4. Die rechtlichen Bestimmungen der UN‐Konvention
4.3. Umgang mit einem Verdächtigen des Verschwindenlassens
Wenn ein Vertragsstaat alle relevanten Informationen bezüglich einer Straftat des Verschwindenlassen überprüft hat und es daraufhin zu einer Festnahme des Verdächtigen kommt, müssen die Umstände und weitere Maßnahmen dieser
190Vgl Hummer/Mayr‐Singer in Vereinte Nationen 183 (187).
191Vgl Doehring Karl, Völkerrecht, 2. Auflage, Heidelberg (C.F.Müller Verlag) 2004, Rz 815f.
192Werle, Völkerstrafrecht (2012) Rz 211.
193Werle, Völkerstrafrecht (2012) Rz 230.
194Vgl Werle, Völkerstrafrecht (2012) Rz 230;
Vgl Doehring, Völkerrecht (2004) Rz 819f;
Vgl Hummer/Mayr‐Singer in Vereinte Nationen 183 (187).
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Festnahme und der darauffolgenden Haft gem Art 10 Abs 1 CPED mit den innerstaatlichen Vorschriften jenes Staates vereinbar sein. Die Haft darf nicht länger als erforderlich vollzogen werden und es darf unter keinen Umständen während der Haft gegen die Legalitätsgrundsätze verstoßen werden.195
Der Vertragsstaat, der den Verdächtigen in Haft genommen hat, ist mit der vorläufigen Untersuchung des Falles des Verschwindenlassens betraut und mit der Ermittlung über den Verbleib des Verschwundenen ist unverzüglich zu beginnen. Der ermittelnde Staat hat darüber hinaus jene Staaten über die eingeleiteten Maßnahmen zu informieren, die durch Territorialitäts‐ oder Personalitätsprinzip mit dem Fall verbunden sind.196 Das Kontaktrecht, welches dem inhaftierten Verdächtigen zusteht, beschränkt sich gem Art 10 Abs 3 CPED auf einen zuständigen Vertreter der gleichen Nationalität. Bei Staatenlosen wird ein Vertreter des gewöhnlichen Aufenthaltsortes für zuständig erklärt. Somit schreibt die UN‐Konvention den Vertragsstaaten vor, wie mit Verdächtigen des Verschwindenlassens umgegangen werden muss und ein Rechtsmissbrauch bezüglich der Haft seitens der Vertragsstaaten wird ausgeschlossen.
Es soll für die Verdächtigen ein Mindeststandard an Rechten statuiert werden und ein sofortiger Ermittlungsbeginn gewährleistet werden.
4.3.2. Behandlung eines Verdächtigen bei Zuständigkeit eines Staates – Art 11 CPED
Übt der Vertragsstaat bei einer Straftat des Verschwindenlassens selbst die Zuständigkeit bezüglich der Gerichtsbarkeit aus, muss er den Fall gem Art 11 Abs 1 CPED an die national zuständigen Behörden zum Zweck der Strafverfolgung weiterleiten.
Die Behörden haben den Verdächtigen so zu behandeln, wie es im innerstaatlichen Recht für andere schwere Straftaten üblich ist. Das Territorialitätsprinzip, das Personalitätsprinzip und das Universalitätsprinzip dürfen gem Art 11 Abs 2 CPED keine andere Behandlung des Verdächtigen rechtfertigen.197 Dadurch soll ein angemessener
195Vgl Deutscher Bundestag, Gesetzesentwurf der Bundesregierung, 34,
<http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/125/1612592.pdf> (22.07.2014).
196Vgl Art 10 Abs 2 Internationales Übereinkommen zum Schutz vor Verschwindenlassen (2006);
Vgl Deutscher Bundestag, Gesetzesentwurf der Bundesregierung, 34,
<http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/125/1612592.pdf> (22.07.2014).
197Vgl Deutscher Bundestag, Gesetzesentwurf der Bundesregierung, 34,
<http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/125/1612592.pdf> (22.07.2014).
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Umgang mit dem Verdächtigen garantiert werden und einer menschenrechtswidrigen Behandlung entgegengewirkt werden.
Art 11 Abs 3 CPED gewährleistet dem Verdächtigen das Recht auf eine gerechte und faire Behandlung während der Verhandlung und stellt sicher, dass das Verfahren dem Legalitätsprinzip entspricht.
4.3.3. Auslieferungsgründe‐ und Pflichten – Art 13 CPED
Das Verschwindenlassen wird in Art 13 CPED ausdrücklich „nicht als politische Straftat, als eine mit einer politischen Straftat zusammenhängende oder als eine auf politischen Beweggründen beruhende Straftat angesehen.“198 „Daher kommt die oft eingeführte Ausnahmeklausel des >political offender<, das heißt des >politischen< Straftäters hier nicht zum Tragen.“199 Durch die Regelung von Auslieferungsgründen soll eine wirksame und umfassende Verfolgung von Verdächtigen des Verschwindenlassens gewährleistet werden. Hierfür bestimmt Art 13 Abs 2 bis 6 CPED, dass das Verschwindenlassen in bereits bestehenden Auslieferungsverträgen als entsprechende Straftat miteinbezogen werden muss. Dies gilt sowohl für bereits bestehende, als auch für zukünftige Auslieferungsverträge zwischen den Vertragsstaaten der UN‐Konvention. Im Fall das zwischen zwei Vertragsstaaten kein dementsprechender Vertag besteht, stellt die UN‐Konvention gem Art 13 Abs 4 CPED die Rechtsgrundlage für die Auslieferung dar. Durch diese Bestimmung, wird die Straftat des Verschwindenlassens von jedem Vertragsstaat als Auslieferungsgrund angesehen.200 Nachdem ein Verdächtiger ausgeliefert wurde, unterliegt dieser an sich dem Recht des ersuchten Staates, jedoch kann im Auslieferungsvertrag ein anderes Anwendungsrecht vereinbart werden.201
Eingeschränkt wird die Auslieferung ua durch die Bestimmung des Art 13 Abs 7 CPED.
Diese Einschränkung greift ein, wenn stichhaltige Gründe darauf hinweisen, dass das Ersuchen der Auslieferung einer Person dafür ausgenutzt werden soll, um diese aufgrund spezieller Eigenschaften zu verfolgen oder zu bestrafen. Solche Besonderheiten sind Charakteristika einer Person bezüglich „ihres Geschlechts, ihrer
198Art 13 Abs 1 Internationales Übereinkommen zum Schutz vor Verschwindenlassen (2006).
199Hummer/Mayr‐Singer in Vereinte Nationen 183 (187).
200Vgl Deutscher Bundestag, Gesetzesentwurf der Bundesregierung, 35,
<http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/125/1612592.pdf> (22.07.2014).
201Vgl Art 13 Abs 6 Internationales Übereinkommen zum Schutz vor Verschwindenlassen (2006).
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Rasse, ihrer Religion, ihrer Staatenangehörigkeit, ihrer ethnischen Herkunft, ihrer politischen Anschauung oder ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe […].“202 Die UN‐Konvention stellt somit sicher, dass das Verschwindenlassen nicht als Vorwand genutzt werden kann, um die Auslieferung von Personen aufgrund diskriminierender Tatsachen und Hintergründe zu ermöglichen.
4.3.4. Allgemeines Ausweisung, Auslieferungs‐ und Abschiebeverbot – Art 16 CPED
Eine Ausweisung, Abschiebung, Auslieferung oder bloße Übergabe einer Person ist gem der UN‐Konvention nur erlaubt, wenn keine Gefahr besteht, dass diese Person in dem anderen Staat dem Verschwindenlassen zum Opfer fallen könnte. Liegen stichhaltige Hinweise einer solchen Gefahr vor, ist eine Ausweisung, Abschiebung oder Ausweisung nicht erlaubt. Das Verbot (Art 16 CPED) umfasst Jedermann, nicht nur Verdächtige. Bei der Feststellung, ob Gefahrengründe vorliegen, müssen die Behörden alle ausschlaggebenden Informationen in ihre Recherche miteinbeziehen und ggf auch die Lage des Staates bezüglich aktueller Fälle des Verschwindenlassens berücksichtigen.
4.4. Strafbarkeit und Strafandrohung des Verschwindenlassens 4.4.1. Pflicht das „Verschwindenlassen“ unter Strafe zu stellen – Art 4 CPED
Art 4 CPED verpflichtet die Vertragsstaaten „[…] die erforderlichen Maßnahmen […]“203 zu treffen, damit das Verschwindenlassen in ihren innerstaatlichen Rechtssystemen eine Straftat darstellt und demnach strafrechtlich verfolgt werden kann. Die Vertragsstaaten können bei der Umsetzung der UN‐Konvention in ihr nationales Recht einen eigenen Straftatbestand des Verschwindenlassens erarbeiten oder auch andere Maßnahmen nutzen, um das Verschwindenlassen strafrechtlich zu ahnden.204 Es ist daher unbedingt notwendig, dass die Vertragsstaaten das Verschwindenlassen in ihr nationales Strafrecht verankern.205 Dieser Artikel ist einer der wichtigsten Regelungen der UN‐Konvention bezüglich der Umsetzung und ermöglicht den Vertragsstaaten das Verschwindenlassen in den nationalen Rechtssystemen strafrechtlich zu manifestieren,
202Art 13 Abs 7 Internationales Übereinkommen zum Schutz vor Verschwindenlassen (2006).
203Art 4 Internationales Übereinkommen zum Schutz vor Verschwindenlassen (2006).
204Vgl Hummer/Mayr‐Singer in Vereinte Nationen 183 (187);
Vgl Deutscher Bundestag, Gesetzesentwurf der Bundesregierung, 33,
<http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/125/1612592.pdf> (22.07.2014).
205Vgl Crawshaw Ralph/Holmström Leif, Essential Texts on Human Rights for the Police, 2nd Edition, Leiden Netherlands (Martinus Nijhoff Publishers) 2008, 19.
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indem ein eigener Tatbestand erschaffen wird oder das Verschwindenlassen durch bestehende Rechtsnormen bereits effektiv verfolgt werden kann. Somit hat jeder Staat einen gewissen Spielraum, wie das Verschwindenlassen im nationalen Strafrecht umgesetzt werden kann und wie die UN‐Konvention auf das innerstaatliche Rechtssystem einwirkt. Jedoch sind die Vertragsstaaten bei der Umsetzung an die Tatbestandselemente des Verschwindenlassens (Kapitel 3.2.) gebunden und haben die Vorgaben der UN‐Konvention zu beachten.
4.4.2. Angemessene Bestrafung bei Fällen des „Verschwindenlassens“ – Art 7 CPED
Die UN‐Konvention überträgt den Vertragsstaaten die Aufgabe, die Straftat des Verschwindenlassens „mit angemessenen Strafen“206 zu ahnden. Besonders die
„außerordentliche Schwere der Straftat“207 ist bei der Strafandrohung zu berücksichtigen. Den Vertragsstaaten wird ein gewisser Regelungsspielraum bezüglich
„mildernder Umstände“ und „erschwerender Umstände“ bei der Umsetzung der Strafandrohung gem Art 7 Abs 2 CPED gewährt. Dadurch haben die Vertragsstaaten die Möglichkeit, Verschwindenlassen mit ähnlich hohen Strafen zu ahnden, wie sie auch im nationalen Recht der Vertragsstaaten für ähnlich schwere Straftatbestände üblich ist. Jedoch könnte dieser Spielraum, die Vertragsstaaten selbst über die Strafhöhe entscheiden zu lassen, zu massiven Unterschieden der Strafhöhe des Verschwindenlassens und zu einer Verzerrung der Schwere dieser Straftat führen.
4.4.3. Verjährungsregelungen der UN‐Konvention – Art 8 CPED
Die Vertragsstaaten, welche für das Verschwindenlassen Verjährungsvorschriften vorsehen, müssen gewährleisten, dass die Schwere dieser Straftat durch eine angemessen lange Verjährungsdauer berücksichtigt wird. Die Verjährungsfrist beginnt erst mit Beendigung des Verschwindenlassens zu laufen. Somit wurden die lange Dauer des Verschwindenlassens und die Tatsache, dass die Tat erst mit der Aufklärung über den Verbleib des Verschwundenen beendet ist, miteinbezogen.208
Vor Ablauf der Verjährungsfrist sind die Staaten verpflichtet, den Opfern leicht zugängliche und wirksame Rechtsbehelfe zu gewährleisten.209
206Art 7 Abs 2 Internationales Übereinkommen zum Schutz vor Verschwindenlassen (2006).
207Art 7 Abs 2 Internationales Übereinkommen zum Schutz vor Verschwindenlassen (2006).
208Vgl Hummer/Mayr‐Singer in Vereinte Nationen 183 (187).
209Vgl Art 8 Abs 2 Internationales Übereinkommen zum Schutz vor Verschwindenlassen (2006).
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