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Archiv "Serie: Neue Methoden in der kardialen Funktionsdiagnostik Herzfrequenzvariabilität – Aus psychiatrischer Sicht" (10.12.1999)

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(1)

Zu dem hochinteressanten Ar- tikel zur Herzfrequenzvariabilität (HFV) muß angemerkt werden, daß eine ganze Klasse wichtiger Instru- mente der Analyse dieses progno- stisch bedeutsamen Phänomens nicht erwähnt wurde. Es sind dies die nicht- linearen Indizes der HFV. Nichtlinea- re Parameter wie die fraktale Dimen- sion der HFV, deren Entropie, sowie Lyapunov Exponenten der HFV (3) sind Parameter, welche seit langem anerkannt zumindest gleichberechtigt neben linearen Indizes zu sehen sind.

Chaotische Oszillationen biologischer Signale sind nicht lediglich Rauschen oder Meßfehler, sondern – bedingt durch die funktionelle Organisation dynamischer biologischer Systeme – eine grundlegende und bedeutsame Einheit. Hierbei ist Chaos nicht im landläufigen Sinne als „völliges Durcheinander“ zu verstehen, son- dern im modernen physikalischen Sinne als sensitive Abhängigkeit der Signale von den Ausgangsbedingun- gen. Weil Nichtlinearität eine funktio- nell und anatomisch grundlegende Ei- genschaft lebender Organismen ist (4), ist es nicht verwunderlich, daß durch die Anwendung nichtlinearer Methoden in der Forschung beson- ders gute Erfolge zu erzielen sind. So konnte es bisher nur mit Hilfe der Analyse der chaotischen Variabilität des EEG erreicht werden, das Auftre- ten epileptischer Krampfanfälle um Minuten vorherzusagen (1, 2). Die Natur besteht aus Nichtlinearität und Chaos – wir müssen uns bei der Erfor- schung der Natur danach richten.

Literatur

1. Elger CE et al.: Seizure prediction by non- linear time series analysis of brain electrical activity. Eur J Neurosc 1998; 10: 786–

789.

2. Lehnertz K et al.: Can epileptic seizures be predicted? Evidence from nonlinear time series analysis of brain electrical activity.

Physical Review Letters 1998; 80: 5019–5022.

3. Mansier et al.: Linear and non-linear analy- ses of heart rate variability: a minireview.

Cardiovascular Research 1996; 31: 371–

379.

4. West GB et al.: A general model for the ori- gin of allometric scaling laws in biology.

Science 1997; 276: 122–126.

Dr. med. Martin Kleen Klinik für Anästhesiologie

Institut für Chirurgische Forschung Klinikum der Ludwig-Maximilians- Universität München

Marchioninistraße 15 81366 München

Weder aus physiologischer Sicht noch durch die Literatur ist die Aussa- ge gedeckt, daß die niedrigen Fre- quenzanteile der Herzfrequenzvaria- bilität dem Sympathikus zugeordnet werden können. Gesichert ist, daß nur der Acetylcholin-Mechanismus ab- rupte, schnelle Änderungen der mo- mentanen Herzfrequenz herbeifüh-

ren kann, während die Wirkung des Sympathikus deutlich „träger“ ist und sich daher nur in langsamen Frequenz- änderungen bemerkbar machen kann (1). Dies besagt aber nicht, daß der Parasympathikotonus nicht ebenfalls diese langsamen Änderungen beein- flußt (2, 3).

Die Verwendung der Standard- abweichung der RR-Intervalle („SDNN“) zur Erfassung der Herz- frequenzvariabilität ist insofern kom- plizierend, als in diesem Parameter, neben den vielen Einflußgrößen (Al- ter, Geschlecht und andere), noch zu- sätzlich eine „innere Frequenzabhän- gigkeit“ enthalten ist. Wollte man zum Beispiel die Gleichgewichtsregulation

zweier Radfahrer durch die sinusför- migen Auslenkungen um die gerade Fahrtrichtung vergleichen, müßte man die gleiche Fahrgeschwindigkeit der Fahrer vorgeben, weil die Schwankungen bei dem schnelleren Fahrer grundsätzlich geringer ausfal- len würden. In ähnlicher Weise wird die SDNN bei Patienten oder Patien- tenkollektiven, die eine höhere mitt- lere Herzfrequenz haben, grundsätz- lich kleiner sein, ohne daß tatsächlich eine eingeschränkte Variabilität vor- liegen muß. Man kann dadurch leicht Scheinergebnisse produzieren. Daher ist es sinnvoll, von vornherein ein Maß zu verwenden, das diese in- trinsische Frequenzabhängigkeit nicht enthält, zum Beispiel ein Varia- bilitätsmaß, das über die momentane Herzfrequenz definiert ist.

Daß man als Psychiater mit die- sen Fragen, die dem eigenen Fachge- biet nicht gerade nahe stehen, kon- frontiert wird, ergibt sich aus der mitt- lerweile kaum noch zu über- blickenden Literatur zur Frage der Herzfrequenzvariabilität unter psychi- schen, psychophysiologischen und psychiatrischen Bedingungen – und si- cherlich vielen Scheinergebnissen (4).

Literatur

1. Delius W: Barorezeptorenkontrolle des Herzrhythmus. Herz/Kreisl 1978; 10: 163–

169.

2. Eckoldt K: Probleme und Ergebnisse der Analyse des Sinusrhythmus. In: Zwiener U, Michalik M, Eckoldt K, Klossek H (Hrsg): Herzfrequenzvariabilität – Mög- lichkeiten zur Diagnostik neurologischer Erkrankungen. Leipzig: S. Hirzel Verlag, 1990: 53–63.

3. Jockel G, Bonyhay I, Kollai M: Heart rate variability after complete autonomic block- ade in man. J Autonom Nerv Syst 1995; 51 (1): 85–89.

4. Kalsbeek JWH: Do you believe in sinus arrhythmia? Ergonomics 1973; 16/1: 99–

104.

Dr. med. Dr. rer. nat.

Hanns-Ulrich Noffke Bürgerhospital

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Postfach 10 07 63 70006 Stuttgart

Serie: Neue Methoden in der kardialen Funktionsdiagnostik

Herzfrequenzvariabilität

Zu dem Beitrag von

Prof. Dr. med. Herbert Löllgen in Heft 31-32/1999

Nichtlineare Indizes der Herzfrequenzvariabilität

Aus psychiatrischer Sicht

(2)

Der interessante, aber sehr ge- straffte Artikel des Kollegen Löllgen sollte um einige wichtige Informatio- nen ergänzt werden:

Angesichts der zunehmenden Zahl diverser, kommerziell erhältli- cher Meßapparaturen zur computer- assistierten, automatisierten Erfas- sung der Herzfrequenzvariabilität (HRV) muß auf das Risiko einer un- zulänglichen Datenerfassung und ei- ner die methodischen Grenzen nur unzureichend berücksichtigenden In- terpretation der unter Verwendung verschiedener statistischer Methoden gewonnenen Ergebnisse aufmerksam gemacht werden. Im Zuge der Qua- litätssicherung wurden deshalb kürz- lich Richtlinien zur standardisierten Durchführung von Untersuchungen der HRV und deren Interpretation er- stellt (3).

Logischerweise wird die Herzfre- quenzvariabilität mit zunehmender Analysedauer größer. Andererseits ist zu berücksichtigen, daß die physiolo- gischen, die Herzperiodendauer mo- dulierenden Mechanismen, die mit der Spektralanalyse erfaßt werden, bei einer langen Analysedauer nicht konstant stabil sind. Langzeitregi- strierungen können nur einen „Grand average“ der den spektralen Kompo- nenten zugrunde liegenden autono- men Modulationen abbilden, was bei der Interpretation der Meßergebnisse zu berücksichtigen ist. Frequenzbezo- gene (frequency domain) Analysen sollten deshalb vorzugsweise bei Kurz- zeitmessungen verwendet werden;

demgegenüber sollten zeitbezogene Analysemethoden insbesondere bei Langzeitregistrierungen zur Anwen- dung kommen.

Unter Berücksichtigung der Tat- sache, daß die Analysedauer der HRV etwa die zehnfache Dauer der Wellen- länge der zu untersuchenden spektra- len Frequenz umfassen sollte (3), wä- re für eine korrekte Bestimmung des VLF-Bandes eine Analysedauer von zirka 50 Minuten zu fordern. Kurz- zeitmessungen, in denen die HF- und LF-Komponente der spektralen Lei- stung untersucht werden, sollten aus oben genanntem Grund und insbe-

sondere auch unter Berücksichtigung der zu fordernden Stabilität des Sig- nals eine Analysedauer von fünf Mi- nuten nicht wesentlich überschreiten.

Demnach ist die innerhalb einer fünf- minütigen Kurzzeituntersuchung ge- messene VLF-Komponente nicht aus- sagekräftig; darüber hinaus ist die physiologische Bedeutung der VLF- Komponente bislang nicht hinrei- chend definiert.

Die HRV wird von einer Viel- zahl von Faktoren beeinflußt. Er- gänzt werden sollte hier zumindest der Faktor „Nikotinkonsum“, auch wenn die Ergebnisse diesbezüglicher Untersuchungen bislang nicht ein- deutig sind (1, 2). Darüber hinaus kann eine sinnvolle Beurteilung der HRV nicht ohne Berücksichtigung der eigentlichen Herzfrequenz erfol- gen: Wie wir in einer Untersuchung von über 200 gesunden Probanden bestätigen konnten, ist zum Beispiel insbesondere die RMSSD (root mean square of successive differences) ab- hängig von der Herzfrequenz, wäh- rend die HF- oder LF-Komponente frequenzunabhängig sind (Publika- tion eingereicht).

Standardisierte Untersuchungen der HRV finden nicht nur Anwen- dung bei bestimmten kardiologischen oder neurologischen Fragestellungen, sondern werden weltweit zunehmend häufig auch im Rahmen psychiatri- scher Fragestellungen eingesetzt. Ein entsprechender Workshop der World Psychiatric Association (WPA) an- läßlich des diesjährigen Weltkongres- ses für Psychiatrie (4) gab einen Überblick über eine Vielzahl äußerst interessanter Studien, die sich mit der autonom neurokardialen Regulation sowohl bei unbehandelten als auch bei psychopharmakologisch behan- delten Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen (zum Beispiel Alko- holismus, endogene Psychosen oder Angst-Störungen) beschäftigt haben.

Literatur

1. Hayano J, Yamada M, Sakakibara Y et al.:

Short- and long term effects of cigarette smoking on heart rate variability. Am J Car- diol 1990; 65: 84–88.

2. Levin FR, Levin HR, Nagoshi C: Auto- nomic functioning and cigarette smoking:

Heart rate spectral analysis. Biol Phsychia- try 1992; 31: 639–643.

3. Malik M: Task Force of The European So- ciety of Cardiology and The North Ameri- can Society of Pacing and Elektrophysiolo-

gy. Heart rate variability. Standards of measurement, physiological interpretation and clinical use. Circulation 1996; 93: 1043–

1065.

4. Rechlin T, Agelink MW, Malik M et al.:

Heart rate variability including spectral analysis in psychiatric research. WPA Workshop; XIth World Congress of Psy- chiatry, Hamburg, 6.–11. 8. 99.

Dr. med. Marcus W. Agelink Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Neurokardiologie

Klinik für Psychiatrie und

Psychotherapie der Ruhr-Universität Bochum am Evangelischen

Krankenhaus Gelsenkirchen Munckelstraße 27

45879 Gelsenkirchen

Mit Interesse habe ich den Arti- kel aufgeschlagen. Entsetzt war ich aber über die grob fehlerhafte Dar- stellung der physiologischen Herz- frequenzregulation. Ohne Übertrei- bung darf man behaupten, daß ähn- liche Ausrutscher einen Physikums- kandidaten in ernsthafte Schwierig- keiten bringen würden. Zunächst ist es nicht nur semantisch fragwürdig, sondern vor allem inhaltlich verkehrt, von einer „Stimulierung“ der langsa- men diastolischen Depolarisation zu sprechen, wenn man die Wirkung des Parasympathikus auf den Sinuskno- ten beschreiben will. Tatsächlich wird die diastolische Depolarisation durch Acetylcholin verlangsamt. Dies stellt seit Jahrzehnten elementares Grund- wissen dar. Richtiggestellt werden muß auch die Erklärung, warum der Sympathikus zu einer Beschleuni- gung der langsamen diastolischen Depolarisation führt. Dies beruht aus heutiger Sicht, die allmählich auch in die Lehrbücher einfließt, auf einer Stimulierung des Schrittmacherstro- mes (If), die direkt durch cAMP ver- mittelt wird. Die „cAMP-abhängige Phosphorylierung von Membranpro- teinen“, von der der Autor etwas va- ge spricht, hat dagegen nichts mit der positiv chronotropen Wirkung des Sympathikus zu tun, sondern vermit- telt die positiv inotrope Wirkung. Es werden nämlich die spannungsab- hängigen L-Typ Kalziumkanäle phos-

Richtlinien zur Qualitätssicherung

Physiologie der

Herzfrequenzregulation

(3)

phoriliert, was über verstärktem Ca2+-Einstrom und vermehrter Ca2+- Freisetzung die Kontraktionskraft steigert. Weiterhin sollte man wohl nicht als Überträgerstoff des Sympa- thikus das Adrenalin mit Noradre- nalin gleichberechtigt nennen und schließlich nicht von „muskarinarti- gen“, sondern von „muskarinischen“

Rezeptoren sprechen.

Univ.-Prof. Dr. med.

Andreas Lückhoff Institut für Physiologie Klinikum der RWTH 52057 Aachen

Es ist grundsätzlich anzumerken, daß die Übersicht zur Herzfrequenz- variabilität (HRV) nur kardiologische Aspekte beinhaltet, und gemäß den

Vorgaben kurz zu halten war. Daher konnten zahlreiche weitere Gesichts- punkte nicht erwähnt werden. Ziel der Übersicht wie auch der Serie war es in erster Linie, dem Arzt, der diese Meß- größen nicht täglich benutzt, einen kurzgefaßten Einblick zu geben.

Zweifelsohne spielt die Chaosfor- schung (Kleen) auch in der Kardiolo- gie eine Rolle (1), eine entsprechende Darstellung hätte den Rahmen dieser Übersicht jedoch gesprengt. Eine ge- trennte Abhandlung dieses neuen An- satzes wäre auch für den Leser des Deutschen Ärzteblattes von großem Interesse. Die Grenze einzelner Meß- parameter werden von Noffke mit Recht angesprochen. Daher sollte die Interpretation der HRV nicht nur auf einer einzelnen Größe, sondern auf mehreren Parametern liegen. Häufig bringt die graphische Darstellung ent- scheidende Hinweise zur Beurteilung.

Die Anmerkungen von Agelink stel- len eine wichtige Ergänzung dar, sie

weisen auf die große Bedeutung der Meßgröße auch außerhalb der Kar- diologie hin. Die Darstellung der physiologischen Regulation wurde aus den zitierten Übersichtsarbeiten über- nommen, die in Zeitschriften, die mit dem „peer review“-System prüfen, er- schienen sind. Der von Lückhoff in Physiologen-Prägnanz gegebene Kom- mentar wird selbstkritisch Anlaß sein, auch diese Übersichtsarbeiten anhand der Originalarbeiten zu überprüfen.

Literatur

1. Schmidt G, Malik M, Barthel P et al.: Heart- rate turbulence after ventricular premature beats as predictor of mortality after acute myocardial infarction. Lancet 1999; 353:

1390–1396.

Prof. Dr. med. Herbert Löllgen Medizinische Klinik I:

Kardiologie, Pneumologie Klinikum Remscheid GmbH Burgerstraße 211

42859 Remscheid

Schlußwort

Die beiden Autoren erwecken zweimal an sehr prominenter Stelle ihres Artikels – im letzten Satz ihrer Zusammenfassung („Mit Ausnahme des Schwangerschaftsabbruchs sind die anderen Anwendungsmöglichkei- ten bisher aufgrund der zum Teil we- nig differenzierten Diskussion über diese Substanz als ,Abtreibungspille‘

nur unzureichend überprüft wor- den“) und im letzten Satz ihres Arti- kels – den Eindruck, als hätte die

„wenig differenzierte Diskussion“

und „die alleinige Deklaration als ,Abtreibungspille‘ verhindert, daß uns ,vielversprechende therapeuti- sche Perspektiven‘ des Antigestagens in der ,Behandlung nichtgynäkologi- scher und gynäkologischer Erkran- kungen‘ bisher nicht zur Verfügung stünden.“ Dieser behauptete Zusam-

menhang wird im Artikel an keiner Stelle belegt. Vielmehr zeigen die

„anderen Anwendungsmöglichkei- ten“, wie sie dem Leser von den Au- toren vorgetragen werden, daß bisher

keine Zulassung des Mittels als echtes Arzneimittel bei einer echten Er- krankung erfolgen konnte. „Be- währt“ hat sich diese Substanz bisher allein zur „medikamentösen“ vorge- burtlichen Tötung menschlichen Le- bens, wenn man also will, zur Be- handlung der „Erkrankung“ „unge- wollte Schwangerschaft“ – aber das darf man nicht aussprechen, um nicht eine „wenig differenzierte Diskussi-

on“ auszulösen und die weitere se- genbringende Forschung an diesem Mittel nicht aufzuhalten. Oder sollten die „anderen Anwendungsmöglich- keiten“ so „vielversprechend“ nicht sein, wie man ja seit Jahren weiß?

Prof. Dr. med.

Ingolf Schmid-Tannwald Klinikum Großhadern

Ludwig-Maximilians-Universität München, Frauenklinik

Marchioninistraße 15 81377 München

Es war weder der Sinn noch das Ziel unserer Übersichtsarbeit, die Bedeutung von RU 486 als „Abtrei- bungspille“ in irgendeiner Weise auf- zuwerten, noch die Diskussion zum Schwangerschaftsabbruch generell zu

Anwendungsbereiche von RU 486 in Gynäkologie und Geburtshilfe

Andere Anwendungs- möglichkeiten?

Zu dem Beitrag von

Priv.-Doz. Dr. med. Matthias Winkler Prof. Dr. med. Werner Rath

in Heft 30/1999

Schlußwort

(4)

beleben oder in diesem Zusammen- hang eine eigene Wertung abzuge- ben. Vielmehr war es unser Anliegen, eine breite Öffentlichkeit über die unterschiedlichen Wirkungen der Substanz zu informieren und ihre an- deren Einsatzmöglichkeiten in der Gynäkologie aufzuzeigen. Eine plau- sible Begründung, warum diese Sub- stanz in anderen Indikationsgebieten der Gynäkologie außer beim Schwan-

gerschaftsabbruch nicht in größeren Studien geprüft wurde, liefert auch der Leserbrief nicht. Unter dem Be- griff „differenzierte Diskussion“ ha- ben wir die hinsichtlich ihrer ver- schiedenen pharmakologischen Wir- kungen (und nicht nur als „Abtrei- bungspille“) differenzierte Betrach- tung dieser Substanz verstanden. Die klinische Einführung von RU 486 wird zeigen, ob in Zukunft die vielfäl-

tigen Wirkungen dieser Substanz in anderen gynäkologischen Bereichen weiter geprüft werden oder nicht.

Prof. Dr. med. W. Rath

Priv.-Doz. Dr. med. M. Winkler Frauenklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe der

Rheinisch-Westfälisch-Technischen Hochschule Aachen

Pauwelsstraße 30 · 52074 Aachen

In seiner instruktiven Standortbe- stimmung der videoendoskopischen Chirurgie (VEC) verweist Herr Prof.

Müller auf die Notwendigkeit eines Zwischenschrittes bei der Übertragung tierexperimentell erarbeiteter Operati- onsmethoden auf den lebenden Men- schen: die „chirurgisch-anatomische Studie“. In einer chirurgischen Über- sichtsarbeit sicher nicht zu diskutieren, aber von großer praktischer Relevanz ist die in Deutschland flächendeckend abnehmende Verfügbarkeit der Infra- struktur für derartige Maßnahmen. In einer gewollten Veränderung ihrer In- teressenschwerpunkte hat die deutsche Anatomie (diese ist als einzige Fach- wissenschaft zu derartigen nicht auf die individuellen Krankheiten des jeweili- gen Patienten bezogenen Forschungen berechnet) ihre Ressourcen im letzten Jahrzehnt auf neue Fragestellungen und neue Methoden verlagert. Dabei bleibt bei gedeckeltem Budget zwangs- läufig nur eine Reduktion altherge- brachter Leistungen, so auch der Mög- lichkeiten zur chirurgisch-anatomi- schen Arbeit am Leichnam. Daß infol- ge dieser Entwicklung bereits führende Zentren wie die Charité zur Durch- führung anatomischer Studien für die Entwicklung neuer Operationstechni- ken in das benachbarte Ausland aus- weichen müssen (so zuletzt in einer ge- meinsamen Untersuchung zur Opti- mierung endoskopischer Thorax-Ein-

griffe), sollte ein Alarmsignal sein.

Wenn sich die chirurgischen Fachge- sellschaften nicht in nächster Zukunft für den Erhalt der „klassischen“ Ar- beitsmöglichkeiten in der Anatomie engagieren, wird in wenigen Jahren das langwierig erarbeitete Know-how der makroskopischen Anatomie in Deutschland für die klinische Anato- mie verloren sein. Dieses wäre umso bedauerlicher, als eine der beiden von Müller aufgeführten „speziellen/chir- urgischen Kontraindikationen für die VEC“ weitgehend gegenstandslos wä- re, falls Möglichkeiten zur Einübung der neuen Techniken am menschlichen Leichnam allen Anwendern verfügbar gemacht würden: die „laparoskopisch

nicht eindeutig identifizierbaren anato- mischen Strukturen“. Die routinemäßi- ge Machbarkeit dieses „learning by doing“ am spezial-fixierten Leichnam konnten wir in bisher 25 videoendosko- pischen Instruktionskursen zusammen mit Kollegen aus Chirurgie und Or- thopädie belegen (1).

Literatur

1. Witte H, Kozianka J, Waleczek H, Recknagel S, Balzer K M: Das Erlernen und Optimieren minimal-invasiver Operationsverfahren am menschlichen Leichnam. Chirurg 1999; 70:

923–928.

Priv.-Doz. Dipl.-Ing.

Dr. med. Hartmut Witte

Institut für Spezielle Zoologie und Evolutionsbiologie

Friedrich-Schiller-Universität Erbertstraße 1 · 07743 Jena

In einem halben Abschnitt beur- teilt Prof. Müller die videoendoskopi- sche Versorgung von Leistenhernien ungünstig und geht nur von einer sehr eingeschränkten Indikation aus. Gera- de die Versorgung von Leistenhernien spielt sich aber im Wesentlichen außer- halb der Universitätskliniken ab und den 16 000 Chirurgen unter den Lesern sind diese Argumente aus der entspre- chenden chirurgischen Literatur als ei- ne von mehreren möglichen Positionen bekannt. Bei den 245 000 Nichtchirur- gen muß aber der Eindruck entstehen, daß es beispielsweise fehlerhaft sei eine einseitige Erst-Leistenhernie video- endoskopisch zu versorgen. Ein Über- sichtsartikel muß hier anführen, daß die Indikation bei der Hernienversor- gung noch umstritten ist, daß es auch gute Argumente für diese Methode gibt und daß jährlich Tausende von Pa- tienten mit dieser Methode zu ihrer Zu- friedenheit versorgt werden.

Das hier normalerweise angeführ- te Argument, eine solche Differenzie- rung sei in der gebotenen Kürze nicht möglich gewesen, lasse ich nicht gelten,

Videoendoskopische Chirurgie

Eine Standortbestimmung

Zu dem Beitrag von

Prof. Dr. med. Joachim M. Müller in Heft 26/1999

Förderung

anatomischer Studien

Objektiverer Bericht

wünschenswert

(5)

denn andererseits wird der videoendos- kopischen Magen- und Kolonchirurgie wesentlich mehr Raum eingeräumt, obwohl sie ebenso umstritten ist (wie- derum wird dies nicht explizit er- wähnt!) und alle deutschen Universi- tätskliniken zusammen führen jährlich weniger videoendoskopische Kolonre- sektionen durch, als einzelne Kliniken endoskopisch Hernien versorgt haben.

Mit dieser Stellungnahme möchte ich nicht den Streit um einzelne Indikatio- nen für videochirurgische Eingriffe fortführen, dies sei den speziellen Fach- publikationen vorbehalten. Ich denke aber, es sollte renommierten Autoren klar werden, daß sie mit der Bitte, eine Übersicht zu einem Thema zu veröf- fentlichen, nicht davon ausgehen kön- nen, daß ihre Position damit zur Lehr- meinung erhoben werden soll, sondern daß sie als Erfahrene gebeten werden, mit etwas Abstand von der eigenen Po- sition ein möglichst genaues Bild aus ihrem Fachgebiet zu vermitteln.

Dr. med. Wilhelm Krick Krankenhaus Nienburg

Marienstraße 2 · 31582 Nienburg

Bei der präklinischen Erprobung neuer videoendoskopischer Operati- onstechniken an menschlichen Leich- namen ergeben sich in der Praxis zwei Probleme. Das Interesse vieler Anato- men an einer Kooperation mit der nur mit geringen Drittmitteln ausgestatte- ten chirurgischen Forschung ist be- grenzt, da sich, wie Herr Kollege Witte zu Recht bemerkt, deren Interessen- gebiet auf die Grundlagenforschung verlagert hat. Nur an wenigen anatomi- schen Instituten ist eine spezielle Tech- nik der Leichenkonservierung eta- bliert, die es erlaubt, videoendoskopi- sche Operationen unter realitätsnahen Bedingungen durchzuführen.

Angesichts der begrenzten Res- sourcen und der limitierten Fragestel- lungen liegt es nahe, daß sich Chirurgen bevorzugt an anatomische Institute wenden, die ihren Interessen entgegen- kommen, und nicht mühsam versu- chen, entsprechende Möglichkeiten vor Ort zu etablieren. Landesgrenzen spielen dabei heute eher eine unterge-

ordnete Rolle. Die Darstellung ver- schiedener anatomischer Strukturen, beispielsweise des Ureters, kann bei komplexen videoendoskopischen Ein- griffen an adipösen oder voroperierten Patienten präparatorisch extrem schwierig oder zeitaufwendig sein. Ob- wohl wir inzwischen Erfahrungen mit verschiedensten videoendoskopischen Operationen erworben haben, erach- ten wir es in unklaren Situationen als nicht indiziert, die videoendoskopisch begonnene Operation fortzusetzen.

Die rechtzeitige Konversion zum offe- nen Eingriff ist kein Fehler. Sie schützt den Patienten vor übermäßig langen Operationszeiten oder unnötigen Komplikationen und schädigt besten- falls das Ego des Operateurs. Die Teil- nahme an Instruktionskursen in der Anatomie hilft nicht bei der Bewälti- gung spezieller Situationen.

Wir stimmen völlig mit Herrn Krick überein, daß eine Übersicht im Deutschen Ärzteblatt möglichst objek- tiv über ein Fachgebiet berichten sollte, die Leistenhernienchirurgie zahlen- mäßig keine Domäne der Universitäts- kliniken ist, und es sich bei der videoen- doskopischen Leistenhernienreparati- on um eine sehr gute und etablierte Operationsmethode handelt.

Das Bessere ist jedoch der Feind des Guten, wobei die Beurteilung der vorliegenden Ergebnisse heute nach den Regeln des EBM erfolgen sollte.

In einer Metaanalyse konnten Chung et al. (2) zeigen, daß die videoendosko- pische Hernienreparation im Vergleich zu einem konventionellen spannungs- losen Verfahren mit Netzimplantation (Lichtenstein-Operation) bei längerer Operationszeit postoperativ weder zu einer geringeren Schmerzsymptoma- tik, noch zu einem kürzeren Kranken- hausaufenthalt führt. Allein die Re- konvaleszenzzeit war nach videoendo- skopischer Hernienreparation „margi- nal“ signifikant verkürzt. Eine eigene prospektiv vergleichende Studie (3) be- stätigte dies und zeigte ferner, daß die postoperative Fatigue, ein objektiver Parameter zur Messung des körperli- chen Befindens, nach videoendoskopi- scher und konventioneller, spannungs- loser Reparation (Gilbert-, Ruthkow- Operation) identisch ist. Dies relati- viert den oben genannten Unterschied bezüglich der Rekonvaleszenzzeit, die sich an der üblichen Krankschreibungs-

praxis orientiert. Ferner sprechen fol- gende Fakten für die konventionelle spannungslose Leistenhernienreparati- on. Sie kann im Gegensatz zur laparo- skopischen Methode in der Regel (95 Prozent unserer Patienten) in Lokal- anästhesie durchgeführt werden. Dies verringert zusätzlich zu der kürzeren Operationszeit und dem geringen Ma- terialbedarf die Kosten und bietet zu- dem an unserer Klinik den organisato- rischen Vorteil, Operationssäle zeitlich besser auszulasten.

Die spannungslose Reparation ist sicher technisch einfacher durchzufüh- ren als die videoendoskopische. Sie eig- net sich deshalb ideal als Anfänger- operation. Das Risiko der spannungs- losen Reparation ist geringer als das der videoendoskopischen, auch wenn dies aus den publizierten Komplikati- onsstatistiken nicht hervorgeht und über videoendoskopische Serien mit mehreren tausend Fällen ohne schwer- wiegende Komplikation berichtet wird.

Uns sind zwei Todesfälle durch intrao- perativ primär nicht erkannte Darm- verletzungen nach transperitonealer vi- deoendoskopischer Hernienoperation bekannt. Kürzlich wurde der erste To- desfall durch eine CO2-Embolie wäh- rend einer extraperitonealen videoen- doskopischen Hernienreparation (1) beschrieben. Unstrittig sind diese Fälle absolute Raritäten. Es stellt sich jedoch die Frage, ob angesichts marginaler Vorteile der videoendoskopischen Re- paration hinsichtlich der Rekonvales- zenz, die wir dazu als fraglich erachten, auch nur ein minimales Risiko an schwerwiegendsten Komplikationen in Kauf genommen werden sollte.

Literatur

1. Blaser A, Rosset P: Fatal carbon dioxide em- bolism as an unreported complication of ret- roperitoneoscopy. Surg Endoscopy 1999; 13:

713–714.

2. Chung RS, Rowland DY: Meta-analyses of randomized controlled trial of laparoscopic versus conventional inguinal hernia repair.

Surg Endoscopy 1999; 13: 689–694.

3. Zieren J, Zieren U, Jacobi C, Müller JM: Pro- spective randomized study comparing lapa- roscopic and open tension-free inguinal her- nia repair with shouldice’s operation. Am J Surg 1998; 175: 330–333.

Prof. Dr. med. Joachim M. Müller Klinik für Allgemein-,

Viszeral-, Gefäß- und Thoraxchirurgie der Charité Campus Charité Mitte

Schumannstraße 20/21 · 10117 Berlin

Schlußwort

Referenzen

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