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(40) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 25, 25. Juni 1999 ei der Analyse der Baroreflex-
Sensitivität wird die durch Ba- rorezeptoren vermittelte Kon- trolle der Herzfrequenz in der Absicht quantifiziert, die vagale Reflexakti- vierbarkeit – gemessen an den Verän- derungen der Sinusknotenfrequenz als Reaktion auf definierte Blutdruckver- änderungen – zu überprüfen. In der Klinik geschieht dies vornehmlich, um Patienten zu identifizieren, die, zum Beispiel nach Myokardinfarkt, ein er- höhtes Risiko für den plötzlichen Herztod haben.
PPhhyyssiioolloog giiee uunnd d PPa atthhoop phhyyssiioolloog giiee
Das Baroreflex-System ist zentra- ler Bestandteil der Regulation des kar- diovaskulären Systems, besonders hin- sichtlich der Kontrolle der vagalen und sympathischen Einflüsse auf Herz und Gefäße (2). Auf die komplexe Physio- logie dieses Regulationssystems kann hier nicht im Detail eingegangen wer- den. Barorezeptoren, vor allem im Be- reich des Karotissinus sowie des Aor- tenbogens lokalisiert, werden durch Blutdruckanstieg stimuliert. Dies be-
wirkt die Zunahme parasympathischer und eine Verminderung sympathischer Aktivität, was zu einer Verminderung der Herzfrequenz und des Herzindex sowie zu einer vermehrten Vasodilata- tion mit dem Ziel führt, den Blutdruck in den Normbereich zurückzuführen (Abbildung). Die Effektivität dieses Regelkreises, das heißt die Baroreflex- sensitivität, wird meist anhand der Ba- roreflex-vermittelten Veränderungen der Herzfrequenz erfaßt (2). Obwohl beide Anteile des vegetativen Nerven- systems zu diesen Veränderungen der Herzfrequenz beitragen, wird die Ba- roreflexsensitivität ganz überwiegend als Ausdruck des parasympathischen Anteils des Baroreflexbogens (das heißt als vagale „Reflexaktivierbar- keit“), interpretiert.
In den letzten 15 bis 20 Jahren ist die dominierende Rolle des autono- men Nervensystems bei der Entste- hung des plötzlichen Herztodes nach- gewiesen worden. Daher sind unter pathologischen Bedingungen die Baro- reflex-vermittelten Veränderungen der
Herzfrequenz von besonderer Bedeu- tung, da diese mit einem erhöhten Risi- ko für ventrikuläre Tachyarrhythmien und den plötzlichen Herztod assoziiert worden sind (10). In einer Serie von experimentellen Untersuchungen ist nämlich überzeugend gezeigt worden (1, 8, 9), daß sich Barorezeptoren-ver- mittelte vagale Reflexe infolge eines Myokardinfarkts verändern können.
Eine solche infarktbedingte Verminde- rung der vagalen Reflexaktivierbarkeit war hochsignifikant mit der Entste- hung von lebensbedrohlichen ventri- kulären Tachyarrhythmien assoziiert (1, 8, 9). Diese Ergebnisse experimen- teller Studien legten nahe, die klinische Wertigkeit der Baroreflex-Sensiti- vitätsbestimmung zur Risikostratifika- tion von Patienten nach Myokardin- farkt zu untersuchen.
M
Meetthhood diikk uunnd d R
Reeffeerreennzzw weerrttee
Die Baroreflex-Sensitivität wird unter klinischen Bedingungen anhand des Effektes des Baroreflexes auf die Frequenz des Sinusknotens gemessen, indem die Veränderungen der Herz- KURZBERICHT
Serie: Neue Methoden in der kardialen Funktionsdiagnostik
Untersuchung der
Barorezeptorenfunktion
Stefan H. Hohnloser
Die Baroreflex-Mechanismen sind zentraler Bestandteil der Kreislaufregulation, wobei beide Anteile des autono- men Nervensystems involviert sind. Unter klinischen Be- dingungen kann die Baroreflexsensitivität (BRS) anhand von Veränderungen der Sinusknotenfrequenz aufgrund von Blutdruckschwankungen quantifiziert werden. Dabei gilt die BRS vorwiegend als Maß für die vagale Reflexak- tivierbarkeit. Aufgrund der zentralen Bedeutung des auto- nomen Nervensystems beim Zustandekommen des plötz-
lichen Herztodes liegt die Bestim- mung der BRS zur Erfassung des
kardialen autonomen Tonus nahe. Dementsprechend ist die wichtigste klinische Bedeutung der BRS heute in ihrer Funktion als Risikostratifikationsparameter bei Patien- ten, die durch den plötzlichen Herztod gefährdet sind, zu sehen.
Schlüsselwörter: Autonomes Nervensystem, Baroreflexsen- sitivität, plötzlicher Herztod
ZUSAMMENFASSUNG
Analysis of Baroreflex Mechanism
The baroreflex mechanism is a central part of the regulation of the cardiovascular system, particularly in the control of vagal and sympathetic outflow to the heart and the peri- pheral circulation. Baroreflex sensitivity (BRS) can be quantified by analysis of the changes in heart rate in re- sponse to changes in blood pressure. The main clinical role
of determination of BRS is represented by its capability to noninvasively assess cardiac auto-
nomic tone which is considered to be one of the best risk stratification parameters in patients at risk of sudden cardiac death.
Key words: Autonomic nervous system, baroreflex sensitiv- ity, sudden cardiac death
SUMMARY
B
Medizinische Klinik IV (Direktor: Prof. Dr. A. M.
Zeiher) der Johann Wolfgang Goethe-Univer- sität, Frankfurt
frequenz zu den Veränderungen des systolischen Blutdruckes in Bezie- hung gesetzt werden. Hierfür sind ver- schiedene Untersuchungsprotokolle vorgeschlagen worden (2). Am häu- figsten wird heute die von Smyth und Mitarbeitern erarbeitete Methode zur Bestimmung der Baroreflex-Sensiti- vität verwendet (11). Dabei wird eine
geringe Erhöhung des systolischen Blutdruckes um 20 bis 30 mmHg durch die intravenöse Gabe des α-Mi- metikums Phenylephrin herbeige- führt; die hieraus resultierenden Ver- änderungen des Blutdruckes sowie der Herzfrequenz werden auf einer Schlag-zu-Schlag-Basis registriert und miteinander in Beziehung gesetzt.
Das Ergebnis dieser Regressionsana-
lyse, das heißt die Steigung der Re- gressionsgeraden, wird dabei für die Quantifizierung der Sensitivität der arteriellen Baroreflex-Kontrolle der Herzfrequenz angegeben (Grafik 1).
Die Maßeinheit beträgt Millisekun- den (Zunahme des RR-Intervalls) pro mmHg (Anstieg des systolischen Blutdruckes). Die Bestimmung der
Baroreflex-Sensitivität kann heute unter klinischen Alltagsbedingungen vollständig nichtinvasiv durchgeführt werden.
Der Normalwert für die Barore- flex-Sensitivität bei herzgesunden Probanden liegt für die geschilder- te Phenylephrin-Methode im Bereich von 13 bis 18 ms/mmHg (2). Bei großen Kollektiven von Patienten mit überstandenem Myokardinfarkt fand sich im Mittel eine Baroreflex-Sensiti- vität von 7 bis 9 ms/mmHg (7–9). Wer- te unter 3 ms/mmHg gelten als signifi- kant reduziert.
BBeed deeuuttuunng g d deerr
BBa arroorreefflleexx--SSeennssiittiivviittä ätt
Erste klinische Ergebnisse zur prognostischen Wertigkeit der Analy- se der Baroreflex-Sensitivität nach Myokardinfarkt wurden 1988 von La
Rovere et al. vorgelegt. Diese Auto- ren bestimmten die Baroreflex-Sensi- tivität bei 78 Postinfarktpatienten und fanden einen Mittelwert von 7,8 ± 4,9 ms/mmHg (6). Während der Nachbe- obachtung von zwei Jahren verstar- ben sieben dieser Patienten an kardio- vaskulären Ursachen, vier davon am plötzlichen Herztod. Die verstorbe-
nen Patienten wiesen, verglichen mit den Überlebenden, im Mittel eine sig- nifikant niedrigere Baroreflex-Sensi- tivität auf (2,4 ± 1,5 versus 8,2 ± 4,8 ms/mmHg). Nachfolgend konnten diese Untersuchungen (4) bestätigt werden. Erneut fand sich eine ernied- rigte Baroreflex-Sensitivität bei Pati- enten, die nach Infarkt von schwer- wiegenden Rhythmusereignissen be- troffen waren (1,73 ± 1,49 verglichen mit 7,8 ± 4,5 ms/mmHg bei Patienten ohne rhythmusbedingte Komplika- tionen; p < 0,001). Bei Berücksichti- gung traditioneller Risikoparameter wie zum Beispiel linksventrikuläre Funktion, ventrikuläre Extrasystolie oder ventrikuläre Spätpotentiale konnte gezeigt werden, daß eine er- niedrigte Baroreflex-Sensitivität (de- finiert als ein Wert <3 ms/mmHg) mit dem höchsten Risiko assoziiert und anderen Risikostratifikationsparame- tern überlegen war (4).
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Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 25, 25. Juni 1999 (41) KURZBERICHT
Abbildung: Baroreflex-Regulation der Sinusknoten- Frequenz. Blutdruckanstiege stimulieren arterielle Barorezeptoren, lokalisiert am Aortenbogen (AB) und am Karotissinus (CS). Die afferente Barorezepto- ren-Information gelangt über den IX. und X. Hirn- nerv in den Nucleus solitarius (NS) in der Medulla oblongata. Hierdurch kommt es zu einem reflektori- schen Anstieg der kardialen parasympathischen Akti- vität (PS) sowie zu einer Abnahme kardialer sympa- thischer Aktivität (S).
45
35
25
15
5
-5
350 300 250 200 150 100 50 0 400
312
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∆ SAP (mmHg) ∆ RR (ms) ∆ RR (ms)
b) 0 20 40 60 80 100 120 0 5 10 15 20
Herzschläge ∆ SAP (mmHg)
Neigung = 20 ms/mmHg R = 0,91
a) Grafik 1
a) und b): Beispiel für die Bestimmung der Baroreflexsensitivität. a) Schlag-zu-Schlag-Registrierung des sy- stolischen Blutdrucks (SAP) und des RR-Intervalls (RR) während Ausgangsbedingungen und nach Phenylephrin- induziertem Blutdruckanstieg. Zur Analyse werden die Werte zwischen den gestrichelten Linien herangezogen.
b) Regressionsanalyse der blutdruckassoziierten Veränderungen des RR-Intervalls; der Blutdruckanstieg ist mit einer kontinuierlichen Verlängerung des RR-Intervalls assoziiert. Die Steigung der Regressionsanalyse be- trägt 20 ms/mmHg, was einer hochnormalen Baroreflexsensitivität entspricht.
b
a
Farrell und Mitarbeiter (3) konn- ten dann die Hypothese, daß eine re- duzierte Baroreflex-Sensitivität ein Marker für eine gesteigerte elektri- sche Instabilität des Myokards dar- stellt, weiter bestätigen. Zu diesem Zweck untersuchten sie 68 Patienten
nach Myokardinfarkt, die zusätzlich einer invasiven elektrophysiologi- schen Untersuchung unterzogen wor- den waren. Diejenigen Patienten, bei denen mit Hilfe der elektrophysiolo- gischen Untersuchung eine anhalten- de Kammertachykardie oder Kam- merflimmern induzierbar war, wiesen im Mittel eine Baroreflex-Sensitivität von 1,85 ± 1,5 ms/mmHg auf, vergli- chen mit einer solchen von 7,8 ± 4,5 ms/mmHg bei Patienten ohne indu- zierbare Rhythmusstörungen. Die ge- naue Analyse der Daten ergab, daß 7/8 Patienten mit induzierbarer anhal- tender monomorpher Tachykardie ei- ne Baroreflex-Sensitivität von < 3 ms/mmHg aufwiesen (Sensitivität von 88 Prozent und Spezifität von 93 Pro- zent für dieses Untersuchungsverfah- ren).
In einer Untersuchung unserer Arbeitsgruppe konnte dann gezeigt werden, daß eine reduzierte Barore- flex-Sensitivität nach Myokardinfarkt auch noch lange nach stattgehabtem Myokardinfarkt mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit arrhythmogener Komplikationen assoziiert ist (5).
Hierzu wurden 14 Postinfarktpatien-
ten mit einer Anamnese eines prähos- pitalen Herzstillstandes (im Mittel 43 Monate nach dem Indexinfarkt aufge- treten) untersucht. Diese Patienten wurden sehr sorgfältig mit 14 Postin- farktpatienten verglichen, die hin- sichtlich des Alters, des Geschlechts,
der linksventrikulären Funktion so- wie der Medikation keinerlei Unter- schiede zu der erstgenannten Gruppe aufwiesen. Beide Gruppen unter- schieden sich ferner nicht in der Herz- frequenzvariabilität, einer anderen Methode zur Bestimmung des kardia- len autonomen Tonus. Jedoch ergab die Messung der Baroreflex-Sensiti- vität einen hochsignifikanten Unter- schied. Patienten mit überlebtem prähospitalem Herzstillstand wiesen
im Mittel eine Baroreflex-Sensitivität von 1,75 ± 1,63 ms/mmHg auf, vergli- chen mit einer solchen von 9,17 ± 5,74 ms/mmHg für die Kontrollpatienten (Grafik 2). Die Schlußfolgerung die- ser Untersuchung war also, daß die Baroreflex-Sensitivität als Maß für die vagale Reflexaktivierbarkeit ein signifikanter Marker für eine erhöhte Wahrscheinlichkeit eines arrhythmo- gen bedingten Todes nach Myo- kardinfarkt darstellt.
Basierend auf den geschilderten Untersuchungen wurde Anfang der 90er Jahre die erste prospektive Un- tersuchung initiiert, die zum Ziel hat- te, verschiedene Marker des kardia- len autonomen Tonus (Herzfre- quenzvariabilität sowie Baroreflex- Sensitivität) hinsichtlich ihres pro- gnostischen Wertes zu untersuchen, die sogenannte ATRAMI-Studie (autonomic tonus and reflexes af- ter myocardial infarction) (9). Hier- zu wurde bei 1 254 Patienten inner- halb von 28 Tagen nach Infarkt die Herzfrequenzvariabilität (24-Stun- den-Langzeit-EKG) sowie die Baro- reflex-Sensitivität bei Hospitalentlas- sung ermittelt. Während einer im Mittel 21 Monate dauernden Nachbe- obachtung wurde der primäre Studi- enendpunkt (kardiale Mortalität so- wie nicht tödlicher Herz-Kreislauf- Stillstand) in 49 Fällen beobachtet.
Sowohl eine erniedrigte Herzfre- quenzvariabilität (prospektiv defi- niert als Standardabweichung konse- kutiver RR-Intervalle [SDNN] < 70 ms) als auch eine reduzierte Barore- flex-Sensitivität (< 3,0 ms/mmHg) zeigten sich bei der multivariaten Analyse als statistisch unabhängige Prädiktoren der kardialen Mortalität (relatives Risiko [RR] 3,2; 95 Prozent Konfidenzintervall [KI] 1,42 bis 7,36 für SDNN sowie RR 2,8; 95 Prozent KI 1,24 bis 6,86 für BRS). Das gleich- zeitige Vorhandensein beider Risiko- stratifikationsparameter erhöhte das Risiko noch weiter. In diesen Fällen betrug die Zwei-Jahres-Mortalität 17 Prozent, verglichen mit einer Sterb- lichkeit von lediglich zwei Prozent, wenn beide Parameter nicht reduziert waren (p < 0,0001). Weiterhin wurde die Assoziation dieser Marker des au- tonomen kardialen Tonus mit her- kömmlichen Risikostratifikationspa- rametern, insbesondere der linksven- A-1718
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(42) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 25, 25. Juni 1999
KURZBERICHT
16 12 8 4 0
(msec/mmHg) BRS
Gruppe I Gruppe II
(p = 0,0002) Grafik 2
Baroreflexsensitivität bei 14 Postinfarktpatienten und prähospitalem Herzstillstand (Gruppe I) im Vergleich zu der- jenigen von 14 Kontrollpatienten ohne tachyarrhythmische Ereignisse nach Infarkt (Gruppe II) (5).
IInn ddeerr SSeerriiee „„NNeeuuee MMeetthhooddeenn iinn d
deerr kkaarrddiiaalleenn FFuunnkkttiioonnssddiiaaggnnoossttiikk““
ssiinndd bbiisshheerr eerrsscchhiieenneenn::
((11))Editorial „Neue Methoden in der kardialen Funktionsdiagnostik“, Löllgen H, Lüderitz B: Dt Ärztebl 1999; 96: A-1486–1487 [Heft 22]
((22))Hust H, Heck K F, Keim MW:
„Kipptisch-Test zur Diagnostik va- sovagaler Synkopen“. Dt Ärztebl 1999; 96: A-1488–1492 [Heft 22]
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Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 25, 25. Juni 1999 (43) trikulären Funktion, untersucht. Das
höchste relative Risiko ergab sich bei dieser Analyse für diejenigen Patien- ten, bei denen die linksventrikuläre Auswurffraktion unter 35 Prozent lag und die eine Baroreflex-Sensitivität <
3,0 ms/mmHg auswiesen. In diesen Fällen war das relative Risiko für den primären Studienendpunkt 8,7fach (95 Prozent KL 4,3 bis 17,6) erhöht.
K
Klliinniisscchheerr SStteelllleennw weerrtt
Aufgrund der geschilderten Un- tersuchungsergebnisse kann somit die Schlußfolgerung gezogen werden, daß Marker des kardialen autonomen To- nus geeignete Parameter darstellen, insbesondere arrhythmische Kompli- kationen sowie den plötzlichen (arrhy- thmogen bedingten) Herztod nach Myokardinfarkt vorherzusagen. Dem- gegenüber gilt die linksventrikuläre Funktion nach wie vor als bester Risi- kostratifikationsparameter hinsicht- lich der Gesamtmortalität nach Herz- infarkt. Angesichts der überaus kom- plexen Pathophysiologie des plötzli- chen Herztodes kann jedoch nicht da- von ausgegangen werden, daß die Analyse eines einzigen Risikomarkers die Gefährdung eines individuellen Patienten, am plötzlichen Herztod zu versterben, mit klinisch nutzbarer Ge- nauigkeit vorhersagen kann. Vielmehr ist hierfür die kombinierte Betrach- tung verschiedener Risikoparameter notwendig. Aufgrund der beschriebe- nen Studienergebnisse, insbesondere der ATRAMI-Studie (7), aber auch anderer Untersuchungen, erscheint für diesen Zweck die gleichzeitige Berücksichtigung der kontraktilen Funktion sowie des autonomen Tonus besonders gut geeignet. Das gleichzei- tige Vorhandensein einer erniedrigten vagalen Reflexaktivierbarkeit, gemes- sen als reduzierte Baroreflex-Sensiti- vität, und einer kompromittierten linksventrikulären Funktion scheint demnach am besten in der Lage, ein Kollektiv von Hochrisikopatienten nach Myokardinfarkt zu identifizie- ren, welches von einer prophylakti- schen Intervention (pharmakologisch oder apparativ, zum Beispiel mittels implantierbarem Defibrillator) zur Primärprophylaxe des plötzlichen Herztodes profitieren kann.
KURZBERICHT/FÜR SIE REFERIERT
In einer retrospektiven Unter- suchung der Mayo-Klinik wurde der Wert der prophylaktischen bilatera- len Mastektomie bei Frauen mit Fa- milienanamnese für ein Mammakar- zinom untersucht. Im Zeitraum von 1960 bis 1993 wurden 639 Frauen prophylaktisch bilateral mastekto- miert. Entsprechend ihrer Famili- enanamnese wurden die Frauen in eine Hochrisikogruppe (214) und ei- ne Grupe mittleren Risikos (425) eingeteilt. Als Kontrollgruppe dien- ten den Autoren nicht operierte Schwestern der Patientinnen, dar- über hinaus kamen statistische Mo- delle zur Anwendung.
Bei der Rate der statistisch zu erwartenden Mammakarzinome konnte durch die Operation eine Re- duktion von 90 Prozent erreicht wer- den. Beim Vergleich der Behand- lungs- und Kontrollgruppen fiel die- ser Unterschied noch gravierender
aus: Mammakarzinome traten bei den operierten Patientinnen nur noch in einer Häufigkeit von 1,4 Pro- zent auf, während dies in der Kon- trollgruppe der Schwestern bei 38,7 Prozent der Fall war.
Die Autoren schließen aus den Ergebnissen, daß bei Frauen mit ho- hem Risiko für das Auftreten eines Mammakarzinoms aufgrund der ge- netischen Disposition nach wie vor die prophylaktische bilaterale Mastektomie zu erwägen ist. Diese Entscheidung sollte jedoch immer individuell getroffen werden und persönliche Faktoren berücksichti-
gen. acc
Hartmann LC et al.: Efficacy of bilate- ral prophylactic mastectomy im women with a family history of breast caner. N Eng J Med 1999; 340: 77–84.
Dr. Hartmann, Department of Onco- logy, Mayo Clinic, 200 First Street SW., Rochester, MN 55905, USA.
Prophylaktische Mastektomie bei familiärem Mammakarzinom
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1999; 96: A-1716–1719 [Heft 25]
Literatur
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Anschrift des Verfassers
Prof. Dr. med. Stefan H. Hohnloser Medizinische Klinik IV
Kardiologie/Nephrologie Johann Wolfgang Goethe- Universität
Theodor-Stern-Kai 7 60590 Frankfurt