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Archiv "Interview mit Daniel Bahr, Bundesgesundheits­minister: „Boni? Für Qualität, ja. Aber nicht für besonders viele Operationen“" (01.02.2013)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 5

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1. Februar 2013 A 161

„Boni? Für Qualität, ja. Aber nicht für besonders viele Operationen“

Daniel Bahr zur Dauerbaustelle GOÄ-Novellierung, zum aktuellen Stand des Wettbewerbs zwischen den Krankenkassen und zum ganz eigenen Tempo der gemeinsamen Selbstverwaltung

Herr Minister, zuletzt bestimmten The- men wie Korruption oder Regelverstöße in Transplantationszentren die gesund- heitspolitische Diskussion. Andere, wie eine Novellierung der Gebührenord- nung für Ärzte, sind in den Hintergrund gerückt. Dabei hatten sich die Ärzte große Hoffnungen gemacht, dass eine schwarz-gelbe Regierung endlich die GOÄ reformieren würde.

Bahr: Ich hatte mir auch große Hoffnungen gemacht, und zwar, dass Bundesärztekammer und pri- vate Krankenversicherung einen gemeinsamen Vorschlag vorlegen.

Ich bedaure, dass sie da nicht wei- terkommen. Es wird unterschätzt, wie wichtig das wäre.

War das am Ende nicht zu viel ver- langt? Schließlich vertreten BÄK und PKV sehr unterschiedliche Interessen.

Bahr: Aber beide haben ein Inter - esse daran, dass es weiterhin eine

Gebührenordnung gibt – ich auch.

Beide wollen, dass die private Krankenversicherung eine wichtige Säule im Gesundheitswesen bleibt – ich auch. Deswegen fand ich die Idee der beiden, einen gemein - samen Vorschlag vorzulegen, gut.

Leider wurde die Chance bis heute nicht genutzt.

Ist es nun zu spät dafür?

Bahr: Wir könnten noch eine Ver- ordnung vorlegen. Aber sie noch bis zum Sommer durch den Bun- desrat zu bringen, ist unrealistisch.

Trotzdem fordere ich die Bundes- ärztekammer und die private Kran- kenversicherung auf, die Arbeit nicht einzustellen, sondern zu for- cieren. Als Bundesgesundheitsmi- nister möchte ich nach der Bundes- tagswahl nicht wieder mit allem von vorn anfangen.

Die PKV scheint daran kein großes Interesse zu haben.

Bahr: Das wäre ein Fehler. Wenn es nicht vorangeht, werden Rufe nach einer einheitlichen Vergü- tungsstruktur für die gesetzliche und private Krankenversicherung lauter. Das weiß auch die PKV.

Aus den Transplantationszentren wer- den immer mehr Regelverstöße publik, neue Regeln sind auf dem Weg. Zuletzt wurde darüber diskutiert, ob man die Zahl der Zentren senken sollte. Was meinen Sie?

Bahr: Es gibt zwar bisher keinen Beleg für einen Zusammenhang zwischen den Manipulationsvorfäl- len und der Größe der Zentren.

Dennoch ist die Diskussion richtig.

Aber man muss sie unter Qualitäts- aspekten führen. Ich habe eine Be- grenzung der Zentren im August letzten Jahres gefordert, entschei- den müssen die Länder. Und die lehnen es mehrheitlich leider ab.

In der Diskussion um ärztliches Fehl- verhalten bei Transplantationen wird auch die Rolle von Bonuszahlungen erörtert. Was soll da Ihrer Meinung nach passieren?

Bahr: Wir haben soeben eine ge- setzliche Änderung auf den Weg gebracht. Bundesärztekammer und Deutsche Krankenhausgesellschaft werden verpflichtet, sich auf eine gemeinsame Empfehlung für Chef- arztverträge zu einigen. Kliniken müssen dann in ihren Qualitätsbe- richten darauf hinweisen, ob sie sich an die neuen Regeln halten.

INTERVIEW

mit Daniel Bahr, Bundesgesundheitsminister

Weiter nach GOÄ- Kompromissen zu suchen – dazu for-

dert der Bundesge- sundheitsminister

die Bundes - ärztekammer und die private Kranken-

versicherung auf.

Fotos: Georg J. Lopata

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Als Liberaler lehnen Sie Boni aber doch nicht grundsätzlich ab, oder?

Bahr: Nein, im Gegenteil. Kran- kenhäuser sollten Bonuszahlungen vereinbaren können, aber für eine besondere Leistung oder Qualität, nicht für eine besonders große Zahl an Operationen.

Was sind für Sie sinnvolle Anreize?

Bahr: Beispielsweise wenig Fehler.

Nachhaltige Erfolge. Gute Qualität.

Sinnvolle Neuerungen. Und sehr wichtig: Patientenzufriedenheit.

Sie haben die Krankenhausgesellschaft auch aufgefordert, zusammen mit dem GKV-Spitzenverband Vorschläge zu ma- chen, wie man die Mengenausweitung bei stationären Leistungen sinnvoll ein- dämmen kann. Sonst würden Sie das regeln. Wie groß ist Ihre Geduld?

Bahr: Das Ministerium hat eine Frist bis zum 30. Juni gesetzt, ein Gutachten ist in Auftrag. Das Pro- blem ist doch: Die Krankenkassen beklagen, dass stationäre Leistun- gen in der Summe wegen der Men- gendynamik immer teurer werden.

Für die Kliniken wiederum beste- hen Fehlanreize, immer mehr ope- rieren zu müssen. Dadurch steigt die Arbeitsbelastung für jeden ein-

zelnen Arzt, für jede einzelne Kran- kenschwester. Das ist falsch. Wir geben Jahr für Jahr mehr Geld für stationäre Leistungen aus, zuletzt fast 63 Milliarden Euro. In diesem Jahr werden es voraussichtlich 65 Milliarden Euro sein. Trotzdem klagen die Kliniken über zu wenig Geld. Da stimmt etwas nicht.

Was könnte man denn dagegen tun?

Bahr: Andere, sinnvollere Anreize setzen. Aber warten wir erst einmal das Gutachten ab.

Die DKG kritisiert, dass die Kranken- häuser selbst dann noch einen Beitrag zur Sanierung der Kassen leisten mussten, als es denen finanziell wieder gut ging. Am 4. Februar startet die DKG deshalb eine Informationskampagne.

Haben Sie dafür Verständnis?

Bahr: Es gibt keine Kürzungen.

Die Ausgaben steigen wie in kei- nem anderen Bereich. Die Tarifstei- gerungen haben wir im Jahr 2012 anteilig refinanziert. Wissen Sie, ich bin regelmäßig in Kliniken und höre dort immer wieder, was pas- siert: Die Krankenhäuser sehen sich gezwungen, ihre Investitionen auf- grund der zu geringen Investitions- zahlungen der Länder aus den DRGs zu refinanzieren. Dafür sind diese aber nicht gedacht. Deshalb erhöht sich der Druck. Einfach nur immer mehr Geld bei den DRGs zu fordern, ist keine Lösung.

Wird bis zur Bundestagswahl Ende September aus dem einen oder ande- ren Vorhaben noch etwas, zum Beispiel einem Präventionsgesetz?

Bahr: Ja. Hier schaffen wir keine neuen unnötigen Strukturen, wollen aber alle Beteiligten in die Verant- wortung nehmen.

Die Rolle der Ärzte in der Prävention soll gestärkt werden.

Bahr: Ärzte spielen eine wichtige Rolle, denn die Angebote der Krankenkassen sind doch häufig vertriebs- und marketinggesteuert.

Deshalb wollen wir beispielsweise die ärztliche Check-up-Untersu- chung um eine Präventionsempfeh- lung erweitern.

Dafür brauchen Vertragsärzte Zeit. Wird sie ihnen auch entsprechend honoriert werden?

Bahr: Man benötigt sicher Anreize, damit sich ein erweiterter Check-up lohnt. Aber jetzt erarbeiten wir erst mal das Gesetz.

In dieser Legislaturperiode war erkenn- bar, dass zwischen FDP und Union in sehr grundsätzlichen Fragen Dissens herrscht. Gibt es genug Gemeinsamkei- ten für eine weitere Koalition?

Bahr: Es hat sich gezeigt, dass die Union in weiten Teilen eine sozial- demokratische Partei ist und die FDP an ihrer Seite braucht, um das Richtige zu tun. Aber wir sind ge- gen die Einheitskasse von Rot-Grün und für Freiberuflichkeit und freie Arztwahl. Die Gemeinsamkeiten sind also groß. Deshalb haben wir auch vieles vorangebracht. Nehmen Sie nur die Pflege. Ich hätte mir mehr Spielraum für Kapitaldeckung und Eigenvorsorge gewünscht, ja.

Aber immerhin sind wir einen gro- ßen Schritt weitergekommen.

Um die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung gab es auch Streit . . .

Bahr: . . . aber trotzdem sind wir zu einem Ergebnis gelangt, das sich sehen lassen kann.

Die Überschüsse im Gesundheits- fonds und bei den Kassen sind inzwi- schen enorm hoch. Ist das zu recht-

fertigen?

Einfach nur immer mehr Geld bei den DRGs zu fordern, ist keine Lösung.

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1. Februar 2013 A 163 Bahr: Nein, deshalb habe ich auch

dafür gekämpft, die Praxisgebühr abzuschaffen und Prämien an die Versicherten auszuschütten. Wir wissen aber auch, dass die demo- grafische Entwicklung eine Riesen- herausforderung ist. Und deshalb ist eine stabile Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung wichtig.

Es gibt also Ihrer Meinung nach keinen Handlungsbedarf nach der Wahl, was die Finanzierung der GKV angeht?

Bahr: Im Gegenteil: Erst einmal ist vieles geregelt. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten wurden den Versicher- ten in einer Legislaturperiode keine Leistungen gestrichen. Teilweise wird ihnen über eine Ausweitung der Satzungsleistungen von Kran- kenkassen sogar wieder mehr fi - nanziert, zum Beispiel verschrei- bungsfreie Medikamente oder Haus - haltshilfen.

Ist das denn der Wettbewerb, den sich ein Liberaler wünscht? Ein bisschen mehr Satzungsleistungen, und das war’s dann? Das ist doch ein Wettbe- werb der Ängstlichen.

Bahr: Der Preiswettbewerb ist auf- grund von Zusatzbeiträgen und Prä- mien zumindest ein wenig in Gang gekommen. Natürlich muss auch noch Leistungswettbewerb stattfin- den. Satzungsleistungen sind eine Möglichkeit, aber ich wünsche mir noch mehr, zum Beispiel einen Wettbewerb um neue Versorgungs- formen. Auch bei Präventionsange- boten, Wahlmöglichkeiten oder im Wettbewerb um geringe Verwal- tungskosten könnten sich die Kas- sen gut noch stärker unterscheiden.

Ist es Ihnen in Ihrer Amtszeit eigent- lich schnell genug gegangen mit der Umsetzung von Gesetzen und Verord- nungen?

Bahr: Nein. Ich bin zwar von Amts wegen Vorsitzender des Fan- clubs der Selbstverwaltung (lacht), aber gemeinsame Selbstverwal- tung wird leider zu häufig als Ge- geneinander verstanden. Man blo- ckiert sich gemeinsam. Das ist ner- vig. Glauben Sie, dass Patienten verstehen, warum man für schwer kranke Krebspatienten nicht wei-

terkommt bei kooperativen Versor- gungsstrukturen?

Auch wenn es gemeinsame Selbstver- waltung heißt, die Interessen sind nun einmal sehr verschieden.

Bahr: Das ist ja auch okay. Sie sind verheiratet, ich bin verheiratet – meine Frau und ich sind auch nicht immer einer Meinung.

Und trotzdem treffen Sie manchmal schnell gemeinsame Entscheidungen?

Bahr: Absolut! Und wir brauchen weder Schlichter noch Schiedsstel- le. Spaß beiseite: Es geht doch gera- de darum, dass man gegensätzliche Interessen gemeinsam verhandelt.

Für die Fälle, in denen man sich nicht einigen kann, gibt es Schieds- stellen. Aber selbst deren Entschei- dungen werden beklagt. Ich finde, das könnte man besser machen.

Welche Rolle wird denn die Gesund- heitspolitik Ihrer Meinung nach im Bundestagswahlkampf spielen?

Bahr: Ich hoffe eine große, weil ich zeigen will, dass die Koalition hier gute Arbeit geleistet hat. Wir haben einiges auf den Weg ge- bracht, beispielsweise das Patien-

tenrechtegesetz oder das Krebsre- gistergesetz. Und wir haben den drohenden Ärztemangel nicht wie die Vorgänger geleugnet, sondern wir haben mit dem GKV-Versor- gungsstrukturgesetz oder der Än- derung der Approbationsordnung etwas dagegen getan.

Der Ärztemangel in bestimmten Regio- nen ist aber nach wie vor ein Problem.

Bahr: Der wird nicht von heute auf morgen verschwinden. Nehmen Sie Umfragen, warum junge Ärztinnen und Ärzte nicht aufs Land wollen.

Erstens: Der Partner findet dort kei- nen Job. Zweitens: keine gute Kin- derbetreuung. Drittens: fehlendes kulturelles Angebot. Diese Dinge kann ich nicht regeln. Erst da - nach kommen Hinweise auf eine leistungsgerechte Vergütung und den erforderlichen Bürokratieab- bau. Die Koalition hat hier einiges getan, wir müssen das fortsetzen.

Aber auch die Beteiligten sind ge- fordert.

Inwiefern?

Bahr: Die Krankenhäuser, die eine Vereinbarkeit von Familie und Be- ruf anbieten können, sind im Vor- teil. Wir müssen auch mit den Län- dern über die Auswahl der Studie- renden reden. Medizin studieren die Jahrgangsbesten, Frauen und Män- ner mit einem Abitur von 1,0 bis 1,3. Großer Respekt, aber: Sind das immer die, die wir nachher als Haus- oder Fachärzte brauchen?

Nach der Niedersachsenwahl werden sich die Mehrheiten im Bundesrat än- dern. Wird es jetzt schwerer, noch et- was durchzubekommen?

Bahr: Man kann den Bundesrat überzeugen, wenn man gute Geset- ze vorlegt. Oft haben wir ja kon- struktiv zusammengearbeitet. Ich fordere SPD und Grüne auf, die Verbesserungen für Gesundheitsbe- rufe und Patienten nicht aus partei- politischen Gründen im Wahlkampf zu blockieren. Wenn Länder die bessere Versorgung von Krebspa- tienten tatsächlich verhindern, dann freue ich mich schon auf den Wahl-

kampf.

Das Interview führten Jens Flintrop, Sabine Rieser, Heinz Stüwe.

„Trust me“ – dieser Slogan steht auf den blauen Man- schettenknöpfen, die Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) am Tag des Interviews trägt. FDP-Motto für das Wahljahr 2013 oder Aufforderung an Journalisten? Wir er- fahren es nicht. Wohl aber dies: Bahr hat vor Jahren ein- mal den Medizinertest gemacht und bestanden. Ihn schreckte am Medizinstudium allerdings das große Pen- sum dessen, was auswendig zu lernen ist.

Seit Mai 2011 ist Bahr im Amt. Aus seiner Sicht hat die Koalition seitdem vieles auf den Weg gebracht. Seinen Kritikern reicht das nicht. Sie meinen, dass der Minister strukturell nicht genug bewegt hat.

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