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OPUS 4 | Theatermagazin 7

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Academic year: 2022

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#7

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herausgeber Hans Otto Theater GmbH Potsdam | Schiffbauergasse 11 | 14467 Potsdam intendant Tobias Wellemeyer geschäftsführender direktor Volkmar Raback Kuratoriumsvorsitzende Dr. Iris Jana Magdowski

Amtsgericht Potsdam, HRB 7741

Redaktion Dramaturgie Layout Thomas Matauschek fotografie HL Böhme, Michael Helbig (Candide)

Druck Buch- und Offsetdruckerei H. Heenemann GmbH & Co. KG Berlin

Theaterkasse Telefon (0331) 98 11-8 / Fax (0331) 98 11-900 | kasse@hansottotheater. de www.hansottotheater. de

Ein Unternehmen der Landeshauptstadt Potsdam, gefördert mit Mitteln der Landeshauptstadt Potsdam und des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg.

2 inhalt intro impressum

Liebe Gäste des Hans Otto Theaters, liebe Theaterfreunde,

Bin ich ich nur, weil ein anderer mich sieht? Was spricht wahr, mein Verstand oder mein Gefühl? In Heinrich von Kleists philosophischer Verwechslungskomödie »Amphitryon« wird die schöne Alkmene des nachts vom großen Ju- piter besucht. Er hat sich dafür in die Gestalt ihres Gatten Amphitryon begeben. Doch was für Alkmene als Fest der Glückseligkeit beginnt, verwandelt sich in einen Alptraum, als am Morgen der wahre Amphitryon von der Nacht zu zweit nichts wissen will. Julia Hölscher führt Regie im Schlosstheater. Aber es ist März, der Frühling kommt und mit ihm frischer Aufbruch. So auch für Adam, einen straffälligen Neonazi, der aus der Haft direkt in die soziale Bewährung geschickt wird. Ausgerechnet zu Pfarrer Ivan, der auf dem Lande Gestrauchelte und Gefährdete be- treut. Adam bekommt, wie alle Schützlinge, eine Aufgabe: einen Apfelkuchen zu backen. Was banal klingt, erweist sich als echte Kraftprobe, denn Wind und Wetter und gar Gott selbst verschwören sich gegen Adam, der nebenher auch noch mehr und mehr dunklen Geheimnissen von Ivan auf die Spur kommt. Lukas Langhoff inszeniert Ivans schräge Truppe in »Adams Äpfel«.

Tschechows komödisch-melancholischer Lebensbefragung »Iwanow« widmet sich Markus Dietz. Schon 1887 be- schrieb der Arzt und Erzähler Anton Tschechow hellsichtig ein modernes Phänomen: das Burn-Out seines Titel- helden in einer Gesellschaft, die sich an den Rand der Erschöpfung manövriert. Iwanow versagt die Energie zu arbeiten, der Lebensmut, die Liebe zu seiner Frau; in einer neuen Liebe will er noch einmal nach einem neuen Leben greifen. Premiere ist am 19. März im Neuen Theater am Tiefen See.

Ich freue mich auf Ihren Besuch!

Ihr

Tobias Wellemeyer Intendant

3 im spielplan

Bernd Geiling ist ein herrlich pedantischer Pepita-Hut-Professor, Peter Pagel versprüht prolligen Charme als Doolittle. Über allem strahlt Franziska Melzer, diese zarte, starke Eliza, die man auf ihrem Weg vom hässlichen Ick-lein zum stolzen Schwan am liebsten auf Händen tragen würde. Der Tagesspiegel

Die anderen Mitwirkenden stehen ihr im für das Genre erforderlichen und exzellent beherrschten Mix aus Sprechen und Spielen, Singen und Tanzen in nichts nach. … Es bedarf wohl keines Orakelspruchs, dass dieser Premiere eine lange Aufführungsserie folgen wird.

Potsdamer Neueste Nachrichten

Man möchte fast mitsingen. Märkische Allgemeine Zeitung

alan j. lerner/

frederick loewe

My Fair Lady

Fassung für modernes Salonorchester

3 im spielplan My Fair Lady 4…5 premiere Adams Äpfel 6…7 premiere Amphitryon 8…9 premiere Iwanow 10 hinter den kulissen Antje Sternberg 11 nachtboulevard Höhepunkte März…April 12 im spiel-plan Potsdam-Kundus 13 potsdamer porträt Katja Dietrich-Kröck 14 im spielplan Romeo und Julia 15 gastspiele Subway To Sally | Staatstheater Cottbus mit Candide 16 fragebogen Simon Brusis,

Friedemann Eckert, Wolfgang Vogler

Musikalische Leitung Ludger Nowak regie Nico Rabenald choreografie Marita Erxleben bühne Katja Schröder Projekti- onsdesign Alexander Arnold kostüme Sibylle Gädeke mit Franziska Melzer, Andrea Thelemann, Sabine Scholze; Bernd Geiling, Jon-Kaare Koppe, Philipp Mauritz, Peter Pagel chor Viola Maitri Bornmann, Katharina Thomas; Die Bogarts: Philipp Neumann, Klas Yngborn, Nico Brazda, Tom Heiß Salonorchester Gabriele Kienast; Johannes Henschel, Martin Gerwig, Ralph Graessler, Marcin Lonak, James Scannell, Tanz: Sophie Mandl, Oda-Emilia Meyfarth, Vanessa Schümmelfeder; Kevin Schade, Rufus Blauert, Christoph Viol Spielort Neues Theater

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4…5 premiere

Lukas Langhoff Florian Schmidtke + Simon Brusis

Oktay Özdemir

Lukas Langhoff: Ivans Barmherzigkeit entpuppt sich im Stück als eine geradezu unheimliche Besessenheit, die keine Widerrede duldet. Ist der Glaube an das Gute nur eine Art Irrsinn?

Simon Brusis: Eigentlich wird damit auch die Frage gestellt, was ist wichtig im Leben? Und ich denke, letztendlich geht es immer da- rum, sich angstfreie Räume zu schaffen. Welche Strategie dafür eingesetzt wird, ist wahrscheinlich nebensächlich. Für Ivan wird der Glaube an das Gute zu einer Überlebensstrategie. Der Verdrängungsmechanismus stellt sich als eine Art notwendiger Selbstbetrug heraus, denn nicht über andere, sondern nur über diese eine Aufgabe kann Ivan überleben. Indem ihn der Glaube an das Gute die Schicksalsschläge seines Lebens ertragen lässt.

Florian Schmidtke: Die Frage, ob der Glaube an das Gute nur eine Art Irrsinn sei, zeigt fast schon, dass die ganze Gesellschaft auf eine Art »irrsinnig« ist. Damit ist Ivan kein verschrobener Außenseiter mehr, es ist ausgerechnet der Neonazi Adam, der in diese Ge- sellschaft von Verrückten kommt und sich vermutlich zu ersten Mal in seinem Leben als »normal« empfindet. Auf einmal hebt sich Adam positiv von den anderen Figuren ab, weil er nichts mehr zu verlieren hat und ausgerechnet er den Selbstbetrug der anderen nicht mehr aushält.

Oktay Özdemir: Was grundsätzlich die Frage aufwirft, wieviel Wahrheit der Mensch erträgt. Wieviel Wahrheit braucht der Mensch zum Leben?

Florian Schmidtke: Es gibt auch die seltsamsten Verbindungen zwischen den Charakteren im Stück. So tun sich ausgerechnet der Neonazi Adam und der Ausländer Khalid zusammen, um das Lügengebilde Ivans einzureißen. Dabei entsteht eine Annäherung aus gegenseitigem Respekt und der Gemeinsamkeit der Unzulänglichkeit.

Lukas Langhoff: Wobei dieser unbedingte Wahrheitsdrang auch eine Kehrseite hat. Es scheint auch etwas zutiefst Menschliches hervor, denn die Gesellschaft scheint es nicht zu ertragen, dass jemand in seiner eigenen (Traum-)Welt lebt. Dieser Wahrheitsdrang muss nicht nur unbedingt positiv sein, schließlich erfindet Ivan Geschichten, um sein Leben lebenswert zu gestalten (etwas, das wir im Theater alltäglich tun). So gibt es auch einen fast unerträglichen Charakterzug in der Figur des Adam: »Ich zeige dir mal, wie schlecht es dir geht. Ich bringe dich auf den Boden der Tatsachen zurück.«

Florian Schmidtke: Adam bekommt am Beispiel Ivans auch vorgeführt, was passiert, wenn man den Glauben verliert (ein Umstand zugegebenermaßen, an dem Adam nicht ganz unschuldig ist). Adam verändert sich vermutlich auch, weil er in Ivan einen Menschen erblickt, der seinen Glauben tatsächlich verloren hat und damit alles verloren hat.

Simon Brusis: Der Konflikt zwischen dem notorisch guten Pfarrer, der hinter allem Schlechten nur eine Versuchung des Teufels sieht, und dem bösen Neonazi, der Gott selbst zum Urheber dieser schlecht eingerichteten Welt erklärt, rückt in diesem Moment eher in den Hintergrund, und die Notwendigkeit, für sein Leben selbst die Verantwortung zu übernehmen, tritt in den Vordergrund.

Lukas Langhoff: Sein bestimmt das Bewusstsein, und damit wird uns auch gezeigt, dass sich jeder von uns jederzeit ändern kann.

Oktay Özdemir: Wobei der Glaube dann aber trotzdem wieder eine Rolle spielt, denn er stellt das Fundament dar. Wie sollen wir uns ohne Glauben selbst verzeihen? In meinem Leben spielt der Glaube eine unheimlich wichtige Rolle, denn er steht für Kraft, Wärme und Sicherheit.

Florian Schmidtke: Vor allem ist es wichtig, das Gefühl, das der Glauben vermittelt, herzustellen. Die Sehnsucht nach Geborgenheit gibt es in uns allen, nur die Strategien, die wir wählen, um sie zu erlangen, sind unterschiedlich.

Simon Brusis: Nicht nur den Glauben an Gott, sondern den Glauben an sich selbst verloren zu haben, scheint auf einmal Ivans größtes Problem. Der Glaube an sich selbst ist aber nur über den Umweg des Anderen zu erlangen, das wird zu Adams Aufgabe oder Therapie.

Florian Schmidtke: Dann aber backt Adam tatsächlich diesen Apfelkuchen und zeigt, dass ihre gemeinsame Geschichte nicht um- sonst war. Der Apfelkuchen kann auch als Metapher für das Leben stehen und die Bereitschaft, Veränderungen zu akzeptieren, ja mehr noch, dass aus dem ironischen Projekt des Anfangs eine erfolgreiche Therapie wird, wenn man der Veränderung eine Chance gibt.

Das Gespräch wurde durch den Dramaturgen Helge Hübner aufgezeichnet.

Der Regisseur Lukas Langhoff inszeniert »Adams Äpfel«, nach dem Film des dänischen Regisseurs und Autors Anders Thomas Jensen aus dem Jahre 2005. Während der Proben unterhielt sich Lukas Langhoff mit Simon Brusis (Ivan), Florian Schmidtke (Adam) und Oktay Özdemir (Khalid, Gast und bekannt u. a. aus den Filmen »Knallhart«, »Wut« und »Schwarze Schafe«). »Adams Äpfel« ist die Geschichte des Neonazis Adam, der nach seiner Entlassung aus der Haft zur Wiedereingliederung ausgerechnet in das abgelegene Pfarrhaus von Pas- tor Ivan geschickt wird. Mit viel Liebe und Hingabe widmet sich Ivan dort seinen Schützlingen: dem Trinker und Vergewaltiger Gunnar, dem Räuber Khalid und der Alkoholikerin Sarah, und versucht, ihnen in ein geordnetes Leben zurück zu helfen. Als Resozialisierungs- aufgabe wählt sich Adam den Auftrag, aus den Äpfeln des kirchlichen Apfelbaumes einen Kuchen zu backen. Doch es stellt sich heraus, dass so einiges in Ivans kleiner Gemeinde schief zu laufen scheint, und es wird bald klar, dass es eigentlich Ivan ist, der Hilfe benötigt: Er leugnet alle Schicksalsschläge und deutet sie als Versuchungen des Teufels, denen er mit Gottes Hilfe standhalten muss. Adam lässt nichts unversucht, die Grenzen der manischen Güte Ivans auf die Probe zu stellen und ihn mit der Wahrheit zu konfrontieren. »Adams Äpfel«

erzählt die Geschichte eines modernen Hiob und nicht zufällig verweist schon der Name Adams auf die Sündenfallgeschichte, in der sich das Böse in der Entfremdung von Gott zeigt.

anders thomas jensen

Adams Äpfel

regie Lukas Langhoff bühne Lukas Langhoff/

Regina Fraas kostüme Alexander Wolf

mit Friederike Walke; Simon Brusis, Roland Kuchenbuch, Philipp Mauritz, Oktay Özdemir, Florian Schmidtke premiere 4. März 2011 Spielort Reithalle

Ohne Glauben leben?

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Amphitryon, Herrscher von Theben und siegreicher Feldherr, schickt den Diener Sosias, um seiner Frau Alkmene die baldige Heimkehr anzukündigen. Doch Sosias wird von seinem eigenen Ebenbild der Zutritt zu Amphitryons Haus verweigert. Es ist der Gott Merkur, der die Liebesnacht des Gottes Jupiter in Gestalt Amphitryons mit dessen Frau Alkmene bewacht. Als am nächsten Morgen der echte Amphitryon heimkehrt, kann er sich natürlich an die gemeinsame Nacht nicht erinnern – Alkmene fühlt sich verraten und Amphi- tryon betrogen. Aber auch Jupiter ringt mit seinen Gefühlen und kehrt zurück, um der treuen Alkmene zu eröffnen, dass sie die letzte Nacht mit einem Gott verbracht hat – und stürzt sie in die höchste Gefühlsverwirrung …

»Die Figuren wundern sich alle durchs Stück.«

Ein Gespräch mit Julia Hölscher (Regie) und Martin Hammer (Künstlerische Mitarbeit) über Kleists »Amphitryon«

Zu Beginn dieser Spielzeit habt ihr am Staatsschauspiel Dres- den »Das Käthchen von Heilbronn« erfolgreich zur Premiere gebracht. Jetzt arbeitet ihr an Kleists »Amphitryon« – was ist so faszinierend an der Arbeit an Kleist-Texten?

Martin Hammer: Kleists Stücke beinhalten immer eine Torpe- dierung unserer generellen Wahrnehmung von Welt. Sie kon- frontieren uns mit der Situation, dass jede Figur nachvollziehbar aus ihrer Perspektive die Wahrheit sagt, sich die einzelnen Pers- pektiven aber gegenseitig ausschließen.

Julia Hölscher: Ja, es gibt immer eine Unbekannte. Bei Kleist geht es immer wieder darum, dass all das, was ich wahrnehme, nur meine eigene Sicht ist. Doch für andere stellt sich die Welt ganz anders dar, und das heißt, dass man eigentlich mit dem anderen nie gemeinsam in ein und derselben Welt ist. Dementsprechend kann man auch nicht direkt sagen, wie diese Welt eigentlich ist – konsequent zu Ende gedacht, kann das ungeheuer verstörend sein.

Damit sind wir auch schon mitten im Thema. In Kleists »Am- phitryon« wird eigentlich alles, worauf wir uns glauben ver- lassen zu können, nämlich unsere Wahrnehmung von Realität und unser für konsistent gehaltenes Ich, in Frage gestellt. Was ist denn in diesem Stück eigentlich los?

M. H.: Vielleicht kann man den entscheidenden Punkt so erzäh- len: der Feldherr Amphitryon ist ein halbes Jahr im Krieg, dann kommt er nach Hause, trifft auf seine Frau Alkmene, und die sagt nichts als: »Ach, da bist du ja schon wieder.« Und auf sein irri- tiertes Nachfragen fügt sie noch hinzu: »Was hast du denn? Ich gab dir gestern Abend wirklich alles, was ich hatte!« Da das nach- weisbar keine Lüge ist, stellt sich die Frage: Kann man tatsächlich gleichzeitig im Militärlager und bei seiner Frau im Bett gewesen sein?

J. H.: Kleists Figuren versuchen permanent, sich vor den anderen verständlich zu machen bzw. herauszufinden, was überhaupt ge- rade vor sich geht. Allerdings passiert es ihnen, dass die eigenen Fragen immer wieder zurückgegeben werden, da das Gegenüber von ganz anderen Voraussetzungen ausgeht und daher gar nicht die erhoffte Antwort geben kann.

Dementsprechend ist es bei Texten von Kleist eine der heraus- fordernden und wichtigen Aufgaben, zunächst den Text und die Gedanken jeder einzelnen Figur zu durchdringen … J. H.: Ja, man muss sehr genau sein. Das ist richtig Arbeit. Man muss sich Kleists Art zu denken annähern, dann kann man diese langen, verschachtelten Sätze gut nachvollziehen. Sein Denken hat ja etwas sehr Analytisches. Um der Wahrheit möglichst nahe zu kommen, tastet es sich von verschiedenen Seiten immer dich- ter an sie heran.

Viele Szenen aus dem Stück wirken ja regelrecht wie Verhöre. Je näher man aber an den Kern zu kommen glaubt, umso diffuser

wird der Gegenstand, umso schwieriger wird es, überhaupt etwas zu erkennen. Da kann man tatsächlich in den Schwindel geraten, zu dem sich Kleist ja offenkundig bekannt hat.

Aber es ist doch immerhin der Göttervater Jupiter, der sich ge- meinsam mit Merkur in das Leben der Menschen einmischt – damit könnte man »Amphitryon« doch eigentlich weit fort in eine entrückte, funkelnde Sagenwelt verlagern. Wie können wir uns Kleists Griff zu den Göttern verständlich machen?

J. H.: Kleist konnte in seiner Zeit kein Stück schreiben, in dem jemand sich selbst begegnet. Um aber seine Idee durchzuspielen, bediente er sich des literarischen Tricks zu sagen, der eine von beiden ist eben ein Gott. Die Situationen, die er dann schreibt, haben mit allmächtigen Göttern, die die Welt lenken können, überhaupt nichts zu tun.

Außerdem hat Kleist ja seine für die Zeit ungewöhnlichen Hin- terfragungen ganz bewusst in die Molièresche Vorlage, also eine schon vorhandene Form, gesetzt, denn diese hatte ja bereits die Legitimierung für ein Theaterstück.

Kleist nutzt also eine gesellschaftskritische Verwechslungsko- mödie als Vorlage, um seine Figuren in Situationen zu bringen, in denen ihnen der Boden unter den Füßen weggezogen wird, in denen sie einer existentiellen Bedrohung ausgesetzt werden und in die Gefahr geraten, ihre Selbstgewissheit zu verlieren ...

J. H.: Ja, anfangs denken sie noch: Das ist doch ein Alptraum.

Aber es ist Realität.

M. H.: Eigentlich wäre das ja ein Gegenstand für eine Tragödie – der Zerfall von Identität, der Zerfall des Ich, das Zerrinnen jeder letzten Form von Gewissheit. Das Schöne ist aber gerade, dass Kleist daraus eine Komödie macht … oder genauer: eine heite- re Tragödie. Man lacht nicht über die Figuren, wie man über je- manden lacht, der auf einer Bananenschale ausrutscht, weil man in dem Augenblick erleichtert begreift, dass es einen selbst nicht erwischt hat. Man lacht, ohne dabei zu vergessen, dass auch un- sere eigene Identität nicht so gefestigt ist, wie wir vielleicht oft annehmen.

Also keine Tragikomödie …?

M. H.: Nein, es ist ein Lachen der Verzweiflung, das die Verloren- heit nicht weglacht, sondern sie lachend hinnimmt.

J. H.: Das ist vielleicht auch die einzige Möglichkeit, darüber hin- weg zu kommen. Ich habe mich schon oft gefragt, warum Woody Allen aus dem »Amphitryon«-Stoff noch keinen Film gemacht hat – mit ihm selbst in der Hauptrolle.

Das Gespräch führte die Dramaturgin Nadja Hess.

heinrich von kleist

Amphitryon

regie Julia Hölscher bühne und kostüme Mascha Schubert künstlerische mitarbeit Martin Hammer musik Tobias Vethake mit Nele Jung, Marianna Linden; Christoph Hohmann, Marcus Kaloff, Peter Pagel, Michael Schrodt premiere 5. März 2011 Spielort Schlosstheater im Neuen Palais

6…7 premiere

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8…9 premiere

»Ich wollte den Menschen nur ehrlich sagen: ›Schaut euch an, wie schlecht und langweilig ihr lebt!‹ Und wenn sie es begriffen ha- ben, werden sie sich unbedingt ein anderes, besseres Leben ein- richten.« Schon zu seinen Lebzeiten wehrte sich Tschechow ge- gen die Auffassung, er schreibe sentimentale, zu Tränen rührende Stücke, in denen sich feinsinnige oder auch »überflüssige« Men- schen exquisit langweilen. Dabei ging es ihm in seinem Werk vor allem um ein tätiges Mitwirken an einer besseren Zukunft, jen- seits aller ideologischen Zuschreibungen. Politischen Bewegun- gen und ideologischen Rastern stand er distanziert gegenüber.

Den Sozialismus z. B. beschrieb der Dichter und Arzt Tschechow wie ein psychisches Symptom als bloße »Form der Erregung«. Als Künstler mit dem in der Literaturkritik oft gerühmten Blick des Diagnostikers setzte er das ihm Bekannte in Szene, die Gesell- schaft, die ihn umgab.

In seinem zweiten Stück »Iwanow« erschafft der junge Tschechow einen Helden, der mit 35 Jahren schon am Ende zu sein scheint.

Iwanow ist müde, leer, nervös, aufbrausend, verschuldet, hat sich gänzlich verausgabt und tut nichts mehr. Was ihn vom Typ des

»überflüssigen Menschen« in der russischen Literatur unterschei- det, ist seine tätige Vergangenheit. Er hatte glühende Ideale, hat bis zum Umfallen gearbeitet, sich für soziale Projekte engagiert, studiert und vom besseren Leben geträumt. Die Bauernfrage und die Frage danach, wem das zu bewirtschaftende Land eigentlich gehört, waren die brennenden Themen der Zeit und fanden (nicht zuletzt) in Tolstois Schriften ihre gewichtigste Stimme. »Wieviel Erde braucht der Mensch?« war einer von Tolstois berühmten Aufsätzen, in dem er den Menschen jegliches Recht an Eigentum von Grund und Boden abspricht und ihnen nur soviel zubilligt, wie nötig ist, einen Menschen zu begraben. In jungen Jahren be- wundert Tschechow den großen Tolstoi vor allem wegen dessen moralischer Wucht. Nach der einschneidenden Erfahrung einer Forschungsreise zur Strafgefangeneninsel Sachalin »rührt Tols- tois Moral« ihn »nicht mehr«. Über diese Reise nach Sachalin schrieb Tschechow, der Meister der kleinen Form, mit fast 500 Seiten sein umfassendstes Werk, in dem er all die entsetzlichen Zustände verarbeitete, die ihm im Strafgefangenenlager begegnet sind. Dieses Buch zog nicht nur Reformen im russischen Straf- vollzug nach sich, sondern hatte auch Auswirkungen auf sein dichterisches Schaffen. Seine späten, großen Dramen sind oft in die Nähe von Beckett gerückt worden. Sowohl Becketts als auch Tschechows Stücke sind Dramen vom Verlust des Willens (Joyce Carol Oates), vom Verlust des Transzendenten, von verschwom- mener Erlösungssehnsucht. Sie sprechen in diesem Sinne von der Verfasstheit des Menschen in der Moderne und finden dafür eine neue dramatische Form.

Das frühe Stück »Iwanow« hat zwar noch alle Zutaten eines

»klassischen« Melodramas: Liebe, Hass, Eifersucht, Neid und Missgunst. Es beginnt mit einem vorgetäuschten Pistolenschuss und endet mit dem Pistolenschuss von Iwanows Selbstmord.

Dazwischen aber wird das Porträt einer sich im Lästern, Hetzen, Geifern leerlaufenden Gesellschaft gezeichnet, unter ihnen der

»fiebrige Spitzbube« Borkin, der den Menschen in ihrer inneren Ödnis wenigstens den Traum vom schnellen Geld vorgaukelt.

Die Liebesgeschichte zwischen Iwanow und Sascha zieht wie ein kurzes Wetterphänomen nur schnell vorüber. Den Mittelpunkt dieser Gesellschaft bildet paradoxerweise der depressive Iwanow,

über den geredet wird, über den man schimpft, herzieht, der erotisiert wird. Rückwärtsgewandt beschreibt Iwanow sein ver- gangenes, tätiges Leben als »Rausch«. Und dieser Rausch wurde von der Depression abgelöst. Fast hundert Jahre, bevor es diesen Begriff überhaupt gibt, beschreibt Tschechow bei seinem Helden die Symptome eines Burnout-Syndroms.

Das Burnout-Syndrom, die »Erschöpfungsdepression«, scheint die paradigmatische Krankheit unserer Tage zu sein. Die Moder- ne lässt sich als eine Zeit beschreiben, in der sich das Individuum vom Gesetz der Väter und den alten Gehorsams- und Konformi- tätssystemen befreit hat und nicht mehr mit der Grenze zwischen Erlaubtem und Verbotenem, sondern in der Spannung zwischen dem Möglichen und dem Unmöglichen lebt (Alain Ehrenberg, Das erschöpfte Selbst). Durch die schrittweise Auflösung höherer Ordnungen in der Moderne, wie der Marginalisierung der Kir- che und des Glaubens und der flacheren hierarchischen Struktur in der modernen Demokratie, hat sich die Gesellschaft von ei- ner vertikal orientierten zu einer partikularisierten Gesellschaft (mit unterschiedlichsten Lebensmilieus und den dazugehörigen, höchst unterschiedlichen Normen, Werten und Rollenbildern) entwickelt. Nicht mehr die Gesetzen und Verboten gehorchen- de Orientierung nach oben bestimmt das Handeln, sondern das

»Sich-zurecht-finden-müssen« in einer unüberschaubar gewor- denen, globalisierten Welt. Nicht mehr der Gehorsam, sondern die persönliche Initiative sind gefragt. Der Einzelne muss sich auf seinen inneren Antrieb stützen. »Projekt«, »Motivation«, »Kom- munikation« sind dann auch die Schlagworte der Stunde, die auch schnell eine Überforderung markieren können. »Ich selbst sein« ist das Ziel des modernen Menschen geworden.

Mit dem Aufkommen des Begriffs der »unbegrenzten Möglich- keiten« im 20. Jahrhundert symbolisiert die Depression das Un- beherrschbare im Angesicht eines ganzen Kosmos an Möglich- keiten, gegen den sich zwangsläufig jede Entscheidung richtet.

Wenn die Neurose das Drama der Schuld in einer von Verboten bestimmten Welt war, so ist die Depression das Drama der Unzu- länglichkeiten und der Überforderung. Iwanow ist unter der Viel- zahl seiner hochfliegenden Pläne und dem rauschhaften Tempo, mit dem er sie angegangen war, zusammengebrochen. »Wie soll man leben?« war die Frage, die Tschechow in all seinen Werken beschäftigt hat. »Besser!« wäre wohl seine Antwort gewesen. Den Dilemmata des Menschseins hat er ein heiteres »Trotzdem« ent- gegengesetzt: »(Es) bleibt ein seltsames Trotzdem. Und man ar- beitet dennoch und erzählt Geschichten und formt die Wahrheit in der dunklen Hoffnung, fast in der Zuversicht, dass Wahrheit und heitere Form wohl seelisch befreiend wirken und die Welt auf ein besseres, schöneres, dem Geiste gerechteres Leben vorbe- reiten können.« (Thomas Mann, Versuch über Tschechow) Remsi Al Khalisi

Unbegrenzte Möglichkeiten

anton tschechow

Iwanow

regie Markus Dietz bühne Ines Nadler kostüme Veronika Bleffert mit Meike Finck, Franziska Melzer, Andrea Thelemann, Elzemarieke de Vos; Frie- demann Eckert, Bernd Geiling, Eddie Irle, Jon-Kaare Koppe, René Schwittay, Wolfgang Vogler premiere 19. März 2011 Spielort Neues Theater

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10 hinter den kulissen 11 nachtboulevard

chinG chonG sonG susie asado

Höhepunkte März…April

Antje Sternberg

Kostümdirektorin

Worin besteht Ihre Hauptaufgabe als Kostümdirektorin?

Zu Beginn einer Produktion stellt mir der Kostümbildner sein Konzept vor, das er mit dem Regisseur besprochen hat – manch- mal in Form gezeichneter Figurinen, das ist die »klassische«

Variante, manchmal in Form von Fotos oder Collagen, manch- mal mündlich. Es gibt auch Kostümbildner, die sagen: »Es wird ganz heutig, ich werde die Kostümteile einkaufen. Ich brauche kein festgelegtes Bild, vieles wird sich erst während der Proben entwickeln.« Es gibt die unterschiedlichsten Ideen und Anforde- rungen: Zur »Kostümabgabe«, bei der alle Einzelheiten für die Anfertigungen besprochen werden, kommen neben dem Kos- tümbildner, der zuständigen Assistentin und mir die Damen- und die Herrengewandmeisterin sowie die Schuhmachermeiste- rin zusammen. Als Meister ihres Faches sind sie für die konkrete Umsetzung der Kostümentwürfe verantwortlich und fertigen die Schnitte an. Ich kümmere mich um die Beschaffung aller benö- tigten Materialien, vieles wird aus Stoffkatalogen oder übers In- ternet bestellt, manches im Stoffhandel.

Die zugeschnittenen Kostüme gehen zu den Kollegen in die Schneiderei, wo sie zunächst für die Anproben vorbereitet und danach fertig genäht werden. Bei den Anproben bin ich in der Regel dabei und berate oder vermittle, je nach Bedarf. Der Schau- spieler muss sich in dem Kostüm in seiner Rolle sehen können, er muss sich wohlfühlen. Der Kostümbildner soll sein Konzept umgesetzt sehen. Und die Kostüme müssen den Anforderungen genügen, die die Inszenierung an sie stellt. Womöglich müssen sie eine Menge aushalten können. Wir hatten z. B. eine Inszenie- rung mit Wasserbecken, in der die Kostüme jedes Mal komplett nass wurden. Trotzdem sollten sie natürlich zu jeder Vorstellung wieder gut aussehen. Bei der Herstellung des Kostümbildes sind auf diese Weise immer eine ganze Reihe von Gesichtspunkten zu beachten.

Wann kommt der Kostümbildner zum ersten Mal mit seinen Ideen zu Ihnen?

Ungefähr zwei Monate vor dem Probenbeginn einer Inszenie- rung wird ein Abgabetermin für das Kostümbild festgelegt, um eine Planung der benötigten Arbeitszeit zu ermöglichen und eine ausreichende Vorbereitungszeit zu gewährleisten. Es werden am Hans Otto Theater immer drei bis vier Inszenierungen parallel produziert. Die Arbeitsabläufe müssen in diesem Sinne gut inein- ander greifen. Mit den Anproben beginnen wir möglichst nicht vor Probenbeginn, damit die Schauspieler schon auf ihre Rollen eingestellt sind.

Was tragen die Schauspieler auf den Proben?

Sie bekommen von uns Probenkostüme aus dem Fundus, die den entworfenen Kostümen ungefähr entsprechen. Entscheidend sind dabei auch die passenden Materialeigenschaften: Wenn z. B.

eine Figur einen schweren Schritt haben soll, weil sie dicke Stiefel tragen wird, müssen wir dem Schauspieler von Anfang an ähnli- ches Schuhwerk für die Probenarbeit anbieten. Wenn die Figur ein sehr damenhafter Typ ist, muss die Schauspielerin ab Be- ginn der Proben Schuhe mit hohen Absätzen ausprobieren. Das Schuhwerk beeinflusst die Bewegungen. Genauso verhält es sich auch mit dem Rest des Kostüms.

Was sind dabei die besonderen Anforderungen an eine Kos- tümdirektorin?

Zu meiner Abteilung gehören die beiden Gewandmeisterinnen, die Schuhmachermeisterin, jeweils vier Kollegen in der Damen- sowie Herrenschneiderei und vier Ankleider, die sich um die Kostüme während und nach den Vorstellungen kümmern. Meine Arbeit besteht darin, mit allen Gästen und Kollegen zu kommuni- zieren, zu planen, zu beraten, zu recherchieren, zu kalkulieren, zu bestellen und dabei die Finanzen im Auge zu behalten. Wenn es meine Zeit zulässt, übernehme ich auch praktische Gestaltungs- aufgaben. Sehr wichtig und zeitaufwändig ist es auch, den Fundus zu pflegen. Wenn ein Stück abgespielt ist, werden die Kostüme nicht weggeworfen – sie bekommen dort ein Plätzchen und wer- den vielfach wieder verwendet. Damit sparen wir mehr als man denkt, außerdem haben gebrauchte Dinge oft einen Charme, den man mit neuen Sachen nur schwer erreicht. Deshalb sorge ich gemeinsam mit allen Kollegen für einen vernünftig sortierten Fundus.

Wie sind Sie zu Ihrem Beruf gekommen?

Ich habe zunächst Herrenmaßschneiderin gelernt, dann ein Prak- tikum am Theater gemacht und anschließend an der Kunsthoch- schule in Dresden Kostümgestaltung studiert. Danach arbeitete ich einige Jahre als Kostümassistentin. Als 1999 die Stelle in Pots- dam ausgeschrieben war, bewarb ich mich als Kostümdirektorin am Hans Otto Theater. Seitdem bin ich hier.

Was ist Ihnen in Ihrer Arbeit an Nicht-Alltäglichem begegnet?

Die Arbeit macht immer besonders viel Spaß, wenn die Entwürfe aus dem Rahmen fallen. Ich denke z. B. gern an den »Drachen- reiter« zurück: Es war eine tolle Herausforderung für uns, diese besonderen Kostüme herzustellen, sich die Wege zu ihnen aus- zudenken und zu erfinden, wie das überhaupt geht, mit diesen speziellen Formen und ungewöhnlichen Materialien.

Das Gespräch führte Pressesprecherin Christine Elbel.

18.3. 22:00 angelesen »DAS BuCH FüR BERLINHASSER – FAST EINE LIEBESERKLÄRuNG« von Falko Rademacher. Ne- ben politisch Inkorrektem zu Leben und Überleben in Berlin, stellt das Buch die wichtigen Fragen des Berliner Lebens: Warum kann man Punks und Hunde manchmal so schwer auseinanderhalten? Wieso finden paranoide Rentner mehr Gehör als Familien mit Kindern? Und was treibt die Kreuzberger in ihrem Kampf gegen Spekulanten und Fastfood-Ketten an? Ein Buch, das allen aus der vergrämten Seele spricht, die Berlin hassen und trotzdem gerne dort leben.

20. 3. 18:00 literarischer salon Wenn die Leipziger Buchmesse ihre Türen schließt, eröffnet OLIVER GELDENER von Potsdam TV im nachtboulevard die Gesprächsrunde zur 3. Folge des Literarischen Salons – gemeinsam mit dem Potsdamer Literaturhändler CARSTEN WIST, dem ehemaligen Innenminister des Landes Brandenburg JÖRG SCHÖNBOHM und GRETEL SCHuLZE vom Kabarett »Obelisk«. Folgende aktuelle Neuerscheinungen werden zur Diskussion stehen: Richard Price’ »Clockers«, Houellebecqs

»Karte und Gebiet«, Glavinics »Lisa« und die bisher unveröffentlichte ungekürzte Fassung von Falladas »Jeder stirbt für sich allein«.

26.3. 22:00 live »SuSIE ASADO« Susie Asado ist der musikalische Spielplatz der Songwriterin Josepha Conrad und ihrer Freun- de. Sie erzählen in Wortkettenliedern Geschichten von der Grenzpolizei, von Tintenlumpen, von Flugzeugen, kleinen Plastikfiguren und Wolkenkratzern. »Mit mädchenhaftem Charme, sprödem Gesang, zart gezupften und teilweise bezaubernd schiefen Gitarren- und Ukulelemelodien knüpft Susie Asado folkige, verwirrend schöne Songperlen zu einem Schmuckstück.« (tip) Präsentiert von friedrich – Zeitschrift für Potsdam

4. 4. 21:00 live »CHING CHONG SONG« Die New Yorker Anti-Folk-Szene liefert den Sound der Stunde, und wer Ching Chong Song je live erlebt hat, wird sich ihre Mischung aus Klassik, Queer, Punk und 20er-Jahre-Revue garantiert nicht entgehen lassen. Im Rahmen ihrer Europatournee machen sie jetzt Halt in der Reithalle. Das schrägste Konzerterlebnis des Jahres – direkt aus Brooklyn, NY! Präsentiert von friedrich – Zeitschrift für Potsdam

29. 4. 22:00 late show »IM MuND SCHWIMMEN STERNE« Geschichten aus dem sogenannten »wirklichen Leben«, mit Texten von Matthias Dix. Andrea Thelemann singt Arien, Lieder und Chansons von Mozart bis Weill. Christian Deichstetter begleitet sie am Piano.

(7)

12 im spielplan

Katja Dietrich-Kröck

Künstlerische Leiterin des KUNSTRAUM Potsdam und Programmverantwortliche für die Bereiche Film und Literatur im »Waschhaus«

Katja Dietrich-Kröck, 1971 geboren, ist seit 2006 künstlerische Leiterin der »Waschhaus«-Galerie KUNSTRAUM POTSDAM auf dem Gelände der Schiffbauergasse. Sie hat an der Universi- tät Potsdam und der University of Edinburgh Lehramt für die Fächer Deutsch, Englisch und Kunst studiert. Danach folgten Lehrtätigkeiten in Großbritannien und Thailand. Seit 1994 ist Katja Dietrich-Kröck im »Waschhaus« für die Bereiche Film und Literatur verantwortlich. Später übernahm sie zusätzlich die Ga- leriearbeit. Neben diesen Tätigkeiten hat sie regelmäßig Gastdo- zenturen an verschiedenen Hochschulen und Universitäten inne.

Es ist ein Abend, der daran erinnert, dass die internationale Gemeinschaft – und mit ihr Deutschland – in Afghanistan eine große Verantwortung übernommen hat. Deutsche Welle

Viel aktueller kann Theater nicht sein. Berliner Morgenpost

»Potsdam – Kundus« kann und will nicht mehr sein als Anstoß, sich selbst mit dem Konflikt zu beschäftigen. Was schwierig genug ist. Aber es gelingt. Märkische Allgemeine Zeitung

Es ist gut, dass diese authentischen Texte sechs gute Schauspieler spielen. … Sie räumen den Blick frei auf die Widersprüche, in die jede ernsthafte Beschäftigung mit dem Afghanistan-Krieg führt, führen muss. Berliner Zeitung

Nicht aus dem Einzelschicksal, sondern aus dem Geflecht der unterschiedlichen Perspektiven entwickelt sich die Verfahrenheit und Ausweglosigkeit, um die es hier geht. nachtkritik.de

So simpel und gleichzeitig so wuchtig, packend und erschütternd. Potsdamer Neueste Nachtrichten

Was ist dein Lieblingsort in Potsdam, und was macht ihn so besonders?

Oh, das ist schwierig – ich fürchte, für mich gibt es sehr viele Lieb- lingsorte in Potsdam. Da ist zum Beispiel das Belvedere auf dem Pfingstberg, von dem man den schönsten Blick über Potsdam hat, oder der Neue Garten, durch den mein Weg ins Büro führt und der morgens etwas unvergleichlich Beruhigendes ausstrahlt.

Oder das »Bagels & Coffee«, wo ich gerne frühstücke, weil ich dort bei einem Eiersalatbaguette alle regionalen Tageszeitungen quer lesen kann. Oder der »Literaturladen Wist«, eine der letz- ten Buchhandlungen »mit Seele«, wo man nicht nur alle wich- tigen Bücher kaufen, sondern auch immer ein gutes Gespräch über (fast) alle wichtigen Fragen des Lebens führen kann. Oder eben auch die Schiffbauergasse, die vielleicht in ihrer Gesamtheit noch nicht das ist, was wir uns bisweilen erträumt haben, aber trotzdem schon jetzt –neben den großen Kulturanbietern – viele wunderbare kleine Orte bietet. Beispielsweise das T-Werk, wo ich mit meinem Sohn Anton in den sympathisch-undidaktischen Kinderstücken Stammgast bin. Oder das Restaurantschiff »John Barnett«, wo man im Sommer auf dem Oberdeck dank des fan- tastischen Blicks über den Tiefen See zum Babelsberger Park die vielleicht schönsten Mittagspausen in ganz Potsdam verbringen kann.

Wie sollte Potsdam in zehn Jahren aussehen, wenn du es dir erträumen könntest?

Ich wünsche mir eine offene, junge Stadt, die Reibung zulässt und sich nicht nur zum Aufbau der Fassaden der Vergangenheit, sondern auch zum Zeitgenössischen bekennt.

Was treibt dich ins Theater?

Theater hat mich schon immer fasziniert. Im Hans-Otto-Theater in der Zimmerstraße habe ich keine Inszenierung ausgelassen.

Stücke wie Heiner Müllers »Wolokolamsker Chaussee« haben mir neue Welten eröffnet. Obwohl ich damals, mit 16 oder 17, die ganze Dimension des Textes und des Gesehenen vermutlich kaum erfasst habe. In den 90ern zog es mich dann mehr in die Berliner Theater, und seit Kurzem versuche ich wieder, in Pots- dam keine Premiere zu verpassen. Was genau diese Faszination ausmacht, kann ich gar nicht so richtig beschreiben. Ich glaube, es hat etwas mit der Unmittelbarkeit, der Einmaligkeit des Mo- ments zu tun, mit der Begeisterung für Text, für Sprache. Mit der

Freude an gutem Schauspiel, mit der sehr direkten Emotionalität, mit Horizonterweiterung und und und.

Was ist dir unvergessen geblieben?

»Murx den Europäer« an der Volksbühne war eine Inszenierung, die sich bis in kleinste Textdetails bei mir festgesetzt hat. Schon das brillante Bühnenbild war Grund genug, sich das Stück immer wieder anzusehen. Wunderbar auch: »Wer hat Angst vor Virgi- nia Woolf?« am Deutschen Theater. Die Wucht der Inszenierung und das fast schmerzhaft intensive Spiel von Corinna Harfouch und Ulrich Matthes waren atemberaubend. Beim letzten UNI- DRAM-Festival hat mich die »Gruppo Nanou« begeistert. Etwas Vergleichbares habe ich im Bereich des Visuellen Theaters bisher nicht gesehen. Sie haben eine filmische, fast malerische Bilderwelt erzeugt, die durch eine enorme Reduktion und einen faszinie- rend präzisen Umgang mit Licht, Körper, Bewegung, Klang, und Raum geschaffen wurde. Zuletzt war es die grandiose »Turm«- Inszenierung am Hans-Otto-Theater, die mich sehr bewegt hat und noch lange nachwirken dürfte.

Wo können Bildende und Darstellende Kunst eine Beziehung eingehen?

In der zeitgenössischen Kunst sind solche Beziehungen nicht mehr wegzudenken, spätestens seit dem Einzug performativer Verfahren in die Bildende Kunst. Es geht ja heute nicht mehr nur um die Präsentation materiell greifbarer Objekte, sondern im- mer wieder auch um die Inszenierung von Räumen, von Erfah- rungen, von Körpern mit theatralen Mitteln. Ein sehr populäres Beispiel dafür sind die Arbeiten von Tino Sehgal, der zuletzt das Guggenheim in New York bespielt hat. Aber so weit muss man nicht mal gehen.

Umgekehrt spielt die Bildende Kunst im Grunde bei fast jedem Theaterabend eine Rolle, da dieser beispielsweise ohne gutes Bühnenbild nur schlecht denkbar ist. Jeder Bühnenbildner ist ja letztlich ein Bildender Künstler, dessen Arbeiten Kunstwer- ke sind, die im Idealfall auch isoliert in Galerien funktionieren können, aber ihre eigentliche Bestimmung natürlich erst im Büh- nenkontext erhalten. Wie zum Beispiel der großartige »Wald«

aus dem »Turm«. Nicht umsonst zieht es ja immer wieder auch Künstlerstars zum Bühnenbild. Ich denke nur an Jonathan Mee- se, Gottfried Helnwein oder Ai Weiwei.

13 potsdamer porträt

»Potsdam-Kundus« uA

Der schwierige Weg zum Frieden in Afghanistan

Buch und Regie Clemens Bechtel bühne und kostüme Till Kuhnert video Steffen Lozanski, Till Kuhnert Es spielen Nele Jung, Terishkova Obaid a. G., Friederike Walke; Friedemann Eckert, Christoph Hohmann, Marcus Kaloff, Michael Schrodt Spielort Reithalle

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Doch wird diese Klassikererkundung ein stimmiger, intimer, ebenso tragischer wie komischer Abend. Denn bei aller Verspieltheit und allem Raffinement im Inszenierungskonzept gelingt Cathomas vor allem eines, das Wichtigste: Er lässt seine Schauspieler wachsen, mit- unter über sich hinaus. Märkische Allgemeine Zeitung

Juliane Götz als Julia kann mit einer überwältigenden Kombination aus Entschlossenheit und Hingabe, aus Scharfsinn und somnambuler Konzentration, aus Zartheit und Stabilität aufwarten. Auch sprachlich weiß sie wunderbar zu überzeugen.

Die Darsteller formieren sich zum Schlussbeifall und erhalten ihn vom dankbar aufatmenden Publikum, lautstark und lang.

Potsdamer Neueste Nachrichten

Der Romeo-und-Julia-Stoff hat viele Variationen erlebt, umso schöner, dass sich Bruno Cathomas im Potsdamer Hans Otto Theater fast altmodisch wieder auf den Kern der Sache konzentriert: Die Liebe. Berliner Morgenpost

Cathomas ist eine Koryphäe in der Seelenausbruchskunde. Bei ihm gibt es nur eine Regieanweisung: Trau dich! Berliner Zeitung

Nackt II

Mit ihren musikalisch anspruchsvollen Akustikkonzerten haben sich die Potsdamer von SUBWAY TO SALLY längst einen hoch res- pektierten Platz in den Herzen von Publikum und Kritik erspielt. Ein aufwändig gestaltetes Bühnenbild, neu konzipierte Outfits und zwanzig der erfolgreichsten Songs der Band in einfühlsamen Arrangements begeistern auf ganzer Linie; die Tournee setzte in der Bran- che noch einmal vollkommen neue Maßstäbe. Aufgrund der großen Nachfrage haben sich die Potsdamer entschlossen, im Frühjahr 2011 noch einige Zusatzkonzerte zu geben – unwiderruflich die letzten, bei denen man »Nackt II« noch einmal genießen kann. – »Das Phänomen aus Brandenburg.« (Mitteldeutsche Zeitung)

konzert 29. März um 20:00 ort Neues Theater

15 zu gast 14 im spielplan

Candide Komische Operette in zwei Akten von Leonard Bernstein

1956, ein Jahr vor dem Welterfolg seiner »West Side Story«, gelang Leonard Bernstein das Kunststück, Voltaires satirischen Roman

»Candide oder Der Optimismus« in ein bühnenwirksames Musical zu verwandeln. Voltaire verstand seinen Roman, der nach Erschei- nen 1759 verboten wurde, als Attacke gegen seinen Zeitgenossen Leibniz und dessen Philosophie, nach der die Menschen in der »besten aller möglichen Welten« lebten. Candide, erzogen im Leibnizschen Sinne, ist fest davon überzeugt, dass die Welt zutiefst gut sei. Doch eine ausgedehnte Weltreise von Westfalen nach Lissabon, über Spanien und Südamerika in ein fiktives Eldorado treibt ihn von Desaster zu Desaster und lässt ihn nur knapp überleben. Am Ende seines absurden Stationendramas hat er gelernt: »Wir müssen uns um unsern Garten kümmern.«

Musikalische Leitung Marc Niemann Regie Wolfgang Lachnitt bühne Rüdiger Tamschick kostüme Christian Albert choreografie Christian Möbius Es spielen Solisten, Opernchor und Philharmonisches Orchester des Staatstheaters Cottbus aufführungen 30. April um 19:30 und 1. Mai um 17:00 spielort Neues Theater

Staatstheater Cottbus

william shakespeare

Romeo und Julia

regie Bruno Cathomas bühne Thomas Giger kostüme Elke von Sivers mit Meike Finck, Juliane Götz, Elzemarieke de Vos;

Simon Brusis, Holger Bülow, Jan Dose, Eddie Irle, Florian Schmidtke, René Schwittay, Wolfgang Vogler Spielort Neues Theater

Subway To Sally

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#7

SIMON BRuSIS

Welcher ist Dein Lieblingsfilm? Einen wirklichen Lieblingsfilm habe ich nicht, da gibt’s zu viele gute. Letztes Jahr hat mir im Kino »Un prophète« vielleicht am besten gefallen. Was ist an ihm bemerkenswert? Es ist die Geschichte einer Knastkarriere.

Ein Kleinkrimineller kommt in den Knast und kehrt zurück als der neue und mo- derne Pate. Ich hatte das Gefühl, dass in diesem Film das Leben im Gefängnis, die Möglichkeiten, in der Hierarchie aufzusteigen, realitätsnah gezeigt werden. Krimi- nalität heute, fern von jeglicher Romantik oder Übertreibung. Welchen Film willst Du Dir unbedingt noch anschauen? Unbedingt ansehen will ich mir »Geister«

von Lars von Trier, kein Film, sondern eine Serie. Was interessiert Dich daran?

Was Serien betrifft, bin ich sehr ungebildet. Die einzige, die ich mir begeistert fast komplett angeschaut habe, ist »Twin Peaks« von David Lynch. »Geister« ist so etwas wie die dänische Antwort …

FRIEDEMANN ECKERT

Welches Buch liest Du gerade? Letzte Woche durchgelesen: »Tschick« von Wolfgang Herrndorf. Mit dem geklauten Lada durch die ostdeutsche Provinz. Ein sehr lustiger und berührender Abenteuerroman. Jetzt hab ich mir die neue Kleist-Biographie von Peter Michalzik bestellt. Welches Buch kannst Du nicht vergessen? »Sternstunden der Menschheit« von Stefan Zweig. Wovon träumst Du immer wieder gern? Von einer ganz bestimmten Frau. Welches Probenerlebnis geht Dir nicht mehr aus dem Kopf? Ach, das behalt ich dann doch lieber in meinem Kopf.

WOLFGANG VOGLER

Wofür brennst Du? Für die Liebe. Für immer und ewig. Was sonst? Was ist aus- gebrannt? Das Mäusehaus in »Der Riese Rick macht sich schick« (meine Kinder- buchempfehlung). Wofür hättest Du gerne mehr Zeit? Für eine wahnsinnig schöne Reise. Wofür gerne weniger? Bei dem beschleunigten Tempo, in dem wir leben, wär ich doch verrückt, mir weniger Zeit zu wünschen …

16 fragebogen

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