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8.   Umsetzung  der  UN‐Konvention  am  Beispiel  einzelner  Staaten  des

8.2.   Deutschland

Deutschland hat am 6. Februar 2007 in Paris die UN‐Konvention unterzeichnet. Am  24. September 2009  ratifizierte  Deutschland  die  UN‐Konvention  und  setzte  diese  rechtswirksam um.  

8.2.1. Umsetzung der UN‐Konvention in Deutschland und die damit verbundene  Auswirkung auf das nationale Rechtssystem 

In Deutschland wurde aufgrund der bereits bestehenden Straftatbestände im StGB und  der  Strafbarkeit  des  systematischen  Verschwindenlassens  von  Personen  als  Verbrechen gegen die Menschlichkeit gem §7 Abs 1 Nr 7 VStGB kein zusätzlicher  eigener  Straftatbestand  des  Verschwindenlassens  erschaffen.252  Der  Deutsche  Bundestag hat deklariert, dass das Verschwindenlassen unter den Straftatbestand des 

§239 StGB „Freiheitsberaubung“ fällt. In § 239 StGB ist das Verschwindenlassen nicht  explizit als Tatbestand erwähnt. Erst durch §257 StGB (Begünstigung), §258 StGB  (Strafvereitelung), §323c StGB (Unterlassene Hilfeleistung) und §357 StGB (Verleitung 

       

252Vgl Deutscher Bundestag, Gesetz zu dem Internationalen Übereinkommen vom 20. Dezember 2006  zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen, 30.Juli 2009, Bundesgesetzblatt Jahrgang 2009  Teil II Nr.27, ausgegeben 5.August 2009 – Bonn. 

<http://www.bgbl.de/banzxaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&start=//*[@attr_id=%25 27bgbl209s0932.pdf%2527]#__bgbl__%2F%2F*[%40attr_id%3D%27bgbl209s0932.pdf%27]__14062936 84546> (25.07.2014); 

Vgl  Braun  Leonie/Diel  David,  Die  Umsetzung  der  Konvention  gegen  das  Verschwindenlassen  in  Deutschland, in Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik ZIS (Hrsg), 4/2011, 2011, 214 (223f)  

<http://www.zis‐online.com/dat/artikel/2011_4_547.pdf> (25.07.2014). 

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eines Untergebenen zu einer Straftat) werden die Verpflichtungen hinsichtlich der  Besonderheiten des Täterbegriffs und der Vielschichtigkeit des Verschwindenlassens  (Art 4 CPED und Art 6 CPED) erfüllt.253 Somit ist das Verschwindenlassen von Personen  sowohl durch staatliche als auch durch nicht‐staatliche Akteure strafbar und damit der  Verpflichtung des Art 3 CPED Rechnung getragen. Fälle der Freiheitsberaubung werden  in  Deutschland  mit  einer  Strafandrohung  von  bis  zu  fünf  Jahren  Freiheitsstrafe  geahndet.  Bei  schweren  Fällen  der  Freiheitsberaubung  droht  dem  Täter  eine  Strafandrohung von bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe.  

Diese  strafrechtlichen  Umsetzungsmaßnahmen  haben  aber  auch  Anlass  zu  Kritik  gegeben. Die Experten Dr. Leonie von Braun und David Diehl bspw sind der Ansicht,  dass  ein  eigens  geschaffener  Straftatbestand  des  Verschwindenlassens  in  den  innerstaatlichen Rechtssystemen, die oft bestehenden Lücken schließen könnten, die  aufgrund unzureichender nationaler Regelungen bestehen können und somit jegliche  Art des Verschwindenlassens strafrechtlich zu verfolgen wäre.254 Die Erstellung eines  eigenen Straftatbestands hätte nicht nur den Vorteil einer umfassenderen Wirkung,  sondern  ein  eigener  Straftatbestand  würde  auch  auf  die  Besonderheiten  dieser  Menschenrechtsverletzung eingehen und jegliche Form des Verschwindenlassens als  rechtswidrig erklären. 

Diese Kritik ist durchaus nachvollziehbar. Denn nur das Zusammenspiel der oben  genannten Rechtsnormen garantiert in Deutschland eine effektive Möglichkeit sowohl  gegen  unmittelbare,  als  auch  mittelbare  Täter  vorgehen  zu  können.  Denn  der  Täterbegriff der UN‐Konvention umfasst nicht nur unmittelbare Täter, Mittäter oder  Personen, die in einer anderen Weise an diesem Vergehen beteiligt sind, sondern auch  Anstifter, Personen die diese Straftat anordnen und wissende Vorgesetzte fallen unter  diesen Täterbegriff. Dennoch ist sowohl die Straftat des Verschwindenlassens als auch  der komplexe Täterbegriff im bestehenden deutschen Recht (§§ 239, 257, 258, 323c,  352  StGB) verankert. Somit sind  die Vorgaben  der  UN‐Konvention im deutschen  nationalen Recht erfüllt. 

       

253Vgl Deutscher Bundestag, Gesetzesentwurf der Bundesregierung, 33, 

<http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/125/1612592.pdf> (25.07.2014). 

254Vgl Braun/Diel in Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik ZIS 214 (223f),    

<http://www.zis‐online.com/dat/artikel/2011_4_547.pdf> (25.07.2014).  

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Durch die Umsetzung der UN‐Konvention in Deutschland können sich Betroffene in  Fällen  des  Verschwindenlassens  an  den  CED  wenden,  welcher  ein  Verfahren  einleitet.255 

Aufgrund der UN‐Konvention haben sich die Vertragsstaaten verpflichtet, Opfern die  Möglichkeit zu bieten, Entschädigungsrechte einzuklagen. Jedoch hat diesbezüglich  Deutschland einen Vorbehalt erklärt und explizit auf die geltende Staatenimmunität  hingewiesen.  Somit  wurde  diesbezüglich  die  Wirkung  der  UN‐Konvention  eingeschränkt. Das Wiedergutmachungsrecht der Opfer gem Art 24 CPED wird in  Deutschland bereits durch den Amtshaftungsanspruch des §839 BGB iVm Art 34 GG  verwirklicht.  Demnach  stehen  Opfer  des  Verschwindenlassens,  ausgeführt  durch  deutsche  Behörden,  Entschädigungs‐  und  Wiedergutmachungsrechte  zu.256  In  Deutschland  musste diesbezüglich  keine weitere Norm statuiert  oder Maßnahme  getroffen werden, denn die Rechtslage in Deutschland hat diese Verpflichtung bereits  im Vorhinein erfüllt.  

Auch  der  Informationszugang  der  Angehörigen  gem  Art  18f  CPED  wurde  in  Deutschland schon vor der Umsetzung durch § 475 StPO gewährleistet und somit ist  sichergestellt,  dass  Personen  mit  einem  berechtigten  Interesse  entsprechende  Informationen über die Inhaftierung einer Person erhalten.257  

In Deutschland ist für Fälle des Verschwindenlassens das Bundesministerium für Justiz  und  Verbraucherschutz  zuständig.258  An  diese  Behörde  können  sich  Opfer  des  Verschwindenlassens und dessen Angehörige wenden und um Hilfe bitten bzw die  Aufklärung über den Verbleib einer Person  verlangen. Somit ist  die Vorgabe der 

       

255Vgl Deutscher Bundestag, Gesetzesentwurf der Bundesregierung, 33, 

<http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/125/1612592.pdf> (25.07.2014).  

256Vgl Braun/Diel in Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik ZIS 214 (223f),   

<http://www.zis‐online.com/dat/artikel/2011_4_547.pdf> (25.07.2014); 

Vgl Deutscher Bundestag, Gesetzesentwurf der Bundesregierung, 37, 

<http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/125/1612592.pdf> (25.07.2014). 

257Vgl Braun/Diehl in Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik ZIS 214 (223f),   

<http://www.zis‐online.com/dat/artikel/2011_4_547.pdf> (25.07.2014); 

Vgl Deutscher Bundestag, Gesetzesentwurf der Bundesregierung, 36, 

<http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/125/1612592.pdf> (25.07.2014). 

258Vgl  Deutsches  Institut  für  Menschenrechte,  Konvention  gegen  Verschwindenlassen,  Umsetzung  in  Deutschland – Zuständiges Ministerium,   <http://www.institut‐fuer‐

menschenrechte.de/menschenrechtsinstrumente/vereinte‐nationen/menschenrechtsabkommen/konvention‐

gegen‐verschwindenlassen‐cped.html#c10004> (25.07.2014). 

Vgl Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz,  

<http://www.bmjv.de/DE/Themen/_node.html> (25.07.2014). 

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UN‐Konvention eine Stelle einzurichten, an die sich Betroffene wenden können, erfüllt. 

Eine  wichtige  Norm  der  UN‐Konvention  neben  dem  absoluten  Verbot  des  Verschwindenlassens ist das Verbot der geheimen Haft (Art 17 CPED). Deutschland  gehört zu jenen Staaten,  die keine geheimen Gefangenenlager führen und  somit  besteht diesbezüglich keine Auswirkung dieser Regelung. Jedoch hat sich Deutschland  mit  der  Umsetzung  der  UN‐Konvention  auch  zukünftig  dazu  verpflichtet,  weder  Personen verschwinden zulassen noch geheime Inhaftierungen vorzunehmen. Auch  die  UN‐Konventionskonformen  Haftbedingungen,  die  Aufzeichnungspflicht  über  Inhaftierte und deren Freilassung lassen sich in Deutschland einwandfrei nachweisen  und sind im deutschen Rechtssystem verankert. Die UN‐Konvention stärkt durch diese  Bestimmungen  den  bereits  bestehenden  Rechtsschutz  und  nun  kann  auch  auf  internationaler Ebene gegen einen Verstoß vorgegangen werden.  

Die  UN‐Konvention  hat  einen  Einfluss  auf  die  Ausweisungs‐,  Abschiebungs‐  und  Auslieferungspolitik  der  Vertragsstaaten.  Es  ist  den  Vertragsstaaten  untersagt,  Personen auszuweisen/abzuschieben/auszuliefern, wenn die Gefahr besteht, dass sie  in ihrem eigenen Land dem Verschwindenlassen zum Opfer fallen könnten. Jedoch hat  auch diesbezüglich Deutschland einen Vorbehalt ausgesprochen, um die weitreichende  Regelung der UN‐Konvention einzuschränken (siehe hierzu Kapitel 8.4.1.).  

Das Beispiel Deutschland zeigt, dass die Umsetzung der Verpflichtungen der UN‐

Konvention  auch  ohne  Schaffung  eines  eigenen  Straftatbestandes  des  Verschwindenlassens erfolgreich durchgeführt werden konnte. Voraussetzung war ein  bestehendes  nationales  Rechtssystem,  welches  den  Tatbestand  des  Verschwindenlassens  umfassend  abdeckte.  Aufgrund  des  bestehenden  deutschen  Rechtssystems,  wurden  bereits  vor der  Umsetzung  sowohl die  Verpflichtung  der  Strafbarkeit des Verschwindenlassens, als auch die Präventivmaßnahmen bezüglich  der Dokumentationsverpflichtung bei Inhaftierungen erfüllt.  

Die Umsetzung der UN‐Konvention hatte nur einen geringen Einfluss auf das nationale  Recht. Jedoch kann durch die Umsetzung der UN‐Konvention auf internationaler Ebene  rechtswirksam gegen Fälle des Verschwindenlassens im deutsch‐territorialen Gebiet  vorgegangen  und  ein  Verfahren  vor  dem  CED  eingeleitet  werden.  Ebenso  hat  Deutschland  mit  der  Umsetzung  der  UN‐Konvention  die  Rechtssicherheit  der  in  Deutschland befindlichen Personen erhöht, denn Verschwindenlassen sowohl durch 

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den Staat als auch durch nicht‐staatliche Akteure wird strafrechtlich rechtwirksam  verfolgt.  Die  Regelungen  der  UN‐Konvention  haben  die  Menschenrechte  in  Deutschland nochmals verstärkt.  

8.2.2. Erklärung über fakultative Beschwerdeverfahren  

Im Rahmen der UN‐Konvention unterstehen die Vertragsstaaten den obligatorischen  Beschwerdeverfahren (Kapitel 6.2.). Zudem hat Deutschland am 26. Juni 2012 die  fakultative Individualbeschwerde (Art 31 CPED) und die fakultative Staatenbeschwerde  (Art 32 CPED) notifiziert und somit weiteren Beschwerdemöglichkeiten zugestimmt,  damit  gegen  mögliche  Fälle  des  Verschwindenlassens  in  Deutschland  effektiv  vorgegangen werden kann.259