitteln zu erfolgen hat.

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III. Zum Antrag der Fraktionen von CDU/CSU und FDP

Der Antrag der Koalitionsfraktionen ist insoweit zu begrüßen, als sie sich mit dem Thema „psychische Belastungen in der Arbeitswelt und psychische Gesundheit“

überhaupt beschäftigen. Allerdings erfolgt die Reaktion der Koalition mit großer Ver- spätung und inhaltlich unzureichend. Es genügt nicht, wenn die vorliegenden Infor- mationen hinsichtlich von Belastungen und daraus resultierender Kosten zusammen- gestellt werden. Die von der Koalition getragene Bundesregierung hätte längst ges- taltend und regulierend und durch die Bereitstellung von Ressourcen tätig werden können und müssen.

Negativ fällt auf, dass im Abschnitt I die arbeitsbezogenen Belastungsfaktoren wie Termin- und Leistungsdruck, monotone Tätigkeiten oder Multitasking zwar richtig benannt, gleichzeitig aber an mehreren Stellen auch übermäßig relativiert werden (beispielsweise mit dem Argument, dass arbeitslose – also von Arbeitsmarkt-Teilhabe abgeschnittene – Menschen noch häufiger psychisch krank seien). In Folge der Rela- tivierung arbeitsbedingter Belastungen werden die Möglichkeiten des Arbeitsschutzes von den Koalitionsfraktionen stark unterschätzt. Ebenso fehlt jede Auseinanderset- zung mit der Frage, inwieweit die Prekarisierung von Arbeitsbedingungen durch Niedriglohn und Angst vor Arbeitsplatzverlust zur Verschlechterung des Ge- sundheitszustandes der Beschäftigten und ihrer Familien führt. Regulatorische und praxiswirksame Maßnahmen zur Eindämmung prekärer Arbeitsbedingungen werden seitens der Koalitionsfraktionen weder diskutiert noch vorgeschlagen, obwohl der Handlungsbedarf offensichtlich ist.

Auch bei der Initiative Neue Qualität der Arbeit, die in ihrer neuen Form eher wenig Wert auf Arbeitsgestaltung legt, können kaum Ansätze gesehen werden, die den Abbau psychischer Belastungen wirklich voranbringen.

Im Abschnitt II wird deutlich, dass die Koalition die steigende Zahl psychischer Er- krankungen vorrangig über die Betriebliche Gesundheitsförderung eindämmen möchte. Die Bedeutung des Arbeitsschutzes wird nicht gewürdigt, noch nicht einmal die von der Bundesregierung initiierte Änderung des Arbeitsschutzgesetzes (Art. 8 des Bundesunfallkassen-Neuordnungsgesetzes) als ein erster Schritt zur Stärkung des Arbeitsschutzes in Bezug auf arbeitsbedingte psychische Belastungen wird erwähnt.

Mit den gewerkschaftlichen Initiativen und denen der Bundesländer für eine Anti- Stress-Verordnung setzt sich der Antrag ebenfalls nicht auseinander. Eine klarere Regulierung ist aber ein zentraler Ansatzpunkt, um psychische Belastungen zurück- drängen zu können.

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Insgesamt wird der Stellenwert des betrieblichen Arbeitsschutzes als Ausgangspunkt für wirksame Präventionsstrategien zu mehr psychischer Gesundheit stark unter- schätzt. Zugleich geht damit eine Überschätzung der Wirksamkeit von Maßnahmen außerbetrieblicher „Gesundheitsakteure“ einher. Die Realität zeigt jedoch, dass der betriebliche Arbeitsschutz – und damit die Arbeitsbedingungen selbst - im Fokus stehen muss, unterstützt durch ausgewählte Maßnahmen, die auf den einzelnen Beschäftigten orientieren.

Kritisch ist auch zu sehen, dass keine qualitätsbezogenen Erwartungen an die Be- triebliche Gesundheitsförderung und ihre Organisation formuliert werden (siehe Abschnitte III. 5, 13, 14 des Antrags). So ist die BGF – auch die, die durch Kranken- kassen unterstützt wird –, häufig zu stark verhaltensbezogen, so dass die Verhältnis- se am Arbeitsplatz nicht ausreichend berücksichtigt werden. Wie schon im Entwurf für das Präventionsförderungsgesetz wird die Betriebliche Gesundheitsförderung abgeschottet von anderen Instrumenten betrachtet. So wird keine Verbindung von der BGF zur Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie gezogen. Betriebliche Gesundheitsförderung muss als eine den Arbeitsschutz ergänzende Maßnahmen verstanden werden, die auf den Ergebnissen der Gefährdungsbeurteilung beruht.

Die Steuerung über die erwähnte nationale Präventionskonferenz wird seitens des DGB nicht unterstützt, da die Präventionskonferenz gerade für das betriebliche Set- ting nicht sinnvoll zusammengesetzt ist. Die Zusammenarbeit mit der Nationalen Arbeitsschutzkonferenz wird demgegenüber als sinnvoll erachtet.

Betriebliche Gesundheitsförderung reicht aber bei weitem nicht aus, um zu einer Verbesserung der Situation zu kommen. Damit würde der erste notwendige Schritt – die Stärkung des Arbeitsschutzes – einfach ausgelassen.

Zwar verweist der Antrag im Abschnitt III, 3 auf die generelle Bedeutung der Ge- meinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie, allerdings wird nicht ausge- führt, welchen spezifischen Beitrag die Bundesebene zur Umsetzung der GDA leisten kann und sollte. Wie schon dargestellt, wäre es eine wichtige Aufgabe der Bundes- regierung, im Rahmen der ASMK auf eine bessere Ausstattung der Gewerbe- aufsichtsämter der Länder zu dringen.

Die Koalitionsfraktionen erwähnen explizit die Betriebs- und Werksärzte, die zweifellos eine wichtige Rolle bei der Prävention psychischer Belastungen spielen können. Andere Gruppen wie zum Beispiel Fachkräfte für Arbeitssicherheit oder Be- triebs- und Personalräte kommen in den Vorstellungen der Koalitionsfraktionen aber nicht vor, so dass auch keine Vorschläge unterbreitet werden, wie die Rahmen- bedingungen für deren Arbeit verbessert werden können. Zudem springen die An-

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tragsteller auch in Bezug auf die Rahmenbedingungen für Betriebs- und Werksärzte zu kurz. Der Bund müsste mit den Bundesländern eine Strategie entwickeln, wie die betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung sichergestellt und die Aus- bildung von Arbeitsmedizinern ausgebaut und attraktiver gestaltet werden kann.

Zudem müssten die Arbeitgeber angehalten werden, höhere Einsatzzeiten von Be- triebs- und Werksärzten in den Betrieben und Dienststellen zu ermöglichen, damit diese wirksamer die präventiven Aktivitäten unterstützen können.

Die im Antrag zu Ziff. 1 erwähnte Forderung nach Maßnahmen zur Förderung und zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit ist vollkommen unkonkret. Es bleibt auch offen, was die Fraktionen unter Beschäftigungsfähigkeit verstehen und welche Ver- pflichtungen dies für den Beschäftigten und den Arbeitgeber mit sich bringen sollen.

Zusätzliche Forschung ist sehr wünschenswert (vgl. Abschnitt III.7, 9 des Antrags) und zur Gewinnung aktueller Erkenntnisse erforderlich. In einigen Bereichen liegen aller- dings teilweise schon seit langer Zeit genügend Erkenntnisse darüber vor, was Men- schen schädigt. Dies gilt beispielsweise für Schichtarbeit, überlange Arbeitszeiten und zu hohe Arbeitsintensität. Verbesserungen in der Praxis dürfen daher nicht mit Blick auf einen angeblichen Forschungsbedarf auf die lange Bank geschoben werden.

Speziell für die Bearbeitung psychischer Belastungen gibt es eine Vielzahl von Instru- menten, die sofort angewendet werden können.

Betrieblich unterstützte Kinderbetreuung zu fördern, ist sicherlich sinnvoll (Ab- schnitt III.11 des Antrags). Die von der Koalition getragene Regierung hätte es jedoch selbst in der Hand, den bislang unvollständig umgesetzten Anspruch auf einen Betreuungsplatz in Kindertagesstätten zu realisieren.

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