Tab. 1 Zur jeweiligen Ebene beitragende Codes
Kodierung Therapeut*innen PiAs Patient*innen
Offene 635 186 634
Axiale 79 - 108
Selektive 10 10 10
Nicht axial kodierbar 52 - 15
Erläuterung: Angegeben wird die absolute Häufigkeit der Kodes im jeweiligen Analyseschritt.
Tab. 2 Prozesse der videobasierten Therapie mit selektiven und axialen Kodierungen Selektive Kodierung Axiale Kodierung
1. Therapeutische Situation wird im VS (Videosetting) durchlässiger und weniger berechenbar.
Therapeutischer Raum T: Sicherheit des therapeutischen Raums wird durchbrochen P: Im realen Raum können Patient*innen besser ins
therapeutische Arbeiten kommen
Organisation des Settings T: VS führt zur Entgrenzung des therapeutischen Raums P: Pat. haben für störungsfreie Umgebung gesorgt
Unterschiede im Setting T: Im VS fehlen nonverbale Kommunikation und sinnliche Eindrücke
P: Im VS fehlen Wahrnehmungskanäle: Körpersprache, Mimik und Olfaktorik
Technische
Voraussetzungen T: Nutzung von zertifizierten Programmen war vertrauenserweckend
P: Technische Probleme lösen negative Gefühle aus
Beispiel aus dem Interview- Transkript zur
Veranschaulichung des Prozesses:
T: Ja und manchmal habe ich das dann auch ein bisschen scherzhaft genutzt und habe dann kurz mal so rumgezeigt. Das war einfach so: „Ja, hier sind Sie in meinem Wohnzimmer“. Und haben einfach so ein bisschen locker, scherzhaft. Und jetzt ist es einfach normal.
P: Um dann festzustellen: Oh, das ist aber nicht genau das, hat nicht die Tiefe und den Charakter, wie eine Präsenzsprechstunde. Und das ist auch ein ganz anderes Erleben, weil man hat ja dann diese Kamera vor sich und man ist mit seiner Bewegung eingeschränkt, in seiner Gestik und Mimik.
In der Präsenzstunde interagiert man mehr. Also das heißt es
sind mehr Sinne angeregt, ne?
2. Obwohl das VS zum Erhalt der therapeutischen Beziehung beiträgt, wird die Interaktion flacher und weniger gerichtet. Gleichzeitig konnte die intersubjektive Ebene verstärkt thematisiert werden.
Therapeutische Beziehung T: Im VS kann die therapeutische Beziehung aufrechterhalten werden
P: Patient*innen erleben mehr Kontrolle im VS
Therapieprozess T: Patient*innen nutzen das VS, um den therapeutischen Prozess zu manipulieren, sie agieren und vermeiden
P: Ausfälle waren einvernehmlich oder konnten durch das VS verhindert werden
Therapeutische Technik T: Übertragung im VS wird schwächer, anstrengender und seltener
P: Obwohl der*die Therapeut*in den Körper des*der Patient*in nicht sieht, frag er*sie diesbezüglich nach
Therapiethemen T: COVID-19, Quarantäne, existenzielle Krisen und Ängste waren Themen im VS
P: Manche Themen können erst durch das VS besprochen werden
Beispiel aus dem Interview- Transkript zur
Veranschaulichung des Prozesses:
T: Na, ich denke sozusagen, dass das Video und auch das Setting, was ich beschrieben habe bei der einen Patientin, dass ich sie schlechter sehe, auch dass ich mal durch die Tonqualität, sozusagen die Wahrnehmung der Gefühle nicht so gut ist, wie in der Stunde in der Präsenz.
P: Ja, da hat sich was verändert. Dadurch, dass es irgendwie störanfälliger ist durch, weiß ich nicht, irgendwie Präsenz von Leuten, oder durch einfach Geräusche oder durch Verbindungsabbrüche, oder aber auch durch die Kamera, irgendwas was meinen Fokus zieht. Ist die Intensität anders, weil es schwieriger ist, da in diesen -keinen Ahnung- in diesem Therapie-Strudel-Fokus-Setting drinne zu bleiben.
3. Jeder Settingwechsel ist mit einem Habituationsprozess verbunden, erst nach einigen Sitzungen kann die therapeutische Arbeit wieder mit der höchst möglichen Intensität des jeweiligen Settings durchgeführt werden.
Erleben des
Settingwechsels T: Wechsel ins PS wird von Therapeut*innen und Patient*innen als angenehm erlebt
P: Patient*innen mit Angst wünschen sich VS
Erfahrung mit
videobasierter Therapie T: Im VS haben sich die Arbeitsbedingungen der Therapeut*innen verschlechtert: stressbehafteter, anstrengender und schlecht bezahlt
P: Private Umgebung hat für Ablenkung im VS gesorgt Beispiel aus dem Interview-
Transkript zur
Veranschaulichung des Prozesses:
PiA: Was ich gemerkt habe, dass ich mit der Zeit den Patienten im VS mehr zutraue und dass es ja auch wichtig ist, denen ihren Raum zu geben und dass dadurch Sachen entstehen können.
Ja, aber es ist glaube ich vor allem, dass ich denen mehr zutrauen kann also, dass es das gar nicht so sehr braucht.
P: Die ersten ein, zwei Mal waren zugegebener Maßen
schwierig. Also der Wechsel dann wieder von Video zu Präsenz.
Das war schwierig und jetzt mit den letzten zwei Stunden sind
wir wieder auf einer guten Arbeitsebene.
Patient*in Alter (Klassenmittel)
Geschlecht
(M/W/D) Diagnose Bildung Beruf Beziehungsstatus Erfahrung mit
PT
Frequenz d.
Behandlung
Medienerfahrung im Gesundheitswesen
Anzahl Sitzungen in
VBT
Anzahl Sitzungen vor VBT
Änderung in Frequenz durch
VBT
1 63 W Borderline PS Realschulabschluss Keiner Verheiratet Ambulant 2Tage/Woche Ja ca 60 Seit Jahren Nein
2 53 M Depressionen und PS Master/Diplom Studienrat in Frührente In Partnerschaft Ambulant Vierzehntägig Ja 10 10 Nein
3 53 W PTBS Berufsausbildung Bankkauffrau Verheiratet Ambulant Vierzehntägig Ja ca. 8 4 Nein
4 38 M Anpassungsstörung Master/Diplom Doktorand Ledig Ambulant Wöchentlich Ja ca 15 ca 30 Nein
5 33 W Angststörung, Depressionen Abitur Künstlerin Ledig Stationär Wöchentlich Ja 10 50 Nein
6 38 W Entwicklungstrauma Abitur Office Managerin Ledig Ambulant Wöchentlich Ja 7 50 Nein
7 33 W Burnout/Depression Berufsausbildung Kauffrau im Einzelhandel Ledig Ambulant Wöchentlich Ja 15-20 40 Nein
8 43 M depressive Verstimmung Master/Diplom Regisseur und Autor Geschieden Keine Wöchentlich Nein 6 26 Nein
9 33 M Anpassungsstörung Master/Diplom Recruiter Verheiratet Keine Wöchentlich Nein 14 45 Nein
Therapeut*in Alter
(Klassenmittel) Geschlecht (M/W/D) Supervision Intervision Fachkunde
Berufserfahrung in Jahren (Klassenmittel)
Approbiert Vorerfahrung mit
VBT-Plattform Medien in PT vor Pandemie
1 58 W Keine Wöchentlich TP 8 Ja Keine -
2 53 M Keine Wöchentlich TP 13 Ja Keine Keine
3 53 W Monatlich oder seltener Jede zweite Woche TP/AP 23 Ja Clickdoc Email, Telefon, Messenger App
4 58 W Wöchentlich Wöchentlich AP 13 Ja Keine Keine
5 68 W Keine Wöchentlich TP 43 Ja Keine Keine
6 48 W Jede zweite Woche Wöchentlich TP 8 Ja RED connect Keine
7 43 W - - TP - Ja - -
8 33 W Jede zweite Woche Keine TP 13 Nein Keine Keine
9 53 W Wöchentlich Wöchentlich TP 3 Nein Redmedical Keine
10 33 W Jede zweite Woche Wöchentlich TP 23 Nein Keine Keine
11 33 M Wöchentlich Wöchentlich TP 23 Nein Keine Keine
12 38 W Wöchentlich Wöchentlich TP 8 Nein Supervision via Video online Keine
13 43 W Monatlich oder seltener Wöchentlich TP 48 Nein Gemedo Telefon
Themenkategorien. Anhand der im Folgenden dargestellten Themenkategorien wurden gruppenspezifische Interviewleitfäden für Therapeut*innen und Patient*innen erstellt. Die Themen sind dabei hauptsächlich aus den beiden ersten offenen Interviews entstanden und wurden in weiteren Pilotinterviews überarbeitet. Die unten dargestellten halbstrukturierten Interviewleitfäden waren im Weiteren die Grundlage der Datenerhebung während des finalen Samplingprozesses.
1. Technische und organisatorische Voraussetzungen des VSs
2. Unterschiede im Setting
3. Alternativen zum VS
4. Settingwechsel
5. Therapeutischer Raum
6. Therapeutische Beziehung
7. Therapeutischer Prozess
8. Therapeutische Technik
9. Therapiethemen
Interviewleitfaden für Therapeut*innen
Vielen Dank für ihre Teilnahme am Interview. Ich möchte Sie bitten über Ihre gemachten Erfahrungen mit den Videobehandlungen zu reflektieren.
Sie sind der/die Experte/Expertin der/die von Ihnen durchgeführten Therapien, und ich möchte gerne verstehen, welche Erfahrungen Sie hierbei gemacht haben.
Das Interview wird aufgezeichnet und eine Dauer von maximal 50 Minuten haben. Alles was Sie mir erzählen obliegt der Verschwiegenheitspflicht unseres Forschungsteams. Ihre persönlichen Daten werden anhand der von Ihnen festgelegten Chiffre anonymisiert. Sind Sie damit einverstanden?
Bitte beantworten Sie meine Fragen so ausführlich wie möglich. Gibt es von Ihrer Seite noch Fragen?
Einstieg
Zuletzt haben wir sehr schwierige Zeiten erlebt, nicht nur im privaten Umfeld, sondern auch in unserer therapeutischen Arbeit. Eines der prägendsten Phänomene der letzten Monate mag dabei sicherlich das Social Distancing gewesen sein, das auch viele Therapeuten dazu veranlasst hat ihre
therapeutische Arbeit zumindest vorübergehend umzustrukturieren. Eine der Möglichkeiten, die seitens der Kassenärztlichen Vereinigung eingeräumt wurde, ist die vermehrte Nutzung von
Videosprechstunden in der ambulanten Psychotherapie. Wir wollen Ihnen hierzu nun einige Fragen stellen. Im Zentrum steht Ihr persönliches Erleben, erzählen Sie einfach spontan was Ihnen zu den Fragen einfällt.
Allegmeine Fragen zum Settingwechsel/ Videosetting
Wie haben Sie den Wechsel zu den Videobehandlungen erlebt?
Welche Gründe gab es für einen Settingwechsel?
Wie haben Sie das Therapiesetting in den Videobehandlungen organisiert? (Lokalität, Instruktionen, etc.)
Wie haben Sie die Videobehandlungen selbst erlebt?
(Im Vergleich zum Präsenzsetting)
Wie haben Sie den Wechsel zurück zum Präsenzsetting (wenn stattgefunden) erlebt?
(Prä/Post, Vor- und Nachteile, Phantasien, Vorstellungen & Herausforderungen)
Welche Rolle spielte der Settingwechsel/ die Videobehandlung in Ihrer Supervision oder Intervision?
Gab es Probleme Grenzen zu wahren? (Wenn ja, welche?; Geschlossenheit des therapeutischen Raums?)
Therapiethemen
Ist Ihnen nach dem Wechsel zur Videobehandlung eine Veränderung in Bezug auf die Themen, die innerhalb der Therapiesitzungen behandelt wurden aufgefallen?
Therapeutische Technik
Inwiefern haben sich Ihre therapeutischen Techniken mit dem Wechsel zur Videobehandlung verändert?
Welche Indikationen und Kontraindikationen gibt es für die Videobehandlungen?
Therapeutische Beziehung
Wie hat sich die Videotherapie auf die therapeutische Beziehung ausgewirkt?
Abschließende Fragen
Werden Sie die Videobehandlungen fortsetzen?
Ist Ihnen während des Interviews noch etwas zum Thema Videobehandlungen eingefallen was wir nicht besprochen haben?
Wie haben Sie unser Interview heute erlebt?
Interviewleitfaden für Patient*innen
Vielen Dank für ihre Teilnahme am Interview. Ich möchte Sie bitten über Ihre gemachten Erfahrungen mit den Videobehandlungen zu reflektieren.
Sie sind der/die Experte/Expertin Ihrer Therapie, und ich
möchte gerne verstehen, welche Erfahrungen Sie hierbei gemacht haben.
Das Interview wird aufgezeichnet und eine Dauer von maximal 50 Minuten haben. Alles was Sie mir erzählen obliegt der Verschwiegenheitspflicht unseres Forschungsteams. Ihre persönlichen Daten werden anhand der von Ihnen festgelegten Chiffre anonymisiert. Sind Sie damit einverstanden?
Bitte beantworten Sie meine Fragen so ausführlich wie möglich. Gibt es von Ihrer Seite noch Fragen?
Einstieg
Zuletzt haben wir sehr schwierige Zeiten erlebt, nicht nur im privaten Umfeld, sondern auch innerhalb der therapeutischen Arbeit. Eines der prägendsten Phänomene der letzten Monate mag dabei sicherlich das Social Distancing gewesen sein, das auch viele Therapeuten dazu veranlasst hat ihre therapeutische Arbeit zumindest vorübergehend umzustrukturieren. Eine der Möglichkeiten, die seitens der Kassenärztlichen Vereinigung eingeräumt wurde, ist die vermehrte Nutzung von
Videosprechstunden in der ambulanten Psychotherapie. Wir wollen Ihnen hierzu nun einige Fragen stellen. Im Zentrum steht Ihr persönliches Erleben, erzählen Sie einfach spontan was Ihnen zu den Fragen einfällt.
Allegmeine Fragen zum Settingwechsel/ Videosetting
Wie haben Sie den Wechsel zu den Videobehandlungen erlebt?
Welche Gründe gab es für einen Settingwechsel?
Wie haben Sie das Therapiesetting in den Videobehandlungen organisiert? (Lokalität, Instruktionen, etc.)
Wie haben Sie die Videobehandlungen selbst erlebt?
(Im Vergleich zum Präsenzsetting)
Wie haben Sie den Wechsel zurück zum Präsenzsetting (wenn stattgefunden) erlebt?
(Prä/Post, Vor- und Nachteile, Phantasien, Vorstellungen & Herausforderungen) Was spricht aus Ihrer Sicht gegen einen Umstieg ins Videosetting?
Therapiethemen
Ist Ihnen nach dem Wechsel zur Videobehandlung eine Veränderung in Bezug auf die Themen, die innerhalb der Therapiesitzungen behandelt wurden aufgefallen?
Therapeutische Beziehung
Wie hat sich die Videotherapie auf die therapeutische Beziehung ausgewirkt?
Abschließende Fragen
Werden Sie die Videobehandlungen fortsetzen?
Ist Ihnen während des Interviews noch etwas zum Thema Videobehandlungen eingefallen was wir nicht besprochen haben?
Wie haben Sie unser Interview heute erlebt?