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Archiv "Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen..." (03.07.1992)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

KONGRESSBERICHT

Wer vieles bringt,

wird manchem etwas bringen...

Notizen von

der 98. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin,

Wiesbaden, 26. bis 29. April 1992

D

er Internistenkongreß 1992 umfaßte unter dem Präsidi- um von Prof Dr. Jürgen van de Loo/Münster wieder eine Fülle von Veranstaltungen, über die im Supplementband XXVIII (1992) der

„Klinischen Wochenschrift" ausführ- lich berichtet werden wird. Der Fest- vortrag des Vorsitzenden galt unter dem Motto „Patient oder Krankheit"

den Prioritäten in Studium und Pra- xis, ganz besonders auch aus der Sicht der Kranken. In den folgenden kurzen Notizen können nur drei der vier Hauptthemen streiflichtartig be- handelt werden; auf die kolorektalen Tumoren mußte verzichtet werden.

I. Synkopen

Andresen/Berlin definierte Syn- kopen als kurzdauernde Bewußtlo- sigkeit, von der im Laufe ihres Le- bens etwa drei Prozent der Bevölke- rung betroffen werden. Nach Stein- beck/München machen 15 bis 25 Pro- zent jugendlicher Erwachsener ir- gendwann eine Synkope durch, wovon 75 Prozent ungeklärt bleiben. Die Letalität aller Fälle schätzte er auf gleich oder weniger als sechs Prozent im Jahr. Man kann drei Gruppen von Ursachen differenzieren:

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Kardiale Ursachen, einer- seits mit inadäquater Auswurflei- stung (zum Beispiel Klappenfehler, Obstruktion durch Kardiomyopa- thien, Vorhofmyxome, besonders un- ter Belastung (sogenanntes Effort- Syndrom), andererseits Adam-Sto- kes-Anfälle bei bradykarden oder ta- chykarden Rhythmusstörungen (bei

längerem Herzstillstand auch mit klonischen Zuckungen).

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Vasale Ursachen einerseits in Form vagovasaler Synkopen, be- sonders bei jüngeren Erwachsenen, psychosomatischem Streß, überfüll- ten Räumen usw. als vasodepressori- sche oder (seltener) frequenzinhibi- torische Fehlregulationen, anderer- seits orthostatische durch Versacken des Blutes in die Peripherie bei Fie- ber, Aufstehen nach längerem Lie- gen, Neuropathien, in höherem Le- bensalter durch Medikamente wie Nitrate, Antihypertonika, hyper- oder hypoadrenerge Dysregulation, Sick-Sinus-Syndrome (Irritation ei- nes hypersensitiven Carotis-Sinus, etwa durch Halsdrehung).

Alle Referenten betonten, daß über 50 Prozent schon durch einge- hende Eigen-(eventuell Fremd-)Ana- mnese ursächlich zu klären sind. Alle hoben die Rolle der wieder zur Be- deutung erwachten Belastung mit dem Kipptisch hervor (möglichst mit EKG-Schreibung). Seipel/Tübingen sprach über Synkopen durch brady- karde Herzrhythmusstörungen, die innerhalb der rund 50 Prozent kardi- al zu erklärenden Synkopen je nach Krankenkollektiv (zum Beispiel Zu- stand nach Myokardinfarkt oder nicht) zu 10 bis 50 Prozent dem Vor- hofsinusknoten, zu 0 bis 15 Prozent dem Carotis-Sinus, zu 10 bis 30 Pro- zent höhergradigen AV-Blockierun- gen zugeordnet werden; ein be- trächtlicher Rest bleibt den intraven- trikulären Leitungsstörungen. Er hob besonders das intermittierende Vorhofflimmern hervor (etwa als Bradykardie-Tachykardie-Syndrom).

Für die Differenzierung sind am aussichtsreichsten mehrfache Lang- zeit-EKGs, eventuell auch das Bela- stungs-EKG, ein EKG nach Atropin- gabe, His-Bündel-Untersuchungen.

Seipel zeigte sich in der Schrittma- cher-Indikation zurückhaltend (als Prophylaxe ohne Synkopen: meist

„Nein", mit einzelnen Synkopen:

„Eventuell", bei Synkopen mit inter-

mittierenden, besonders bei intra- ventrikulären Leitungsstörungen:

„Ja"). Die höhere Letalität der Schrittmacherkranken bezog Seipel allerdings auf eine negative Auslese dieser Gruppe.

Nach Borggrefe/Münster wird bei 60 Prozent der wegen Bewußtseins- störungen eingewiesenen Patienten die Ursache ermittelt: 18 bis 75 Pro- zent haben Herzerkrankungen, 0 bis 20 Prozent keine (wesentlich günsti- gere Prognose!). Die wichtigsten Mechanismen sind: Temporäres (dann in über 60 Prozent induzierba- res) Vorhofflimmern/Flattern, ver- borgenes WPW-Syndrom, AVN- Re entry-Syndrom, monomorphe Kammertachykardie oder Kammer- flimmern (nach Myokardinfarkt bei 60 bis 80 Prozent induzierbar mit ei- ner 3-Jahresüberlebenszeit um 67 Prozent, ohne Induzierbarkeit um 96 Prozent).

Steinbeck/München faßte die the- rapeutischen Maßnahmen nochmals zusammen und betonte die Abhän- gigkeit der Prognose und Therapie von der kardiovaskulären Ursache.

Die Behandlung reicht von aufklä- rendem Gespräch, Antihypotonika, Betablockern, Vagolytika (zum Bei- spiel bei vagovasalen Ursachen) bis zu antiarrhythmischer Behandlung und Antikoagulanzien sowie adäqua- ten Schrittmacher- und Defibrilla- tor-Systemen und/oder gezielten chirurgischen Maßnahmen.

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Über die primär zerebral be- dingten Synkopen (Ursache im Ge- hirn, nicht Folge passagerer kardio- vaskulär verminderter Hirndurch- blutung) referierten Mumenthaler/

Bern und der Bonner Epileptologe Elger. Mumenthaler hob neben den vasovagalen Reflexen die Hustensyn- kopen, synkopale Vestibulariskrisen, Hyperventilations-Synkopen, Park- inson-Sturzanfälle und psychogene Störungen hervor. In der Klinik von Elger waren bei etwa 40 Prozent eine Epilepsie, bei über 40 Prozent ande- re Ursachen nachweisbar; etwa 12 Dt. Ärztebl. 89, Heft 27, 3. Juli 1992 (47) A1-2395

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Prozent blieben unklar. Elger zeigte in eindrucksvollen Video-Kurzfil- men verschiedene Formen, wie die (manchmal wegen kurzer Krämpfe als Epilepsie mißgedeutete) konvul- sive Synkope, die Temporallappen- synkope (ohne Bewußtseinsein- schränkung), rein tonische Anfälle (meist bei Jugendlichen = Lennoix- Gastaut-Syndrom), die Myoklonus- epilepsie (ohne Bewußtseinsverlust oder mit kurzer Absence), die Start- le-Erkrankung (kurzer Tonusverlust, isoliert oder in Kombination mit ty- pischer Epilepsie), psychogene An- fälle (eventuell Plazebos zur Auslö- sung und Beendigung!).

Hennerici/Mannheim faßt die en- ge Verbindung kardialer, zerebro- vaskulärer, neurologischer und me- tabolischer Synkopen nochmals zu- sammen. Er hob besonders auch die postapoplektischen und postischämi- schen Synkopen hervor. Anderer- seits führe die transitorische isch- ämische Attacke (TIA) gewöhnlich nicht zu einer Synkope.

II. Grenzen zwischen ambulanter und

stationärer Medizin

Dieses interessante und kontro- vers diskutierte Thema wurde in den Referaten vorzugsweise aus medizi- nischer Sicht, in dem sich anschlie- ßenden Rundtischgespräch mehr aus berufspolitischen und ökonomischen Perspektiven behandelt. Es ging um die Indikationen: Stationär — Ta- ges- beziehungsweise Nachtklinik — Praxisgemeinschaften von Kollegen gleicher Subdisziplin — Einzelarzt.

Der Trend zur Tagesklinik war un- verkennbar, ist derzeit aber noch mehr Zukunftsmusik. Drei Modelle wurden angezeigt:

C) Diagnostik und Behandlung mit zehn bis zwölf Stunden Nach-Be- obachtung in der Tagesklinik, die die finanzielle sowie die personelle Si- tuation der kostspieligen Kranken- häuser entlastet.

C Eingriffe, über die man we- gen etwaiger Spätkomplikationen (zum Beispiel Nachblutungen nach Nierenbiopsie, Pankreatitis nach ERCP, Lasertherapie) verschiede- ner Meinung war.

(D Konventionelle ambulante und stationäre Diagnostik sowie Therapie: Erdmann/München berich- tete über zweijährige Erfahrungen mit einer Tagesstation in Großha- dem (vier Ärzte, 20 Schwestern, 16 Betten): 45 Prozent nichtinvasive Diagnostik, 40 Prozent invasive Dia- gnostik, vier Prozent onkologische Behandlungen. Vorteile sind: Kein Schichtdienst für Schwestern; die Kranken gehen abends lieber nach Hause; die Ärzte haben günstigere Arbeitszeiten. Nachteile waren: Un- genügend oder zu kurz vorunter- suchte Patienten; Bereithaltung von Betten für Komplikationen; telefoni- sche Kontakte mit dem Hausarzt au- ßerhalb der Städte zum Teil schwie- rig; große persönliche Erfahrungen erforderlich; unpersönlicher Charak- ter der Maßnahmen.

Durchgeführt wurden unter an- derem transösophageales EKG, Rechts- und Linksherzkatheter, Ko- ronarangiographie, transbronchiale Biopsien, transkutane Feinnadelbi- opsien, transbronchiale Expositions- teste, Clearence- und Isotopenunter- suchungen.

Fölsch/Kiel führte im Gastroin- testinalbereich ambulant oder teil- stationär („Tagesklinik") durch: So- nographien, Endosonographien, Ösophago-Gastro-Duodenoskopien, Recto-Sigmoido- und Kolonoskopi- en. Er lehnte invasive beziehungs- weise therapeutische Endoskopien ab, da mit folgenden Komplikatio- nen (Manifestation eventuell erst nach Tagen!) zu rechnen ist: sieben Prozent Perforationen, 40 Prozent Blutungen, drei Prozent Hypotonien, insgesamt in schwerer Form um sie- ben Prozent, Letalität um zwei Pro- zent. In allen verfügbaren Statisti- ken: Komplikationen 0 bis 13 Pro- zent, Letalität rund vier Prozent.

Kleeberg/Hamburg darf man als Pionier ambulanter onkologischer Versorgung ansehen. Er betreibt seit rund zwanzig Jahren in Hamburg mit anderen Kollegen eine Schwer- punktpraxis und hat seit 1984 einen

„auf Maß geschneiderten Vertrag mit der KV". Bei aller Betonung der Zusammenarbeit mit einem Tumor- zentrum hält er die stationäre Dia- gnostik in seinem Bereich nur aus- nahmsweise noch für nötig, die The-

rapie führt er — je nach kurativem, palliativem oder supportivem Ziel — ambulant durch, möglichst nach den heutigen Therapieprotokollen auf Qualitätssicherung sowie Verfügbar- keit eines Kollegen rund um die Uhr bedacht.

Mehnert/München siedelte zwi- schen den Extremen Typ-I-Diabetes mit Ketoacidose und Neigung zur Hypoglykämie („Der Patient darf ei- ne leichtere mitgemacht haben, um ihre Frühzeichen zu erkennen") so- wie unkompliziertem Altersdiabetes die derzeitigen Möglichkeiten an:

Fachklinik für Diabetologie — allge- meines Krankenhaus im stationären Bereich; Diabetologe — Internist oder Arzt für Allgemeinmedizin im ambulanten Bereich. Ein frischer Typ-I-Diabetiker sollte stationär ein- gestellt und geschult werden. Kei- nesfalls sollte man ambulant mit In- sulin beginnen. Ideal sind der ge- schulte Diabetiker („sein eigener Arzt") und ein Diabetologe („sein Oberarzt"). Er befürwortete Nacht- kliniken, in die der Patient zeitweilig nach Dienstschluß zur Kontrolle, Einstellung und Schulung usw.

kommt und von der er morgens zur Arbeit gehen kann (Pfeiffer/Ulm sah den Vorteil einer „Nachtklinik"

nicht ein).

Stationäre Aufnahme ist nach Mehnert erforderlich bei Neuein- stellung des Typs I oder II mit Insu- lin sowie bei schlechter Einstellung.

Ambulant sind möglich: Ausgleich von Stoffwechselstörungen mäßigen

Grades, Ersteinstellung und Schu- lung bei Typ-Il-Diabetikern.

Dubach/Basel behandelte ab- schließend die Verhältnisse in der Schweiz, wo alle fünf Universitäten noch Medizinische Polikliniken un- terhalten (in Deutschland nach sei- ner Zählung fünf von 27). Die statio- nären Kosten betrugen neuerdings 1165 sfr/Tag mit zehn Prozent Selbstbeteiligung der Kranken, die ambulanten Kosten (Erstabklärung) 300 sfr ohne Selbstbeteiligung. Er stellte abschließend das neue Base- ler Konzept vor: Drehscheibe ist die Poliklinik, über die alle Aufnahmen erfolgen. Sie hat zugleich 28 + 10 Betten für eine Fünf-Tage-Abklä- rung. Alle Spezialisten sind den Chefs der Kliniken A und B sowie A1-2396 (48) Dt. Ärztebl. 89, Heft 27, 3. Juli 1992

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der Poliklinik unterstellt. Sie haben keine eigenen Betten, aber Konsul- tationsrecht und Konsultations- pflicht. Zwei Drittel der Kranken ka- men aus anderen Spitälern oder Fachabteilungen, ein Drittel spontan ohne ärztliche Einweisung.

In dem mehr gesundheitspoli- tisch und organisatorisch ausgerich- teten Rundtischgespräch stellte Schaefer/Frankfurt von der KBV für 1990 und die alte Bundesrepublik die Kosten einander gegenüber: 21 Milliarden stationär, 92 Millionen ambulant! Er forderte einen Abgang vom dualen System der Kostener- stattung. Dazu gehörten auch die Öffnung für teilstationäre Betreuung und Sonderverträge mit Fallpau- schalen (wie ambulante Operatio- nen, Lithotripsien). Entscheidend sollten Qualifikation und Erfahrung sein. Mitgegebene Befunde sollten nicht noch einmal erhoben, neue vor oder mit dem Patienten übermittelt

III. Thrombose und Embolie

Ertl/Würzburg sprach über die Verhinderung kardialer Thromben- bildung mit konsekutiven Embolien im arteriellen System. 15 Prozent al- ler apoplektischen Insulte sind pri- märe Blutungen, 15 Prozent embo- lisch aus Herz und großen Gefäßen, 60 bis 70 Prozent arteriosklerotische Verschlüsse. Hauptursache der Em- bolien sind chronisches oder inter- mittierendes Vorhofflimmern, Myo- kardinfarkte, dilatative Kardiomy- opathien, Mitralvitien, Klappener- satz. Ertl sprach sich für eine langfri- stige milde Behandlung mit Cumari- nen — bei Quickwerten zwischen 25 bis 35 Prozent — aus mit even- tuell (indikationsabhängig) zunächst

„schärferer" Einstellung. Klappen- fehler, Klappenersatz, Vorhofflim- mern sollten lebenslang behandelt werden; bei unkomplizierten Herzin- farkten genügen nach Ertl rund drei Monate. In Frühphasen des Herzin- farktes oder bei fortschreitender Thrombosierung sind volle Hepa- rindosen den „low-dose"-Regimen überlegen. In der Diagnostik domi- niert die nichtinvasive Echokardio- graphie, die transösophageal auch

werden. Kraushaar (für die AOK) und die Frankfurter Verwaltungsdi- rektorin Birkhan meinten, daß die völlig verschiedene Finanzierung, Pauschalen, Honorare, Investitionen dazu erst in einem anstehenden Ge- setz geregelt werden müßten.

Lohmann/Leipzig verwies auf die positiven Erfahrungen seitens der al- ten DDR-Polikliniken; man hätte sie in privatrechtliche Institutionen um- wandeln müssen, statt ihnen die völ- lige Privatisierung überzustülpen. Es fehlte aber auch nicht an Kritik für die Zwischenformen der Tagesklini- ken und teilstationären Behandlung:

Die Krankenhäuser entwickelten sich damit zu „Siechenhäusern" für inkurable Fälle. Ihnen blieben die diagnostisch-therapeutischen Maß- nahmen für die Wochenenden und Urlaubsperioden. Woher bekämen die Universitätskliniken die Kranken für eine praxisnahe Ausbildung gera- de in den gängigen Maßnahmen?

den sichereren Nachweis von Thromben gestattet.

Hennerici/Mannheim bezog sich hinsichtlich der Akutbehandlung zerebraler Ischämien auf internatio- nale Studien und eine deutsche Con- sensuskonferenz. Er unterschied bei den Embolien Carotisprozesse, kar- diogene Defekte (einschließlich pa- radoxer Embolien bei offenem Fora- men ovale), mikroangiopathische Defekte (lakunare Infarkte, Leuken- zephalopathien) und Mischformen sowie primäre Verschlüsse (in den bildgebenden Verfahren: hypodens) von sekundären Einblutungen (hy- perdense Zonen). Therapeutisch gibt es noch wenig gesicherte Ergeb- nisse: Die Hämodilution gilt als ob- solet: von Kortikosteroiden riet er (außer bei schon vorheriger Gabe wegen Vaskulitis) ab; die Thrombo- lyse ist im Versuchsstadium. Bei Pro- gredienz und im Zweifelsfall sollte Heparin gegeben werden. Als für Praxis und Klinik am wirksamsten gilt zur Zeit der Kalziumantagonist Nimodipin (risikoarm auch im Falle einer Blutung!). Beginn möglichst früh, bis zu 12 Stunden. Bei intrave- nösen Infusionen sind wegen des Blutdruckabfalls Vorsicht und häufi- ge Kontrollen angezeigt. Die orale

Applikation — wenn möglich — mindert dieses Risiko. Hennerici machte noch auf die bei manifesten oder kleineren Apoplexien (in der nicht dominanten Hirnhälfte?) plötzlich eintretenden Depressionen aufmerksam.

Creutzig/Hannover besprach die Verschlüsse der Becken- und Bein- arterien: 80 Prozent sind kardiogene oder arterio-arterielle Embolien, 20 Prozent primär lokale Thrombosen;

selten sind Spasmen sowie die Phleg- masia coerulea dolens. Als Regel empfahl er oberhalb des Leistenban- des die Embolektomie, unterhalb den Fogarti-Katheter oder die Thrombolyse (zur Zeit meist mit Streptokinase, neuerdings auch mit dem 60 mal so teuren rekombinan- ten TPA = 0,5 mg/h). Erfahrene können damit die gefährdete Extre- mität bis zu 90 Prozent über ein Jahr oder lebenslang erhalten.

Die Komplikationsrate wird im internationalen Schriftum mit 4 bis 25 Prozent angegeben; 2 bis 4 Pro- zent davon können noch chirurgisch versorgt werden; für 0,5 bis 1 Prozent der Kranken ist der Ausgang letal.

Für die Nachbehandlung kommen Cumarine und Acetylsalicylsäure (ASS) in Betracht. Als neueste Ent- wicklungen deutete er an: Lokale Ly- se + perkutane Thrombektomie;

Kombination verschiedener Fibrino- lytika.

Büller/Amsterdam unterschied im Nachweis venöser Thrombosen symptomatische Formen von Scree- ning-Untersuchungen. Er betonte, daß nach größerer Chirurgie oder Schlaganfällen 10 bis 25 Prozent eine asymptomatische Beinvenenthrom- bose entwickeln. Von der klinischen Annahme 1/1000/Jahr konnten aber nur 60 bis 75 Prozent venographisch bestätigt werden. 58 bis 87 Prozent der nachgewiesenen Thrombosen tiefer Beinvenen zeigten auch klini- sche Erscheinungen. Als verläßliche Nachweismethoden nannte er (in ab- steigender Reihenfolge): Die Veno- graphie, den B-Dopplerscan, die Messung des venösen Ausflusses, die Impedanzplethysmographie. Das früher so gelobte radioaktiv markier- te Fibrinogen hat — vor allem aus Kontaminationsgründen — an Be- deutung verloren.

A1-2398 (50) Dt. Ärztebl. 89, Heft 27, 3. Juli 1992

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

UR SIE REFERIERT

Aus dem Referat von Just/Frei- burg (vorgetragen von seinem Ober- arzt Casper) über die Alternative

„Embolektomie oder Fibrinolyse bei Lungenembolie" seien nur die neuen Alternativen hervorgehoben: Perku- tane Embolektomie nach Greenfield oder Thrombusfragmentierung mit angeschlossener Thrombolyse. Mit letzterer erreichte die Freiburger Klinik 1989/1990 eine Letalität um 29 Prozent gegenüber 75 Prozent 1988 oder früher.

Kienast/Münster sprach zunächst über die Alternative ASS oder Cu- marine bei Beinvenenthrombosen.

Während in Europa zur Zeit nur fünf Prozent der Chirurgen ASS zur postoperativen Thromboseprophyla- xe einsetzen, ist ASS gegenüber He- parin/Cumarinen nach einer Meta- analyse aus Oxford wieder in der Diskussion. Besonders für Hüftge- lenksoperationen wurde ASS als Al- ternative in den USA häufig ange- wandt.

Die zweite Frage galt dem billi- geren Standardheparin (SH) gegen- über niedermolekularem Heparin (NMH). Sie haben unterschiedliche Hauptwirkungen im Gerinnungssy- stem: SH vorzugsweise auf Thrombin und auf die Plättchen, NMH stärker auf Faktor X (Stuart-Prower-Faktor).

NMH ist besser bioverfügbar (über 90 Prozent) und hat mit rein renaler Elimination eine 1,5- bis 2fach so lange Halbwertzeit wie S-Heparin.

So kommen für die postoperative Thromboseprophylaxe auch einmali- ge tägliche Gaben eines NMH-Han- delspräparates in Betracht (in der Inneren Medizin zur Zeit noch nicht zugelassen). Weniger Blutungskom- plikationen werden vermutet, sind aber bis heute nicht erwiesen. Ahnli- ches gilt für die Fragen der Osteopo- rose und der Lipolyse nach den ver- schiedenen Heparinarten. Das klas- sische Antidot Protamin inaktiviert SH vollständig, NMH die Faktor-X- Aktivität nur zu 60 bis 70 Prozent.

Prof. Dr. med. Dr. h. c. R. Gross Auf dem Römerberg 40

W-5000 Köln 51

Letalität japanischer Kinder mit Kawasaki-Syndrom

Es war bisher nicht bekannt, ob Kinder mit Kawasaki-Syndrom eine höhere Sterberate aufweisen als eine gesunde Gruppe gleicher Altersver- teilung. Zur Klärung dieser Frage führten die Autoren zwischen 1982 und 1988 an 53 Kliniken eine Multi- center-Studie mit allen Patienten mit kurzfristig gestellter, unzweifelhafter Diagnose durch. Kinder mit Rezidi- ven oder längerer Symptomdauer als 14 Tage vor Krankheitserkennung, wurden ausgeschlossen. Die Krank- heitsverläufe wurden bis Dezember 1989 dokumentiert. Die prospektive wahrscheinliche Zahl von Todesfäl- len wurde aus den japanischen Ster- bestatistiken errechnet und mit den realen Ereignissen verglichen.

4608 Patienten (92 Prozent bis zu fünf Jahre alt) wurden bis Studi- enende erfaßt und untersucht, die verstorbenen definitionsgemäß frü- her: dies waren zehn männliche und drei weibliche Kranke. Die numeri- sche Relation zwischen festgestell- tem und wahrscheinlichem Tod be-

Alter als Prognosefaktor der Sterblichkeit

nach Myokardinfarkt

Neben systolischem Blutdruck- wert, Pulsfrequenz bei Krankenhaus- aufnahme und Auswurffraktion des linken Ventrikels ist das Alter ein wichtiger unabhängiger Faktor, um die Sterblichkeit eines Herzinfarkt- patienten während des Kranken- hausaufenthalts oder im darauf fol- genden Jahr vorauszusagen. Die Gründe dafür werden als vielfältig angesehen: Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus, Niereninsuffi- zienz, kongestives Herzversagen oder frühere Herzinfarkte können die Ursache sein, daß Patienten über 70 Jahre Infarkte häufiger nicht überleben. Auch spielt eine Rolle, daß bei betagten Patienten seltener eine agressive invasive Therapie wie Thrombolyse, Koronarangiographie oder Katheterdilatation eingesetzt

trug 1,71 bei allen Patienten, 2,04 bei Jungen und 1,11 bei Mädchen.

In der Akutphase (erste zwei Monate nach erstem Symptom) ver- schob sich diese Korrelation signifi- kant bei beiden Geschlechtern: 13,33 bei männlichen und 3,85 bei weibli- chen Patienten. In dieser Zeit star- ben sieben Kinder (davon sechs männliche) vorwiegend an Mitral- klappen-Insuffizienz oder an Coro- nariitis mit sekundärem Aneurysma.

Die genannte Relation war in der chronischen Phase kleiner als 1, wo- bei der Unterschied zur gesunden Kontrollgruppe nicht signifikant war.

Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß die Letalität bei Jungen mit KS in Japan gegenüber gesunden Altersgenossen doppelt so hoch ist und die meisten Todesfälle sich in den ersten zwei Monaten nach Dia- gnose ereignen. Hingegen haben weibliche Patienten eine normale Lebenserwartung. sei

Nakamura, Y., M. D. et al.; Mortality among children with Kawasaki disease in Japan. N. Engl. J. Med. (1992) 1246-1249 Dr. Y. Nakamura, Dept. of Public Health, Jichi Medical School Yakushiji 3311-1, Mi- namikawachi — machi, Tochigi-ken, 329-04 Japan

wird. So ist es nach Untersuchungen der geriatrischen kardiologischen Abteilung des Jüdischen Kranken- hauses in St. Louis bei Patienten über 80 Jahren zehnmal weniger wahrscheinlich, daß eine thromboly- tische Therapie begonnen wird als bei Siebzigjährigen. Die Therapie und Sterblichkeit von insgesamt 261 Patienten mit gesichertem Herzin- farkt wurde innerhalb eines Jahres analysiert. Anschließend wurden Daten der überlebenden Patienten zwölf Monate nach ihrer Entlassung untersucht. Die Sterblichkeit von Pa- tienten der jüngeren Altersgruppe lag bei 6,8 Prozent, verglichen mit 19,1 Prozent der Alteren. sis

Rich, M. W.; Bosner, M. S.; Chung, M. K.;

Shen, J.; McKenzie, J. P.: Is Age an Inde- pendent Predictor of Early and Late Mor- tality in Patients with Acute Myocardial In- farction? Am. Journ. of Med. 1 (1992) 7-13 Michael W. Rich, M. D., Geriatrie Cardi- ology, Jewish Hospital of St. Louis, 216 South Kingshighway, St. Louis, Missouri 63110, USA.

Dt. Ärztebl. 89, Heft 27, 3. Juli 1992 (51) A1-2399

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