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3.   Merkmale des „Verschwindenlassens“

3.4.   Opferbegriff – Art 24 UN‐Konvention

Art 24 CPED definiert wer Opfer im Sinne der UN‐Konvention ist. Dabei bezieht sich der  Opferbegriff nicht nur auf den unmittelbar Betroffenen, also den Verschwundenen  selbst, sondern auch auf „jede natürliche Person, die als unmittelbare Folge eines  Verschwindenlassens geschädigt worden ist.“172 Somit sind die Angehörigen, denen die  Auskunft  über  das  Schicksal  der  verschwundenen  Person  verweigert  wird,  im  Opferbegriff mit inbegriffen. Folglich normiert Art 24 CPED unmittelbare wie auch die  mittelbaren Opfer des Verschwindenlassens und sieht somit ausdrücklich das Recht  der  mittelbaren  Opfer  auf  Auskunft  vor.173  „Das  Verschwindenlassen  kann  eine  unmenschliche Behandlung der Angehörigen sein.“174, denn besonders das familiäre 

       

170Vgl Heinz Wolfgang S., Das neue internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem  Verschwindenlassen, Essay No. 8, in Deutsches Institut für Menschenrechte (Hrsg), April 2008, 9,  

<http://www.institut‐fuer‐menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/Essay/essay_no_8_das_n eue_int_uebereinkommen_z_schutz_aller_personen_vor_dem_verschwindenlassen.pdf> (18.07.2014).  

171Vgl Praetor Intermedia UG (Hrsg), Handeln nichtstaatlicher Akteure,  

<http://www.verschwindenlassen.de/handeln‐nichtstaatlicher‐akteure‐3213/> (18.07.2014). 

172Art 24 Abs 1 Internationales Übereinkommen zum Schutz vor Verschwindenlassen (2006). 

173Vgl Hummer/Mayr‐Singer in Vereinte Nationen 183 (187);  

Vgl Rodley/Pollard, The Treatment of Prisoners under International Law (2009) 359; 

Vgl  Fernández  de  Casadevante  Romani  Carlos,  International  Law  of  Victims,  Heidelberg/New  York/Dordrecht/London (Springer Verlag) 2012, 55. 

174Peters Anne/Altwicker Tilmann, Europäische Menschenrechtskonventionen, 2. Auflage, München  (C.H.Beck Verlag) 2012, 63.  

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Leben der Opfer ist durch das Fehlen eines Angehörigen stark beeinträchtigt und  darüber hinaus kann es dadurch zu finanziellen Schwierigkeiten der Hinterbliebenen  kommen. Die seelische Belastung des Nichtwissens kann zu schweren psychischen  Erkrankungen und Stresserscheinungen führen, die sich folglich auch negativ auf die  physische Gesundheit auswirken kann.  

Die  Abschreckungs‐ und  Einschüchterungswirkung  einer  solchen  Straftat  übt  sich  jedoch nicht nur auf die unmittelbaren und mittelbaren Opfer aus. Auch die nähere  Bekanntschaft  der  Opfer,  wie  bspw  Nachbarn  und  Bekannte  werden  vom  Verschwindenlassen tangiert, denn auch sie müssen fürchten, dieser Praktik zum Opfer  fallen. 

Zusammenarbeit der Vertragsstaaten bei der Unterstützung der Opfer – Art 15 CPED  Die UN‐Konvention gegen das Verschwindenlassen verpflichtet die Vertragsstaaten in  Art 15 CPED zusammenzuarbeiten und gegenseitig zu unterstützen, wenn es um die  Unterstützung  der  Opfer,  die  Suche  nach  Verschwundenen,  die  Ermittlung  des  Aufenthaltsortes, die Freilassung des Verschwundenen oder im Fall des Todes um die  Exhumierung, Identifizierung oder Überführung des Leichnams geht. Dies soll eine  umfangreichere  Möglichkeit  bieten,  die  Angehörigen  zu  unterstützen  und  die  Ermittlungen länderübergreifend voran zu treiben.  

Die Rechte der Opfer 

Die Auskunftspflicht umfasst gem Art 24 Abs 2 CPED nicht nur Informationen über den  Verbleib des Verschwundenen, sondern auch über die Umständen des Verschwindens  sowie Hinweise zu den Ergebnissen der laufenden Untersuchung.  

Die Pflicht der Vertragsstaaten, den Aufenthaltsort des Verschwundenen schnell zu  ermitteln und ihn rasch freizulassen, wird in Art 24 Abs 3 CPED geregelt. Falls der  Verschwundene tot aufgefunden werden sollte, verpflichten sich die Vertragsstaaten  den  Leichnam  zu  überführen  und  das  Schicksal  des  Verschwundenen vollständig  aufzuklären.  

Das „Recht auf Wiedergutmachung und auf umgehende, gerechte und angemessene  Entschädigung“175 der Opfer ist in Art 24 CPED festgeschrieben. Dabei umfasst die  Wiedergutmachung „den Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens sowie         

175Art 24 Abs 4 Internationales Übereinkommen zum Schutz vor Verschwindenlassen (2006); 

Vgl Hummer/Mayr‐Singer in Vereinte Nationen 183 (187). 

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gegebenenfalls  andere  Arten  der  Wiedergutmachung  wie  a)  Restitution;  b)  die  Rehabilitation; c) die Genugtuung einschließlich der Wiederherstellung der Würde und  des Ansehens; d) die Garantie der Nichtwiederholung.“176 Ebenso werden die Staaten  verpflichtet, sich um die Rechtsstellung der verschwundenen Personen und deren  Angehörigen zu kümmern.177  

Bildung von Organisationen und Vereinen zur Unterstützung der Opfer 

Im Zusammenhang mit der Definition des Opferbegriffs und den Rechten der Opfer,  wird im Art 24 Abs 7 CPED das „Recht auf Bildung von Organisationen und Vereinen,  deren Ziel es ist, dazu beizutragen, die Umstände der Fälle von Verschwindenlassen  und  das  Schicksal  der  verschwundenen  Personen  aufzuklären  sowie  Opfer  des  Verschwindenlassens zu unterstützen“ manifestiert und das freie Recht sich an diesen  zu beteiligen festgehalten.  

Kinder als Opfer des Verschwindenlassens 

In der UN‐Konvention wurden spezielle Regelungen zum Schutz von Kindern eingefügt,  welche selbst bzw deren Eltern unmittelbare Opfer des Verschwindenlassens sind oder  Kinder,  die  während  des  Verschwindenlassens  der  Mutter  geboren  wurden.178  Insbesondere die „Fälschung, das Verbergen oder die Vernichtung von Dokumenten,  welche die wahre Identität der […] Kinder bescheinigen“ soll strafrechtlich geahndet  werden  und  dem  Verschwindenlassen  entgegenwirken.  Denn  die  illegale  Adoptionspraxis steht in vielen Fällen in einem engen Zusammenhang mit Fällen des  Verschwindenlassens.179  Ebenso  soll  Art  25  CPED  vor  rechtswidrigen  Adoptionen  schützen  und  die  Möglichkeit  bieten,  Kinder  wiederzufinden  und  in  ihre  Herkunftsfamilie zurückzuführen.180 Hierzu können widerrechtliche Adoptionen gemäß  der UN‐Konvention nach einem Überprüfungsverfahren aufgehoben werden. Jedoch         

176Art 24 Abs 5 Internationales Übereinkommen zum Schutz vor Verschwindenlassen (2006).  

177Vgl Deutscher Bundestag, Gesetzesentwurf der Bundesregierung, 37f, 

<http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/125/1612592.pdf> (17.07.2014); 

Vgl Art 24 Abs 6 Internationales Übereinkommen zum Schutz vor Verschwindenlassen (2006); 

Vgl Sterr Silvi, Sozialfragen und Menschenrechte, in Vereinte Nationen – Zeitschrift für die Vereinten  Nationen und ihre Sonderorganisationen, 2/07, 2007, 75 (75).  

178Vgl Hummer/Mayr‐Singer in Vereinte Nationen 183 (187);  

Vgl Art 25 Abs 1 Internationales Übereinkommen zum Schutz vor Verschwindenlassen (2006).  

179Vgl Scovazzi/Citroni, The Struggle Against Enforced Disappearance (2007) 14. 

180Vgl Wolfrum, The Max Planck Encyclopedia of Public International Law Volume II (2012) 148; 

Vgl Deutscher Bundestag, Gesetzesentwurf der Bundesregierung, 38, 

<http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/125/1612592.pdf> (17.07.2014); 

Vgl Art 25 Internationales Übereinkommen zum Schutz vor Verschwindenlassen (2006).  

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ist bei diesen Fällen gem Art 25 Abs 5 CPED das Wohl des Kindes vorrangig, welches in  Art  3  UN‐Kinderrechtskonvention  näher  erläutert  wird  und  auch  in  dieser  UN‐

Konvention Anwendung findet.181 Des Weiteren gilt: Ist ein Kind bereits fähig sich eine  eigene Meinung zu bilden, soll diese unter Berücksichtigung  von Alter und Reife  miteinbezogen werden.182  

3.5. Exkurs: Menschenrechtsorganisationen und ihre Aufgaben gegen