DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
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as Parlament macht Fe- rien, die Gesundheitspo- litiker können aber keine Denkpause einlegen.Der Vorsitzende der Kom- mission „Gesundheitspolitik"
der Mittelstandsvereinigung der CDU/CSU, Dr. med. Karl Becker MdB, verglich Mitte Juli in einer Pressekonferenz die vor einiger Zeit vorgelegten Thesen seiner Vereinigung mit dem im Bundesarbeitsministerium erar- beiteten Entwurf des Gesund- heits-Reformgesetzes (GRG).
Und dies mit einiger Befriedi- gung, weil viele der mittelstän- dischen CDU/CSU-Vorstellun- gen in die Gesetzesformulierun- gen Eingang gefunden hätten.
Möglichkeiten der Verbesserung im GRG-Entwurf sieht Dr.
Becker, wie er dabei erklärte, vor allem in den Regelungsbe- reichen Festbeträge, Zahner- satz, Kassenorganisation, Absi- cherung des Pflegerisikos — und nicht zuletzt in puncto Transpa- renz.
CDU-Gesundheitspolitik -am
In Bonn keine Sommerpause
Wie ein Foul von hinten mußten ihm wenige Tage da- nach aus Bonner Presseberich- ten in allen Details bekannt- gewordene Pläne der sogenann- ten Transparenz-Arbeitsgruppe beim Bundesarbeitsministerium erschienen sein: Ein bis dahin geheim gehaltenes Papier dieser Arbeitsgruppe zielt nämlich al- lein auf „Verböserung"! Die Ärzte sollen im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung noch weitergehenden Kontrollen un- terworfen werden, als es der Entwurf ohnehin bereits in übertriebener Weise vorsieht;
die ärztliche Behandlung der Patienten soll bis ins letzte Detail registriert, überwacht
und per Datenträgeraustausch durchleuchtet werden.
Die Kassenärztliche Bun- desvereinigung registrierte dies mit großem Befremden. Dr.
med. Ulrich Oesingmann, der Zweite Vorsitzende der KBV, forderte den Bundesarbeitsmi- nister und alle verantwortlichen Politiker dringend auf, solchen völlig überzogenen und unsinni- gen Absichten der Bürokratie rechtzeitig einen Riegel vorzu- schieben. Sollten die Vorschläge im Arbeitsministerium tatsäch- lich verfolgt werden, wäre dies nach Auffassung Dr. Oesing- manns eine „Kriegserklärung an alle Kassenärzte und ihre Pa- tienten". Die Weiterverfolgung derartiger Pläne, so Oesing- mann, würde den erbitterten Widerstand der gesamten Kas- senärzteschaft gegen das Ge- sundheits-Reformgesetz provo- zieren.
Dieser ärztliche „Hieb auf den Tisch" sollte in Bonn auf- merksam registriert werden. EB
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ie private Krankenver- sicherung (PKV) will mit einem speziellen„Schlachtplan" die Möglich- keiten des Gesundheits-Re- formgesetzes (GRG) nutzen — zumindest mit futuristischen Vorüberlegungen. Konkret: Ei- ne Ad-hoc-Kommission des PKV-Verbandes soll die Markt- plazierung eines einheitlichen
„Basistarifes" erörtern, um die
„sozialpolitische Herausforde- rung" der Bonner Kostendämp- fer offensiv anzunehmen. Die ansonsten so sehr auf Markttei- lung und Ausgewogenheit der Zuständigkeitsverhältnisse von gesetzlichen und privaten Versi- cherern bedachte PKV inten- diert mit der „Mehrzweckwaffe Basistarif" zweierlei:
Einerseits soll ein billiger privater Versicherungstarif zu überschaubaren Versicherungs- konditionen „wirtschaftlich schwächeren Kreisen" angebo- ten werden; andererseits sollen die Leistungserbringer — sprich Arzte und Zahnärzte — mit
Privatversicherung
Mit „Basistarif zur Nivellierung
stramm reduzierten Gebühren- sätzen diesen Deal mitfinanzie- ren. „Sozial-privat"-Versicher- te sollen werden: Selbständige Berufsanfänger, die der gesetzli- chen Kasse noch nicht angehö- ren und nach dem GRG keinen Zutritt mehr erlangen sollen;
Rentner, die wegen der Ver- schiebung der Halbbelegung 1993 nicht mehr in die Rentner- krankenversicherung eintreten können; Familien mit Kindern und sonstige „Privatpersonen", denen die privaten Krankenver- sicherer sonst im Vergleich zum Einkommen happige Prämien berechnen.
Die „abgespeckten" Tarife offerieren ein geringeres Lei- stungsspektrum und einen redu-
zierten Versicherungsschutz — vermengt mit vielen Elementen, der für die gesetzliche Versiche- rung typischen Formen der Lei- stungsgewährung. Also ein wei- terer Schritt zur Vereinheitli- chung und Nivellierung. Die Krankenhausleistungen sollen auf Regelleistungen beschränkt werden, also keine Wahlleistun- gen bei Behandlung und Unter- bringung. Ambulante Behand- lung durch Arzte und Zahnärz- te: Erstattungssätze zwischen dem einfachen Satz und dem geltenden Schwellenwert! Da- mit wären diese Sozial-Privatho- norare praktisch gedeckelt und eingefroren.
Damit die solcherart letzt- lich auf Kosten der ärztlichen Leistungserbringer billig versi- cherten Privatpatienten sich auch dem Doktor gegenüber ausweisen können, sollen sie ei- nen besonderen Ausweis erhal- ten. Vielleicht ein Club-Scheck- kärtchen mit der Aufschrift: Bin privat versichert — aber nur für ein Armen-Honorar . . .? HC
Dt. Ärztebl. 85, Heft 31/32, 8. August 1988 (1) A-2181