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Archiv "Selbstbeteiligung: Noch nicht ausgereizt" (16.04.1999)

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nehmen, daß sich die Teilnehmer zwar in der Definition des Globalbudgets einig sind (das Volumen für sämtliche Ausgabenbereiche der GKV, dessen Umfang und Entwicklung als Ausga- benobergrenze normativ vorgegeben wird), doch schon bei der Frage nach dem Ausgangsvolumen scheiden sich die Geister.

Richtig problematisch wird es bei der Steuerung des Globalbudgets.

Nach den Vorstellungen der Kommis- sion stellen die Landesverbände der Krankenkassen ihr jeweiliges Global- budget auf, das dann von den einzel- nen Kassen in Verträge umgesetzt wird. Die Summe der Verträge darf das Budget nicht übersteigen; kontrolliert wird das von den Landesverbänden.

Diese wiederum müssen ihre Auf- sichtsbehörden informieren, die dann einschreiten, wenn etwas aus dem Ru- der zu laufen droht. Mit anderen Wor- ten: Hier machen sich (zu) viele Köche daran, einen Brei zu rühren.

Die Umstellung der dualen Kran- kenhausfinanzierung auf reine Moni- stik (also über die Krankenkassen) ge- staltet sich nicht weniger schwierig.

Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe will zunächst ein pauschaliertes und durch- gängiges „Preissystem“ so schnell wie möglich im Krankenhaus einführen.

Entwickeln soll dies die Selbstverwal- tung nach Kriterien, die der Gesetzge- ber vorgibt. Weiter heißt es in dem Protokoll:

c Die aktuelle Regelung zur In- standhaltungspauschale wird fortge- schrieben;

c die Übernahme der pauschalen Fördermittel durch die Krankenkas- sen erfolgt in strenger Parallelität zur Einführung des neuen Preissystems;

c die Finanzierung der Investiti- onskosten erfolgt ausschließlich über die Preise (keine Fonds); der Zeit- punkt für die Überführung der kom- pletten Investitionskosten in das Preissystem wird in einem späteren Gesetz festgelegt.

Schon diese wenigen Beispiele verdeutlichen: Noch gibt es mehr Fra- gen als Antworten. Doch der Zeitplan für das Gesetzesvorhaben ist eng – zu eng, wie man nun befürchten muß.

Immerhin will Andrea Fischer ja auch noch die Argumente der betroffenen Verbände und Organisationen be- rücksichtigen. Josef Maus A-960

P O L I T I K LEITARTIKEL/AKTUELL

(16) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 15, 16. April 1999

or 20 Jahren organisierte die Internationale Gesellschaft für Gesundheitsökonomie e.V. das erste Mal in der Akademie der Wis- senschaften und Literatur in Mainz ein Symposium zu dem Thema

„Selbstbeteiligung im Gesundheits- wesen“. Damals stritten Ärzte, Öko- nomen und Politiker über das Für und Wider mit Verbissenheit und Grund- sätzlichkeit. Am 18. März kam es zu einer erneuten Diskussion dieses Themas am gleichen Ort. Die Atmo- sphäre hat sich in den 20 Jahren völlig verändert. Wissenschaftler und Prak- tiker waren unter sich.

Rationales Verhalten

In seinem Statement wies der Vor- sitzende der Gesellschaft, Prof. Dr.

med. Hans Rüdiger Vogel, Frank- furt/Main, darauf hin, daß es heute in einem Großteil der Industriestaaten nicht mehr darum gehe, ob eine Selbst- beteiligung angezeigt ist, sondern wie diese Selbstbeteiligung in die Gesetzli- che Krankenversicherung (GKV) am besten integriert werden kann.

Das Grundproblem des Kran- kenversicherungsschutzes in Deutsch- land, so Prof. Dr. rer. pol. Peter Ober- ender, Ordinarius für Volkswirt- schaftslehre an der Universität Bay- reuth, sei zukünftig nicht die Ver- schwendung, sondern die vorhandene und ständig zunehmende Knappheit der Ressourcen. In den Vordergrund trete das Management des Mangels.

Rationalisierung und Rationierung seien die Folge des Paradigmenwech- sels in der Medizin: von der maxima- len zur funktionalen medizinischen Versorgung. Konsequent folge daraus ein „duales Gesundheitswesen“: auf der einen Seite der Solidarbereich

(GKV) mit Fremdverwaltung und Regelleistungen, stabilen Beiträgen, Budgetierung und sehr begrenztem Wachstum, auf der anderen Seite die Eigenvorsorge mit Eigenverantwor- tung, Wahlleistungen, Wettbewerb und einem großen Wachstumspotenti- al. Das rationale Verhalten der Betei- ligten am Gesundheitswesen müsse durch eine fühlbare Selbstbeteiligung und die Honorierung der Leistungser- bringer für den gesunden statt für den kranken Menschen gefördert werden.

Oberender gibt der GKV eine Chan- ce, wenn sie dem Zwang des Fak- tischen, das heißt der Finanzierbar- keit, angepaßt wird: Rationalisierung durch Ausschluß von nicht notwendi- gen Maßnahmen mit Hilfe individuel- ler Anreize für ein sparsames Verhal- ten vor Ort (Haftungsprinzip) auf der einen Seite und Rationierung durch Ausschluß von wirksamen Leistungen im Rahmen von Warteschlangen (oh- ne Ausnahmeregelung).

Autonome

Ausgabensteigerungen

Die Fortschritte der Selbstbeteili- gung im internationalen Vergleich hat Dr. rer. pol. Markus Schneider, Ge- schäftsführer des Augsburger Bera- tungsinstituts Basys GmbH, aufberei- tet. Zuzahlungsregelungen sind in Bel- gien, Frankreich, der Schweiz und den USA in das System eingebaut, um die Solidargemeinschaften vor Überfor- derungen bei ärztlicher Wahlfreiheit (das heißt: ohne Primärarztsystem) zu schützen. Großbritannien, Dänemark und die Niederlande verzichten teil- weise auf Direktbeteiligungen, da sie zum Beispiel den Primärarzt als „Fil- ter“ für den Zugang zu den übrigen Sektoren des Systems benutzen. Die

Selbstbeteiligung

Noch nicht ausgereizt

Die Internationale Gesellschaft für Gesundheitsökonomie diskutierte in Mainz Regelungen zur Direktbeteiligung im Gesundheitssystem im internationalen Vergleich.

V

(2)

Belastung durch Selbstbeteiligung ist deshalb in diesen Ländern am gering- sten. Allerdings sei auch in Primärarzt- systemen eine hohe Selbstbeteiligung zu beobachten, wenn die Qualität be- ziehungsweise die Funktionsfähigkeit der nachgelagerten fachärztlichen Ver- sorgung Mängel aufweise, so in Italien, Griechenland und Portugal.

Differenzierte Selbstbeteiligungs- regelungen in Form prozentualer Zu- zahlungen und Gebühren in natio- nalen Gesundheitsdiensten und So- zialversicherungssystemen orientier- ten sich an der Art der Leistung und an der Einflußnahmemöglichkeit durch den Patienten. Hier seien auch Härte- fallregelungen üblich, damit der Ver- sicherte eine notwendige und me- dizinisch begründete Leistungsinan- spruchnahme nicht unterläßt.

In Systemen mit Risikosolidari- tät – private Versicherungssysteme, Managed Care – fallen überdurch- schnittlich viele leistungsübergreifen- de Zuzahlungsregelungen auf. Die Art der Selbstbeteiligung, so Schnei- der, hänge von dem System der Ge- sundheitsversorgung ab. Davon abge- koppelt seien das Ausgabenniveau und das Ausgabenwachstum. Das werde nach Erkenntnissen von Basys stärker durch andere Faktoren als durch die Höhe der Selbstbeteili- gungsbelastung bestimmt.

Diese empirischen Daten zu den Bestimmungsgründen und Wirkungen von Selbstbeteiligung wurden ergänzt durch Dr. rer. pol. Gerhard Brenner, Geschäftsführer des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung, Köln. Ziel einer Studie wissenschaftli- cher Institute der Länder Großbritan- nien, Frankreich, Italien, Deutschland, Niederlande, Dänemark, Finnland und Österreich war

es, die patientenbe- zogene Wirkung von Zuzahlungen im Ver- hältnis zu den Preisen der Arzneimittel zu analysieren. Die Stu- die zeige eine große Variationsbreite der Selbstbeteiligung, so Brenner:

c feste Zuzah- lung unabhängig von Packungsgröße und Medikament

c nach Packungsgröße gestaffel- te, feste Zuzahlungen

c proportionale Zuzahlungen vom Marktpreis.

Hinzu kommt noch eine Reihe von Härtefallregeln, die zu einer Be- freiung der Zuzahlung führen. Das Ergebnis der Untersuchung verdeut- licht, daß es eine große Bandbreite der Arzneimittelpreise und der Bela- stung der Patienten durch Zuzahlun- gen gibt. In Deutschland ist die Bela- stung durch Zuzahlungen für den Pa- tienten auch 1999 noch relativ gering, die Arzneimittelpreise sind jedoch re- lativ hoch. In Großbritannien sind die Zuzahlungen hoch, die Arzneimittel- preise relativ niedrig. Ein Vergleich der Zuzahlungen sieht Finnland mit der höchsten Zuzahlung vorne, ge- folgt von Dänemark, Großbritannien, Österreich, Deutschland, Frankreich, und Italien. Die Belastung finnischer Patienten ist im Vergleich zum italie- nischen Patienten viermal so hoch.

Schweiz und Niederlande

Prof. Dr. Heinz Schmid, Bern, er- läuterte Aufgabe und Funktion der Selbstbeteiligung aus versicherungs- mathematischer Sicht anhand der Franchise – ein fester Betrag in Fran- ken – und prozentualen Zuzahlung an den maßgebenden Behandlungsko- sten, in der Regel mit einer Begren- zung unabhängig vom Einkommen, in der Schweiz. Anhand einer Vielzahl von Beispielen verdeutlichte er, daß Direktbeteiligungen das Kostenbe- wußtsein der Versicherten fördern und die Ausgabenentwicklung der Versicherungsträger dämpfen kön- nen. Die Direktbeteiligungen sollten

dort zum Zuge kommen, wo der Ver- sicherte die Art und Intensität der Be- handlungen beeinflussen kann.

Aus den Niederlanden berichte- te Dr. Diane Delnoij über den Sach- stand und neuere Entwicklungen der Zuzahlungsbegrenzungen. Am 1. Ja- nuar 1997 wurde im niederländischen Krankenkassengesetz die allgemeine Selbstbeteiligungsregelung (AEB) eingeführt. Danach mußte der Versi- cherte 20 Prozent der Behandlungs- kosten für die medizinische Versor- gung selbst übernehmen. Ausgenom- men davon wurden die Behandlungs- kosten für den Hausarzt, Zahnarzt und den Geburtshelfer. Es gab noch eine ganze Reihe verschiedener Re- gelungen für Alte, Kinder und ande- re. Ziel der AEB-Regelung war die Verschiebung der Finanzierung zu den Versicherten hin. Eine Untersu- chung führte zum Ergebnis, daß die Versicherten 1997 für AEB 600 Mil- lionen Gulden bezahlt haben. Die Einnahmen der Krankenkassen san- ken – die nominale Prämie der Versi- cherten wurde um 110 Gulden verrin- gert – um 871,4 Millionen Gulden.

Delnoij kam auf der Basis der Unter- suchung zum Ergebnis: Ein Erfolg der AEB-Regelung wäre zu verzeich- nen, wenn in die Selbstbeteiligung auch der Besuch des Hausarztes ein- bezogen worden wäre.

In Skandinavien selbstverständlich

Dr. rer. pol. Uwe K. Preusker, Helsinki, berichtete aus Skandinavien über die Wirkung der Selbstbeteili- gung. Er stellte die Frage, ob der Wohlfahrtsstaat mit der Selbstbeteili- gung vereinbar sei. Auf- grund seiner Kenntnis der Verhältnisse in Norwegen, Schweden und Finnland zog er das Resümee:

c Selbstbeteiligungen und private Finanzierung sind in Nordeuropa Tradition. Sie widersprechen dem Wohl- fahrtsstaatsgedanken nicht.

c Steuerungsfunktion und soziale Komponente – Kin- der- und Hochkosten- schutz – stehen im Mittel- punkt. Dr. Jens K. Jessen A-961

P O L I T I K AKTUELL

Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 15, 16. April 1999 (17) Tabelle

Selbstbeteiligung in der Krankenversicherung im internationalen Vergleich

Land Arzneimittel ambulante stationäre Versorgung Versorgung Deutschland proportional diverse linear (mit oberer

(nicht linear) Kappungsgrenze)

Großbritannien fest* keine keine

Schweden linear linear linear

USA diverse diverse proportional

(nicht linear)

* feste Zuzahlung unabhängig von der Leistungsmenge

Quelle: Medizinische Welt, Heft 2/1999, S. 48

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