• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Serie: Neue Methoden in der kardialen Funktionsdiagnostik Kipptisch-Test zur Diagnostik vasovagaler Synkopen – Einige Unklarheiten" (03.12.1999)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Serie: Neue Methoden in der kardialen Funktionsdiagnostik Kipptisch-Test zur Diagnostik vasovagaler Synkopen – Einige Unklarheiten" (03.12.1999)"

Copied!
5
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Daten sollte gelten, daß in der Medi- zin nicht mit zweierlei Maß gemessen werden sollte. Die Beweislast bezüg- lich der Unbedenklichkeit liegt bei denjenigen, die für eine bestimmte Therapieform eintreten und davon profitieren. Ärzte, Pharmazeuten und andere Heilberufe tragen die Verant- wortung, die Bevölkerung über die potentiellen Gefahren von Phyto- pharmaka in sachlicher Form aufzu- klären (15). Es geht hier nicht um

emotionale Befürwortung oder Geg- nerschaft sondern um das Wohl unse- rer Patienten.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1999; 96: A-3107–3109 [Heft 48]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über die Internetseiten (unter http://www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift des Verfassers Prof. Edzard Ernst MD PhD FRCP Edin.

Department of Complementary Medicine

School of Postgraduate Medicine

and Health Sciences University of Exeter 25 Victoria Park Road Exeter EX2 4 NT Großbritannien

Den Autoren ist zu danken für ih- re informative und gut gegliederte Übersicht zum Einsatz des Kipptisches in der Diagnostik von Synkopen. Beim unbefangenen Leser verbleiben jedoch einige verwirrende Unklarheiten; und einige wenige Ergänzungen seien ge- stattet:

Landau und Nelson (2) kommen in ihrer – zugegebenermaßen polemi- schen, dennoch aber sehr lesenswerten – Übersicht zu dem folgenden Ergeb- nis: “. . . the tilt table routine deserves to be abandoned because the rationale is naive, there was no critical gold standard for patient selection in the first place, and there have been no controlled treatment and outcome re- ports.” Man muß ja nicht derselben Ansicht sein, aber man muß sich mit den von Landau und Nelson angeführ- ten Argumenten auseinandersetzen.

Die Autoren formulieren: „In je- dem einzelnen Falle muß jedoch unter Heranziehung aller Detailbefunde und insbesondere auch der Anamnese ent- schieden werden, ob der Test als nega- tiv, grenzwertig oder positiv anzusehen ist.“ Diese Aussage ist in ihrer metho- dologischen Fragwürdigkeit ver- störend. Es öffnet dem Voluntarismus

Tür und Tor, wenn man ein Testergeb- nis nicht nach vorher festgelegten Kri- terien, sondern je nach nicht kontrol- lierbaren Randbedingungen als positiv oder negativ bezeichnet. Allenfalls ist es möglich, die Bedeutung eines positi- ven oder negativen Testergebnisses im klinischen Kontext zu diskutieren; an der Qualifizierung des Ergebnisses selbst, als positiv oder negativ, darf die Einbeziehung klinischer Gesichts- punkte nichts ändern. Die Reprodukti-

on von Symptomen unter experimen- tellen Bedingungen sagt im Einzelfall wenig über die tatsächliche Pathogene- se, solange nicht psychogene und un- spezifische Faktoren wirksam kontrol- liert werden („psychogene Synkope“

wird expressis verbis als Indikation auf- geführt). Überhaupt ist die Liste der In- dikationen zum Kipptisch-Test diskus- sionswürdig:

c Gibt es einen allgemein akzep- tierten Unterschied zwischen einer

idiopathischen und einer neurokardio- genen (vasovagalen) Synkope?

c Motorische Entäußerungen sind bei experimentell induzierten Syn- kopen nicht die Ausnahme, sondern die Regel (3). Andererseits: wenn auf dem Kipptisch keine Synkope eintritt, so kann daraus nicht per exclusionem geschlossen werden, daß es sich bei dem berichteten Ereignis um einen epi- leptischen Anfall gehandelt hat (die Diagnose einer Epilepsie ist an positive Kriterien gebunden). Weder das Auf- treten noch das Fehlen von unwillkürli- chen Extremitätenbewegungen auf dem Kipptisch sagt also etwas Verbind- liches aus über ein eventuell vorliegen- des zerebrales Anfallsleiden.

c Bedarf es tatsächlich des Kippti- sches als Therapiekontrolle, oder ist die erzielte (oder nicht erzielte) Symptom- freiheit nicht ein völlig ausreichender Parameter?

c Warum ist ein chronisches Mü- digkeitssyndrom eine Indikation zur Synkopendiagnostik?

Die Therapie der arteriellen Hy- potonie mit Dihydroergotamin ist kei- ne neue Erfindung. Sie war zum Bei- spiel in der DDR empfohlen (1) und gebräuchlich, nach meiner Erinnerung allerdings mit nur mäßigem Erfolg.

Die Autoren führen als Beleg für die Überlegenheit einer „Kipptisch-ge-

Serie: Neue Methoden in der kardialen Funktionsdiagnostik

Kipptisch-Test zur

Diagnostik vasovagaler Synkopen

Einige Unklarheiten

Zu dem Beitrag von Dr. med. Martin H. Hust Karl F. Heck

Dr. med. Matthias W. Keim in Heft 22/1999

(2)

steuerten“ Synkopentherapie eine Ar- beit von Natale et al. (4) an. Im Ab- stract dieser Studie heißt es: “After the diagnostic head-up tilt, patients were assigned to different therapeutic ap- proaches according to their preference or logistic impediments.” Von einer Zu- fallszuweisung der Patienten zu den Behandlungsgruppen oder gar von ei- ner Verblindung kann also keine Rede sein. Der Vorteil einer Kipptisch-gelei- teten Therapie ist demnach bisher nicht gesichert.

Literatur

1. Förster W et al. (Hg.): Allgemeinmedizini- sche Arzneimitteltherapie. Leipzig 1984; 218.

2. Landau WM, Nelson DA: Clinical Neuro- mythology XV. Feinting science: Neuro- cardiogenic syncope and collateral vasova- gal confusion. Neurology 1996; 46: 609–

618.

3. Lempert T, Bauer M, Schmidt D: Syncope: a videometric analysis of 56 episodes of transi- ent cerebral hypoxia. Ann Neurol 1994; 36:

233–237.

4. Natale A, Sra J, Dhala A, Wase A et al.:

Efficacy of different treatment strategies for neurocardiogenic syncope. Pacing Clin Electrophysiol 1995; 18: 655–662.

Dr. med. Matthias Mindach Klinikum Frankfurt/Oder Klinik für Neurologie Postfach 251, 259 15202 Frankfurt/Oder

In der ansonsten sehr gelungenen Übersicht zur diagnostischen Wertig- keit des Kipptisch-Tests wird der Ein- druck erweckt, daß alle Patienten mit neurokardiogenen Synkopen zusätz- lich zu einer guten Beratung über Pro- gnose, die Notwendigkeit einer ausrei- chenden Kochsalzzufuhr und das rich- tige Verhalten bei präsynkopalen Miß- empfindungen eine medikamentöse Therapie benötigen: „. . . so daß ge- gebenenfalls nach seriellem Kipptisch- Test unter Therapie nahezu jeder Patient medikamentös eingestellt wer- den kann, . . .“. Hierbei wurde in der Tabelle mit den medikamentösen Therapieoptionen vergessen, neben b- Blockern, Theophyllin, Fludrocortiso- nacetat und Disopyramid die a-Ago- nisten zu erwähnen. Tatsächlich ist die Tauglichkeit der seriellen Kipptisch-

Testung zur Therapiekontrolle bislang nie in prospektiven Studien mit ausrei- chenden Patientenzahlen nachgewie- sen worden (2, 3). Bei der von den Au- toren zitierten Studie von Natale und Mitarbeitern (4) zum Nutzen der seri- ellen Kipptisch-Testung handelt es sich um eine ausschließlich retrospek- tive Verlaufsbeobachtung, deren sehr gutes Langzeitergebnis für die Patien- tengruppe mit serieller Kipptisch-Te- stung bislang nie reproduziert werden konnte.

Darüber hinaus ist derzeit die Fra- ge ungeklärt, welche Patienten mit neu- rokardiogenen Synkopen überhaupt medikamentös behandelt werden müs- sen. In einer prospektiven Studie konn- ten wir zeigen, daß unabhängig vom Kipptisch-Resultat 90 Prozent der Pati- enten mit einer einzigen neurokardio- genen Synkope und immerhin zirka die Hälfte der Patienten mit mehr als einer neurokardiogenen Synkope auch ohne Medikamente über zwei Jahre rezidiv- frei bleiben (1). Unsere Studie bestätigt die Beobachtung von Sheldon und Mit- arbeitern (5), daß bei den meisten Pati- enten mit wenigen neurokardiogenen Synkopen eine medikamentöse The- rapie nach Diagnosesicherung durch die Kipptisch-Untersuchung überflüs- sig erscheint.

Abschließend noch einige Bemer- kungen zu Asystolien bei Kipptisch- Tests. Nach meiner Erfahrung werden die meisten prolongierten Asystolien beim Kipptisch-Test verursacht durch ein zu spätes oder zu langsames Zurückbringen des Kipptisches in die Horizontale. Seit wir an unserer Klinik einen motorgetriebenen Kipptisch ver- wenden, der die Patienten nach Sym- ptombeginn in weniger als zehn Sekun- den wieder in die Horizontale zurück- bringt, haben wir längere Asystolien nur noch sehr selten und Krampfanfäl- le überhaupt nicht mehr beobachtet.

Die Wirksamkeit der von den Autoren propagierten präkordialen Faustschlä- ge zur Terminierung Orthostase-indu- zierter Asystolien wurde bislang nie be- legt. Bei unseren Patienten wurden präkordiale Faustschläge bei Kipp- tisch-Tests nie benötigt. Solange der Patient noch bei Bewußtsein ist, ist es viel schonender, ihn bei Beginn einer Asystolie zum Husten aufzufordern und gleichzeitig möglichst schnell in die Horizontale zurückzubringen, anstatt

ihn bereits nach 4,5 Sekunden, wie in Abbildung 2 der Arbeit dargestellt, mit präkordialen Faustschlägen zu behan- deln.

Literatur

1. Grimm W, Degenhardt M, Hoffmann J et al.:

Syncope recurrence can better be predicted by history than by head-up tilt testing in pa- tients with suspected neurally mediated syn- cope. Eur Heart J 1997; 18: 1465–1469.

2. Morillo CA, Klein GJ, Gersh BJ: Can serial tilt testing be used to evaluate therapy in neu- rally mediated syncope. Am J Cardiol 1996;

77: 521–523.

3. Moya A, Permanyer-Miralda G, Sagrista- Sauleda J et al.: Limitations of head-up tilt test for evaluating the efficacy of therapeutic interventions in patients with vasovagal syn- cope: results of a controlled study of etilefrine versus placebo. J Am Coll Cardiol 1995; 25:

65–69.

4. Natale A, Sra J, Dhala A et al.: Efficacy of dif- ferent treatment strategies for neurocardio- genic syncope. PACE 1995; 18: 655–662.

5. Sheldon R, Rose S, Flanagan P, Koshman ML, Killam S: Risk factors for syncope recur- rence after a positive tilt-table test in patients with syncope. Circulation 1996; 93: 973–981.

Priv.-Doz. Dr. Wolfram Grimm Philipps-Universität

ZIM-Kardiologie

Baldingerstraße · 35033 Marburg

Hust und Mitarbeiter diskutieren die wichtige Rolle der Kipptisch-Un- tersuchung für die Diagnostik vasova- galer Synkopen. Die von den Autoren ausgesprochene Empfehlung, serielle Kipptisch-Untersuchungen zur Kon- trolle eines Therapieerfolgs einzuset- zen, sollte kritisch hinterfragt werden.

In mehreren unabhängigen Studien wurde gezeigt, daß die Reproduzier- barkeit von Kipptisch-Untersuchungen relativ schlecht ist (1, 2, 3). Bei unselek- tierten Synkopenpatienten mit initial positiver Kipptisch-Untersuchung er- zielt man häufig auch unter Plazebo- gabe bei wiederholten Kipptisch-Un- tersuchungen ein negatives Testergeb- nis. Diese Tatsache erklärt, daß Thera- piestudien, in denen sequentiell zuerst Plazebo und dann Verum gegeben werden und Kipptisch-Untersuchun- gen zur Verlaufskontrolle dienen, fast zwangsläufig zu einem „Wirksamkeits- nachweis“ führen müssen. Medika- mente, die in derartigen Studien als

Rezidivprophylaxe bei neurokardiogenen Synkopen?

Schlechte

Reproduzierbarkeit des

Kipptisch-Tests

(3)

wirksam eingestuft werden, haben sich in Folgestudien mit adäquatem Studi- endesign nicht selten als wenig oder nicht effektiv herausgestellt (zum Bei- spiel Disopyramid) (2).

Literatur

1. Brooks R, Ruskin JN, Powell AC, Newell J, Garan H, McGovern BA: Prospective evaluation of day-to-day reproducibility of upright tilt-table testing in unexplained syn- cope. Am J Cardiol 1993; 71: 1289–

1292.

2. Morillo CA, Leitch JW, Yee R, Klein GJ: A placebo-controlled trial of intravenous and oral disopyramide for prevention of neurally mediated syncope induced by head-up tilt. J Am Coll Cardiol 1993; 22: 1843–1848.

3. Moya A, Permanyer MG, Sagrista SJ et al.:

Limitations of head-up tilt test for evaluating the efficacy of therapeutic interventions in patients with vasovagal syncope: results of a controlled study of etilefrine versus placebo.

J Am Coll Cardiol 1995; 25: 65–69.

Dr. med. Jens Jordan Synkopen- und

Hypotoniesprechstunde Franz-Volhard-Klinik

Wiltbergstraße 50 · 13125 Berlin

Zunehmend werden Kipptisch- Untersuchungen in die Diagnostik un- klarer Synkopen miteinbezogen. Auf zum Teil eindrucksvolle Weise lassen sich dabei die von den Patienten be- schriebenen Ereignisse nachvollzie- hen. Hust und Kollegen geben in einer Tabelle prinzipielle Empfehlungen zur Durchführung der Kipptisch-Untersu- chung. Ich vermisse dabei den sehr wichtigen Hinweis, daß vor Beginn der Untersuchung ein venöser Zugang ge- legt werden muß. Wenn im (auch sel- tenen) Einzelfall notfallmäßige (Re- animations-)Maßnahmen notwendig sind, wird durch das Legen eines Zu- ganges wertvolle Zeit vergeudet.

Auch die Formulierung, daß ein „Arzt unmittelbar erreichbar“ sein muß, ist irreführend. Hier darf nicht die (bei- spielsweise telefonische) Erreichbar- keit gemeint sein, sondern der Arzt muß in unmittelbarer Nachbarschaft zum Ort der Untersuchung sein, so daß er bei Komplikationen jederzeit adäquate therapeutische Maßnahmen ergreifen kann. Da die Kipptisch-Un- tersuchung eine durch den Arzt initi- ierte diagnostische Maßnahme ist,

muß ein größtmögliches Maß an Si- cherheitsstandards für den Patienten angelegt werden.

Priv.-Doz. Dr. med.

Heiko E. von der Leyen Cardiogene AG

Max-Planck-Straße 15 A 40699 Erkrath

Es berührt mich schon eigenartig, wenn ich nach 25 Jahren Berufs- tätigkeit unter der Rubrik „Neue Me- thoden . . .“ mit einem Diagnostikver- fahren konfrontiert werde, das ich in den letzten Jahren meines Studiums in Erfurt (von 1972 bis 1974) in einer For- schungsgruppe der dortigen Nervenkli- nik sehr intensiv kennenlernte. Am Kipptisch bin ich damals sowohl Pro- band als auch „Motor“ gewesen, denn motorgetrieben war unser Kipptisch nicht. Initiator unserer damaligen Kipptisch-Aktivitäten war der heutige Prof. Dr. Dr. U. Zwiener, Pathophysio- logisches Institut der Universität Jena (1). Die erheblich verbesserte Aussage- kraft dieser Untersuchungsmethode gegenüber dem recht grobrastrigen Schellong-Test zeigte sich deutlich. Of- fenbar hatte diese effektive Methode sehr lange nicht in größerem Umfang den Weg vom Forschungslabor zum kli- nischen Meßplatz gefunden. Deshalb ist die interessante Publikation aus Reutlingen einschließlich ihrer Schluß- folgerungen nur zu begrüßen.

Literatur

1. Zwiener U: Acta biol med germ 1973; 31:

561–568.

Dr. med. Peter Müller Stolberger Straße 42 99734 Nordhausen

Es ist sehr begrüßenswert, daß durch die Veröffentlichung des Arti- kels das häufige Krankheitsbild der neurokardiogen vermittelten Synkope mehr in den Blickpunkt des ärztlichen Interesses rückt. Da in einer kompri- mierten Abhandlung eines derart kom-

plexen Krankheitsbildes zwangsläufig einige Punkte zu kurz kommen, seien folgende Anmerkungen gestattet:

Die drei zentralen Pathomecha- nismen der neurokardiogenen Synko- pe sind nach heutigem (unvollständi- gen) Verständnis die Hypersensitivität des ventrikulären Barorezeptors, eine erhöhte präsynkopale, eventuell auto- nom nerval vermittelte Adrenalinfrei- setzung unter (verlängerten) Orthosta- sebedingungen (das heißt eine stärkere Reizung des ventrikulären Barorezep- tors) beziehungsweise eine zusätzliche Modulation des Reflexbogens durch peripher und zentral ansetzende Me- diatoren wie Adenosin und Serotonin, die in der Summe die individuelle Schwelle einer vasovagalen Reaktion senken. Zentrale Punkte in der Dia- gnostik neurokardiogener Synkopen sind der fehlende Nachweis einer kardiovaskulären Grunderkrankung durch nicht invasive Untersuchungs- techniken sowie die für diese Sonder- form der Synkope zumeist typische Anamnese einer Positionsabhängigkeit (längere Orthostasephase). Die Kipp- tisch-Untersuchung dient der Bestäti- gung der Diagnose und zur Therapie- kontrolle. Die Therapie besteht in er- ster Linie in einer genauen Aufklärung der Patienten über die Auslösefakto- ren ihrer Synkopen. Wenn eine medi- kamentöse Therapie erforderlich ist, ist die Betablockergabe die Behandlung der ersten Wahl. Dieser zunächst para- dox erscheinenden Therapie liegt ent- sprechend der Pathophysiologie fol- gende Überlegung zugrunde: Eine Blockade der Betarezeptoren verhin- dert die inotrope Wirkung einer über- schießenden Adrenalinausschüttung bei Orthostasemanövern. Hierdurch wird der ventrikuläre Barorezeptor we- niger gereizt. Infolgedessen wird die re- flektorische Drosselung sympathischer und Aktivierung vagaler Efferenzen unterbunden, die neurokardiogene Synkope unterbleibt. Bisher nicht ge- klärt ist die notwendige Dauer der The- rapie. Ausschlaggebend dafür ist je- doch die Anfallsfreiheit im Alltagsle- ben. Bei Fortbestehen der neurokar- diogenen Synkopen kann neben Theo- phyllin (Adenosinantagonist) oder Di- sopyramid (vagolytische und negativ inotrope Aktivität) ein Therapiever- such mit einem Serotoninantagonisten, zum Beispiel Fluoxetin erfolgen. !

Venöser Zugang muß gelegt werden

Bewährtes kommt wieder

Einige Anmerkungen

(4)

Literatur

1. Benditt DG, Feruson DW, Grubb BP et al.:

Tilt table testing for assessing synkope. ACC expert consensus document. J Am Coll Car- diol 1996; 28: 263–275.

2. Kenny RA, Ingram A, Bayliss J, Sutton R:

Head-up tilt: A useful test for investigating unexplained syncope. Lancet 1986; 336:

1352–1354.

3. von Scheidt W: Synkope. In: Erdmann E, Riecker G: Klinische Kardiologie. Berlin, Heidelberg: Springer, 1996; 957–983.

Dr. med. Michael Muscholl

Prof. Dr. med. Wolfgang von Scheidt Medizinische Klinik und Poliklinik I Klinikum Großhadern

Ludwig-Maximilians-

Universität München · 81366 München

Wenngleich wir einen venösen Zu- gang beim Kipptisch-Test noch nie benötigt haben, legen wir ihn routi- nemäßig am liegenden Patienten, und zwar 20 min vor der Untersuchung, um prosynkopale Einflüsse durch die In- strumentalisierung zu vermeiden. Bei Verdacht auf eine psychogene Synkope (7) ist der Kipptisch-Test indiziert; es findet sich hierbei meist eine Pseudo- synkope mit stabilen Kreislaufverhält- nissen und unauffälligem zerebralem Doppler, der bei diesem Verdacht zu- sätzlich abgeleitet werden sollte. Die Mehrzahl der Patienten mit einem chronischen Müdigkeitssyndrom (1) leidet unter neurokardiogenen Synko- pen mit pathologischem Befund im Kipptisch-Test.

Der kritische Leserbrief von M.

Mindach bedarf mehrerer Klarstellun- gen: Erstens postulieren Landau und Nelson (4) eine extreme Position weit entfernt von dem üblichen Tenor der Weltliteratur, wenn sie empfehlen, auf den Kipptisch-Test zu verzichten; eine solche Einstellung würde bedeuten, den Patienten mit zum Teil gravieren- den Problemen (rezidivierende bis mehrhundertfache (!) Synkopen mit multiplen Verletzungen und auch mit- unter extremer psychischer Verunsi- cherung) die spezifische Diagnostik und effektive Therapie vorzuenthal- ten. Zweitens ist der Kipptisch-Test positiv, wenn der Patient eine Synkope oder Präsynkope erleidet. Jeder, der Erfahrung mit diesem Test hat, weiß, daß sich nicht selten grenzwertige Be-

funde ergeben, die in ihrer klinischen Bedeutung nicht mit „Voluntarismus“

eingeordnet werden, sondern nach er- folgter subtiler Anamnese, Untersu- chung und Beobachtung des Patienten während des Tests. Zudem haben wir Dihydroergotamin in unserer Arbeit nicht zur Therapie der arteriellen Hy- potonie erwähnt, sondern zur Prophy- laxe der neurokardiogenen Synkope.

Auch ist der Kipptisch-Test nicht ge- eignet, epileptische Anfälle zu diagno- stizieren; er ermöglicht jedoch die Dia- gnose von konvulsiven, neurokardio- genen Synkopen. Schließlich ergibt sich die aufgeworfene Frage nach dem Unterschied zwischen einer „idiopa- thischen“ und einer „neurokardioge- nen“ Synkope spätestens nach der Lektüre unserer Arbeit einerseits und andererseits aus der allgemein bekann- ten Bedeutung des Wortes „idiopa- thisch“.

Asystolien beim Kipptisch-Test treten zum Teil zeitgleich mit der Syn- kope auf und lassen sich somit nicht sicher durch sofortiges Zurückstellen des Tisches vermeiden. Präkordiale Schläge zur Therapie des Herzstillstan- des werden in Reanimationsrichtlinien empfohlen (5); die Methode hat sich auch allgemein bewährt bei Asystolien im Rahmen von Herzschrittmacher- implantationen und -batteriewechsel.

Wenngleich uns nicht bekannt ist, daß andere diese sehr effektive Maßnahme beim Kipptisch-Test bislang eingesetzt hätten, so darf doch spekuliert werden, daß man mit dieser sehr einfachen und sicheren Methode kritische Reanimati- onssituationen durch prolongierte Asy- stolien mit notwendiger externer Herz- massage und anderes vermeiden kann;

entsprechende Komplikationen sind uns aus anderen Kliniken und aus der Literatur bekannt. Der Vorschlag, Asy- stolien im Rahmen neurokardiogener Synkopen durch Hustenstöße des Patienten zu terminieren, ist nach ei- ner eigenen Medline-Literaturrecher- che ebenfalls nicht belegt und nebenbei spätestens bei Eintritt der Synkope nicht mehr realisierbar.

Wie schon in unserer Schlußfolge- rung erwähnt, gibt es gerade bei der Therapie von vasovagalen Synkopen mehrere offene Fragen, die in einigen Leserbriefen dankenswerterweise an- gesprochen und deswegen hier vertieft werden sollen. Keineswegs sollte jeder

Patient mit neurokardiogener (vor al- lem singulärer) Synkope therapiert werden; aber praktisch jeder Patient, der therapiert werden muß, ist auch medikamentös (ohne Herzschrittma- cher) einstellbar. Typische als harmlos einzustufende Synkopen, zum Beispiel im Rahmen verschiedener Begleiter- krankungen wie Infekten, nach länge- rem Krankenlager, nach Miktion oder Dehydratation, bedürfen keiner Thera- pie. Es gibt jedoch insbesondere drei Gruppen von Patienten, die wir medi- kamentös einstellen: « neurokardio- gene Synkopen während des Führens eines Kraftfahrzeuges, ¬rezidivieren- de Synkopen, da eine sehr hohe Wahr- scheinlichkeit weiterer Ereignisse be- steht, ­Patienten mit fehlenden prä- synkopalen Mißempfindungen und konsekutiven Stürzen mit entspre- chend hohem Verletzungspotential.

Die nicht prospektive, aber dennoch wichtige Studie von Natale et al. (6) zum seriellen Kipptisch-Test läßt si- cherlich einige Fragen offen. Grubb et al. (3), Gamache et al. (2) und Sra et al.

(8) konnten zeigen, daß ein negativer Befund bei einer Kontroll-Kipptisch- Untersuchung (bei Patienten mit initial positivem Ergebnis) eine langfristige Symptomfreiheit mit hoher Wahr- scheinlichkeit vorhersagt. Der Sinn von seriellen Untersuchungen zur Thera- piekontrolle ergibt sich auch aus der klinischen Beobachtung, daß der The- rapieerfolg eines bestimmten Medika- mentes nicht vorausgesagt werden kann und andererseits daraus, daß zum Beispiel durch b-Rezeptorenblocker auch prosynkopale Effekte möglich sind. Neurokardiogene Synkopen sind potentiell gefährlich; wir haben in unse- rem Kollektiv schwerwiegende Schä- delverletzungen inklusive zerebraler Blutungen, daneben Gesichts- und Ex- tremitätenfrakturen sowie Autounfälle gesehen. So wird zu Recht empfohlen, einen Patienten mit einem Medika- ment zu behandeln, welches im Kon- trolltest effektiv ist (2, 3, 8).

Literatur bei den Verfassern Dr. med. Martin H. Hust Karl F. Heck

Dr. med. Matthias W. Keim Kreiskrankenhaus Reutlingen Steinenbergstraße 31

72764 Reutlingen

Schlußwort

(5)

Voranstellen möchte ich meine Hoffnung, daß solche von humanitä- rem ärztlichen Anliegen getragene Be- fragungen, welche Behandlung betag- te lebensbedrohlich Erkrankte wün- schen, nicht von politischer oder von Seiten der Kostenträger zum Nachteil der Patienten falsch interpretiert wer- den. Natürlich ist der Patientenwunsch, der sich aber auch ändern kann, und die (vermehrt auch wissenschaftlich be- achtete) Lebensqualität für ärztliches Handeln von größter Bedeutung (1–4).

Doch ergänzend möchte ich auf die Be- deutung der therapeutischen Bezie- hung und Begegnung hinweisen (1, 3, 4). Bei guter Beziehung sind nicht nur zutreffendere Einschätzungen der Pati- entenwünsche durch Behandlungs- team und Angehörige (als die von den Autoren wiedergegebenen) zu erwar- ten, sondern auch geriatrische Pflege- patienten dürften eher Vertrauen zu Behandlungsangeboten fassen. Mich hat die niedrige Befürwortung der Pati- enten zu einer (ja relativ nebenwir- kungsarmen) Antibiotikatherapie der Züricher Studie überrascht. Ich möchte daher den Ergebnissen der Autoren ei- ne eigene Befragung gegenüberstellen, da hier – bei ansonsten ähnlicher Fra- gestellung und Setting – die Zustim- mung chronisch schizophrener Patien- ten zu ärztlicher Behandlung wesent- lich höher lag und auch die zutreffende Einschätzung der Patientenantworten durch Pflegepersonal recht hoch war (4). Ersteres ist besonders bemerkens- wert, da eine chronische Schizophrenie insbesondere die subjektive Befindlich- keit, Beziehungsfähigkeit, Persönlich- keit und so auch die sozialen Möglich- keiten stark beeinträchtigt sowie die Fähigkeit, angenehme Gefühle erleben zu können (Anhedonie). Ferner ist die Häufigkeit von Suizidversuchen und

Suiziden bei Schizophrenen, gerade auch in stationären Einrichtungen, deutlich erhöht. (Formale Probleme bei Studienvergleichen, wie etwa auch das niedrigere Alter der von uns be- fragten Teilnehmer oder anderes, kann ich hier nicht näher ausführen.) Bei un- serer hier vorgestellten Untersuchung wurde zuerst nach dem generellen Wunsch nach somatischer Therapie im Falle einer lebensbedrohlichen körper- lichen Erkrankung gefragt, anschlie-

ßend nach einzelnen, zunehmend bela- stenderen Behandlungsmöglichkeiten.

Bei allen Fragen wurden mögliche un- angenehme Nebenwirkungen der Be- handlung betont. Befragt wurden alle in einer psychiatrischen Behinderten- einrichtung lebende Menschen, für die die Ein-/Ausschlußkriterien (siehe un- ten) zutrafen, keiner lehnte die Teil- nahme ab. So nahmen 10 ältere Heim- bewohner (4 Männer, 6 Frauen) im Al- ter von 56 bis 79 Jahren (Durchschnitt 65,7 Jahre) teil, die an einer chroni- schen Schizophrenie leiden. Bei der Hälfte (alle Männer, eine Frau) war zu- sätzlich in der Vergangenheit Alkohol- mißbrauch aufgetreten (jetzt absti- nent), ferner bestanden teilweise chro- nische körperliche Leiden. Vorweg wa- ren Demenz, akute Suizidalität und Depression ausgeschlossen worden.

Die Patienten mußten nach Einschät- zung vom psychiatrischen Facharzt und Pflegepersonal in der Lage sein, die Fragen adäquat zu verarbeiten und zu verstehen. Ferner durfte kein Anhalt für eine lebensbedrohliche Krankheit bestehen. Auf die erste Frage, ob die Patienten im Falle einer lebensbedroh- lichen Erkrankung eine ärztliche Be-

handlung – trotz eventueller Nebenwir- kungen – wünschen würden, antworte- ten 8/10 mit ja, 1/10 unentschieden, 1/10 mit nein. Lindernde ärztliche Maß- nahmen, zum Beispiel Schmerzmittel, wünschten aber alle Befragten. Eine Behandlung mit Antibiotika (zum Bei- spiel im Falle einer Lungenentzün- dung) wünschten 7/10, 2/10 waren un- entschieden, 1/10 dagegen. Immerhin noch 5/10 würden wenn nötig auf einer Intensivstation behandelt werden wol- len, 2/10 waren unentschieden, 3/10 lehnten eine intensivmedizinische Be- handlung ab. Insgesamt nahm also die Zustimmung zu ärztlicher Behandlung mit zunehmenden Nebenwirkungen und zu erwartender zunehmender Ein- schränkung der Lebensqualität ab. Für 3/10 der Patienten hatte die jeweils zu- ständige Krankenschwester alle Ant- worten ihrer Patienten richtig vorher- gesagt. Bezogen auf die Gesamtheit der Fragen schätzte das Pflegepersonal da- gegen die Antworten ihrer Patienten für 7/10 richtig und nur für 3/10 unrich- tig ein. Betonen möchte ich abschlie- ßend aber, daß keine Statistik eine the- rapeutische Beziehungsaufnahme zum Patienten und die Fragen nach seinen individuellen Sorgen und Behand- lungswünschen ersetzen kann.

Literatur

1. Frede U: Behandlung unheilbar Erkrankter.

Weinheim: Psychologie Verlags Union, 1992;

37–48.

2. Hope T, Oppenheimer C: Ethics and the psy- chiatry of old age. In: Jacoby R, Oppenhei- mer C (eds): Psychiatry in the elderly. Ox- ford: Oxford University Press, 1997; 709–735.

3. Kipp J, Unger H-P, Wehmeier PM: Bezie- hung und Psychose. Stuttgart: Thieme, 1996;

29–75.

4. Nowack N et al.: Versorgungsangebote für psychisch behinderte Menschen in Sachsen- Anhalt – Wünsche und Wirklichkeit. (In Vor- bereitung)

Dr. med. Nicolas Nowack

Psychiatrisches Pflegeheim Salzwedel Hoyersburger Straße 60

29410 Salzwedel

Die Autoren haben auf ein Schlußwort verzichtet

Lebensverlängernde Maßnahmen in der geriatrischen Langzeitpflege

Wie ist die Akzeptanz Betroffener?

Ältere chronisch schizophren erkrankte Menschen

Zu dem Beitrag von

Med. pract. Georg Bosshard Prof. Dr. med. Walter Bär

Priv.-Doz. Dr. med. Albert Wettstein in Heft 21/1999

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Der Sinn von seriellen Untersuchungen zur Thera- piekontrolle ergibt sich auch aus der klinischen Beobachtung, daß der The- rapieerfolg eines bestimmten Medika- mentes

Bei Nachweis mehrerer pathologischer Befunde wird man eine optimale Ver- besserung der kardialen Pump-Funkti- on, Beseitigung von Myokardischämie anstreben und sich allenfalls in

Der terminale Teil des QRS-Komplexes wird zur bes- seren Detektion von Spätpotentialen daher durch zwei weitere numerische Parameter charakterisiert: die mittlere Amplitude

Bisher vorliegende klini- sche Untersuchungen lassen für Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz, einem QT-Syndrom, einer hypertrophen Kardiomyopathie oder bei bereits

Bei einer Herz- frequenz während Belastung unter- halb von 120 pro Minute lag die Sterblichkeit in vier Jahren bei 40 Prozent im Vergleich zu zehn Prozent bei Patienten mit

Für die Risikostratifi- zierung nach Herzinfarkt werden mehrere Parameter der HRV heran- gezogen: SDNN kleiner als 50 msec oder HRV-Triangel-Index kleiner als 15 sind Ausdruck

Patienten mit koronarer Herzerkrankung, die unter den Bedingungen der pro- grammierten Ventrikelsti- mulation eine ventrikuläre Tachyarrhythmie zeigten, unterschieden sich

In einer Untersuchung unserer Arbeitsgruppe konnte dann gezeigt werden, daß eine reduzierte Barore- flex-Sensitivität nach Myokardinfarkt auch noch lange nach