• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Onkologie: Mehr Qualität und Transparenz gefordert" (22.03.2002)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Onkologie: Mehr Qualität und Transparenz gefordert" (22.03.2002)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

S

charfe Kritik an der Qualität der on- kologischen Versorgung in Deutsch- land hat der Präsident des 25. Deut- schen Krebskongresses, Prof. Dr. Klaus Höffken (Jena), geübt. „In der Krebsme- dizin ist Qualität nicht durchgängig vor- handen, was zu einer höheren Mortalität führt“, so Höffken. Als wesentliche De- fizite nannte Höffken, dass die Früher- kennungs-Maßnahmen nicht dem neue- sten Stand der Erkenntnisse entsprächen und die Patienten nach unterschiedli- chen – meist nicht standardisierten – Therapiestrategien behandelt würden.

Höffken verdeutlichte seine Kritik am Beispiel des Mammakarzinoms:

„Therapieleitlinien für die verschie- denen Stadien und Prognosefaktoren beim Brustkrebs werden nur von 80 Prozent der Behandler gekannt, nur zu etwa 80 Prozent den Patienten weiter- empfohlen und letztlich auch nicht von allen Patienten befolgt.“ Somit erhalte wahrscheinlich nur jede zweite Patien- tin die Therapie, die nach dem aktuel- len Stand der Wissenschaft angeraten ist und damit optimale Behandlungser- gebnisse erbringen könnte.

Sowohl die Deutsche Krebsgesell- schaft als auch die Deutsche Krebshilfe, die den größten onkologischen Kon- gress in Deutschland erstmals gemein- sam veranstalteten, halten eine Verbes- serung der Situation nur dann für mög- lich, wenn folgende Forderungen kurz- fristig erfüllt würden:

❃ eine auf Leitlinien basierende Be- handlung,

❃ die Dokumentation der wichtig- sten Tumordaten,

❃ die Messung der Ergebnisqualität,

❃ eine Zertifizierung von Zentren und Behandlern,

❃ die interdisziplinäre und integrier- te Versorgung sowie

❃ die Transparenz dieser Maßnah- men für die Patienten.

Strukturen zur konsequenten inter- disziplinären Versorgung onkologischer Patienten seien nur in wenigen Hochlei- stungszentren – und auch nur für einige spezielle Erkrankungen – realisiert, er- klärte Höffken. Sollte die jetzige demo- graphische Entwicklung anhalten, wer- de der Krebs in den nächsten Jahren

die Herz-Kreislauf-Erkrankungen vom

„Spitzenplatz“ der Todesursachenstati- stik verdrängen. „Weder die Medizin noch die Gesundheitspolitik ist adäquat auf diese Herausforderung vorberei- tet“, sagte Höffken.

Doch nicht nur Mängel der onkologi- schen Therapie, sondern auch der Krebs- Früherkennung wurden in Berlin ange- sprochen. „Unterschiedliche Meinun- gen willkürlich ausgewählter Fachleute, verkrustete Strukturen in den zustän- digen Gremien, mangelnder Mut zur Innovation und die Angst, ohne Ein- sparmodelle ständig mehr Kosten zu produzieren, blockieren die rasche Um- setzung von Früherkennungs-Maßnah- men in die tägliche Praxis“, erklärte Höffken.

Während der Kongresspräsident ge- sundheitspolitische Barrieren aufzeig- te, wird das Potenzial der Krebsfrüher- kennung nach Ansicht der Präsidentin der Deutschen Krebshilfe, Prof. Dag- mar Schipanski, nicht nur von der Be- völkerung viel zu wenig wahrgenom- men, sondern auch von den Ärzten zu wenig ausgeschöpft. Gerade die „Mas- sentumoren“ – wie der Hautkrebs mit mehr als 100 000 Neuerkrankungen jährlich, Darmkrebs mit 57 000, Brust- krebs mit 46 000 und der Prostatakrebs mit 32 000 jährlichen Neuerkrankun- gen – seien einer Früherkennung zu- gänglich.

„Wir müssen die niedergelassenen Ärzte davon überzeugen, dass jeder Pa- tient – ob er wegen einer Grippe oder wegen Herzbeschwerden in die Praxis kommt – auf Früherkennungsuntersu- chungen hingewiesen wird. Aber wir müssen ihnen dafür auch eine adäquate Honorierung dieser Leistungen anbie- ten“, erklärte Schipanski in Berlin. Hier sei der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen gefordert.

Schipanski nahm in Berlin auch Stel- lung zur Kritik an der Effizienz der Tu- morzentren, die bereits beim Krebs- kongress vor zwei Jahren Aufsehen er- regt hatte. Der damalige Kongressprä- sident, Prof. Lothar Weißbach (Berlin), hatte geäußert, die Tumorzentren wür- den ihre Aufgaben nicht ausreichend und nicht zeitgemäß wahrnehmen. Die Deutsche Krebshilfe, die sich seit 25 Jahren an der Entwicklung und Förde- rung der Tumorzentren beteiligt, hatte P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 12½½½½22. März 2002 AA763

Onkologie

Mehr Qualität und

Transparenz gefordert

Auf dem Deutschen Krebskongress in Berlin machen die Onkologen Strukturmängel für Qualitätsdefizite in der Krebsmedizin verantwortlich.

Medizinreport

Anlässlich des Krebskongresses wurde die vor einein- halb Jahren gestartete Präventionskampagne „5 am Tag – Obst und Gemüse“ nun für Kinder von sechs bis zwölf Jahren erweitert. Mit zahlreichen Schulprojek- ten soll den „kids“ spielerisch vermittelt werden, dass fünf Portionen Obst und Gemüse täglich nicht nur gut schmecken, sondern auch zur Vorbeugung von Krebs- und anderen Erkrankungen beitragen. Ins- besondere beim Gemüsekonsum nimmt Deutschland im europäischen Vergleich einen hinteren Platz ein.

Während in Italien jährlich 202 Kilogramm Gemüse pro Person verzehrt werden, sind es hierzulande nur 90,3 Kilogramm.

(2)

daraufhin eine Evaluation in Auftrag gegeben.

Nach vorläufigen Ergebnissen zeich- nen sich erste Handlungsfelder ab. Da- nach sollen die Tumorzentren in Zu- kunft Betten-führende Einrichtungen werden, die sich als Tumor-Therapie- Zentren und Lotsen in der Onkologie verstehen. „Idealerweise sollte ein Tu- morzentrum in der Lage sein, seinen Patienten je nach Erkrankung in die am besten spezialisierte Klinik zu leiten und zu gewährleisten, dass nach seiner Entlassung die Nachsorge nach eta- blierten Therapiekonzepten fortgesetzt wird“, sagte Schipanski.

Die Arbeit der Tumorzentren stehe zwar auf dem Prüfstand, so die Präsi- dentin der Krebshilfe, dennoch gebe es genügend Gründe, an dem Konzept in veränderter Form festzuhalten. Sie stellte eine typische Situation aus dem Alltag der Allgemeinmediziner vor, der seine Krebspatienten zur Operation ins Stadtkrankenhaus überweist. Im Ent- lassungsschreiben wird eine nachfol- gende Chemotherapie empfohlen. „Wo- her soll ein niedergelassener Praktiker, der durchschnittlich einen Tumorpati- enten pro Quartal sieht, auf dem neue- sten Stand der adjuvanten Chemo- therapie beim kolorektalen Karzinom sein?“ fragte Schipanski.

„Kontrollierte“ Off-label- Therapie als Ausweg

Zahlreiche Veranstaltungen des Kon- gresses waren der Verordnung von Krebsmedikamenten außerhalb der zu- gelassenen Indikationen („Off-label- Therapie“) gewidmet. Diese Therapie ist für Onkologen zum Standard gewor- den, da sie damit nach dem aktuellen Stand des medizinischen Wissens thera- pieren. Schätzungsweise 60 Prozent der Krebspatienten in der Regelversorgung werden inzwischen off-label behandelt.

Allerdings bewegen sich die Onkologen damit in einer juristischen Grauzone.

Ihnen drohen vonseiten der Gesetzlichen Krankenversicherung immer häufiger Regresse (DÄ, Heft 51–52/2001). „Wir müssen auch in Zukunft davon ausge- hen, dass zahlreiche faszinierende Me- dikamente nicht zeitgerecht eine Zulas- sung für ihr ganzes therapeutisches

Spektrum erhalten“, erklärte Prof.

Siegfried Seeber (Essen). Als mögli- chen Weg aus dem Dilemma sprach sich der Präsident der Deutschen Gesell- schaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) für die generelle Erlaub- nis eines „kontrollierten“ off-lable-use aus. Dazu gehöre:

❃ Eine Beschränkung der systemi- schen Tumortherapie auf hauptamtlich in dieser Disziplin tätige Mediziner und Abteilungen.

❃ Engmaschige Erfolgskontrollen mit Dokumentation – sowohl im zuge- lassenen wie im Off-label-Bereich.

❃ Kontrollierter off-label-use für Arzneimittel bei umstrittenen Indika- tionen, für die überzeugende Studien- daten und Fallberichte vorliegen.

❃ Neustrukturierung der Zulas- sungskriterien für Krebsmedikamente unter Einbeziehung von Onkologen.

Auf diese Weise könnten den meisten Patienten die jeweils besten Medika- mente zur Verfügung gestellt werden, ohne den von den Krankenkassen be- klagten therapeutischen (und unbezahl- baren) Wildwuchs zu fördern, sagte Seeber in Berlin.

Wie der Pädiater Prof. Heribert Jür- gens (Universität Münster) in Berlin berichtete, beträgt die 5-Jahres-Hei- lungsrate für alle Krebsarten bei Kin- dern 74 Prozent. „Diese Heilungsrate gilt weltweit als einzigartig. Aber ohne die Off-label-Therapie wäre die- ses Ergebnis niemals erreicht worden.“

Denn viele der im Kindesalter einge- setzten Zytostatika sind nur für be- stimmte – in der Regel häufige – Krebserkrankungen zugelassen. Diese schließen die seltenen im Kindesalter auftretenden Krebsformen aus (laut Kinderkrebsregister 14 Neuerkrankun- gen/100 000 Kinder pro Jahr). Oft fällt die Anwendung bei Kindern sogar aus- drücklich unter „Kontraindikationen“

oder „Warnhinweise“.

Als Beispiel nannte Jürgens das Zytostatikum Carboplatin, für das weltweit über 500 Publikationen zum Einsatz bei Kindern vorliegen, darun- ter 43 Publikationen zur Pharma- kokinetik bei Kindern mit eindeuti- gen Dosierungsempfehlungen und ei- nem für Zytostatika bei Kindern sehr günstigen Nutzen-Risiko-Profil. Die in Deutschland zugelassenen Carbopla-

tin-Präparate führen die Anwendung bei Kindern dennoch als Kontraindika- tion an.

Ähnliche Einschränkungen gelten auch für die bei der Zytostatikatherapie unerlässliche Supportivtherapie. Nicht ein Antiemetikum ist für Säuglinge zu- gelassen. „Angesichts der Unverzicht- barkeit der Zytostatika- und Supportiv- therapie in der Krebsbehandlung bei Kindern und Jugendlichen bedarf die Off-label-Verwendung als Standard in der Pädiatrischen Onkologie dringlich einer Anerkennung und einer Anpas- sung der Bestimmungslage“, sagte Jür- gens. Dr. med. Vera Zylka-Menhorn P O L I T I K

A

A764 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 12½½½½22. März 2002

Interesse an Komplementär- methoden sinkt

Das Interesse der Patienten an un- konventionellen Methoden in der Krebsbehandlung ist zurückgegan- gen, das gegenüber Methoden, die wissenschaftlich als vermeintliche

„Speerspitzen der Forschung“ ver- marktet werden, steigt. Dieses Re- sümee lässt die Analyse der An- rufe beim Krebsinformationsdienst (KID) des Deutschen Krebsfor- schungszentrums in Heidelberg zu.

Wie Dr. Birgit Hiller beim Krebs- kongress in Berlin darlegte, gehen jährlich rund 15 000 Anfragen ein; in 15 bis 20 Prozent dieser Telefonate geht es auch um Fragen zu unkon- ventionellen oder alternativen Me- thoden. Ihr Anteil lag im Jahr 2001 mit 14,8 Prozent rund ein Viertel niedriger als in den vorausgegange- nen Analysen im Jahr 1996 und 1991 (20,4 Prozent). Generell geht die Zahl der Nachfragen deutlich zu- rück, sobald zu einer bestimmten Methode die Stellungnahme einer wissenschaftlichen Gesellschaft vor- liegt, so Hiller. Als Hauptinforma- tionsquellen für die komplemen- tären Verfahren geben Patienten mit 35 Prozent Ärzte und Kliniken an, in zweiter Linie folgen Fami- lien und Freunde (24 Prozent), und erst auf Rang drei liegen Medien

(22 Prozent). Le

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Für die zurückliegenden Fortbildungsbeiträge können die erworbenen Punkte nicht mehr nachgetragen werden.. Das Deut- sche Ärzteblatt dokumentiert aber auch weiterhin die

„Hausärzte" ein Gegengewicht zu den berufspolitischen Aktivitäten des BPA Verband Deutscher Haus- ärzte (früher: Berufsverband der Praktischen Ärzte und Ärzte für

Der „LifeSensor Brust- krebs-Assistent“ ist eine Soft- ware, mit der sich die Patien- tendaten einschließlich der verschiedenen medizinischen Dokumente, wie Arztbriefe,

Verbraucherinteressen.Agne Pantelou- ri, Direktorin für Verbraucherangele- genheiten in der Generaldirektion Ge- sundheit und Verbraucherschutz der Europäischen Kommission,

Extrapyramidale Störungen (insbeson- dere bei älteren Patienten, bei hoh. Dos.) (in Ausnahmefäl- len). Wechselw: Vasodilatanzien: Wirkung der Vasodilatanzien ver-

Die Hausärzte (General Practitioners) im Staatlichen Gesundheits- dienst erhalten für das im April 1993 begonnene Fi- nanzjahr eine Erhöhung ihrer Bezüge um nur 1,5 Prozent auf

Die Kopf- pauschale für die auf der Liste des niedergelassenen Arztes eingetragenen Pa- tienten erhöht sich auf 7,05 Pfund, für 65- bis 74jährige Patienten auf 9,15 und für..

Es ist damit zu rechnen — wie auch bei den zurückliegenden Bera- tungen zum Rettungssanitätergesetz deutlich wurde — daß tarifrechtlich für den Rettungssanitäter