Diplomarbeit
zur Erlangung des Grades einer Magistra der Rechtswissenschaft an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät
der Karl‐Franzens‐Universität Graz
Die UN‐Konvention zum Schutz von Personen gegen das Verschwindenlassen:
Von der Entstehung bis zur Umsetzung und Wirkung
von
Julia Margaretha Walter
Eingereicht bei:
Univ.‐Prof. Mag. Dr. iur. Gerd Oberleitner
Institut für Völkerrecht und Internationale Beziehungen der Karl‐Franzens‐Universität Graz
Graz, September 2014
I
Ehrenwörtliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.
Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der elektronischen Version.
Julia Walter
Graz, den 01.09.2014
II
Danksagung
An dieser Stelle möchte ich mich besonders bei Herrn Prof. Oberleitner bedanken. Danke für die großartige Möglichkeit, in diesem spannenden Themengebiet eine Diplomarbeit zu verfassen und vielen lieben Dank für die umfangreiche und liebe Unterstützung.
Auch bei Herr Mag. Nindler möchte ich mich ganz herzlich für die nette Unterstützung bedanken, ohne ihn hätte ich mich rettungslos im Fußnotendschungel verirrt.
Diese Diplomarbeit bietet mir die Gelegenheit bei all jenen Personen Danke zu sagen, die mich während meiner Zeit in Graz unterstützt haben.
Ein ganz besonderer Dank gilt meinem wunderbaren Papa, der mir nicht nur meine Ausbildung ermöglicht hat, sondern mir immer unterstützend zur Seite steht und mich in meinen Zielen und Wünschen bestärkt und fördert. Meiner wundervollen Mama möchte ich für ihre liebevolle und geduldige Art danken, die mir so oft die Prüfungsangst genommen hat und mich immer wieder aufs Neue aufbaut. Ein ganz liebes Dankeschön gilt auch meiner Schwester Andrea, denn sie steht mir zu jeder Zeit an jedem Ort mit Rat, Tat, Ohr und oft mit Telefon zur Seite.
Besonders bedanken möchte ich mich bei Stefan. Durch spannende Diskussionen ermutigt er mich immer wieder dazu, einen neuen Blickwinkel auf die Dinge zu werfen und er hat mich mit seiner großartigen, liebevollen und geduldigen Art sehr bei der Erstellung dieser Arbeit unterstützt.
Nicht zu vergessen sind meine liebe Familie in Dortmund, die immer bekräftigend und unterstützend hinter mir steht und meine Paten Rosi & Giesbert, die mir stets helfend zur Seite stehen. Danke!
Bei Niki und Börny möchte ich mich für die wunderbare Zeit in all den Vorlesungen, Seminaren, Kursen und Prüfungen bedanken, denn ohne sie wäre das Studium und Graz nicht halb so schön gewesen.
Auch ein großes Dankeschön an all die Personen, die ich während meiner Studienzeit in Graz kennenlernen durfte und die mich in dieser wunderbaren Zeit begleitet und unterstützt haben. Viele der schönsten Erinnerungen meines Lebens habe ich Euch zu verdanken!
III
Inhaltsverzeichnis
Ehrenwörtliche Erklärung ... I
Danksagung ... II
Inhaltsverzeichnis ... III
Abkürzungsverzeichnis ... IX
1. Einleitung ... 1
2. Entstehung der UN‐Konvention ... 2
2.1 Geschichtliche Vorfälle... 2
2.1.1 Hitlers Nacht und Nebel Erlass vom 7.Dezember 1941 ... 2
2.1.2 „Verschwindenlassen“ während der sowjetischen Besatzungszeit ... 6
2.1.3 „Verschwindenlassen“ im Algerienkrieg aufgrund der „französischen Doktrin“ . 8 2.1.4 „Verschwindenlassen“ in Lateinamerika ... 10
2.1.5 „Verschwindenlassen“ während des Balkankonflikts ... 17
2.2 Aktuelle Fälle des Verschwindenlassens ... 22
2.2.1 „Verschwindenlassen“ aufgrund von kriegerischen Auseinandersetzungen oder innerstaatlichen Konflikten ... 22
2.2.2 „Verschwindenlassen“ in Asien ... 24
2.2.3 Zurückliegende, meist ungeklärte Fälle des „Verschwindenlassens“ ... 26
2.2.4 Exkurs: Geheime Haft in den Vereinigten Staaten Amerikas ... 27
2.3 Frühere UN Resolutionen... 28
2.3.1 UN Resolutionen im Jahr 1978 und 1980 ... 29
2.3.2 UN Resolution im Jahr 1992 ... 30
2.4 Der Weg zur UN‐Konvention gegen das Verschwindenlassen und dessen Akteure . 31 2.4.1 Die Arbeitsgruppe ‐ WGEID ... 32
2.4.1.1 Zusammensetzung der WGEID ... 32
2.4.1.2 Arbeitsmethoden und Verfahren der WGEID ... 33
IV
2.4.1.3 Die verschiedenen Fälle des Verschwindenlassens und die entsprechende
Vorgehensweise ... 34
2.4.1.4 Erweiterter Aufgabenbereich der WGEID nach Unterzeichnung der UN‐ Konvention gegen das Verschwindenlassen ... 36
2.5 Die Arbeitsgruppe – ISWG ... 36
2.6 Unterzeichnung, Ratifikation und Inkrafttreten der UN‐Konvention ... 37
3. Merkmale des „Verschwindenlassens“ ... 39
3.1. Definition des „Verschwindenlassens“ ... 39
3.1.1. „Verschwindenlassen“ im Internationalen Strafrecht ‐ Rom Statut ... 39
3.1.2. „Verschwindenlassen“ in der UN‐Konvention ... 41
3.1.3. „Verschwindenlassen“ aus der Sicht der Menschenrechtsorganisationen ... 41
3.2. Tatbestand des „Verschwindenlassens“ ‐ Art 2 UN‐Konvention ... 42
3.2.1. Erstes Tatbestandselement: Die Freiheitsberaubung... 43
3.2.2. Zweites Tatbestandselement: Die Auskunftverweigerung ... 43
3.3. Täterbegriff – Art 6 UN‐Konvention ... 44
3.4. Opferbegriff – Art 24 UN‐Konvention ... 45
3.5. Exkurs: Menschenrechtsorganisationen und ihre Aufgaben gegen das Verschwindenlassen ... 48
4. Die rechtlichen Bestimmungen der UN‐Konvention ... 51
4.1. Absolutes Verbot des Verschwindenlassens und Rechtfertigungsgründe ... 51
4.2. Zuständigkeit der Vertragsstaaten – Strafanwendbarkeit ... 51
4.3. Umgang mit einem Verdächtigen des Verschwindenlassens ... 52
4.3.1. Vorläufige Behandlung eines Verdächtigen – Art 10 CPED ... 52
4.3.2. Behandlung eines Verdächtigen bei Zuständigkeit eines Staates – Art 11 CPED53 4.3.3. Auslieferungsgründe‐ und Pflichten – Art 13 CPED ... 54
4.3.4. Allgemeines Ausweisung, Auslieferungs‐ und Abschiebeverbot – Art 16 CPED 55 4.4. Strafbarkeit und Strafandrohung des Verschwindenlassens ... 55
V
4.4.1. Pflicht das „Verschwindenlassen“ unter Strafe zu stellen – Art 4 CPED ... 55
4.4.2. Angemessene Bestrafung bei Fällen des „Verschwindenlassens“ – Art 7 CPED 56 4.4.3. Verjährungsregelungen der UN‐Konvention – Art 8 CPED ... 56
4.5. Einleitung und Ablauf der Untersuchung ... 57
4.5.1. Anzeige eines Falls des „Verschwindenlassens“ – Art 12 CPED ... 57
4.5.2. Zuständige Behörden gegen das Verschwindenlassen ... 57
4.6. Rechtshilfe im Strafverfahren gegen das Verschwindenlassen ... 58
4.7. Abgrenzung der legalen zur geheimen Haft ... 58
4.7.1. Verbot der geheimen Haft ... 58
4.7.2. Regelungen der legalen Haft ... 59
4.7.3. Freilassung von inhaftierten Personen – Art 21 CPED ... 60
4.8. Bestimmungen zu den Informationen des „Verschwindenlassen“ ... 60
4.8.1. Zugang zu Informationen ‐ Art 18 CPED ... 60
4.8.2. Einschränkung des Rechts auf Informationszugang – Art 20 CPED ... 61
4.8.3. Schutz von personenbezogener Daten Verschwundener – Art 19 CPED ... 62
4.9. Weitere Verpflichtungen der Vertragsstaaten und Prävention gegen das Verschwindenlassen ... 62
4.9.1. Maßnahmen gegen Behinderung, Verschleppung und Verhinderung von Rechtsbehelfen und Eintragungen ins Register – Art 22 CPED ... 62
4.9.2. Sicherstellung des UN‐Konventionsgerechten Verhalten von Behörden – Art 23 CPED ... 63
5. Der Ausschuss gegen das Verschwindenlassen ‐ CED... 64
5.1. Zusammensetzung der CED ... 64
5.2. Geschäftsordnung der CED ... 65
5.3. Aufgaben des CED ... 65
6. Die Verfahren des Ausschusses gegen das Verschwindenlassen (CED) ... 67
6.1. Überwachungsverfahren... 67
VI
6.2. Beschwerdeverfahren ... 67
6.2.1. Individueller Antrag auf ein Beschwerdeverfahren – Art 30 CPED ... 67
6.2.2. Fakultative Individualbeschwerde – Art 31 CPED ... 68
6.2.3. Fakultative Staatenbeschwerde – Art 32 CPED ... 69
6.2.4. Obligatorisches Beschwerdeverfahren – Art 33 CPED ... 69
6.2.5. Schwerwiegende, systematische, ausgedehnte Verletzungen – Art 34 CPED ... 70
6.3. Zuständigkeit des CED für Fälle des Verschwindenlassens ... 70
7. Die UN‐Konvention gegen das Verschwindenlassen und andere Menschenrechtsübereinkommen ... 71
7.1. Das Verhältnis der UN‐Konvention zu anderen Menschenrechtsnormen ... 71
7.2. Weitere Rechtsnormen gegen das „Verschwindenlassen“ ... 71
7.2.1. Anti‐Folterkonvention (CAT) und der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) ... 71
7.2.2. Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und das Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (Rom Statut) ... 72
7.2.3. Menschenrechtschutz in Amerika, Afrika und Asien und die AEMR ... 72
8. Umsetzung der UN‐Konvention am Beispiel einzelner Staaten des deutschsprachigen Raumes und dessen Wirkung auf die nationalen Rechtssysteme ... 74
8.1. Schweiz: Umsetzungsmöglichkeiten und deren mögliche Auswirkungen ... 75
8.2. Deutschland ... 77
8.2.1. Umsetzung der UN‐Konvention in Deutschland und die damit verbundene Auswirkung auf das nationale Rechtssystem ... 77
8.2.2. Erklärung über fakultative Beschwerdeverfahren ... 81
8.3. Österreich ... 81
8.3.1. Umsetzung der UN‐Konvention in Österreich und dessen Auswirkung ... 82
8.3.2. Erklärung über fakultative Beschwerdeverfahren ... 85
VII
8.4. Vorbehalte und Erklärung zur UN‐Konvention ... 85
8.4.1. Deutschland ... 86
8.4.2. Kuba ... 87
8.4.3. Marokko ... 88
8.4.4. Venezuela ... 88
8.4.5. Erklärungen gem Art 31 und Art 32 CPED... 88
9. Fazit: Die Wirkung der UN‐Konvention ... 89
Literaturverzeichnis ... i
Monographien ... i
Aufsätze und Artikel in Sammelwerken und Zeitschriften ... iii
Internetquellen ... iv
Artikel und Berichte der Menschenrechtsinstitutionen ... vi
Internationale Dokumente ... ix
UN‐Resolutionen ... ix
Internationale universelle Übereinkommen ... ix
Nationale Gesetze ... x
Deutschland ... x
Österreich ... x
Schweiz ... x
Russland ... x
Historische Richtlinie ... xi
Materialien und Dokumente der Regierungen ... xi
Deutschland ... xi
Österreich ... xi
Schweiz ... xii
Anhang ... xiv
VIII
A. Geographische Übersicht der Ratifizierung der UN‐Konvention gegen das Verschwindenlassen ... xiv
B. Stand der Ratifizierung vom 21.08.2014 ... xv
IX
Abkürzungsverzeichnis
Abs Absatz
AEMR Allgemeine Erklärung der Menschenrechte AMRK Amerikanische Menschenrechtskonvention
Art Artikel
BGB Bürgerliches Gesetzbuch
BR Bundesrat
bspw beispielsweise
bzw beziehungsweise
ca circa (ungefähr)
CAT Übereinkommen gegen Folter und andere
grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (Anti‐Folterkonvention) CED Committee on Enforced Disappearances
(Ausschuss über das Verschwindenlassen)
CONADEP Comisión Nacional sobre la Desaparición de Personas (Nationale Kommission über das Verschwindenlassen)
CPED International Convention for Protection of All Persons from Enforced Disappearance
(Internationale Übereinkommen zum Schutz aller
Personen vor dem Verschwindenlassen)
DDR Deutsche Demokratische Republik
dh das heißt
DRK Deutsches Rotes Kreuz
EMRK Europäische Menschenrechts‐Konvention
evtl eventuell
FLN Front de Libération nationale
X
(Nationale Befreiungsfront)
FPG Fremdenpolizeigesetz 2005
gem gemäß
GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
ggf gegebenenfalls
ICCPR Internationaler Pakt über bürgerliche und
politische Rechte
ICTY Internationaler Strafgerichtshof zur Verfolgung von Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien
ISWG Intersessional Open‐ended Working Group to
Elaborate a Draft Legally Binding Normative Instrument for Protection of All Persons from Enforced Disappearances
iVm in Verbindung mit
JVA Jugoslawische Volksarmee
KgU Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit
lit litera
MfS Ministerium für Staatssicherheit
MGB Ministerstvo gosudarstvennoj bezopasnosti (Ministerium für Staatssicherheit der UdSSR)
MRK Menschenrechtskommission der Vereinten
Nationen
NGO Non‐governmental organisation (nicht‐staatliche Organisationen)
NN „Nacht und Nebel“
XI
Nr Nummer
NR Nationalrat
oä oder ähnliches
PersFrSchG BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit
Rom Statut Römisches Statut des Internationalen Gerichtshofs RSFSR Russische Sozialistische Föderative Sowjetunion
Rz Randziffer
sog sogenannte
SPG Sicherheitspolizeigesetz
Stasi Staatssicherheit (der ehemaligen DDR)
StGB Strafgesetzbuch
StPO Strafprozessordnung
StProt Stenographisches Protokoll
StVG Strafvollzugsgesetz
ua unter anderem
UdSSR Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken UK Ugolovnyj kodeks (Strafgesetzbuch Russland) UN United Nations (Vereinte Nationen)
UNPROFOR United Nation Protection Forces USA United States of America
va vor allem
VStG Verwaltungsstrafgesetz
VStGB Völkerstrafgesetzbuch (Deutschland)
WGEID Working Group on Enforced or Involuntary
Disappearances
(Arbeitsgruppe gegen erzwungenes oder unfreiwilliges Verschwindenlassen von Personen)
XII
zB zum Beispiel
1
1. Einleitung
Das Phänomen des Verschwindenlassens von Personen ist seit Hitlers Nacht und Nebel Erlass eine angewandte Methode von Staaten, um die Bevölkerung zu verängstigen, mögliche Widerstände zu unterdrücken und Personen einzuschüchtern. Dieser menschenrechtswidrigen Praktik fallen jährlich tausende Personen zum Opfer. Nicht nur die unmittelbar Betroffenen sind Opfer dieser Menschenrechtsverletzung, auch die Familien, welche keinerlei Auskunft über das Schicksal des Verschwundenen erhalten, leiden unter den Folgen des Verschwindenlassens.
Erst nach jahrelangen Bemühungen konnte ein rechtswirksames Übereinkommen gegen das Verschwindenlassen erschaffen werden, mit dem gegen die Täter des Verschwindenlassens strafrechtlich vorgegangen werden kann:
Die UN‐Konvention zum Schutz aller Personen gegen das Verschwindenlassen.
Die UN‐Konvention gegen das Verschwindenlassen bietet erstmals eine rechtswirksame Möglichkeit gegen diese Menschenrechtsverletzung effektiv vorzugehen. Die Vertragsstaaten der UN‐Konvention haben die Verpflichtung das Verschwindenlassen als Straftatbestand zu normieren und sowohl staatliche, als auch nicht‐staatliche Täter des Verschwindenlassens strafrechtlich zu verfolgen.
Diese Arbeit wird die UN‐Konvention näher betrachten und die Umsetzung sowie Wirkung dieses Übereinkommens erläutern. Neben der Entstehungsgeschichte der UN‐Konvention, werden die Merkmale des Verschwindenlassens dargelegt und der Ausschuss gegen das Verschwindenlassen näher betrachtet. Ebenso befasst sich diese Arbeit mit den rechtlichen Bestimmungen der UN‐Konvention und den möglichen Beschwerdeverfahren an den Ausschuss. Anhand von Beispielen wird die Umsetzung des Übereinkommens dargestellt und die damit verbundene Wirkung auf die nationalen Rechtssysteme der Vertragsstaaten aufgezeigt.
Durch die UN‐Konvention wird die Lücke der Straflosigkeit des Verschwindenlassens geschlossen und es kann gegen das Verschwinden und die geheime Haft von Personen vorgegangen werden, jedoch nur wenn die betroffenen Staaten dieses Übereinkommen unterzeichnet und ratifiziert haben.
2
2. Entstehung der UN‐Konvention
Die UN‐Konvention zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen ist ein Übereinkommen zur Förderung, der Verwirklichung und Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten.
Im Laufe der Geschichte kam es immer wieder zu menschenrechtswidrigen Fällen des Verschwindenlassens. Ob im Dritten Reich, in Lateinamerika, in der Zeit des kalten Krieges, im Algerienkrieg oder während des Balkankonflikts – Personen sind spurlos verschwunden, ohne ein Zeichen ihres Verbleibs aus dem täglichen Leben gerissen und in den meisten Fällen nie wieder aufgetaucht. Die geschichtlichen Eindrücke sollen verdeutlichen, in welchem großem Umfang Personen Opfer des Verschwindenlassens geworden sind, welche Folgen dies für die Familienangehörigen hatte und aus welchem Grund diese Maßnahme von Regierungen, Polizei, Geheimorganisationen oder dem Militär in den verschiedensten Regionen der Welt angewendet worden sind.
Der Vergleich dieser Vorkommnisse in den unterschiedlichsten politischen Systemen während der letzten zwei Jahrhunderte ermöglicht dem Leser, die Gemeinsamkeiten der Maßnahme des Verschwindenlassens in den verschiedenen Ländern zu erkennen und die Notwendigkeit eines funktionierenden Gesetzes gegen jene Verbrechen zu verstehen.
Bereits frühere UN Resolutionen haben sich mit dem Thema des Verschwindenlassens auseinandergesetzt, bevor am 20. Dezember 2006 das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen entstanden ist und somit erstmals eine rechtswirksame Möglichkeit geschaffen wurde, gegen die Verantwortlichen des Verschwindenlassens vorzugehen.
2.1 Geschichtliche Vorfälle
2.1.1 Hitlers Nacht und Nebel Erlass vom 7.Dezember 1941
Am 7. Dezember 1941 wurde im Dritten Reich die „Richtlinie für die Verfolgung von Straftaten gegen das Reich oder die Besatzungsmacht in den besetzen Gebieten“1 auf Willen Adolf Hitlers erlassen.
Mit dieser Richtlinie wollte Hitler die Auflehnung gegen die Wehrmacht in den besetzten Gebieten durch die Verhängung der Todesstrafe oder durch Verschleppung
1Moll Martin, „Führer‐Erlässe“ 1939 – 1945, Stuttgart (Franz Steiner Verlag) 1997, 125.
3
von Personen beenden.2 Jedoch galt die Richtlinie nicht für alle von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebiete, sondern war nur im Westen und Norden (Belgien, Niederlande, Frankreich und Norwegen ‐mit ausdrücklicher Ausnahme von Dänemark‐) gültig.3
Der Begriff des „Nacht und Nebel Erlasses“ wurde durch nationalsozialistische Abkürzungen wie „NN‐Häftlinge“ oder „NN‐Sache“ geprägt, die sich vermutlich auf den lateinischen Begriff „nomen nescio“ (lat.: Namen Unbekannt) bezogen haben und in Folge zu der Bezeichnung des „Nacht und Nebel Erlasses“ geführt haben.4
Die Richtlinie besagt folgendes: „In den besetzten Gebieten ist bei Straftaten von nichtdeutschen Zivilpersonen, die sich gegen das Reich oder die Besatzungsmacht richten, und deren Sicherheit oder Schlagfertigkeit gefährden, grundsätzlich die Todesstrafe angebracht. Die Straftaten […] sind grundsätzlich nur dann in den besetzten Gebieten abzuurteilen, wenn wahrscheinlich ist, daß [!] gegen die Täter, mindestens aber gegen den Haupttäter, Todesurteile ergehen und wenn das Verfahren und die Vollstreckung der Todesurteile schnellstens durchgeführt werden können.
Sonst sind die Täter, mindestens aber die Haupttäter nach Deutschland zu bringen.
Täter, die nach Deutschland gebracht werden, sind dort dem Kriegsverfahren nur unterworfen, wenn besondere militärische Belange es fordern. Deutschen und ausländischen Dienststellen ist auf Fragen nach solchen Tätern zu erklären, sie seien festgenommen worden, der Stand des Verfahrens erlaube keine weiteren Mitteilungen.“5
Daraus lässt sich zusammenfassend sagen, dass „In Fällen, in denen nicht ohnehin innerhalb kürzester Zeit ein Todesurteil über den Täter verhängt würde, sollte dieser nach Deutschland verbracht werden, und über das Verschwinden des Angeklagten sollten keinerlei Informationen ausgegeben werden.“6 Hitler war der Ansicht, dass Maßnahmen wie die Todesstrafe und das spurlose Verschwindenlassen von Personen eine Abschreckungswirkung hätte. „Die abschreckende Wirkung dieser Maßnahme
2Vgl Wagner Walter, Die deutsche Justiz und der Nationalsozialismus – Der Volksgerichtshof im nationalsozialistischen Staat, 3. Auflage, Stuttgart (Oldenbourg Verlag) 1974, 416.
3Vgl Wagner, Die deutsche Justiz und der Nationalsozialismus (1974) 417.
4Vgl Praetor Intermedia UG (Hrsg), „Verschwindenlassen“ in der deutschen Geschichte,
<http://www.verschwindenlassen.de/verschwindenlassen‐in‐deutschland‐3338/> (20.05.2014).
5Moll, „Führer‐Erlässe“ (1997) 213.
6Harris Whitney R., Tyrannen vor Gericht: das Verfahren gegen die deutschen Hauptkriegsverbrecher nach dem Zweiten Weltkrieg in Nürnberg 1945 – 1946, Berlin (Berliner Wissenschaftsverlag) 2008, 214.
4
liegt a) in dem spurlosen Verschwindenlassen der Beschuldigten, b) darin, daß [!] über ihren Verbleib und ihr Schicksal keinerlei Auskunft gegeben werden darf.“7 In der Richtlinie selbst heißt es auch: „Der Umfang und die Gefährlichkeit dieser Umtriebe zwingen aus Abschreckungsgründen zu schärfsten Maßnahmen gegen die Täter.“8 Während der Haft war der verschleppte Beschuldigte gänzlich von der Außenwelt abgeschnitten und auch im Falle des Todes des Verschwundenen durfte den Angehörigen keine Auskunft erteilt werden, da bei Verständigung der Familie über den Verbleib des Vermissten das Ziel der Abschreckung umgangen wäre. Deshalb kam es damals auch nicht zur Freigabe der Leichen von vermissten Personen, sondern der Leichnam wurde der Geheimen Sicherheitspolizei übergeben, welche diesen beseitigen sollte. Der Sinn dieses Führererlasses war es, die Menschen in den besetzten Gebieten zu verängstigen. Sie sollten in der Angst leben, jederzeit aus ihrem täglichen Leben gerissen zu werden ohne Wissen, welche Grausamkeiten sie erwarten würde, wenn sie sich gegen die Besatzer auflehnten.9 Selbst wenn ein Inhaftierter freigesprochen wurde, die Ermittlungen eingestellt oder die Strafe abgegolten wurde, kam es nicht zur Freilassung, sondern der Verschwundene wurde der Geheimen Staatspolizei übergeben, die dann über dessen weiteren Verbleib entscheiden konnte.10
Im weiteren Verlauf des zweiten Weltkrieg nahm der sogenannte „Nacht und Nebel Erlass“ immer härtere Formen an. Ab 1944 konnten mit dem NN‐Erlass auch
„[nichtdeutsche] Zivilpersonen der besetzten Gebiete […] die die Sicherheit oder Schlagfertigkeit der Besatzungsmacht in anderer Weise als durch Terror‐ oder Sabotageakte gefährden“11 verfolgt werden.
Zuständig für die „Nacht und Nebel“ Angelegenheiten war an sich die eigentliche Justiz im Dritten Reich, jedoch hatte das Reichsjustizministerium die Wahl des Gerichtsstands. Die Beteiligten, wie zB der Staatsanwalt hatten strengstes Stillschweigen über die „Nacht und Nebel“ Angelegenheiten zu bewahren und nur die zuständigen Sondergerichte und Staatsanwaltschaften wurden ins Bild über die Regelungen gesetzt, die für die „Nacht und Nebel“ Sachen zuständig waren. Es war den obersten Beauftragten von größter Wichtigkeit, dass über diese Angelegenheiten
7Harris, Tyrannen vor Gericht (2008) 214.
8Moll, „Führer‐Erlässe“ (1997) 213.
9Vgl Harris, Tyrannen vor Gericht (2008) 214, 215.
10Vgl Wagner, Die deutsche Justiz und der Nationalsozialismus (1974) 426.
11Harris, Tyrannen vor Gericht (2008) 215.
5
strengste Geheimhaltung gewahrt wurde und dies wurde auch durch Ausschluss der Öffentlichkeit in solchen Prozessen gewährleistet. Im weiteren Verlauf wurde der Volksgerichtshof für die „Nacht und Nebel“ Angelegenheiten für zuständig erklärt, jedoch dem Oberreichsanwalt die Möglichkeit eingeräumt, die Sache an bestimmte Sondergerichte weiterzuleiten. Die erlangten Informationen der Geheimen Staatspolizei sowie der Wehrmachtsstellen wurden direkt an das Justizministerium weitergeleitet und daraufhin beauftragte dieser nach eigenem Ermessen den Volksgerichtshof oder die Sondergerichte mit den „Nacht und Nebel“ Fällen. 12
In den Jahren 1941 bis 1944 kam es zu tausenden von „Nacht und Nebel“ Fällen, die sich Jahr für Jahr steigerten. Ende 1942 waren bereits 2000 Fälle bekannt. Allein im berühmten „Porto‐Fall“ waren mehr als 360 Personen der umfangreichen Spionage im besetzten Frankreich angeklagt. Sogar Notizen wie zB von einer jungen französischen Lehrerein über einen deutschen Truppentransport, führten aufgrund des „Nacht und Nebel Erlasses“ bereits zu einer Verurteilung. 13
Im Herbst 1944 wurde der „Nacht und Nebel Erlass“ auf Geheiß Hitlers wegen der Invasion der Alliierten in den westlichen und nördlichen Besatzungsgebiete eingestellt.
Die noch laufenden Verfahren wurden aufgehoben und die Häftlinge wurden der Geheimen Staatspolizei übergeben, welche die Häftlinge in Konzentrationslager überführten und dort die Mehrzahl liquidierte.14
Insgesamt kam es zu mehr als 6600 Fälle des Verschwindenlassens im Deutschen Reich, in denen Hunderte zu Tode verurteilt wurden. Diese grausamen Geschehnisse des Dritten Reichs sind ein wesentlicher geschichtlicher Bestandteil von Vorkommnissen des Verschwindenlassens und haben sicher zur Notwendigkeit der Strafbarkeit solcher Verbrechen geführt. Jedoch hatte mit Ende des Zweiten Weltkriegs das Verschwindenlassen von Personen nicht aufgehört, sondern die Praktiken wurden von der Sowjetunion nach Kriegsende im Jahr 1945 weitergeführt.
12Vgl Gruchmann Lothar, „Nacht‐ und Nebel“ Justiz Die Mitwirkung deutscher Strafgerichte an der Bekämpfung des Widerstands in den besetzten westeuropäischen Ländern 1942 – 1944, in Institut für Zeitgeschichte, Jahrgang 29 Heft 3,1991, 8,
<http://www.ifz‐muenchen.de/heftarchiv/1981_3_2_gruchmann.pdf> (30.06.2014);
Vgl Wagner, Die deutsche Justiz und der Nationalsozialismus3 (1974) 419 ‐ 424.
13Vgl Wagner, Die deutsche Justiz und der Nationalsozialismus3 (1974) 428f.
14Vgl Wagner, Die deutsche Justiz und der Nationalsozialismus3 (1974) 431.
6
2.1.2 „Verschwindenlassen“ während der sowjetischen Besatzungszeit
Nach Kriegsende 1945 verschwanden sowohl in der sowjetischen Besatzungszone als auch in Westsektoren Berlins immer wieder Personen. Schätzungen besagen, dass in dieser Zeit mehr als 150.000 Personen verschwanden und in Speziallager gebracht wurden.15
Allein in der zehnjährigen Besatzungszeit wurden in Österreich ca 2.000 Personen von Spezialeinheiten der Sowjetunion zu Haftstrafen verurteilt, obwohl deren Schuld sich meist auf Kleinigkeiten wie Verteilung von Flugblättern, mit nach russischer Ansicht unvereinbaren politischen Ansichten, beschränkte. Diese verschwanden für ihre Angehörigen spurlos, ohne jegliche Auskunft über deren Verbleib. 16 Obwohl sich zB die österreichischen Opfer meist noch in Österreich selbst befanden, waren sie von der Außenwelt wie in der Zeit des „Nacht und Nebel Erlasses“ gänzlich abgeschnitten und hatten keine Möglichkeit auf Rechtsschutz.17
„Bei den Todesurteilen, die sowjetische Tribunale gegen Österreicher verhängten, dominierte eindeutig der Artikel 58‐6 („Spionage“) des Strafgesetzbuchs (UK) der RSFSR. Ähnlich wie bei der Verurteilung von Deutschen spielte er ab 1950 in beinahe 90 Prozent der Fälle die entscheidende Rolle.“18
Zwar waren anfangs die Verfolgten meist ehemalige oder angebliche Nationalsozialisten, jedoch legten die Geheimdienste im Laufe der Zeit immer mehr Augenmerk auf tatsächliche als auch auf angebliche westliche Spione, sowie auf Feindbilder der stalinistischen Ideologie.19
Allgemein war es in der Bestatzungszone der Sowjetunion üblich, Geständnisse zu erzwingen. „Ob es stichhaltige Beweise dafür gab, dass die Festgenommenen tatsächlich im Auftrag westlicher Geheimdienste gearbeitet hatten, oder ob sie nur aufgrund dubioser Denunziationen in das Visier des MfS [Ministerium für Staatssicherheit] geraten waren, war für die Ermittlungen weitestgehend irrelevant.
Wurde der Verdacht der Spionage erstmals geäußert, war es schwierig bis unmöglich,
15Vgl Praetor Intermedia UG (Hrsg), „Verschwindenlassen“ in der deutschen Geschichte,
<http://www.verschwindenlassen.de/verschwindenlassen‐in‐deutschland‐3338/> (23.05.2014).
16Karner Stefan/Stelzl‐Marx Barbara, Vorwort, in Karner/Stezl‐Marx (Hrsg), Stalins letzte Opfer – Verschleppte und erschossene Österreicher 1950 – 1953, Wien/München (Oldenbourg Verlag – Böhlau Verlag) 2009, 9 (9f).
17Vgl Karner/Stelzl‐Marx in Karner/Stezl‐Marx 12.
18Stelzl‐Marx Barbara, Verschleppt und erschossen, in Karner/Stezl‐Marx (2009) 21 (36).
19Vgl Drauschke Frank, Die Ungewissheit ist eine Qual, in Karner/Stelzl‐Marx (2009) 283 (285).
7
diesen im Gewahrsam des MfS oder MGB [Ministerium für Staatssicherheit der UdSSR]
zu widerlegen. Die stundenlangen, meist nächtlichen Verhöre […] waren berüchtigt. Es war keine Seltenheit, dass Geständnisse unter Gewaltanwendung, Schlafentzug, Hunger‐, Durst‐ oder Kältefolter erpresst wurden.“20
Eingesetzte Militärtribunale der sowjetischen Besatzer urteilten dann über das Schicksal des Beklagten, obwohl es keine Möglichkeit auf einen Rechtsverteidiger gab und die Verhandlungen meist in russischer Sprache ‐ohne Übersetzung‐ geführt wurden.
Wie auch in der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland wurden die Betroffenen ohne Vorwarnung aus ihrem täglichen Leben gerissen und sogar Einladungen zur Klärung bestimmter Sachverhalte als Vorbehalte ausgesprochen, um die Betroffenen ohne Aufsehen zu erregen, in ein Präsidium zu locken und dann in einem Speziallager verschwinden zu lassen. „Die Flucht nach Westdeutschland oder Westberlin bot nicht immer einen verlässlichen Schutz vor dem Zugriff des DDR‐Geheimdienstes. In einigen Fällen wurden die Betroffenen in den Osten zurückgelockt und dort verhaftet.
Manchmal kam es […] zur gewaltsamen Entführung. 137 der in Moskau Erschossenen hatten ihren letzten Wohnsitz in Westberlin.“21
Schon während der Zeit des Kalten Krieges drangen erste Informationen von der Praktik des Verschwindenlassens bzw den Zuständen in den Speziallagern an die Öffentlichkeit. Grund dafür waren aus dem Westen Deutschlands organisierte humanitäre Organisationen, wie die 1948 gegründete „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“ (KgU) oder der DRK Suchdienst in München und Hamburg. Diese beschäftigten sich mit den Geschehnissen, sowie Erzählungen von inhaftierten Personen aus sowjetischen Speziallagern und halfen bei der Suche nach den Verschwundenen. Im Laufe der Zeit erweiterte sich jedoch der Tätigkeitsbereich mancher Organisationen. Im Falle der KgU bspw auf die Verbreitung unerlaubter Lektüre.22
20Drauschke in Karner/ Stelzl‐Marx 286 (285).
21Drauschke in Karner/ Stelzl‐Marx 285 (285).
22Vgl Heitzer Enrico, Koestler, Orwell und Die Wahrheit – Die Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit und das heimliche Lesen in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR 1948 bis 1959, in Lokatis Siegfried/Sonntag Ingrid (Hrsg), Heimliche Leser in der DDR: Kontrolle und Verbreitung unerlaubter Literatur, Berlin (Ch. Links Verlag) 2008, 140 (140);
Vgl Drauschke in Karner/Stelzl‐Marx 291 (285).
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Durch die Suchmeldungen solcher Organisationen wurde der Druck auf die Regierung der DDR und auf die sowjetischen Besatzer immer größer und bereits in den Jahren 1954/1955 trat in der DDR eine neue Gnadenordnung in Kraft, welche das Vorgehen bei einem Gnadengesuch regelte. Ebenso sollte ab diesem Zeitpunkt Suchanfragen von Familien bezüglich ihrer vermissten Angehörigen anders bearbeitet werden, als es zuvor üblich war. In den Jahren 1955 und 1956 wurden nach einem Besuch Konrad Adenauers in Moskau sowohl noch in Haft befindliche Kriegsgefangene aus dem Zweiten Weltkrieg, als auch eine Mehrzahl politischer Gefangener freigelassen und dadurch zahlreiche Fälle des Verschwindenlassens aufgeklärt. 23
Jedoch wurden erst durch den Zusammenbruch der UdSSR die bis dahin verschlossenen Unterlagen der Geheimdienste der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und somit Aufschluss über den Verbleib der übrigen, zahllosen Verschwundenen gegeben. Aus Stasi‐Unterlagen geht der Umfang der Auskunftspolitik der öffentlichen Einrichtungen, Polizeipräsidien oder anderer Dienststellen hervor, welche jede Art von Informationsauskunft bezüglich der Verschwundenen verweigerten.24
Die Familien der Opfer konnten sodann letztendlich in den 1990er Jahren über den Verbleib ihrer vermissten Angehörigen informiert werden.
Doch auch mit den Geschehnissen in den Nachkriegsjahren hat das Verschwindenlassen von Personen kein Ende genommen. Denn auch im Algerienkrieg, einer der verheerendsten Kriege Frankreichs in einem Kolonialgebiet, verschwanden zwischen 1954 und 1962 zahlreiche Menschen.
2.1.3 „Verschwindenlassen“ im Algerienkrieg aufgrund der „französischen Doktrin“
Während dem Algerienkrieg von 1954 bis 1962 versuchte Frankreich mit über zwei Millionen Soldaten die Unabhängigkeit Algeriens, einer von Frankreichs Kolonien, zu verhindern. Dieser Krieg ist nicht nur in Bezug auf das Verschwindenlassen bedeutend, sondern beendete auch die Kolonialzeit Frankreichs.
In diesem Konflikt ging es darum, dass die oppositionelle algerische Gruppe FLN sich für die Unabhängigkeit ihres Landes einsetzte und sich gegen die Besetzung ihrer Heimat auflehnte. Aufgrund dieser Geschehnisse wurde auf französischer Seite die sog
„französische Doktrin“ erlassen. Diese bezeichneten Maßnahmen des französischen
23Vgl Drauschke in Karner/Stelzl‐Marx 293 (285).
24Vgl Drauschke in Karner/Stelzl‐Marx 290 (285).
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Militärs, Polizei und der französischen Geheimdienste zur Bekämpfung der FLN Bewegung und anderen politischen Widersachern in Algerien, welche verschleppt und unter Folter verhört wurden. Beispiele solcher Verhörpraktiken waren Schläge und Verbrennungen durch Wechselstromgeneratoren. Eine Mehrzahl der ‐oft zu Unrecht‐
Festgenommen wurde nach Verhör und Folter von den französischen Besatzern ermordet.25 Die Rechtfertigung der Täter lautete, die uneinsichtige Vorgehensweise der Oppositionellen ermitteln zu wollen und somit effektiver gegen die FLN vorgehen zu können.
Erst im Juni 1962 erkannte Frankreich nach einer Volksabstimmung die Unabhängigkeit Algeriens an, welche am 5. Juni 1962 durch Algerien proklamiert wurde. Durch ein Amnestiedekret Frankreichs im Jahr 1962 wurden die Kriegsverbrechen während des Kolonialkonflikts der französischen Besatzer wie Folter, Verschwindenlassen von Personen, Tötung von Gefangenen sowie Vergewaltigung von algerischen Frauen für straffrei erklärt.26 Hervorzuheben ist der Versuch Frankreichs diesen Krieg und die begangenen Verbrechen zu verleugnen und der Fakt, dass Frankreich erst 1992 das historische Bestehen des Algerienkrieges anerkannte.27 Dennoch wird in Frankreich das Thema der menschenrechtswidrigen Vorgehensweise in Algerien bis heute vermieden.28
Das Ausmaß der „französischen Doktrin“ wurde der Öffentlichkeit erst bewusst, als 2001 der ehemalige algerische Offizier Habib Souaïdia sein Buch „La sale guerre“
(übersetzt: „Der schmutzige Krieg“) veröffentlichte.29 Dieses Werk und die daraus resultierende Taktik der Franzosen im Algerienkrieg gilt heute als „modernes Standartwerk zur Bekämpfung von Aufständischen in asymmetrischen Konflikten“30. Jedoch nahmen die geschichtlichen Vorkommnisse nach den Besatzungszeiten der Sowjetunion, der Nationalsozialisten und der Kolonialmacht Frankreichs kein Ende. Es
25Vgl Praetor Intermedia UG (Hrsg), Der Algerienkrieg und die Französische Doktrin,
<http://www.verschwindenlassen.de/der‐algerienkrieg‐und‐die‐franzoesische‐doktrin‐3351/> (26.05.2014).
26Vgl Renken Frank, Frankreich im Schatten des Algerienkrieges – Die Fünfte Republik und die Erinnerung an den letzten großen Kolonialkonflikt, Göttingen (V&R unipress) 2006, 90f.
27Vgl Renken, Frankreich im Schatten des Algerienkrieges (2006) 474f.
28Vgl Renken, Frankreich im Schatten des Algerienkrieges (2006) 91.
29Vgl Renken, Frankreich im Schatten des Algerienkrieges (2006) 143.
30Praetor Intermedia UG (Hrsg), Der Algerienkrieg und die Französische Doktrin,
<http://www.verschwindenlassen.de/der‐algerienkrieg‐und‐die‐franzoesische‐doktrin‐3351/> (26.05.2014).
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gab in den Militärdiktaturen Lateinamerikas einen regelrechten Höhepunkt von Fällen des Verschwindenlassens.
2.1.4 „Verschwindenlassen“ in Lateinamerika
Besonders das Verschwindenlassen von Hunderttausenden von Personen in Lateinamerika hat den heutigen Begriff des Verschwindenlassens stark geprägt. In Diktaturherrschaften wie Argentinien (1976 bis 1983), Chile (1973 bis 1990) und Guatemala (1966 bis 1976) verschwanden zahlreiche Menschen spurlos.31
Wie im Algerienkrieg, wandten die Militärdiktaturen gegen ihre politischen Gegner und gegen Guerillamitglieder die Maßnahmen des „schmutzigen Krieges“ an, um sich unliebsamer Oppositioneller zu entledigen.
Tobler beziffert die Verschwundenen wie folgt:„[…] Zehntausende, ja insgesamt wohl weit über 100 000 Ermordete […], die Opfer staatlicher Gewaltexzesse wurden und an die wohl ähnlich hohe Zahl so genannter «Verschwundener» […].“32
Die oppositionellen Bewegungen in Argentinien und Uruguay begannen in den 1960er und 1979er Jahren. Die Regierungsgegner sahen die einzige Möglichkeit gegen die Militärdiktatur vorzugehen darin, „Untergrundarbeit“33 zu betreiben. Es ging dabei weniger um die „Verteidigung eines einheitlichen Gesellschaftsmodells als vielmehr in der Rebellion gegen die bestehenden politischen und sozialen Verhältnisse.“34 Guerillabewegungen gegen die lateinamerikanischen Militärregierungen wurden nicht nur von der Armee, der Polizei und Geheimdiensten verfolgt, sondern auch von
„Tarnorganisationen“35, welche von der Regierung beauftragt und ausgerüstet wurden. Von Tarnorganisation verübte Straftaten an Guerillamitglieder wurden strafrechtlich nicht geahndet.
Während der Zeit der Militärdiktaturen reichte es schon aus, ein Guerillamitglied zu kennen bzw mit einer solchen Organisation zu sympathisieren, um verschleppt, gefoltert und ermordet zu werden. Die Ausübung des staatlichen Terrors und die Übergriffe der Tarnorganisationen führten zur Einschüchterung und Verängstigung der
31Vgl Österreichisches Rotes Kreuz (Hrsg), Verschwindenlassen – Das erzwungene Verschwinden,
<http://www.roteskreuz.at/berichten/magazin/rotkreuzfactbook/vermisst/verschwindenlassen/> (27.05.2014).
32Tobler Hans Werner, Politik und Gewalt, in Kaller‐Dietrich/Potthast/Tobler (Hrsg), Lateinamerika – Geschichte und Gesellschaft im 19. und 20. Jahrhundert, Wien (Promedia Verlag) 2004, 45 (52).
33Fuchs Ruth, Umkämpfte Geschichte – Vergangenheitspolitik in Argentinien und Uruguay, 2. Auflage, Berlin (LIT Verlag) 2010, 57.
34Fuchs, Umkämpfte Geschichte (2010) 58.
35Tobler in Kaller‐Dietrich/Potthast/Tobler 45 (52).
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Bevölkerung und erinnerten stark an die Abschreckungswirkung des „Nacht und Nebel Erlasses“ aus dem Dritten Reich. 36
Argentinien
Laut dem argentinischen Diktator Juan Perón handelte es sich bei den Verschwundenen um Terroristen, welche unter falschen Namen tätig gewesen sind und ins Ausland geflohen seien. Ebenso bestritt er die Existenz von geheimen Gefangenenlagern in Argentinien. Die Regierungsspitze Argentiniens versuchte die systematischen, menschenrechtswidrigen Aktionen wie das Verschwindenlassen, Folter und Ermordung von Personen zu leugnen und ihre Taten mit der Begründung eines Kampfes um die Menschenwürde zu rechtfertigen. Jedoch sind laut Ruth Fuchs 80 Prozent der Verschwundenen nicht im Kriege umgekommen oder verschwunden, sondern von ihrem zu Hause, auf der Straße oder an ihrem Arbeitsplatz festgenommen und verschleppt worden.37
Erst mit dem Beginn der Präsidentschaft von Raúl Alfonsín im Jahr 1983 wurden die strafrechtlichen Verbrechen der Militärdiktatur Argentiniens aufgearbeitet und die zuvor erteilte Selbstamnestie der Militärjunta annulliert. Die Konsequenzen dieser Handlung war es, das damit begonnen wurde, nach den Schicksalen der Verschwundenen zu forschen und die Verantwortlichen strafrechtlich zu verfolgen.38 Dafür wurde die Justiz mit umfangreichen Befugnissen ausgestattet, um die Militärjunta sowie auch die Guerillaführer für ihre Taten zur Rechenschaft zu ziehen.
Folglich wurde auch eine „Nationale Kommission über das Verschwinden von Personen“39 ‐kurz CONADEP genannt‐ gegründet, welche zur Aufgabe hatte, „ein möglichst vollständiges Bild der schwersten Menschenrechtsverletzungen zu erstellen, Strafanzeigen und Beweismaterial entgegenzunehmen sowie Informationen zusammenzutragen, die es erlaubten, die Opfer zu identifizieren und das Schicksal der
‚Verschwundenen‘ festzustellen.“40
36Tobler in Kaller‐Dietrich/Potthast/Tobler 45 (52).
37Fuchs, Umkämpfte Geschichte (2010) 83.
38Vgl Robben Antonius C.G.M., Political Violence and Trauma in Argentinia, Philadelphia (University of Pennsylvania Press) 2005, 319.
39Fuchs, Umkämpfte Geschichte (2010) 91;
Vgl CONADEP, Nunca Más (Never Again), Report of Conadep,
<http://www.desaparecidos.org/nuncamas/web/english/library/nevagain/nevagain_000.htm> (30.06.2014).
40Fuchs, Umkämpfte Geschichte (2010) 92;
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In recht kurzer Zeit war es der CONADEP möglich, mehr als 50.000 Seiten Beweismaterial vorzulegen, nachdem sie mit Unterstützung anderer Menschenrechtsorganisationen Dokumente sammelten und auswerteten, mehr als 7.000 Zeugen befragten und 1.200 Strafanzeigen entgegennahmen. In ihrem Abschlussbericht konnte die CONADEP mehr als 8.960 Fälle des gewaltsamen Verschwindenlassens belegen.41 Besonders auffallend war es, dass es sich bei den meisten Fällen des Verschwindenlassens nicht um Terrorismusbekämpfung handelte, sondern die Opfer meist unschuldig waren und es sich unter der Führung der Militärjunta um willkürliche Inhaftierungen in Gefangenlagern handelte.42
Die CONADEP trat dafür ein, dass in Argentinien das Verschwindenlassen als ein strafrechtliches Verbrechen definiert und als Tatbestand in das bestehende Rechtsystem verankert werden sollte. Ebenso engagierte sie sich dafür, dass der argentinische Staat bestimmten Menschenrechtsabkommen beitritt, um weiteren menschenrechtswidrigen Zuwiderhandlungen entgegenzutreten. Die Berichte der CONADEP hatten eine sehr große und weitreichende Öffentlichkeitswirkung, so dass auch die Medien sich zunehmend mit den Gewaltverbrechen der Diktaturherrschaft beschäftigten.43
Einige Zeit nach den Aufklärungsarbeiten der Diktaturverbrechen hat der Interamerikanische Gerichtshof entschieden, dass bspw der Staat Honduras den Familienangehörigen von Verschwundenen zu einer angemessenen finanziellen Entschädigung verpflichtet ist. Aus diesem Grund erklärte sich auch Argentinien bereit,
Vgl Wright Thomas C., State Terrorism in Latin America: Chile, Argentinia, and International Human Rights, Lanham Maryland (Rowman & Littlefield Publishers) 2007, 143.
41Vgl Fuchs Ruth/Nolte Detlef, Vergangenheitspolitik in Chile, Argentinien und Uruguay, in Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg), Aus Politik und Zeitgeschichte (APUZ 42/2006), 09.10.2006,
<http://www.bpb.de/apuz/29474/vergangenheitspolitik‐in‐chile‐argentinien‐und‐uruguay?p=all> (30.06.2014);
Vgl Fuchs, Umkämpfte Geschichte (2010) 93;
Vgl CONDEP, Creation and Organization of the National Commission on the Disappeared,
<http://www.desaparecidos.org/nuncamas/web/english/library/nevagain/nevagain_278.htm> (30.06.2014).
42Vgl Fuchs, Umkämpfte Geschichte (2010) 94;
Vgl Berger Timo, Wahrheit und Gerechtigkeit – Menschenrechtsbewegungen in Argentinien, in Bundeszentrale für politische Bildung Deutschland (Hrsg), 09.01.2008,
<http://www.bpb.de/internationales/amerika/lateinamerika/44628/menschenrechtsbewegung> (30.06.2014).
43Vgl Fuchs, Umkämpfte Geschichte (2010) 95;
Vgl CONDEP, Nunca Más (Never Again), Report of Conadep, Recommendations,
<http://www.desaparecidos.org/nuncamas/web/english/library/nevagain/nevagain_282.htm> (30.06.2014).
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Entschädigungsleistungen für zu Unrecht gefangen gehaltene Personen und für Hinterbliebenen von Verschwundenen zu gewähren.44
In weiterer Folge wurde im Jahr 1987 als zusätzliche Maßnahme zur Widergutmachung von Gewaltverbrechen ein Gesetz zur Erstellung einer „Gen‐Datenbank“45 erlassen, um genetische Daten von Familien von verschwundenen Kindern kostenlos zu speichern und somit zur Aufklärung von „Zwangsadoptionen“46, selbst nach dem Tod der Verwandten, beizutragen. Dies gab den Angehörigen die Möglichkeit nach verschwundenen Kindern zu suchen, wenn diese der „verbrecherischen Adoptionspraxis“47 der Militärdiktaturen zu Opfer fielen.48
Während der argentinischen Präsidentschaftswahl 1995 wollten „knapp zwei Drittel der Argentinier die Wahrheit über das Schicksal der ‚Verschwundenen‘ erfahren.“49 Ebenso die Schilderungen des Fregattenkapitäns Francisco Scilingo über die Praxis der sog „Todesflüge“, bei denen Hunderte von Personen lebendig aus einem Flugzeug ins Meer abgeworfen und somit getötet wurden, führte zu dem Wunsch, die Verbrecher jener Menschenrechtsverletzungen straffrechtlich zu verfolgen.50 Aufgrund eines Urteils des Bundesberufungsgerichts in Buenos Aires von 1995, war die Regierung verpflichtet, Listen von ehemaligen Gefangenen vorzulegen und alle betroffenen Familien einzeln über das Schicksal der Inhaftierten zu informieren.51
In den darauf folgenden Jahren kam es vermehrt zu Prozessen aufgrund der zahlreichen Verschwundenen. Im Zuge dessen besichtigten Richter „geheime Folterzentren, Friedhöfe, Massengräber und Polizeistationen, um sich ein Bild vom Ausmaß des Verbrechens zu machen. […] Angehörige von Opfern berichteten oft zum ersten Mal über ihre Erlebnisse.“52
44Vgl Fuchs, Umkämpfte Geschichte (2010) 187f.
45Fuchs, Umkämpfte Geschichte (2010) 190.
46Fuchs, Umkämpfte Geschichte (2010) 190.
47Fuchs, Umkämpfte Geschichte (2010) 190.
48Vgl Fuchs/Nolte in Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg),
<http://www.bpb.de/apuz/29474/vergangenheitspolitik‐in‐chile‐argentinien‐und‐uruguay?p=all> (30.06.2014).
49Fuchs, Umkämpfte Geschichte (2010) 207.
50Vgl Wright, State Terrorism in Latin America (2007) 160.
Vgl Fuchs/Nolte in Bundeszentrale für politische Bildung
<http://www.bpb.de/apuz/29474/vergangenheitspolitik‐in‐chile‐argentinien‐und‐uruguay?p=all> (30.06.2014).
51Vgl Fuchs, Umkämpfte Geschichte (2010) 207.
52Fuchs, Umkämpfte Geschichte (2010) 209.
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2005 wurde endgültig entschieden, dass das Strafverfahren auf das gesamte Spektrum der Menschenrechtsverletzungen während der Zeit der Militärdiktatur anzuwenden ist. 53
Auch International wurde mehr und mehr auf die Verbrechen der Militärdiktaturen in Lateinamerika eingegangen. Durch Prozesse und Urteile des Internationalen Strafgerichtshofs, sowie Auslieferungen wie die des chilenischen Generals Augusto Pinochet, wurde die Weltöffentlichkeit auf die Menschenrechtsverbrechen aufmerksam. So kam es bspw auch zur Verhaftung eines argentinischen Marineoffiziers in Mexiko und dessen Verurteilung vor dem Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag. 54
Argentinien unterschrieb 2007 die Konvention gegen das Verschwindenlassen und hat diese am 14. Dezember 2014 ratifiziert. Durch diesen Schritt können Fälle des Verschwindenlassens in Zukunft strafrechtlich effektiv verfolgt werden.55
Uruguay
In Uruguay hingegen wurde nach dem Zusammenbruch der Militärdiktatur eher versucht die menschenrechtswidrigen Verbrechen zu verdrängen und zu vergessen. Im Gegensatz zur Aufarbeitung in Argentinien wurde auf eine Amnestie der Diktaturgefangenen hingewirkt, anstatt die Gewaltverbrechen aufzuklären und strafrechtlich zu ahnden.56
Die zuvor eingesetzten Untersuchungskommissionen zur Aufklärung von Menschenrechtsverletzungen in Uruguay waren ‐im Gegensatz zur CONADEP‐ stark vom politischen Willen der Regierung abhängig und diese zeigte keinerlei Interesse daran, die Gewaltverbrechen während der Zeit der Militärdiktatur aufzuklären.
Dennoch wurden 1985 gegen den Willen der Regierung vom Parlament Uruguays zwei
53Vgl Fuchs/Nolte, in Bundeszentrale für politische Bildung
<http://www.bpb.de/apuz/29474/vergangenheitspolitik‐in‐chile‐argentinien‐und‐uruguay?p=all> (30.06.2014).
54Vgl Fuchs, Umkämpfte Geschichte (2010) 219;
Vgl Dencker Angela, Die Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen aus Sicht von amnesty international – 25 Jahre Militärputsch und Völkermord in Argentinien, 28.03.2001,
<http://www.menschenrechte.org/lang/de/lateinamerika/aufarbeitung‐menschenrechtsverletzungen‐
amnesty‐international> (30.06.2014).
55Vgl Office of the High Commissioner for Human Rights (Hrsg), Reporting Status for Argentina,
<http://tbinternet.ohchr.org/_layouts/TreatyBodyExternal/Countries.aspx?CountryCode=ARG&Lang
=E> (30.06.2014).
56Vgl Fuchs, Umkämpfte Geschichte (2010) 132f;
Vgl Steinitz Matti, Das Paradies der Straflosigkeit, Uruguay, in Lateinamerika Nachrichten (Hrsg), Ausgabe 480, Juni 2014, <http://www.lateinamerikanachrichten.de/index.php?/artikel/1511.html> (30.06.2014).