• Keine Ergebnisse gefunden

OPUS 4 | Theatermagazin 15

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "OPUS 4 | Theatermagazin 15"

Copied!
9
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Magazin#15

(2)

Theaterkasse Mo-Fr 10-18 Uhr, Sa 10-14 Uhr außer an Feiertagen Telefon (0331) 98 11- 8 Fax (0331) 98 11-900

e-Mail kasse@hansottotheater.de

Die Abendkasse öffnet eine Stunde vor Vorstellungsbeginn.

Abonnementbüro Mo / Do 10-12 Uhr und 16-18 Uhr Telefon (0331) 98 11-950 Fax (0331) 98 11-980 e-Mail abo@hansottotheater.de

Öffentlichkeitsarbeit / Marketing Telefon (0331) 98 11-120 Fax (0331) 98 11-128 e-Mail m.schoenfeld@hansottotheater.de herausgeber Hans Otto Theater GmbH Potsdam | Schiffbauergasse 11 | 14467

Potsdam intendant Tobias Wellemeyer geschäftsführender direktor Volkmar Raback Kuratoriumsvorsitzende Dr. Iris Jana Magdowski | Amts- gericht Potsdam, HRB 7741 Redaktion Dramaturgie und Öffentlichkeitsar- beit Layout Thomas Matauschek fotografie HL Böhme (Eisvogel, Waisen, Volksfeind, Porträt Finkenwirth), Göran Gnaudschun (Titel, Drei Mal Leben, Wunschpunsch, Marnie fliegt, Porträts S. Dahme und A. Finkenwirth, Foyer), Uta Protzmann (Theaterfest), Frank Brendel (Porträt J. U. Sprengel) Druck Brandenburgische Unversitätsdruckerei und Verlagsgesellschaft Potsdam mbH Ein Unternehmen der Landeshauptstadt Potsdam, gefördert mit Mitteln der Lan- deshauptstadt Potsdam und des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg.

2 intro

Oktober-November 2012 www.hansottotheater.de

3 im spielplan

Liebe Besucher des Hans Otto Theaters,

am 8. September sind wir mit einem Großen Theaterfest schwungvoll in die neue Saison gestartet. Über 3.500 Gäste haben das Theater vor und hinter den Kulissen erkundet, an öffentlichen Proben teilgenommen, in einer kleinen Theaterweltreise unser Programm kennengelernt, Aufführungen besucht und mit uns den Auftakt der Spielzeit gefeiert.

Ich freue mich auf eine reiche und vielfältige Spielzeit 2012/2013. Sie beginnt mit einer Uraufführung. In Uwe Tellkamps Ge- genwartsroman »Der Eisvogel« wird die Geschichte eines sensiblen und hochbegabten jungen Mannes erzählt: Wiggo Ritter wird Philosoph, um zu erkennen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Aber die Gesellschaft hat keine Verwendung für ihn. Er findet Halt bei einem Freund, der ihn in einen demokratiefeindlichen Kreis einführt. Wie in seinem Wenderoman

»Der Turm« gelingt Uwe Tellkamp mit dieser Geschichte ein brisantes Zeitporträt. Stefan Otteni wird »Der Eisvogel« in der Bearbeitung von Ute Scharfenberg inszenieren.

In Henrik Ibsens »Ein Volksfeind« entdeckt der Arzt Tomas Stockmann, dass das gute Wasser, das seine Heimatstadt in ein gewinnbringendes Kurbad verwandelt hat, durch Industrieabwässer verseucht ist. Aber wer will diese Wahrheit hören? Ibsen ließ 1883 ein Szenario erstehen, das uns auch heute noch den Widerspruch zwischen der Macht im Staat und der Macht, die vom Volke ausgeht, modellhaft vor Augen führt.

Yasmina Reza, die feinsinnige und gnadenlose Beobachterin bürgerlicher Denk- und Handlungsweisen, gibt in ihrer klugen Komödie »Drei Mal Leben« einem Astrophysiker mit Karrierehoffnungen die Gelegenheit, einen Abend mit seinem Chef in drei verschiedenen Versionen zu erleben.

Für Kinder und Familien hat unsere Spielzeit bereits mit zwei Premieren begonnen: Peter Kube hat Michael Endes lustigen

»Wunschpunsch« auf die Bühne gezaubert, und Kerstin Kusch hat die neunjährige Marnie McPhee auf ihrem Flug zum Mars und zurück begleitet. »Marnie fliegt« heißt diese Deutschsprachige Erstaufführung des neuen Stückes von Daniel Karasik.

Ich freue mich auf Ihren Besuch! Ihr

Tobias Wellemeyer, Intendant

»Man merkt der Inszenierung an, dass sehr präzise und intensiv an kleinsten Gesten gearbeitet wurde.«

www.nachtkritik.de

»Mit Regisseur Stefan Otteni und den Schauspielern Franziska Melzer, Alexander Finkenwirth und Rapha- el Rubino hat Dennis Kelly vier Künstler gefunden, die seine ›Waisen‹ meisterhaft auf die Bühne bringen.«

PNN

»… eine der herausragendsten Inszenierungen dieser Spielzeit!« PNN

Waisen von Dennis Kelly

#15

(3)

4-5 premiere

Bühnenbearbeitung Ute Scharfenberg

Regie Stefan Otteni Bühne+kostüme Anne Neuser mit Rita Feldmeier,

Marianna Linden, Franziska Melzer, Elzemarieke de Vos;

Alexander Finkenwirth, Bernd Geiling, Dennis Herrmann, Jon-Kaare Koppe, Philipp Mauritz, Peter Pagel, Raphael Rubino, Wolfgang Vogler

sowie Christian Deichstetter u. a.

Premiere 28. September 2012 vorstellungen

Oktober: 6. / 7. / 19.

November: 10. / 23.

Spielort Neues Theater

Uwe Tellkamps Roman »Der Eisvogel« spielt in Berlin und Pots- dam und am Starnberger See. Er ist überraschend wie ein Kalei- doskop: Je nachdem, von welcher Seite man in ihn hineinliest oder hineinsieht, ist er Politthriller oder Gesellschaftspanorama, Fiebertraum oder Zeitporträt, Menschenschicksal oder Parabel.

»Die Orte mischen sich, die Stimmen«, heißt es darin. Wie im Bewußtsein eines Menschen überlagern sich Realität und Wahr- nehmung, Erinnerung und Konstruktion. Das macht diesen Ro- man nicht nur zu einer Herausforderung für den Leser, sondern auch zu einem ergiebigen Material für die Bühne. Der Roman unterbreitet ein außerordentliches Denkangebot. Er fragt ganz offen: Wie hältst du’s mit der Demokratie?

»Der Roman versucht auf sehr eigene Weise, die Demokratie- müdigkeit in Deutschland zu fassen. Ich kenne keinen anderen Roman, der das so extrem und anspruchsvoll und in so inter- essanter Form täte.«, so Regisseur Stefan Otteni. »Dieses Buch unternimmt eine ganz große Gesellschaftsbeschreibung. Die Hauptfigur Wiggo Ritter geht durch die verschiedensten Mili- eus. Wiggo trifft Banker, Unternehmer, humanistische Bildungs- bürger, Altadlige und eine Berlin-Mitte-Gesellschaft, die sich in Zynismus gefällt. Überall hört er: ›Die Demokratie funktioniert nicht‹. Und, was mich beim Lesen des Romans überrascht hat, ein großer Teil der Analyse dieser Demokratiefeinde ist auch nachvollziehbar. Auch ich habe Schwierigkeiten, das, was wir in Deutschland üblicherweise Demokratie nennen, als die De- mokratie zu begreifen, wie ich sie als junger Mensch verstanden habe.«

Und der Roman provoziert doppelt, denn seine Hauptfigur Wig- go ist ein talentierter junger Mann. Er ist einer von uns, begabt und interessiert, ein Altruist – wie geschaffen, ein Aufklärer zu sein. »Nach ›Der Turm‹, nach dem Weg eines jungen Mannes durch die letzten Jahre der DDR sehen wir jetzt, im Gegenstück

›Der Eisvogel‹, ein Westpendant – auch ein Idealist, dem es nicht besser geht. Man wird sehen, daß es viele Parallelen gibt.«, hebt Otteni hervor. Wie in »Der Turm« hat Uwe Tellkamp die bri- sante politische Dimension der Handlung eng verknüpft mit der berührenden Geschichte eines jungen Menschen. Wiggo Ritter löst sich aus dem privilegierten Milieu seines Banker-Vaters,weil ihm dessen Welt des Geldes und der Gier zynisch und asozial erscheint. Stattdessen studiert er Philosophie. Er will erkennen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Beobachtend und analysierend stellt er sich der Realität – einer Realität, die ihm zutiefst unruhig und verunsichert, zugleich stagnierend und utopielos erscheint. Angesichts dieser Gegenwart, einer Welt der Krisenängste und Schreckensnachrichten, eines geradezu vor- apokalpytischen Chaos’, verliert er das Vertrauen in die Denktra- ditionen der kritischen Vernunft und in die einst revolutionären Maßgaben der modernen Bürgergesellschaft: Freiheit, Gleich- heit, Brüderlichkeit. Die Begriffe und Denkfiguren der Aufklä- rung fassen für Wiggo die zersplitterte Wirklichkeit nicht mehr, haben sie vielleicht in ihrer Ablehnung des gedanklich und po- litisch Irrationalen nie gefaßt. Auf der Suche nach Zuspitzung, nach ganz neuen Ansätzen, öffnet er sich auch Denkweisen, die provozieren. Er legt eine glänzende Doktorarbeit vor. Sein The- ma: die Utopien. Aber die Gesellschaft scheint keinerlei Verwen- dung für ihn zu haben. Der akademische Betrieb läßt ihn fallen.

Er verliert den Anschluß, und er verliert seine Behaustheit in der Gesellschaft. Er stürzt ab, aber an seinem tiefsten Punkt macht er eine Bekanntschaft, die seine Gedanken und Gefühle näher

angeht: Er trifft auf ein faszinierendes Geschwisterpaar, das seine Herkunft und seine Fragen teilt: Mauritz und Manuela Kaltmeis- ter. Wie Mephisto den Faust führt Mauritz Wiggo durch die Welt, zeigt ihm die Verhältnisse und Umgangsweisen einer bürgerli- chen Elite, die ihm mal skurril und bizarr, mal wie ein Alptraum oder eine Walpurgisnacht erscheinen. »Die Kraft, die Tellkamp beschwört, ist die Kraft der alten Kultur.«, faßt Otteni zusammen.

»Bei aller mitunter farcenhaften Zuspitzung ist der Stoff ein gutes Material, davon zu erzählen, wie die Fetische dieser kulturellen Elite in eine faschistoide Gedankenwelt münden«. Denn durch Mauritz und Manuela wird Wiggo auf einem Landsitz am Starn- berger See in einen Kreis eingeführt, »in dem sich«, so Otteni,

»die alten Geschäfte mit den neuen Geschäften treffen, die Füh- rungselite mit der Geldelite«. Hier diskutiert man über Politik, hier kritisiert man das demokratische System als Hemmschuh jeden Fortschritts. Hier greift man zurück auf rechtskonservati- ves Gedankengut, das zu Recht in der Vergangenheit versunken schien. Nicht nur das: Hier ist man bereit, mit dem humanis- tischen Menschenbild grundsätzlich zu brechen. Man ist bereit, sich auf eine quasi naturgesetzliche Ungleichheit der Menschen zu einigen und an einem Gesellschaftsmodell zu arbeiten, das dem Rechnung trägt: einem Modell des klar getrennten Oben und Unten, des Führens und Geführtwerdens, des Herrschens und Dienens.

Bei aller Skepsis schließt Ritter sich diesem Kreis an, einschließ- lich der Konsequenz, zu der Mauritz als radikaler Vordenker ihn führt: Er bekennt sich zur »aus der Analyse logisch folgenden Tat«. Stefan Otteni: »Im Italien der letzten zwanzig Jahre oder jetzt in Griechenland zeigt sich, daß das Bekenntnis zur Demo- kratie doch sehr zerbrechlich ist. Wenn der Wohlstand in Gefahr ist, tun Menschen aus Angst – ein wichtiges Stichwort im Roman – vieles, was man nicht für möglich hielt, und die großen Ver- einfacher sind wieder am Werk und bieten scheinbar einfache Lösungen für komplizierte Fragen an.«

Spät erkennt Wiggo, daß er Teil einer demokratiefeindlichen Be- wegung geworden ist, daß sein Freund Mauritz ein Terrorist ist.

Er muß sich entscheiden: für oder gegen seine Grundüberzeu- gungen, für oder gegen seinen Freund. Otteni: »Man kann dar- aus einen Theaterabend modellieren, der sehr klar fragt: Was ma- chen wir mit diesen Ansätzen? Ich möchte einen Theaterabend finden, der über Gesellschaft groß erzählt, über Haltungen, Ab- sichten erzählt, knapp und verkürzt, aber nicht zu knapp und verkürzt. Er soll dem Zuschauer zumuten, sich in den gedank- lichen Vorlauf des Terrors einzuarbeiten und den Umschwung zum individuellen Terror mitzuerleben. Er soll sich auch mit der Frage befassen, ob etwas philosophisch richtig und voller Schön- heit, aber politisch unwahr und zerstörerisch sein kann. Ähnlich, wie Wiggo es formuliert: ›Die Liebe ist das Transportmittel des scheinbar Guten, in der Folge aber oft des Bösen. Die Liebe ist das Problem.‹ Ich hoffe, eine gedankliche Kontroverse aufzuma- chen, die ein schnelles Urteil verhindert.«

Ute Scharfenberg

Wie hältst du’s mit der Demokratie?

Uwe Tellkamps Roman »Der Eisvogel« stellt brisante Fragen. Stefan Otteni inszeniert die Uraufführung am Hans Otto Theater.

Wolfgang Vogler spielt den Mauritz, Alexander Finkenwirth den Wiggo in »Der Eisvogel«

Uwe Tellkamp

Der eisvogel

Mit freundlicher Unterstützung

(4)

6-7 premiere Wahrheitssucher

Henrik ibsen

ein Volksfeind

Es ist zweifelsohne das Stück der Stunde. Landauf, landab be- fassen sich Theater in ganz Deutschland mit Henrik Ibsens »Ein Volksfeind«, immerhin fast 130 Jahre nach der Uraufführung am Christiania Theater im heutigen Oslo. Die derzeitige Popularität des Stoffes speist sich sicherlich zum einen aus den Themen, die das Stück aufgreift. Da gibt es den Umweltskandal, so dass man- che »Ein Volksfeind« als ein frühes Stück der Ökologiebewegung bezeichnen. Ibsen lotet Medienmacht und Manipulation aus, äu- ßert sich zu Lobbyismus, Demokratieverständnis und zum ge- sellschaftlichen Diskurs und lässt zudem seine Figuren in einem Spannungsfeld zwischen Politik und Familie, Idealismus und Pragmatismus, öffentlichen Rollen und puren Eigeninteressen, Zukunft und Vergangenheit, Wahrheit und Manipulation auftre- ten. Es geht um viel, und wenn schon eines dieser Themen allein für manch anderes Stück ausreichen würde, so schafft es Ibsen im »Volksfeind«, auch diese Themenpalette noch zu erweitern.

Die Errichtung eines neuen Bades soll den Bürgern der Stadt Wohlstand bringen. Doch Tomas Stockmann, der angesehene Badearzt der kleinen Stadt, macht eine brisante Entdeckung.

Seine Untersuchungen ergeben, dass das Badewasser durch In- dustrieabwässer verseucht ist. Mit diesem Wissen möchte er mit Hilfe der Zeitungsredakteure Hovstad und Billing so schnell wie möglich an die Öffentlichkeit. Bald wird klar, dass eine Sanie- rung des Bades teuer würde. In der Gemeinde bricht ein hefti- ger politischer Schlagabtausch aus. Tomas Stockmann weiß sich eins mit der öffentlichen Meinung, doch an die Spitze der »Prag- matiker« stellt sich ausgerechnet sein Bruder Peter, der Bürger- meister. Für ihn haben die wirtschaftlichen Belange Vorrang vor allen hygienischen Bedenken. Vehement setzt er sich für die Vertuschung des Vorgangs ein, denn – so seine Argumentation – die Sanierung des Bades würde zu immensen Kosten, erhebli- chen Einnahmeausfällen und Arbeitslosigkeit führen. Auf einer Bürgerversammlung kommt es zum Entscheidungskampf der Kontrahenten. Tomas Stockmann versteigt sich zu einer fanati- schen Streitrede, bei der es längst nicht mehr um die Fakten geht – vielmehr wählt er sich die gesamte bürgerliche Gesellschaft zur Zielscheibe. Nicht einmal von den dramatischen persönlichen Konsequenzen seiner Rede lässt sich Tomas in seinem Kampf für die Wahrheit beirren …

Es ist vor allem dieser radikale Bruch, der sich in Tomas Stock- manns Rede offenbart, der für den Regisseur Markus Dietz zu einem zentralen Thema des Stückes wird. Für Tomas Stockmann spitzt sich das Problem zu einer Frage nach der Moral im po- litischen Handeln seiner Mitbürger zu. Er stellt die Frage nach der Grundlage von Entscheidungen und ihrer Steuerung im de- mokratischen System, einem System, das ihn zum titelgebenden Volksfeind erklärt. Mit großer Schärfe formuliert Ibsen die Frage nach der Repräsentanz und der Legitimität von Mehrheitsent- scheidungen im demokratischen System. Die Provokation Ib- sens besteht vor allem darin, dass er ausgerechnet das vermeint- liche Opfer der Intrige, Tomas Stockmann, eine dialektische Wendung vollziehen lässt, indem er Stockmann radikale Thesen wie »Die Mehrheit hat die Macht – leider; aber das Recht hat sie nicht« in den Mund legt, die ihn als den besserwisserischen und gefährlichen Spießer entlarven, den er selbst in der Mehrheit der Bevölkerung vermutet.

In der Unversöhnlichkeit der Stockmanns scheint Ibsen ein zutiefst pessimistisches Menschenbild zu zeigen. Die Alterna- tive zur lügenden, manipulierten und vom Markt dominierten

Öffentlichkeit (die durch die Redakteure Hovstad, Billing oder durch Peter Stockmann repräsentiert wird) kann scheinbar nur im Amokläufer oder im Diktator bestehen, einem Menschen, der sich mit seinen Positionen – so wie Tomas Stockmann – bewusst außerhalb der Gesellschaft stellt. Damit führt Ibsen einen Dis- kurs, dem wir uns immer wieder aufs Neue aussetzen müssen.

Ist nicht allein schon der Umstand, dass mit Tomas Stockmann ein Mensch vor uns steht, der einen Standpunkt vehement und gegen alle Opposition vertritt, in unserer Zeit als eine politische Provokation zu verstehen? So werden die unbequemen Wahr- heitssucher, die benennen, was wir in der Öffentlichkeit nicht wahrhaben wollen, an den Rand der Gesellschaft gedrängt.

Ibsen fügt noch eine weitere Dimension hinzu, denn nicht zu- letzt ist Stockmanns öffentlicher Ausbruch auch ein äußerst peinlicher Moment, ein Affektausbruch, der das Publikum sei- ner Rede unangenehm berührt, denn er beruht auf einer Inti- mität, die aus dem Diskurs der Öffentlichkeit verbannt wurde.

Dass Stockmanns Analyse einen wunden Punkt trifft, kann man unschwer an den aggressiven Reaktionen ablesen, die sie auslöst.

Interessant ist auch, dass mit dem eigentlich tragischen Umstand der Verbannung Stockmanns das Stück wieder in die Komik um- schlägt, die den Figuren schon von Beginn an innewohnte. Auch wenn das Stück von vielen als Tragödie ohne Tote verstanden wird, bezeichnete es Ibsen selbst als ein Lustspiel. Denn das ver- zweifelte Ringen um Macht und Wahrheit hat immer auch komi- sche Züge. Und so zeigt Ibsen mit bitterbösem Humor, was mit denjenigen passiert, die sich auf das verminte Gelände der Wahr- heitssuche begeben und des öfteren Gefahr laufen, vom Strudel der realpolitischen Ereignisse mitgerissen zu werden.

Ibsen beendet sein Stück mit einem Nachhall, der wie ein Be- kenntnis eines amerikanischen Neocon (Bezeichnung für die Neo- konservativen der amerikanischen Partei der Republikaner) da- herkommt: »Der stärkste Mann der Welt ist der, der ganz allein steht«. Ibsen lässt Stockmann in den Abgrund seiner eigenen Glücksverheißung fallen.

Helge Hübner

Regie Markus Dietz Bühne Ines Nadler kostüme Veronika Bleffert video Oliver Iserloh mit Patrizia Carlucci, Meike Finck, Melanie Straub;

Roland Kuchenbuch, Florian Schmidtke, Michael Schrodt, René Schwittay,

Axel Sichrovsky Premiere 12. Oktober 2012 vorstellungen

Oktober: 13. / 17. / 21.

November 16.

Spielort Neues Theater

(5)

Regie Tobias Wellemeyer bühne Matthias Müller kostüme Antje Sternberg

mit Marianna Linden, Andrea Thelemann;

Bernd Geiling, Jon-Kaare Koppe Premiere 9. November 2012

vorstellungen November: 11. / 17. / 18. / 30.

Spielort Neues Theater

8-9 premiere

yasmina Reza Drei Mal leben

Unvorbereitet wichtige Gäste zu empfangen, ist unangenehm – aber ist dieser Umstand die alleinige Ursache für den gereiz- ten Grundton zwischen den beiden Paaren?

Yasmina Reza entwickelt aus dieser wahrlich furchtbaren Situ- ation eine grandiose Daseinskomödie. Unser Freund Henri ist ganz mit sich beschäftigt. Er steht mit seinem Team kurz vor der Veröffentlichung einer astrophysikalischen Weltneuheit. Leider geht es nur um ein Nischenthema. Leider versteht außer einer Handvoll von Fachleuten niemand etwas davon. Die attraktive Sonja hatte einst einen anderen Mann geheiratet, einen Helden der Sterne. Ist die selbstbewusste Anwältin ab jetzt für die Er- ziehung des Kindes eingeteilt? Wo bleibt sie selbst? Das Kind will an diesem Abend nicht schlafen. Es spürt das Machtvakuum drüben im hellen Wohnzimmer. Das vorzeitige Eintreffen des renommierten Akademiemitglieds Hubert Finidori und seiner Gattin Ines ist fatal. Die Gäste kommen einen Tag zu früh. Die Rolle des souveränen Gastgebers misslingt nun dem gänzlich un-

vorbereiteten Paar völlig. Dem als Mentor der eigenen Karriere vorgesehenen Fachkollegen wird stattdessen ein Fenster in die verborgene Privatsphäre geöffnet. Als der gut informierte Hubert Henri eröffnet, dass aus der Erstveröffentlichung wohl nichts mehr wird, weil andere schneller waren, ist Henri der Situation nicht mehr gewachsen.

Es ist eine wissenschaftliche Arbeit über die Beschaffenheit dunkler Materie – das Thema »Schwarze Löcher« hat Yasmina Reza doch mit Bedacht gewählt, oder?

Das Thema ist eigentlich ein absolutes Spezialistenthema, aber in unserem Zusammenhang sehr anspielungsreich. Die Schwarzen Löcher sind auch eine Metapher für Depression. Für den selbst- zerstörerischen Stress, in den wir geraten, wenn wir den Bildern genügen wollen, die wir ständig von uns selber produzieren.

Selbst der erfolgreiche, lebensgewandte Hubert, eine Koryphäe in seiner Branche, offenbart in einer der nächtlichen Handlungs- variationen das Gefühl einer völligen Lebensleere, eine seelische Einsamkeitswüste. Erfolg ist als Droge eine Falle, die Kosten ste- hen auf der anderen Seite.

Aber wie sieht es mit der Rollenaufteilung bei diesem anderen Paar, den Finidoris, aus?

Die Machtkämpfe sind ausgetragen, die Rollen sind klar verteilt.

Auf den ersten Blick jedenfalls. Ines steckt ihr Leben vollständig hinter dem ihres Mannes zurück, sie führt ein Leben im priva- ten Raum. Hubert agiert machtbewusst, amourös, setzt sich als Mann in Szene. Sie tut, als würde sie die Verletzungen, die er ihr zufügt, gar nicht bemerken. Aber die Sterne stehen drei Mal an- ders.

Das Thema der innerfamiliären Rollenaufteilung entzündet sich ja auch immer wieder an dem Kind im Nebenzimmer … Der kleine Junge, der im dunklen Nebenzimmer liegt, will nicht schlafen, er will Aufmerksamkeit. Er will einen Apfel, er will Rox

& Rouky hören, er will seine Mama zum Schmusen. Er gibt erst Ruhe, wenn er im Zentrum ist. So wie die Erwachsenen sucht er Publikum, Bestätigung, Nähe. Genau wie die anderen, die keine Ruhe geben, bevor sie nicht im Zentrum sind. Aber wie gelingt das? Wie kommt man aus dem schwarzen Loch heraus, in das man gesperrt wurde? Im Prinzip sind alle ein bisschen wie das Kind im dunklen Zimmer. Welches Gleichgewicht bringt endlich Müdigkeit und süßen Schlaf?

»Drei Mal Leben« – das heißt in diesem Stück, dass der Abend dreimal in leicht veränderter Form stattfindet. Wann ge- schieht denn die erste Wiederholung? Gibt es dafür einen in- neren oder äußeren Impuls?

Situationen wiederholen sich auch in deinem Leben, in der Er- innerung, im Traum oder sogar tatsächlich. Wiederholung und spielerische Veränderung sind aber auch die typischen Möglich- keiten des Theaters. Es ist ein Gedankenspiel: der Astrophysiker Henri bekommt die Chance, drei Mal zu leben. Im ersten Leben wird er zum totalen Verlierer. Hubert Finidori bringt die Bot- schaft, dass die geplante Welterstveröffentlichung an der schnel- leren Konkurrenz gescheitert ist. Seine Frau Sonja demütigt ihn öffentlich, weil sie es nicht erträgt, wie ihr Mann sich vor dem mächtigen Hubert erniedrigt. Selbstverständlich wird Henri nun versuchen, es im zweiten Leben besser zu machen als im ersten.

Sonja hatte ja immerhin mal davon geträumt, dass sie die Ver- bindung mit einem Astrophysiker nach oben heben, gewisser- maßen transzendieren würde …

Ja, und nun ist sie enttäuscht über diesen mittelmäßigen Alltag mit ihm. Aus der Perspektive seiner Frau ist er ein Verlierer. Aber er spürt, dass die Zeitschleife ihm eine Chance gibt. Er versucht,

mit seinem Erfahrungsvorteil die Wirklichkeit und ihre Bedin- gungen auszutricksen. Aber alles wird noch viel schlimmer. Er wird in einen persönlichen Abgrund gerissen. Als im Morgen- grauen alles noch ein weiteres Mal beginnt, ist Henri ermüdet, ermattet und in eine beinahe wohltuende Resignation gefallen.

Wie nach einem langen Kampf. Im Zustand dieser gelassenen Resignation realisieren sich plötzlich alle Wünsche. Die schönen Dinge fliegen auf Henri zu, alles scheint zu gelingen. Der Zyni- ker Hubert geht in die Knie. Freunde bringen die Nachricht von der gelungenen Erstveröffentlichung seiner wissenschaftlichen Arbeit. Ines Finidori lernt fliegen. In diesem Moment der Ge- lassenheit, der Müdigkeit, der Leere ist Henri stark. Starksein im Loslassen. Das sieht Sonja – und da liebt sie ihn wieder wie am ersten Tag. Auch das Kind ist eingeschlafen.

Das feine Figurengeflecht zu entwirren, ist harte Arbeit – freust du dich auf die Proben?

Ich verehre Yasmina Reza und hatte die Chance, auch ihre Stücke

»Kunst« und »Gott des Gemetzels« zu inszenieren. Humorvoll und unerbittlich beschreibt sie, wie Kommunikation verläuft, wie Sprache und Denken strukturiert sind. Es macht ungeheuren Spaß, das zu entdecken. Was darunter liegt, ist manchmal tief wie ein Brunnen, in den man lieber nicht bis auf den Grund schauen möchte. Zugleich sind ihre Stücke sehr französisch, sehr leicht, sehr komisch. Die Figuren reden unentwegt, und sie reden des- halb so viel, weil sie sehr viel verbergen möchten.

Der bislang nur mittelmäßig erfolgreiche Astrophysiker Henri hofft durch eine wichtige Veröffentlichung auf einen Karrieresprung.

Dazu braucht er die Unterstützung des renommierten Kollegen Hubert Finidori. Um die Weichen zu stellen, laden Henri und seine Frau Sonja das Ehepaar Finidori zu sich zum Abendessen ein. Doch aufgrund einer Verwechslung stehen die Gäste einen Tag zu früh vor der Tür. Der Versuch, mit ein paar Flaschen Wein die Situation zu retten und gleichzeitig den sechsjährigen Sohn zum Schlafen zu überreden, geht gründlich schief. Dreimal wird sich diese Situation ereignen!

Schwarze Löcher

Tobias Wellemeyer über Yasmina Rezas Komödie »Drei Mal Leben«

(6)

11 potsdamer porträt

Jens-Uwe Sprengel

Künstlerischer Leiter von T-Werk und Unidram Potsdam (im Team mit Franka Schwuchow) und Regisseur

Welcher ist Ihr Lieblingsort in Potsdam? Die düsteren Teiche.

Was ist Ihre erste persönliche Theatererinnerung? Ich glaube mich an Hans-Jochen Röhrig zu erinnern, wie er 1970 im »Tier- häuschen« im Haus der Offiziere den Hund gespielt hat – obwohl im Tierhäuschen von Samuil Marschak ja eigentlich gar kein Hund vorkommt …

Welcher Stoff, welches Werk oder welche Aufführung hat Sie in letzter Zeit besonders angesprochen? Romeo Castelluccis Gastspiel im HAU mit »Sul concetto di volto nel figlio di Dio« hat mich mit seiner unglaublichen Intensität und Einfachheit sehr tief beeindruckt.

Welche Musik soll Sie auf eine einsame Insel begleiten? Wenn es schon eine einsame Insel sein muss, dann gibt es einige Frau- en, auf die ich nur ungern verzichten würde: u. a. Anna Calvi, PJ Harvey, Adele oder EMA.

Welches Buch würden Sie niemals weggeben? Gar keins.

Wenn Ihr Lebensweg Sie in ein Orchester geführt hätte – was wäre Ihr Instrument? Der Taktstock.

Mit welchem Künstler – historisch oder zeitgenössisch – wür- den Sie gern einmal zu Abend essen? Mit Hanns Eisler.

MP3, CD oder Schallplatte – was ist Ihre Vorliebe? Die gute alte CD.

Wann fühlen Sie sich am lebendigsten? Was für eine Frage.

Woran glauben Sie? An Spielregeln.

Worüber können Sie nicht lachen? Über Spielverderber.

Welches Bildungserlebnis ist Ihnen in Erinnerung geblieben?

Die Inszenierung »1980« von Pina Bausch anlässlich der 750-Jahr- feier in Berlin (Ost) war eines der seltenen West-Gastspiele und eröffnete mir seinerzeit eine völlig neue Sicht auf die Möglich- keiten des Theaters. Besonders die Verbindung von Komik und visueller Kraft hat mich überrascht und stark geprägt.

Worüber haben Sie sich zuletzt gefreut? Dass das aktuelle Unidram-Programmheft im Druck ist, und natürlich über die vielen alltäglichen Freuden und Genüsse.

Was war Ihr größter Erfolg? Die künstlerische Freiheit, die wir uns mit dem T-Werk erarbeiten konnten.

Potsdam in 10 Jahren – was ist Ihr Traum?

Mehr südländisches Flair und Gelassenheit. Viele neue Ufer- wanderwege, Fahrradfahrer auf verkehrsberuhigten Straßen und Wegen, Segelboote im Stadtkanal, Kinderspielplätze im Stadt- schloss und in der Schiffbauergasse.

Daniel Karasik,

der Autor unserer Familienpremiere »Marnie fliegt«, war in Potsdam zu Gast, als sich der Vorhang für das Stück zum ersten Mal hob. Der 26jährige Karasik war eigens aus dem kanadischen Toronto angereist. Er schreibt Theaterstücke, Lyrik und Prosa, leitet eine eigene Theatertruppe und steht in seinen Stücken oft auch selber auf der Bühne. Sein jüngstes Stück, »Die Unschuldigen«, wurde von Philipp Löhle in Mainz erstaufgeführt. Das Stück »Marnie fliegt« wurde für das Potsdamer Theater über- setzt und ist erstmalig in deutscher Sprache zu sehen.

Das Hans Otto Theater beteiligte sich am 15. September an der Initiatitive

»Bunt statt braun«.

Vertreter des Ensem- bles bekannten im Namen des Hauses Farbe gegen Rechts.

Unser Spezialangebot

TamiDos,

Theateraufführungen mit Gebärdendolmetschern, stand in der Endrunde für den »BKM- Preis Kulturelle Bildung 2012«. Eine Fachjury benannte die zehn eindrucksvollsten Projekte aus über 120 Bewerbungen. Mit dem Preis honoriert der Staatsminister für Kultur und Medien Bernd Neumann seit 2009 jährlich modellhafte Projekte der künstlerisch- kulturellen Vermittlungsarbeit. Um tauben und hörbehinderten Menschen ein Tor zur Theaterkunst zu öffnen, werden am Hans Otto Theater seit 1996 ausgewählte Inszenierungen in Gebärdensprache übersetzt.

»Hans Otto Theater«

Vor genau 60 Jahren, im Oktober 1952, erhielt das Theater Potsdam, das damalige Branden- burgische Landestheater, den Ehrennamen »Hans Otto Theater«. Hans Otto zählte zu den hoffnungsvollsten jungen Schauspielern Ende der 1920er Jahre. Er spielte u. a. an den Hamburger Kammerspielen, am Bayerischen Staatstheater München und am Deutschen Schauspielhaus Hamburg. Zuletzt am Preußischen Staatstheater in Berlin engagiert, wurde er als Gewerkschafter und Kommunist im Februar 1933 entlassen. Im November 1933 wurde er von der SA verhaftet und nach neun Tagen Folter aus einem Fenster gestürzt;

wenige Tage später erlag er seinen Verletzungen.

Der Förderkreis lädt ein

zu einem Inszenierungsgespräch zur Uraufführung »Der Eisvogel« im Anschluß an die Nachmittagsvorstellung am 7. Oktober. Geladen sind Stefan Otteni (Regie), Anne Neuser (Ausstattung), Ute Scharfenberg (Bearbeitung) und die Schauspieler Franziska Melzer, Alexander Finkenwirth, Bernd Geiling und Wolfgang Vogler. Es moderiert Lea Rosh. Der Eintritt ist frei.

10 im spielplan

für junge zuschauer

Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch

von MicHael enDe

Marnie fliegt

von Daniel KaRasiK

»… Juliane Götz ist mit ihren schauspielerischen Fähigkeiten ein absoluter Genuss …«

PNN

»… wahrhaftig ein schauspielerisches Feuerwerk«

PNN

11 nachrichten

(7)

13 nachtboulevard

19. Internationales Theaterfestival Potsdam

30. Oktober -- 03. November

unidram 12

Tickets unter Tel: 0331-719139 oder www.unidram.de & www.t-werk.de Belgien

Deutschland Frankreich Griechenland Italien Litauen Niederlande Russland Schweiz Tschechien

C ar ol in e K ea ti ng

Wenn man dich in der Kaschierwerkstatt besucht, hat man das Gefühl, eine phantastische, der Realität etwas entrückte Welt zu betreten – fühlst du dich wohl im Kreis deiner Geschöpfe?

Ja, absolut. Das sind alles meine Kinder.

Fällt es dir manchmal schwer, sie für die Bühne aus der Hand zu geben? Ja, sehr. Meine Figuren und Puppen bekommen alle ein Stück Seele mit. Wenn ich weiß, dass sie auf der Bühne her- umgeschmissen und zerhackt werden, tut mir das weh. Zugleich bin ich auch stolz und freue mich, wenn sie auf der Bühne stehen.

Welche gestalterischen Aufgaben landen eigentlich alle in der Kaschierwerkstatt? Es fängt an mit Architekturelementen und Materialimitation (z. B. Baumrinde), geht weiter über Skulpturen und Figuren aller Art und bis zu Puppen, Masken und Kostüm- plastiken. Oft muss ich mir Mechanismen ausdenken – gerade für die Puppen und Tiere. Märchenblumen, die sich öffnen und schließen, sind da noch verhältnismäßig einfach.

Was hat in deinem Leben den Ausschlag gegeben, als Theater- plastikerin zu arbeiten? Nach einer Ausbildung zur Reprofoto- grafin habe ich bei einer Zeitung gearbeitet und bin nebenbei zu Zeichenzirkeln gegangen. Dann hatte ich mit 19 einen Freund, der Holzschnitzereien machte und fürchterlich damit angab. Ich wollte ihm beweisen, dass ich das auch kann – und habe meine erste Skulptur geschnitzt. Als ich diese Figur in meinen Zeichen- zirkel mitbrachte, wurde der Kursleiter, übrigens der damalige Chefkunstmaler bei der DEFA, auf mein Potential aufmerksam und erzählte mir von dem Beruf des Theaterplastikers. Da wuss- te ich, was ich machen will. Ich habe meinen Job gekündigt, ein Praktikum am Hans Otto Theater gemacht und mit dem Studium

»Theaterplastik« an der Kunsthochschule Dresden angefangen.

Glücklicherweise konnte ich in Potsdam bleiben, da es damals eine Kooperation mit der DEFA gab. Das waren großartige und anstrengende Jahre, denn in der Woche habe ich bereits acht Stunden täglich am Hans Otto Theater gearbeitet, das Studium fand am Wochenende und in Abendkursen statt. Außerdem habe ich in der Zeit meine beiden Kinder bekommen.

Wie darf man sich das Entstehen deiner Arbeiten vorstellen?

Bekommst du vom Werkstattleiter den Auftrag, z. B. einen Elch mit einer Rückenhöhe von 2 m anzufertigen, oder er- hältst du vom Bühnenbildner ganz konkrete Vorgaben? Ich bin in der glücklichen Situation, sehr frei arbeiten zu können.

Meistens wird ein Thema vorgegeben und wie, bzw. mit welchem Material, ich arbeite, ist dann meine Sache. Allerdings – alle Fi- guren, die meine Werkstatt verlassen, tragen auch meine Hand- schrift: alle lächeln. Auch die Leichen.

Aber wie oder wo fängt man denn an, etwa einen riesigen Elch wie diesen hier zu modellieren? Zunächst recherchiere ich Bild- material. Im Fall des Elchs war klar, dass er ein Gestell aus sta- bilem Material braucht. Also habe ich eine konkrete Zeichnung für den Schlosser angefertigt. Dieses Gestell wird dann zunächst mit Styropor ummantelt und geklebt, so dass eine Grobform entsteht, die dann beschnitzt wird – meistens mit einem großen Küchenmesser oder der Kettensäge. Und dann wird diese Form, nachdem sie kaschiert wurde, z. B. mit Fell beklebt.

Mit dem Blick zurück auf 27 Jahre in deinem Beruf – welche Aufgabe hat dich am meisten herausgefordert? Grundsätzlich ist es immer wieder eine neue Herausforderung, denn man muss ja vieles ganz neu erfinden. Manchmal quält man sich tagelang mit einer Form, ohne wirklich weiterzukommen. Dann gibt es wieder Tage, an denen einem die Arbeit so gut von der Hand geht, man so vertieft ist, dass man unmöglich die Arbeit nach acht Stunden ruhen lassen kann. Auf jeden Fall ist dieser Elch nicht eine meiner außergewöhnlichsten Arbeiten. Ich habe auch schon ein Kamel entwickelt, ein ganzes Kinderkarussell mit Zeb- ras gebaut, einen Pfau, der ein Rad schlagen kann, erfunden und Doppelgänger von Schauspielern modelliert.

Würdest du sagen, dass du in deinem Traumberuf arbeitest?

Ja.

Das Gespräch führte Nadja Hess.

12 hinter den kulissen

Sabine Dahme

Theaterplastikerin

5. 10., 21:00 live »MENNO VELDHUIS«

14. 10., 18:00 literarischer salon

15. 10., 22:00 spezial »HOW TO USE NACHTBOULEVARD« – The Beginner's Guide

16. 10., 19:30 potsdamer köpfe »CLIMATE ENGINEERING« – Interdisziplinäre Forschung der Auswirkungen und Risiken

19. 10., 22:00 chambre privée Mit JULIANE GÖTZ und FLORIAN SCHMIDTKE 20. 10., 22:00 live »LILABUNGALOW«

26. 10., 22:00 late show »MOTTE UNPLUGGED« – Die ausgefallene 50. Vorstellung

27. 10., 21:00 friends »WOYZECK« von Georg Büchner.

Gastspiel der bühne e. V. – Theater der TU Dresden

4. 11., 19:00 open house »QUIZ & BIER & ROCK'N'ROLL«

Eintritt frei!

10. 11., 21:00 live »CAROLINE KEATING« Pop aus Kanada 24.11., 21:00 live »KLINKE AUF CINCH« Live-Electronica aus Jena

(8)

10 rückblick Großes Theaterfest!

»… viel Applaus für die De- monstration des Gesamtkunst- werkes Theater, das aus so vielen Einzelteilen besteht und in seiner Handwerklich- und Kunstfertig- keit … ein großes Stück Sinnlich- und Menschlichkeit bewahrt.«

PNN

»Blicke hinter die Kulissen waren beim Theaterfest … aus- drücklich erwünscht. 3500 Neu- gierige nutzten die Gelegenheit – bis nach Mitternacht«

MAZ

Auftakt der neuen Spielzeit am 8. September 15 spielplan Oktober november

mi 3. 17:00 Don Carlos

fr 5. 21:00 nb live MENNO FELDHUIS sa 6. 19:30 Der Eisvogel UA

so 7. 11:00 Märkische Leselust

15:00 Der Diener und sein Prinz (6+) 17:o0 Der Eisvogel UA

ca. 20:15 Der Förderkreis lädt ein mi 10. 10:00 Marnie fliegt (6+) DSE fr 12. 19:30 Premiere Ein Volksfeind sa 13. 19:30 Ein Volksfeind

so 14. 17:00 My Fair Lady 18:00 nb literarischer salon mo 15. 20:00 Tschick

22:00 nb spezial HOW TO USE NACHTBOULEVARD die 16. 19:30 Volpone Mit Einführung

19:30 nb potsdamer köpfe CLIMATE ENGINEERING mi 17. 10:00 Marnie fliegt (6+) DSE

19:30 Ein Volksfeind Mit Einführung do 18. 10:00 Marnie fliegt (6+) DSE

19:30 Der nackte Wahnsinn fr 19. 10:00 Marnie fliegt (6+) DSE

19:30 Der Eisvogel UA

22:00 nb chambre privée J. Götz und F. Schmidtke sa 20. 19:30 Das Käthchen von Heilbronn Mit Einführung

19:30 Waisen

21:00 nb live LILABUNGALOW so 21. 10:00 Der Wunschpunsch (6+)

15:00 Ein Volksfeind Mit Einführung m0 22. 10:00 Der Wunschpunsch (6+) die 23. 10:00 Der Wunschpunsch (6+)

19:30 Frau Müller muss weg mi 24. 10:00 Der Wunschpunsch (6+) do 25. 10:00 Der Wunschpunsch (6+)

19:30 Krebsstation UA

fr 26. 10:00 Der Wunschpunsch (6+) 19:30 Der nackte Wahnsinn 19:30 Frau Müller muss weg

22:00 nb late show MOTTE UNPLUGGED sa 27. 11:00 Öffentliche Theaterführung

19:30 Fritz! UA

21:00 nb friends WOYZECK so 28. 11:00 neu: Sonntag um 11

17:00 Der Turm Mit Einführung mo 29. 18:00 Tschick

die 30. 19:30 High Society

19:30 Frau Müller muss weg mi 31. 17:00 Schach von Wuthenow UA

Preise Neues Theater regulär 31,00 € / 20,00 € / 11,00 €;

ermäßigt 21,50 € / 14,00 € / 7,50 €

Musiktheater regulär 40,00 € / 27,00 € / 17,00 €, ermäßigt 28,00 € / 19,00 € / 12,00 €

Reithalle regulär 20,00 €; ermäßigt 14,00 € Studenten und Schüler 7,50 € / Vorstellungen Jugendclub 4,00 €

theaterstücke für junge zuschauer

neues theater+reithalleKinder/Schüler 5,50 € / Gruppe Kinder/Schüler (ab 10 Personen) 5,00 € pro Person, Erwachsene 11,00 €, Erwachsene ermäßigt 7,50 €

winteroper regulär 60,00 € / 47,00 € / 32,00 € / 10,00 € / ermäßigt 42,00 € / 33,00 € / 22,50 €

do 1. 18:00 Tschick fr 2. 19:30 Tschick

19:30 Rusalka Gastspiel sa 3. 18:00 Rusalka Gastspiel

20:30 Mal Bianco unidram so 4. 17:00 Frau Müller muss weg

17:o0 Der nackte Wahnsinn

19:00 nb open house qUIZ & BIER UND ROCK’N’ROLL mo 5. 10:00 Der Diener und sein Prinz (6+)

die 6. 10:00 Der Diener und sein Prinz (6+) 19:00 nb potsdamer köpfe DEM LEBEN … mi 7. 10:00 Marnie fliegt (6+) DSE

19:30 nb friends PINK FREUD do 8. 10:00 Marnie fliegt (6+) DSE

19:30 Waisen

fr 9. 19:30 Premiere Drei Mal Leben

19:30 Das Schlangenei DSE Mit Einführung sa 10. 19:30 Der Eisvogel UA

21:00 nb live CAROLINE KEATING so 11. 11:00 Der Wunschpunsch (6+)

15:00 Drei Mal Leben mo 12. 10:00 Der Wunschpunsch (6+) die 13. 10:00 Der Wunschpunsch (6+) 19:30 Frau Müller muss weg mi 14. 19:30 Frau Müller muss weg do 15. 18:00 Tschick

19:30 Das Käthchen von Heilbronn Mit Einführung fr 16. 19:30 Ein Volksfeind Mit Einführung

19:30 Waisen

sa 17. 10:00 was wäre, wenn Jugendclub 19:30 Drei Mal Leben

so 18. 15:00 Marnie fliegt (6+) DSE 15:00 Drei Mal Leben mo 19. 10:00 Marnie fliegt (6+) DSE

do 22. 10:00 Premiere Der Teufel mit den drei goldenen Haaren fr 23. 10:00 Der Teufel mit den drei goldenen Haaren

19:30 nb potsdamer köpfe DESIGNTAGE BRANDENB.

sa 24. 11:00 Öffentliche Theaterführung

19:30 Premiere Orfeo ed Euridice Winteroper 19:30 Schach von Wuthenow UA

21:00 nb live KLINKE AUF CINCH

so 25. 15:00 Der Teufel mit den drei goldenen Haaren 16:00 Orfeo ed Euridice Winteroper

17:70 Waisen

mo 26. 10:00 Der Teufel mit den drei goldenen Haaren 19:30 My Fair Lady

Die 27. 10:00 Der Teufel mit den drei goldenen Haaren mi 28. 10:00 Der Teufel mit den drei goldenen Haaren do 29. 10:00 Der Teufel mit den drei goldenen Haaren

19:30 Don Carlos Mit Einführung

fr 30. 10:00 Der Teufel mit den drei goldenen Haaren 19:30 Premiere Jugend ohne Gott

19:30 Drei Mal Leben 21:00 nb club Premierenparty

(9)

16 fragebogen

neu: Sonntag um 11

Am 28. Oktober starten wir in unsere neue Sonntagsreihe: In entspannter Vormittagsatmosphäre stellen wir Ihnen die neuesten Inszenierungen vor. Im Gespräch mit den Regieteams und den Schauspielern erfahren Sie Wissenswertes und Besonderes zu den Stücken. Wir freuen uns auch auf Ihre Eindrücke und Fragen.

Termin 28. Oktober 2012 Spielort Glasfoyer Eintritt frei!

mit frstücks-üh- angeb

ot

#15

AxEL SICHROVSKY

Was ist dein größter Rollenwunsch? Ich würde gerne einige der großen, düsteren und ambivalenten Figuren von Shakespeare spielen – Jago, Richard III., Macbeth und, ja, so sehr es auch ein Klischee ist, ich würde wahnsinnig gerne noch den Hamlet spie- len, bevor ich endgültig zu alt dafür bin. Wenn du nicht Schau- spieler geworden wärst, was wärst du dann heute? Dann wäre ich Bergführer mit schriftstellerischen Ambitionen, oder Schrift- steller mit Bergführerambitionen. Oder Alpenländischer Hei- matdichter (mit Jodelambitionen). Was hast du zuletzt gelesen?

»Buddhas kleiner Finger« von Viktor Pelewin, »Die Liebeshand- lung« von Jeffrey Eugenides und »Der größere Teil der Welt« von Jennifer Egan.

ALExANDER FINKENWIRTH

Was musst du unbedingt noch entdecken? Brasilien. Da kommt meine Mutter her. Außerdem möchte ich so gerne Portugiesisch lernen. Welches Lied geht dir nicht aus dem Kopf? »Was kostet die Welt« von F.S.K. Was würdest du dir am liebsten kaufen?

Was kostet die Welt? Wenn du nicht Schauspieler geworden wärst, was wärst du dann heute? Ritter oder Cowboy. Oder beim Auswärtigen Amt: Mit Diplomatenstatus und einer deut- schen Limousine durch z. B. Sibirien zu brettern, um sich mit lo- kalen Würdenträgern zum Wodkatrinken zu treffen, hätte schon etwas für sich.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Sie haben große Schwierigkeiten, sich wieder zu integrieren, in ihre Familien zurückzufinden, sie können über ihre Erlebnisse nicht reden oder reagieren aggressiv, wenn sie

Auch er hat in sich eine Stimme, eine Sehnsucht, die derjenigen von Käthchen sehr ähnlich ist, aber.. er entscheidet sich dafür, dieser Stimme kein Gehör zu

Dieser Plan scheitert, und Elisabeth scheint sich in Posa zu verlieben, doch auch diese Liebe kann nicht gelebt werden.. Schiller zeigt auch, dass es für das Begehren der Frauen

Erstmals 2010 vom Hans Otto Theater ins Leben gerufen, wird die STADT FÜR EINE NACHT, am 7./8.. Juli 2012 bereits zum drit- ten Mal - gemeinsam mit der Landeshauptstadt Potsdam und

Zuletzt habe ich Produktionen wie »Cabaret«, »My Fair Lady« (in Potsdam), »Rocky Horror Show« musikalisch geleitet, habe für ein Theater in der Schweiz die Musik zu einem Musical

Ein Stück für die ganze Familie, selbst wenn sie schon geschieden ist, und sich alle längst die Wahrheit gesagt

Rund 50 Insti- tutionen, Galeristen, Gewerbetreibende, Wissenschaftler, Gastronomen, Vereine, Kreative und Aktive aus ganz Potsdam beleben die Pavillons der »Stadt für eine

Jahrhundert die Parallele sieht, »dass es auf der einen Seite von leidenschaftlich verfochtenen Illusionen und auf allen Seiten von Angst verzerrten Ideen nur so wimmelte.« Mit