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Archiv "Diagnostik von Synkopen" (17.02.2006)

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D

ie Synkope (griech.: synkopein,

„zerschlagen“) ist ein vorüberge- hender, selbst endender Bewusst- seinsverlust. Sie tritt plötzlich auf, und die Erholung erfolgt spontan, das heißt, ohne spezifische Maßnahmen, vollständig und rasch. Die Synkope ist das Symptom ei- ner transienten, globalen Minderperfusi- on des Gehirns. Synkopen führen häufig

zu Stürzen (1). Ein Verlust des Muskelto- nus, wie er in den meisten früheren Be- schreibungen erwähnt wird, ist heute nicht mehr Bestandteil der Definition, weil es bei zerebraler Hypoperfusion auch zu Krampfzuständen kommen kann. Das Auftreten von Prodromi, bei- spielsweise Übelkeit, Schweißausbruch und Hitzegefühl, ist möglich. Synkopen sind in der Regel nur von kurzer Dauer (< 20 s). Längere Episoden sollten den Blick auf mögliche andere Ursachen der Bewusstlosigkeit lenken.

Es ist bekannt, dass eine komplette Unterbrechung der zerebralen Perfusi- on innerhalb weniger Sekunden zum Bewusstseinsverlust führt. Darüber hin-

aus zeigen Erfahrungen aus Kipptisch- Untersuchungen, dass auch eine inkom- plette zerebrale Minderperfusion (Ab- fall des systolischen Blutdrucks auf < 60 mm Hg) mit einer Synkope einhergeht.

Da die zerebrale Perfusion abhängig vom systemischen Blutdruck ist, und damit von Größen wie der Auswurflei- stung des Herzens und dem peripheren Gefäßwiderstand, kann jede Verminderung der kardialen Auswurfleistung, beispiels- weise durch Rhythmusstö- rungen, und des peripheren Gefäßwiderstandes, zum Bei- spiel durch reflexvermittelte Vasodilatation, das Auftreten von Synkopen begünstigen.

Ebenso kann eine Erhöhung des zerebralen Gefäßwider- standes, durch Hypokapnie bei Hyperventilation oder an- dere Mechanismen, zur zere- bralen Minderperfusion bei- tragen (2).

Es sind viele Regelkreise, die sowohl mechanischen als auch metabolischen und hu- moralen Einflüssen unterlie- gen, an der Aufrechterhaltung der zerebralen Perfusion beteiligt. Auch wenn nicht alle Regelkreise vollständig verstanden sind, erlaubt die Kenntnis der pathophysiologischen Grundlagen eine Klassifizierung der Synkopen nach ihren Ursachen. Eine solche Einordnung und die Unterscheidung von synkopen-ähnli- chen Zuständen ist aus prognostischen und therapeutischen Gründen sinnvoll.

Klassifikation

Nach den Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie aus dem Jahr 2004 werden Synkopen wie folgt klassifiziert (3):

>reflexvermittelte Synkopen (vaso- vagale Synkopen): Auslösung von Re- flexen, die zu Vasodilatation und Brady- kardie/Asystolie führen

Zusammenfassung

Synkopen sind häufig, gehen nicht selten mit Verletzungen einher, sind für die Betroffenen emotional belastend und können mit einer ungünstigen Prognose verbunden sein. Ihre Ab- klärung ist aufwendig, schwierig und bleibt häufig unbefriedigend. Trotz moderner techno- logischer Untersuchungsverfahren bleibt die Anamnese die Schlüsselmaßnahme zur Synko- pendiagnostik. Bei bis zu 50 Prozent der Patien- ten lässt sich durch gezieltes Befragen die Ursa- che der Synkopen klären oder zumindest sehr wahrscheinlich machen. Da Synkopenpatien- ten, die gleichzeitig herzkrank sind, eine schlechte Prognose aufgrund des Risikos für den plötzlichen Herztod haben, ist eine Ab- klärung der Grunderkrankung zwingend. Hilf- reich vor allem in diesen Fällen kann die Implan- tation eines Loop-Rekorders sein, der es ermög- licht, zum Zeitpunkt einer erneuten Synkope ein EKG zu registrieren und damit in vielen Fäl- len nicht nur eine sichere Diagnose zu stellen, sondern daraus auch die richtigen therapeuti- schen Konsequenzen zu ziehen. Ob unter be- stimmten Konstellationen bereits primär ein Loop-Rekorder implantiert werden sollte und somit auf viele teure und subjektiv belasten- de Untersuchungsprozeduren verzichtet wer- den könnte, sollte in künftigen Studien geklärt werden.

Schlüsselwörter: Synkope, Kardiodiagnostik, Klassifikation, Prognose, plötzlicher Herztod

Summary

Diagnosis of syncopes

Syncope is common. It may result in injury, can have a major impact on quality of life and is of- ten associated with a poor prognosis. The eval- uation of syncope is complex and often per- formed badly, drawing on flawed methods and incorrect assumptions. The most important diag- nostic tool is a detailed and meticulous history.

The history alone is diagnostic in up to 50 per cent of patients. The greatest concern should surround those patients with underlying heart disease who are at increased risk of sudden car- diac death. The use of an implantable loop-re- corder may be diagnostic where comprehensive conventional work-up has been unhelpful. Evi- dence is currently lacking to justify early im- plantation of a Loop-Recorder as part of the in- itial phase of work-up.

Key words: syncope, kardial diagnosis, classifi- cation, prognosis, sudden cardiac death

Klinik für Innere Medizin – Kardiologie und konservative Intensivmedizin (Direktor: Prof. Dr. med. Dietrich Andre- sen),Vivantes Klinikum Am Urban/Im Friedrichshain, Berlin

Diagnostik

von Synkopen

Christoph Ehlers Dietrich Andresen

´ Tabelle 1 11

Diagnostik von Synkopen

Untersuchung Diagnostischer

Nutzen (Prozent) Anamnese, Untersuchung, EKG 40–50

Kipptisch-Untersuchung 10–60

Langzeit-EKG 5–20

Elektrophysiologische Untersuchung 5–70

Externer Loop-Rekorder 5–40

Echokardiographie < 5

Belastungstest < 1

Diagnostischer Nutzen einzelner Untersuchungsverfahren. Demnach trägt zum Beispiel ein Belastungs-EKG in weniger als 1 Prozent zur Klärung einer Synkope bei. Dagegen kann aufgrund einer ausführlichen und gezielten Anamnese bei bis zu 50 Prozent der Patienten die Diagnose „gesichert“ be- ziehungsweise wahrscheinlich gemacht werden.

(2)

>orthostatisch bedingte Synkopen (Hypotension): Unvermögen des auto- nomen Nervensystems, eine orthostati- sche Hypotension durch Vasokonstrik- tion auszugleichen

> Synkopen durch Herzrhythmus- störungen: Bradykardien oder Tachy- kardien, die zu einer Verminderung der kardialen Auswurfleistung führen

>Synkopen durch strukturelle Herz- /Lungen-Erkrankungen: Unvermögen des Herzens, seine Auswurfleistung den zirkulatorischen Erfordernissen ent- sprechend zu steigern (beispielsweise Aortenstenose, Lungenembolie)

>selten treten Synkopen durch zere- brovaskuläre Störungen, so genannte Steal-Syndrome, auf.

Es ist wichtig, Synkopen von anderen krankhaften Zuständen mit tatsächlich oder scheinbar beeinträchtigter Be- wusstseinslage abzugrenzen. Hier sind vor allem metabolische Störungen (wie Hypoxie, Hyperventilation/Hypokap- nie, Hypoglykämie), Epilepsie und In- toxikationen zu nennen. Weiterhin sind

auch scheinbare Bewusstseinsstörun- gen im Rahmen von Somatisierungs- störungen, Kataplexien oder Sturzan- fällen („drop attacks“) (4) keine Synko- pen.

Klinische Bedeutung

Synkopen sind häufig. Etwa 40 Pro- zent aller Menschen erleiden in ihrem Leben mindestens eine Synkope (5).

Die Prävalenz variiert jedoch stark in Abhängigkeit von der betrachteten Bevölkerungsgruppe und beträgt 15 Prozent bei Kindern und Jugendlichen im Alter unter 18 Jahren und 23 Pro- zent bei älteren Menschen (älter als 70 Jahre) in einem Zeitraum von zehn Jahren. Synkopen sind oft mit Verlet- zungen assoziiert. In einer US-ame- rikanischen Untersuchung gaben 20 Prozent der Synkopenpatienten Ver- letzungen an. In sechs Prozent der Fäl- le kam es zu Frakturen und in drei Prozent zu Verkehrsunfällen (6).

Außerdem sind Synkopen psychisch belastend: Etwa drei Viertel der Patien- ten ändern ihre Lebensgewohnheiten aus Angst vor erneuten Stürzen. In ei- ner anderen Untersuchung hatten 40 Prozent sogar ihren Beruf gewechselt (7).

In den USA werden die jährlichen Krankenhauskosten zur Betreuung von Synkopen-Patienten mit 750 Mil- lionen US-Dollar angegeben (8). Bis zu 20 Prozent der koronarkranken Pa- tienten sterben im Verlauf eines Jahres nach einer Synkope am plötzlichen Herztod (9). Dies unterstreicht die prognostische Relevanz der Erkran- kung. Vor allem die Einschränkung der Lebensqualität und die unsichere Prognose sind Anlass dafür, dass Pati- enten mit Synkopen konsequent abge- klärt werden müssen.

Diagnostisches Vorgehen

Zahlreiche Untersuchungen stehen heu- te zur Verfügung, um die Ursache der Synkopen herauszufinden. Dabei er- geben sich zwei grundsätzliche Proble- me:

>Es herrscht Unklarheit darüber, welche Untersuchungen in welcher Reihenfolge durchgeführt werden sol- len.

>Es besteht große Unsicherheit dar- über, wie zuverlässig die in den Unter- suchungen gefundenen pathologischen Befunde auch die eigentliche Ursache der Synkopen beschreiben.

Diagnostisches Vorgehen bei Patienten mit unklaren Synkopen (in Anlehnung an einen Vor- schlag der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie 2004)

Grafik 1

Fragen zur Anamnese bei Patienten mit unklaren Synkopen

>Begleitumstände – Körperposition – Aktivität, Tätigkeit

– Umgebungssituation, besondere Ereignisse

>Beginn/Verlauf/Ende der Synkope – Prodromie

– Dauer – Reorientierung

>Vorgeschichte

– ausführliche Synkopenanamnese – strukturelle Herzerkrankung – plötzliche Todesfälle in der Familie – Medikation

Kasten

(3)

Reihenfolge der Untersuchungen

Der Beitrag der einzelnen Untersuchun- gen zur Diagnosefindung ist sehr unter- schiedlich und im Einzelnen wissen- schaftlich nicht ausreichend geklärt (Ta- belle 1). Er ist nicht nur abhängig von der Häufigkeit der Ereignisse, sondern auch von der Reihenfolge der Tests, der Defi- nition eines pathologischen Befundes und der Sorgfalt des Arztes. Und schließ- lich: Um nichts zu übersehen, wird häufig mit großem Aufwand diagnostiziert. Ei- ne solche Vorgehensweise ist nicht nur teuer, sondern birgt auch die Gefahr, dass zufällig aufgedeckte „nicht norma- le“ Befunde zur Ursache der Synkope erklärt werden. Andererseits suggerie- ren Normalbefunde, dass die Synkope

eine andere Ursache haben muss. In Grafik 1 wird vorgeschlagen, wie man im Rahmen der Synkopendiagnostik vorge- hen könnte, um diese zu standardisieren und den Ablauf zu vereinfachen. Das Flussdiagramm leitet sich wesentlich von den 2004 ausgesprochenen Empfehlun- gen der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft ab.

Wichtigste primäre Untersuchungs- maßnahme ist die Anamnese. Studien aus den frühen 1990er-Jahren haben ge- zeigt, dass bei bis zu 50 Prozent der Pa- tienten die Diagnose allein aufgrund der Anamnese gestellt werden kann (10).

Dies setzt allerdings eine langjährige Er- fahrung im Umgang mit Synkopenpati- enten voraus. Die Anamnese konzen- triert sich dabei auf Detailfragen vor al-

lem zum zeitlichen Ablauf sowie den Be- gleitumständen der Bewusstlosigkeit (Kasten). Wichtig sind auch Fragen zu möglichen Grunderkrankungen sowie eine genaue Medikamentenanamnese.

Nur ein geduldiges, hartnäckiges und ausführliches Befragen des Patienten und seiner Angehörigen ist bei der Syn- kopendiagnostik zielführend.

Auch die körperliche Untersuchung zusammen mit der Blutdruckmessung im Liegen und im Stehen sowie ein Ruhe- EKG gehören zur Primärdiagnostik und helfen, die vielfältigen Synkopenursa- chen einzugrenzen.

Aufgrund dieser einfachen Untersu- chungen kann bei einem Teil der Patien- ten bereits eine „gesicherte“ Diagnose gestellt werden, die ohne weitere Zu- satzuntersuchungen in eine Behandlung münden kann (Tabelle 2). In vielen ande- ren Fällen lässt sich die Diagnose zwar nicht sichern, es ergibt sich aber zumin- dest eine vermutete Diagnose, die zu ge- zielten Zusatzuntersuchungen Anlass ge- ben sollte (Tabelle 3). Die Auswahl dieser Tests orientiert sich ausschließlich an die- ser Verdachtsdiagnose. Es kann also sinn- voll sein, bei einem Patienten mit Ver- dacht auf eine neurokardiogene Synkope eine Kipptisch-Untersuchung durchzu- führen. Sinnlos wäre in diesem Fall dage- gen beispielsweise ein Computertomo- gramm des Kopfes zu erstellen.

Tabelle 4 gibt eine Auswahl gezielter Tests, die bei einer vermuteten Diagnose angewendet werden. Bleibt die Synkope trotz spezifischer Tests ungeklärt und liegt keine strukturelle Herzerkrankung vor, so kann, sofern die Synkopen selten sind, auf eine weitergehende Diagnostik zunächst verzichtet werden. Bei häufigen und klinisch schwer verlaufenden Synko- pen kann allerdings eine erneute Evalua- tion unter Einbeziehung auch invasiver Testverfahren notwendig sein.

Erkennung der Ursache

Die beschriebene Vorgehensweise zur Synkopenabklärung ist für den prakti- schen Alltag hilfreich. Sie soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass man den Mechanismus der Synkope beim Einzelnen trotz erhobener pathologi- scher Befunde nur vermuten kann. Ex- trem selten gelingt es, zeitgleich während einer Synkope beispielsweise ein EKG

´ Tabelle 2 2

Anamnestische Daten/Befunde, die die Diagnose ausreichend sichern und gegebenenfalls eine gezielte Therapie zulassen

Anamnese/Befunde gesicherte Diagnose

Wenn der Synkope Angst, Schmerz oder andere emotionale Stress- vasovagale Synkope situationen, aber auch langes Stehen mit prämonitorischen Symptomen

wie „weiche Knie“ oder „flaues Gefühl im Bauch“ vorausgehen.

Wenn die Synkope unmittelbar nach dem Aufstehen auftritt, und es bei orthostatische Synkope der Blutdruckmessung im Stehen zu einem Abfall des systolischen Blut-

drucks von > 20 mm Hg beziehungsweise auf < 90 mm Hg kommt.

Wenn das EKG folgende pathologische Befunde aufweist rhythmogene Synkope (ohne negative inotrope Medikamente wie zum Beispiel Betablocker): (Adams-Stokes-Anfall) – Sinusbradykardie < 40/min

– Sinusknotenstillstand > 3 s – AV-Block Grad II/III (Typ Mobitz)

– wechselnder Links- und Rechtsschenkelblock

´ Tabelle 3 3

Anamnestische Daten/Befunde, die die Diagnose wahrscheinlich machen und daher An- lass für gezielte Zusatzuntersuchungen geben

Anamnese/Befunde vermutete Diagnose

Ausschluss einer kardialen Erkrankung vasovagale Synkope

sehr lange Synkopenanamnese Synkope nach Belastung

unmittelbar nach dem Aufstehen orthostatische Synkope

nach Beginn einer antihypertensiven Therapie (zum Beispiel Diuretika, Betablocker, ACE-Hemmer)

Vorhandensein einer strukturellen Herzkrankheit rhythmogene Synkope Synkope im Sitzen/Liegen oder während einer Belastung (Adams-Stokes-Anfall) unmittelbar vorausgehendes Herzrasen

unmittelbar vorausgehende Angina pectoris plötzliche Todesfälle in der Familie Folgende Befunde im EKG:

– bifaszikulärer Block – AV-Block Grade I – Sinusbradykardie < 50/min

– Rechtsschenkelblock mit ST-Elevation (Brugada-Syndrom) – verlängerte QT-Zeit

(4)

zu schreiben und dabei eine Asystolie oder schnelle Kam- mertachykardie zu dokumen- tieren. Deshalb müssen Analo- gieschlüsse gezogen werden.

Zum Beispiel wird im Lang- zeit-EKG eines Synkopenpa- tienten eine Pause von 3 s fest- gestellt, die asymptomatisch verlief. Hieraus ist die Indikati- on für eine Schrittmacherim- plantation ableitbar. Gleiches geschieht im Umkehrschluss:

Ein normales Langzeit-EKG suggeriert, dass eine rhythmo-

gene Ursache der Synkope ausgeschlos- sen ist. Diese Fehlinterpretationen, die damit zusammenhängen, dass zum Zeit- punkt der Synkope keine Diagnostik be- trieben werden kann, beschreiben das Dilemma der Synkopendiagnostik.

Für die Diagnostik kardialer rhythmo- gener Synkopen (Adam-Stokes-Anfälle) scheint sich eine Lösung in Form des im- plantierbaren Loop-Rekorders (ILR) anzubieten. Es handelt sich dabei um ein kleines Gerät, in das ein EKG-Daten- speicher integriert ist. Das Gerät wird links thorakal über einen 3 cm langen Hautschnitt subkutan implantiert und zeichnet das EKG kontinuierlich auf. Die Batteriekapazität beträgt circa 14 Mona- te. Kommt es zu einer Synkope, kann der Patient über einen externen Programmer die gesamte EKG-Episode vor, während und nach dem Ereignis speichern. In der Klinik kann das Ereignis dann teleme- trisch gelesen und analysiert werden.

Grafik 2 zeigt die Aufzeichnung eines Loop-Rekorders bei einer 64-jähri- gen Frau, die laut Eigenauskunft inner-

halb von zwei Jahren 25 Synkopen er- litten hatte. Zahlreiche Ruhe-EKGs, 9 Langzeit-EKGs über 24 bis 48 Stunden, Herzkatheteruntersuchung, elektrophy- siologische Untersuchung, Kipptisch- Untersuchung, Computertomogramm des Schädels, Magnetresonanztomogra- phie des Kopfes, neurologische Untersu- chung einschließlich EEG sowie HNO- ärztliche Untersuchung waren unauf- fällig. Aufgrund der Aufzeichnung des Loop-Rekorders wurde der Patientin ein AAI-Schrittmacher implantiert. Seit 14 Monaten ist sie symptomfrei.

Ob unter bestimmten Konstellationen auf viele teure und subjektiv belasten- de Untersuchungsprozeduren verzichtet werden könnte und bei Verdacht auf rhythmogene Synkopen primär ein Loop- Rekorder implantiert werden sollte, ist noch nicht geklärt. Es sprechen erste Da- ten für eine solche Vorgehensweise: In ei- ner randomisierten Studie von Krahn et al.(11) wurden 60 Patienten mit unklaren Synkopen entweder konventionell gete- stet (Langzeit-EKG, externer Loop-Re-

korder, Kipptisch-Untersuchung, elek- trophysiologische Untersuchung) oder primär mit einem implantierbaren Loop- Rekorder versorgt. In der Loop-Re- korder-Gruppe konnte bei 14 von 27 Pa- tienten (52 Prozent) nach abgeschlosse- ner Nachbeobachtung eine Diagnose ge- stellt werden. Von diesen wurden zehn Patienten wegen nachgewiesener Brady- kardien mit einem Herzschrittmacher versorgt, ein Patient litt an schnellen su- praventrikulären Tachykardien und wur- de antiarrhythmisch behandelt, bei drei Patienten wurden neurokardiogene Syn- kopen diagnostiziert und mit Empfeh- lungen zu Flüssigkeits- und Salzzufuhr behandelt. In der Gruppe mit konventio- neller Abklärung konnte die mutmaßli- che Ursache der Synkopen dagegen nur bei 6 von 30 Patienten (20 Prozent) auf- geklärt werden. Von ihnen wurden drei Patienten wegen bradykarder Rhyth- musstörungen mit einem Herzschrittma- cher versorgt, ein Patient mit induzierba- rer Kammertachykardie erhielt einen implantierbaren Defibrillator, bei zwei Patienten wurden neurokardiogene Syn- kopen festgestellt. Auch nach partiellem Crossover der Patienten mit weiterhin unklaren Synkopen blieb der Vorteil des Loop-Rekorders erhalten.

Die Autoren haben vor zwei Jahren eine randomisierte Studie begonnen, in der ausschließlich Patienten mit vermu- teter rhythmogener Synkopenursache, entweder komplett nichtinvasiv und in- vasiv (einschließlich elektrophysiologi- scher Untersuchung) abgeklärt werden oder ihnen lediglich ein Loop-Re- korder implantiert wird. Von dem Er- gebnis der Studie erwarten die Autoren nicht nur eine Vereinfachung, sondern auch eine qualitative Verbesserung des diagnostischen Vorgehens bei Patien- ten mit Synkopen. Beides dürfte auch einen günstigen Effekt auf die Kosten haben.

Schlussfolgerung

Synkopen sind häufig, ihre Abklärung ist schwierig. Leitlinien sollen helfen, den diagnostischen Aufwand gering zu halten. Der Stellenwert der Anamnese ist herausragend. Besonders Patienten mit zugrunde liegender Herzerkran- kung haben eine schlechte Prognose in-

´ Tabelle 44

Auswahl „gezielter Tests“, die bei vermuteter Diagnose angewendet werden

Tests vermutete Diagnose

Kipptisch-Untersuchung vasovagale Synkope

Schellong-Test orthostatische Synkope

Echokardiographie rhythmogene Synkope

Belastungstest (Adams-Stokes-Anfall)

Langzeit-EKG externer Loop-Rekorder elektrophysiologische Untersuchung

implantierbarer Loop-Rekorder

Aufzeichnung eines Loop-Rekorders bei einer 64-jährigen Patientin zum Zeitpunkt der Synkope Grafik 2

(5)

folge des Risikos für einen plötzlichen Herztod. Bei ihnen ist daher eine gründ- liche Abklärung erforderlich. Denn für diese Patienten gilt, dass der einzige Un- terschied zwischen einer Synkope und dem plötzlichen Herztod darin besteht, dass man nur im ersten Fall wieder auf- wacht.

Die im Artikel erwähnte Studie der Autoren wird mit finan- zieller Unterstützung der Firma Medtronic Inc. durchge- führt, die implantierbare Loop-Rekorder herstellt.

Manuskript eingereicht: 11. 10. 2004, revidierte Fassung angenommen: 22. 8. 2005

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2006; 103(7): A 412–6 Literatur

1. Lempert T, Bauer M, Schmidt D: Syncope: a videometric analysis of 56 episodes of transient cerebral hypoxia.

Ann Neurol 1994; 36: 233–7.

2. Hainsworth R: Syncope and fainting: classification and pathophysiological basis. In: Mathias CJ, Bannister R, Hrsg.: Autonomic failure. A textbook of clinical dis- orders of the autonomic nervous system, 4thedition Oxford: Oxford University Press 1999: 428–36.

3. Guidelines on Management (Diagnosis and Treatment) of syncope – Update 2004. Executive Summary. Eur Heart J 2004; 25: 2054–72.

4. Hoefnagels WAJ, Padberg GW, Overweg J et al.: Tran- sient loss of consciousness: the value of the history for distinguishing seizure from syncope. J Neurol 1991;

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5. Savage DD, Corwin L, McGee DL et al.: Epidemiologic features of isolated syncope: The Framingham Study.

Stroke 1985; 16: 626–9.

6. Kapoor W, Peterson J, Wieand HS, Karpf M: Diagnostic and prognostic implications of recurrences in patients with syncope. Am J Med 1987; 83: 700–8.

7. Rose MS, Koshman ML, Spreng S, Sheldon R: The rela- tionship between health related quality of life and frequency of spells in patients with syncope. J Clin Epidemiol 2000; 35: 1209–16.

8. Nyman J, Krahn A, Bland P, Criths S, Manda V: The costs of recurrent syncope of unknown origin in elderly patients. PACE 1999; 22: 1386–94.

9. Kapoor W: Evaluation and outcome of patients with syn- cope. Medicine 1990; 69: 169–75.

10. Kapoor W, Karpf M, Wieand S, Peterson J, Levey G: A prospective evaluation and follow-up of patients with syncope. N Engl J Med 1983; 309: 197–204.

11. Krahn A, Klein GJ, Yee R et al.: Randomized assessment of syncope trial. Conventional diagnostic testing versus a prolonged monitoring strategy. Circulation 2001; 104:

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12. Krahn AD, Klein GJ, Yee R et al.: Cost implications of testing strategy in patients with syncope. J Am Coll Car- diol 2003; 42: 495–501.

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Christoph Ehlers Klinik für Innere Medizin – Kardiologie/Intensivmedizin Klinikum Am Urban/Im Friedrichshain Dieffenbachstraße 1

10967 Berlin

AUSGEWÄHLT UND KOMMENTIERT VON H. SCHOTT AUSGEWÄHLT UND KOMMENTIERT VON H. SCHOTT

MEDIZINGESCHICHTE(N))

Standespolitik Kassenärzte in Not

Zitat:„Unsere ärztliche Tagesnot ist eine nackte Geldnot. Diese nackte Geldnot besteht auch da, wo der Arzt, insbesondere der Kassenarzt in seiner Beschäftigung ausgelastet, vielleicht sogar überlastet ist. Zwischen ärztlicher Arbeit und ärztlicher Entlohnung ist ein grausames Mißverhältnis entstanden. Der Behandlungsbedarf der Versicherten stieg an, verdoppelte sich; die kassenärztliche Arbeit vermehrte sich entsprechend, die kassenärztliche Entlohnung blieb prinzipiell fixiert seit nun- mehr 20 Jahren. Was an Honorarerhöhungen zugestanden wurde, ist durch die Minderung des Geldwertes mehr als aufgefangen. Mehr Arbeit für weniger Geld- wert, das ist die Situation des Kassenarztes und damit die Situation der überwie- genden Zahl der Ärzte. Genauso geht es den jüngeren Ärzten und den Jungärzten in den Krankenhäusern. Geldnot ist die ärztliche Tagesnot. [...]

Mit der ganzen Ärzteschaft steht das Präsidium des Deutschen Ärztetages vor zwei wichtigen Problemen: Die Ärzte sollen nicht nur Kranke behandeln, sie sollen auch Hüter der Volksgesundheit sein – sicher nicht allein, aber gewiß allein sach- verständig und deswegen an erster Stelle, sie haben damit eine öffentliche Aufgabe und eine Verantwortung für die Gesamtheit. [...]

Wir beobachten, daß die Frage der Gesundheitsfürsorge und Gesundheitsvor- sorge – ursprünglich aus ärztlichen Gedanken concipiert – usurpiert worden ist.Wir glauben uns zu der Befürchtung berechtigt, daß nichtärztliche Kreise an die Ge- staltung des Gebietes herangehen, um allenfalls Ärzte als Erfüllungsgehilfen wir- ken zu lassen. Wir halten es für eine dringliche und wichtige Aufgabe, dieser Ent- wicklung rechtzeitig und öffentlich zu begegnen. Man wird mit der ärztlichen Ta- gesnot fertig werden können, wenn man sorgt, daß zukünftige Fehlentwicklung nicht neue Nöte bringt.“

„Ärztetag und ärztliche Tagesnot“, Ausschnitte eines Beitrag in den „Ärztlichen Mitteilungen“ – damaliger Titel des

„Deutschen Ärzteblattes“ – vom 15. September 1951, die seinerzeit gemeinsam von der Arbeitsgemeinschaft der West- deutschen Ärztekammern und der Arbeitsgemeinschaft der Landesstellen der Kassenärztlichen Vereinigungen heraus- gegeben wurden. – Die ökonomische Situation der Ärzte im damaligen Nachkriegsdeutschland war, unter anderem auch wegen der Zulassungsbeschränkungen für Kassenärzte, miserabel. Die ärztlichen Standesorganisationen wie Hart- mannbund, Marburger Bund, Ärztekammern und Kassenärztliche Vereinigungen – Vorläuferorganisationen der Bundes- ärztekammer beziehungsweise der Kassenärztlichen Bundesvereinigung – kämpften für eine Verbesserung der Lage ih- rer Mitglieder.

Innere Medizin Ludolf Krehl

Zitat:„Er [Krehl] hatte starke Bedenken gegen die zunehmende Spezialisierung der inneren Medizin. Er wandte seinen ganzen Einfluß auf, um die Gründung von ordentlichen Lehrstühlen der Neurologie und anderer Spezialitäten zu verhindern.

Es gab damals in Heidelberg sogar noch kein Ordinariat für Dermatologie, und ich glaube auch noch keins für Pädiatrie [...]. Aber andererseits zog Krehl mehr und häufiger Spezialisten zu als wie ich das vorher gesehen hatte. Ich sah hier zum er- stenmal eine organisierte, kooperative Arbeit der Spezialisten.Auch verwandt [sic]

Krehl seine Assistenten in den verschiedenen Krankheitsgruppen, den einen mehr beim Herzen, den anderen mehr am Fieber oder bei den Lungen und so fort.Auch erkannte er gern die Überlegenheit eines Jüngeren auf so einem Fach an und er- klärte sich sehr oft für einzelne Fragen unzuständig oder andere für überlegen.“

Richard Koch: Zeit vor Eurer Zeit. Autobiographische Aufzeichnungen. Herausgegeben von Frank Töper und Urban Wie- sing. Stuttgart – Bad Cannstatt: frommann-holzboog 2004; Seite 349. – Der Arzt und Medizinhistoriker Richard Koch (1882–1949) berichtet in seiner unvollendeten Autobiografie, die er als (jüdischer) Emigrant in der Sowjetunion zwi- schen 1943 und 1948 verfasste, von seiner Zeit als Volontärassistent an der Heidelberger Medizinischen Klinik 1910/11 unter Krehl (1861–1937). Dieser prägte mit seiner Hinwendung zum Kranken als Individuum die medizinischen Anthro- pologie seines Mitarbeiters Viktor von Weizsäcker (1886–1957).

Referenzen

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