2. Entstehung der UN‐Konvention
2.4 Der Weg zur UN‐Konvention gegen das Verschwindenlassen und dessen Akteure . 31
Mitte der 1970er Jahre, nachdem immer mehr Details von den lateinamerikanischen Methoden des Verschwindenlassens an die Öffentlichkeit drangen, erließ die Menschenrechtskommission die oben genannten Resolutionen gegen das Verschwindenlassen.
Nachdem 1980 die Arbeitsgruppe gegen das Verschwindenlassen eingerichtet und 1992 eine Erklärung zum Schutz von Personen gegen das Verschwindenlassen vorgelegt wurde, hat sich ab dem Jahr 2001 eine weitere Arbeitsgruppe mit der Aufgabe befasst, einen Entwurf für eine UN‐Konvention gegen das Verschwindenlassen auszuarbeiten.
Am 1.7.2002 trat das „Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs“ (Rom Statut) in Kraft. Dieses Statut ermöglichte dem Internationale Strafgerichtshof in Den Haag zum ersten Mal gegen die Täter des Verschwindenlassens vorzugehen und diese gem Art 7 lit i Rom Statut wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ zu verurteilen. Dieses Gesetz kann jedoch aufgrund des essentiellen Rückwirkungsverbots
118Deutscher Bundestag, Gesetzesentwurf der Bundesregierung, 29,
<http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/125/1612592.pdf> (24.06.2014).
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hinsichtlich der bereits verübten bzw geschichtlichen Vorfälle nicht angewendet werden. Daher kann ein Großteil der Täter nicht durch das Rom Statut belangt werden und somit werden diese Täter nicht zur Rechenschaft gezogen. 119
2.4.1 Die Arbeitsgruppe ‐ WGEID
Seitdem 1980 die „Arbeitsgruppe über gewaltsames und unfreiwilliges Verschwindenlassen“ (WGEID) eingesetzt wurde, beschäftigt sich diese mit den wichtigsten Thematiken des Verschwindenlassens und ist dafür zuständig, Staaten und nicht‐staatlichen Organisationen unterstützend bei der Umsetzung von Regelungen gegen das Verschwindenlassen beizustehen, ihre Aufmerksamkeit auf bestimmte Problematiken zu lenken und die Einhaltung der Schutzbestimmungen der Staaten zu überwachen bzw bei der Aufklärung von Fällen des Verschwindenlassens beizustehen.120
Die rechtliche Grundlage für dieses Mandat bildet die Resolution 20 (XXXVI) und wurde in späteren Resolutionen weiter ausgebaut. Die WGEID verbürgt sich bei ihren Aufgaben die Charta der Vereinten Nationen, der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und die Erklärung von 1992 sowie weitere Übereinkommen stets einzuhalten und zu beachten. Dies wurde unter anderem in der 102. Sitzung und im Jahresbericht der WGEID vom 7. Februar 2014 mit dem Titel „Methods of work of the Working Group on Enforced or Involuntary Disapperances”121, in der Grundsätze, Arbeitsmethoden, rechtlichen Grundlagen sowie auch der Umgang und das Procedere mit Fällen des WGEID beschrieben sind, schriftlich festgehalten.122
2.4.1.1 Zusammensetzung der WGEID
Die WGEID besteht aus fünf Mitgliedern und kommt in der Regel jährlich zu drei nicht‐
öffentlichen Sitzungen zusammen. Die Arbeitsgruppe wählt jährlich einen Vorsitzenden
119Vgl Praetor Intermedia UG (Hrsg), Entstehung der Konvention gegen das Verschwindenlassen,
<http://www.verschwindenlassen.de/entstehung‐der‐konvention‐gegen‐das‐verschwindenlassen‐
3130/> (25.06.2014);
Vgl Art 7 Römisches Staut des Internationalen Strafgerichtshofs.
120Vgl Rudolf Beate, Die thematischen Berichterstatter und Arbeitsgruppen der UN‐
Menschenrechtskommission, Berlin (Springer Verlag) 2000, 62;
Ramcharan Bertrand G., The Protection Roles of UN Human Rights Special, Leiden –Netherlands (Martinus Nijhoff Publishers) 2009, 113f.
121Human Rights Council ‐ WGEID, Methods of work of the Working Group on Enforced or Involuntary Disappearances, UN Doc. A/HRC/WGEID/102/2 (25.06.2014).
122Vgl Human Rights Council ‐ WGEID, Methods of work of the Working Group on Enforced or Involuntary Disappearances, UN Doc. A/HRC/WGEID/102/2 (25.06.2014).
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und seinen Stellvertreter aus ihrer Mitte. Der Vorsitzende hat die Befugnis, in den Zeiträumen zwischen den Sitzungen; den Kommunikationsaustausch zwischen den Informationsquellen und den betroffenen Staaten als auch die Weiterleitung von
„dringenden Fällen“ des Verschwindenlassens zu autorisieren und zu delegieren.123 Die Kommunikation zwischen betroffenen Staaten und WGEID erfolgt auf schriftlichem Wege über den Vorsitzenden der Arbeitsgruppe.124
2.4.1.2 Arbeitsmethoden und Verfahren der WGEID
Es wird im Folgenenden ein grober Überblick zu den Arbeitsmethoden und dem Verfahren der WGEID gegeben, um dem Leser ein Verständnis zu geben, wie mit Fällen des Verschwindenlassens umgegangen wird und welche Rolle diese Einrichtung in Bezug auf die Menschenrechtsverletzung „Verschwindenlassen“ spielt.
Eine der Kernaufgaben der WGEID ist es, den Familienangehörigen von verschwundenen Personen zu helfen und festzustellen, welches Schicksal den Verschwundenen zugestoßen ist, bzw an welchem Ort sie sich befinden. Aus diesem Grund bezieht und validiert die Arbeitsgruppe Berichte und Informationen von Quellen wie Menschenrechtsorganisationen, Regierungen, NGOs, Aussagen von Angehörigen und anderen „reliable sources“ und überprüft diese Meldung auf ihre Glaubhaftigkeit.125
Nach Eingang einer Meldung des Verschwindenlassens wird der Fall auf Vorliegen bestimmter, dringend erforderlicher Voraussetzungen überprüft.
Meist melden Familienmitglieder oder Freunde des Opfers der WGEID den Fall des Verschwindens. Jedoch haben auch andere Quellen die Möglichkeit, einen solchen Fall der WGEID zu melden. Voraussetzung ist in jedem Fall, dass die Meldung schriftlich eingereicht wird und der Verfasser dieses Schreibens als „Informationsquelle“ deutlich erkennbar ist. Falls kein Familienmitglied Urheber einer solchen Meldung ist, müssen zusätzliche Erfordernisse erfüllt sein.
123Vgl Gomez Isa Felipe/Feyte Koen de, International Protection of Human Rights: Achievements and Challenges, Bilbao (Publicaciones de la Universidad de Deusto) 2006, 307f;
Vgl Human Rights Council ‐ WGEID, Methods of work, UN Doc. A/HRC/WGEID/102/2 (25.06.2014);
Vgl Rudolf, Die thematischen Berichterstatter und Arbeitsgruppen der UN‐Menschenrechtskommission (2000) 67.
124Vgl Human Rights Council ‐ WGEID, Methods of work of the Working Group on Enforced or Involuntary Disappearances, UN Doc. A/HRC/WGEID/102/2 (25.06.2014).
125Vgl Rudolf, Die thematischen Berichterstatter und Arbeitsgruppen (2000) 62,87,89;
Vgl Human Rights Council ‐ WGEID, Methods of work, UN Doc. A/HRC/WGEID/102/2 (25.06.2014).
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Besonders wichtig bei der Bekanntgabe eines solchen Falles, dass die relevanten personenbezogenen Daten bezüglich der Identität des Verschwundenen und über die Umstände seines Verschwindens angegeben sind. Mindesterfordernisse sind ua der vollständige Name der verschwundenen Person, wenn vorhanden auch in der Originalsprache zuzüglich sämtlicher anderer von dieser Person verwendeten Namen, dem Geburtsdatum, Datum des Verschwindens bzw Angabe des Datums und des Ortes an dem die Person zum letzten Mal gesehen wurde. Dies soll betroffenen Staaten eine rasche und wirkungsvolle Suche nach dem Verschwundenen ermöglichen.126
Im Verfahren selbst werden besondere Umstände bezüglich der verschwundenen Personen wie Alter, Krankheit, bestehende Schwangerschaften oder oä berücksichtigt.127
Nach Bearbeitung und Kontrolle des Falles in den Sitzungen leitet der Vorsitzende der WGEID den Fall an den zuständigen Staat weiter, welcher dazu aufgefordert wird, Untersuchungen zum Verbleib des Verschwundenen einzuleiten und die WGEID über die Ergebnisse der Ermittlung zu informieren.128 Bezüglich gemeldeter, noch ungeklärter Fälle erinnert die WGEID betroffene Staaten drei Mal jährlich sich um die Aufklärung dieser Fälle zu bemühen und übt, aufgrund der daraus resultierenden Öffentlichkeitswirkung einer solchen Ermahnung, Druck aus. Denn jedes Jahr wird von der WGEID ein Jahresbericht veröffentlicht, welcher alle relevanten Informationen bezüglich der WGEID und den Fällen des Verschwindenlassens beinhaltet.
2.4.1.3 Die verschiedenen Fälle des Verschwindenlassens und die entsprechende Vorgehensweise
Zur Behandlung von Fällen verfolgt die WGEID bestimmte Vorgehensweisen und Arbeitsmethoden.129 Bei den Meldungen des Verschwindenlassens werden zwei Fälle unterschieden:
126Vgl Human Rights Council ‐ WGEID, Methods of work, UN Doc. A/HRC/WGEID/102/2 (25.06.2014);
Vgl Rudolf, Die thematischen Berichterstatter und Arbeitsgruppen (2000) 88f.
127Vgl Human Rights Council ‐ WGEID, Methods of work, UN Doc. A/HRC/WGEID/102/2 (01.07.2014).
128Vgl Office of the High Commissioner for Human Rights, Working Group on Enforced or Involuntary Disappearances,
<http://www.ohchr.org/EN/Issues/Disappearances/Pages/DisappearancesIndex.aspx> (25.06.2014).
129Vgl Human Rights Council ‐ WGEID, Methods of work, UN Doc. A/HRC/WGEID/102/2 (25.06.2014).
35 Dringende Fälle
„Dringende Fälle“ sind jene, die innerhalb der letzten drei Monate vor einem WGEID Bericht aufgetreten sind und somit zwischen den Sitzungszeiträumen auftreten. In solchen Fällen ist es von besonderer Wichtigkeit, sich schnell und effektiv um den vorliegenden Fall zu bemühen. Daher werden solche Fälle auf direkten Weg an den betroffenen Staat weitergeleitet. Eine weitere Möglichkeit Fälle über die WGEID direkt an den betroffenen Staat zu übergeben besteht für jene Fälle, welche im letzten Jahr beim zuständigen Sekretariat der WGEID eingegangen sind und eine direkte Verbindung zu einem der Fälle, welche in die drei Monats‐Regel fallen, aufweisen können.
In weiterer Folge informiert die Arbeitsgruppe die anzeigende Quelle des Verschwindens, dass der gemeldete Fall als „urgent action“130 an den betroffenen Staat gesendet wurde und folglich untersucht wird. Die Informationsquelle kann ansonsten auch die zuständige Behörde kontaktieren, um eine schnelle Aufklärung des Falles zu ermöglichen.131
Standard Fälle
Das „Standard Verfahren“ sieht hingegen vor, dass der Fall der Arbeitsgruppe vorgelegt und eingehend überprüft wird, bevor er weitergeleitet wird. Nach der spezifischen Überprüfung und Bearbeitung wird der Fall schließlich an den betroffenen Staat mit dem Auftrag übermittelt, Nachforschungen bezüglich des Verschwindenlassens durchzuführen, um das Schicksal des Verschwundenen aufzuklären oder den Aufenthaltsort jener Person festzustellen.
Die Arbeit der WGEID bezüglich der Fälle ist erst beendet, wenn der Verschwundene wieder auftaucht. Ist dies nicht der Fall, wird der Fall erst abgeschlossen, wenn sein Verbleib seit dem Verschwinden aufgeklärt wurde. Wird lediglich der Leichnam aufgefunden, gilt dies nicht als Abschluss des Falles, sondern das Schicksal des Opfers muss zuvor aufgeklärt werden.132
130Human Rights Council ‐ WGEID, Methods of work, UN Doc. A/HRC/WGEID/102/2 (01.07.2014);
Vgl Rudolf, Die thematischen Berichterstatter und Arbeitsgruppen (2000) 104f.
131Vgl Human Rights Council ‐ WGEID, Methods of work, UN Doc. A/HRC/WGEID/102/2 (25.06.2014);
Vgl Rudolf, Die thematischen Berichterstatter und Arbeitsgruppen (2000) 104f.
132Vgl Rudolf, Die thematischen Berichterstatter und Arbeitsgruppen (2000) 73f.
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2.4.1.4 Erweiterter Aufgabenbereich der WGEID nach Unterzeichnung der UN‐
Konvention gegen das Verschwindenlassen
Nachdem die Konvention zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen angenommen wurde, war es zusätzlich Aufgabe der WGEID, während Staatsbesuchen oder aufgrund von Beratungsleistungsanfragen, die Staaten bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen zu überwachen und die Fortschritte dieser Staaten zu beobachten.
Folglich soll die WGEID den Staaten bei der Umsetzung der UN‐Konvention helfend zur Seite stehen und Empfehlungen abgeben. Die WGEID wurde beauftragt Staaten anzuhalten, Fälle des Verschwindenlassens aufzuklären. 133
Diese Aufgaben sind unter dem Punkt VII „Other activities of the Working Group“ der Arbeitsmethoden der WGEID aufgelistet.
Beispiel einer solchen Überwachungstätigkeit der WGEID bietet die Einladung von Bosnien‐Herzegowina im Juni 2010, bei dem der Staat den WGEID‐Mitgliedern ihre Bemühungen und Fortschritte bezüglich der Aufklärung von Fällen des Verschwindenlassens demonstrierte.134
Die Ausarbeitung des Internationalen Übereinkommens zum Schutz vor Verschwindenlassen gehörte nicht zu den Aufgaben der WGEID. Mit der Erarbeitung jener Konvention wurde eine eigene Arbeitsgruppe ins Leben gerufen.