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Archiv "Neuordnung der Ausbildung — wie soll es weitergehen?" (21.02.1980)

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ÄRZTEBLATT

Ärztliche Mitteilungen

Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

Neuordnung

der Ausbildung wie soll

es weitergehen?

Jörg-Dietrich Hoppe

Mittlerweile wäre es schon eine Überraschung, wenn es gelänge, das Patt in Fragen Novellierung der Approbationsordnung für Ärzte noch in dieser Legislaturperiode des Deutschen Bundestages aufzulösen, zumal sich nach der Ankündigung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, die Vorbereitungszeit für niederlassungswillige Kassenärzte verlängern zu wollen, das Gefühl verbreitet hat, damit sei das Wichtigste schon geschehen; nämlich die Niederlassung unerfahrener Jungärzte in einer Kassenarztpraxis zu verhindern.

Die Diskussion

um die Neuordnung der Ausbildung zum Arzt hat sich festgefahren, weil nicht nur innerhalb der Bundesregierung zu diesem Thema Meinungsunterschiede bestehen, sondern auch zwi- schen den berufspolitischen Organisationen der Ärzteschaft, die sich zur Zeit in verschiedenen Koalitionen mit anderen Gruppierun- gen der gesundheitspolitischen Landschaft befinden. Allerdings wird niemand bestreiten können, daß dabei nicht nur die Qualität der Ausbildung zum Arzt und bildungspolitische Aspekte überhaupt die wesentliche Rolle spielen, sondern daß sich mittlerweile immer stär- ker Argumente aus dem Blickwinkel der Kostendämpfung im Gesundheitswesen, Prestige-Gesichtspunkte und auch Motive der Existenzsicherung in den Vordergrund geschoben haben.

Dem 82. Deutschen Ärztetag in Nürnberg kommt das große Ver- dienst zu, die Diskussion um die Ausbildung zum Arzt — auch in Erwartung der im Hintergrund stehenden großen Zahl an Medizin- studenten und künftigen Ärzten — ganz überwiegend bildungspoli- tisch geführt und entschieden zu haben. Auch den führenden Vertre- tern der Verbände mit freier Mitgliedschaft aus den Reihen der niedergelassenen Ärzte gebührt Anteil dieses Verdienstes, weil sie aktiv und konstruktiv den Nürnberger Beschluß mitgestaltet und

Eine Novellierung der Approbationsordnung tut not

Der Vorschlag des 82.

Deutschen Ärztetages ist auch heute noch ein tragfähiger Kompromiß

Heft 8 vom 21. Februar 1980 431

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Approbationsordnung

mitgetragen haben, um ihm so die unbestreitbar große Mehrheit zu verschaffen.

Der Beschluß des Nürnberger Ärz- tetages wurde zunächst lediglich von einigen — nicht einmal allen — Vertretern der Allgemeinärzte nicht akzeptiert, das haben diese ausdrücklich erklärt. Unverständ- lich ist dagegen das Abrücken der führenden Vertreter der anderen in der Bundesvereinigung Deut- scher Ärzteverbände zusammen- geschlossenen Organisationen von dem durch ihre eigene Mitwir- kung entstandenen, in sich logi- schen, ärztlich und politisch gut begründeten Beschluß in der Fol- gezeit. Hier scheint der Meinungs- bildungsprozeß noch in vollem Gange zu sein, wenn man die Ent- schließungen der jüngsten Haupt- versammlung des Hartmannbun- des vom Dezember 1979 und die Veröffentlichung über die Arbeits- kreise in der Nr. 1/80 des offiziellen Organs dieses Verbandes richtig deutet.

Nachdem nun seit dem 82. Deut- schen Ärztetag in Nürnberg viele Versuche unternommen worden sind, den dort gefaßten Beschluß zur Ausbildung zum Arzt als unde- mokratisch zustande gekommen abzuwerten, dabei auch vor Ver- unglimpfung beteiligter Personen und Organisationen nicht haltge- macht wurde, stehen wir Ärzte an einem Punkt, wo wir uns entschei- den müssen, ob Gemeinsamkeiten oder Differenzen überwiegen sol- len, ob wir daher unsere gemein- samen Institutionen beibehalten und loyal respektieren oder ande- re Wege gehen wollen. Es ist schon mehrfach berichtet worden, daß in einem anderen europäi- schen Land die „Überproduk- tion" von Ärzten gezielt zu dem Zweck in die Wege geleitet wurde, um die Angehörigen auch dieser Berufsgruppe „in den Griff zu krie- gen", weil man mit Erfolg plante, in die Ärzteschaft Streit hineinzu- tragen. Es scheint, als seien die Ärzte in der Bundesrepublik Deutschland von diesem Punkt nicht mehr weit entfernt.

Kompromiß mit politischer Wirkung

Dabei war und ist der Beschluß des 82. Deutschen Ärztetages zur Ausbildung zum Arzt ein Kompro- miß, der ja auch seine politische Wirkung nicht verfehlt hat. Wenn wir überlegen, daß dieser Be- schluß mit dem Ziel gefaßt wurde, die gemeinsame Grundlage der Ärzteschaft für die Argumentation in der neu ins Leben gerufenen

„Kleinen Kommission zu Fragen der ärztlichen Ausbildung und der künftigen Entwicklung im Bereich des ärztlichen Berufsstandes"

beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit vorzube- reiten, so können wir nach Veröf- fentlichung seiner Arbeitsergeb- nisse feststellen, daß viele der Vor- stellungen des Deutschen Ärzteta- ges dort ihren Niederschlag ge- funden haben.

So gab es bei der Definition des Ausbildungsziels, der Neuord- nung des Prüfungssystems mit Hinzunahme mündlicher Prü- fungsabschnitte und bei der Um- strukturierung des Universitäts- studiums keine Meinungsdifferen- zen. Besonders bemerkenswert ist die Einmütigkeit, mit der die vom 82. Deutschen Ärztetag beschlos- sene Fassung einer Ausbildungs- zieldefinition getragen wurde, so daß die in den Empfehlungen der Kleinen Kommission niederge- schriebenen Texte, jeweils vorge- sehen für die Bundesärzteord- nung und die Approbationsord- nung, durchaus mit der Ärztetags- fassung kompatibel werden konnten.

Die Geister scheiden sich nach wie vor an der Gestaltung der von allen Beteiligten und Sachverstän- digen für notwendig gehalte- nen praktischen Einübungsphase nach dem eigentlichen Universi- tätsstudium. Bekanntlich war die- se Frage auch während der Ärzte- tagsdiskussionen am heftigsten umstritten.

Um es kurz ins Gedächtnis zurück- zurufen: Der Ärztetag hatte sich

für ein fünfjähriges Studium der Medizin an der Universität und ei- ne daran anschließende zweijähri- ge Phase zur Einübung prakti- scher ärztlicher Tätigkeiten ausge- sprochen. Dabei sollte das nach der gültigen Approbationsord- nung im sechsten Studienjahr stattfindende sogenannte Prakti- sche Jahr in dieser praktischen Einübungsphase aufgehen. Der Status des angehenden Arztes sollte dem des Pflichtassistenten, den es in der Bestallungsordnung aus dem Jahre 1939 gab, ähnlich sein. Dieser angehende Arzt sollte unter Aufsicht eines berufserfah- renen Arztes wie ein Arzt tätig wer- den können.

Übereinstimmend mit dem Ärzte- tagsvorschlag ist die Empfehlung der Kleinen Kommission insofern, als zwei Jahre einer praktischen Tätigkeit nach einem fünfjährigen Medizinstudium auch hier vorge- sehen werden, allerdings mit dem wesentlichen Unterschied, daß das vielumstrittene Praktische Jahr im Status eines Studenten bestehenbleibt und um ein Jahr einer weiteren Tätigkeit in einem pflichtassistentenähnlichen Sta- tus ergänzt werden soll.

Wenn man sich nun ins Gedächt- nis zurückruft, daß die Kritik an der gültigen Approbationsord- nung ihren Ausgangspunkt in der Feststellung erheblicher Mängel bei der Durchführung des Prakti- schen Jahres hat, ist es schon ein wenig verwirrend, wenn ausge-

rechnet dieses Praktische Jahr in seiner Substanz und im wesentli- chen auch in seiner Struktur nach den Empfehlungen der Kleinen Kommission unverändert bleiben soll. Man muß deren Vorschlag da- her eher als Versuch eines politi- schen Kompromisses zwischen staatlichen Interessen und dem Vorschlag des Deutschen Ärzteta- ges sehen.

Maßgeblich für die Meinung der Staatsvertretung ist das europäi- sche Recht, welches bekanntlich ein Medizinstudium von sechs Jahren Dauer bzw. mindestens

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5500 abzuleistenden Stunden vor- schreibt. Diese 5500 Stunden sind

— das ist zweifellos richtig — nur sehr schwer in einem fünfjährigen Studium an einer Universität un- terzubringen. Zudem gewinnt die Meinung an Boden, daß die Durchführung des Praktischen Jahres immer besser gelinge, so daß das Ziel des Curriculums, auch im Sinne des Ärztetagsbe- schlusses, auf diesem Wege we- nigstens anteilig zu erreichen sei.

Beweggründe und Alternativen der zeitlichen Ausweitung An dieser Stelle ist es wahrschein- lich sinnvoll, die Beweggründe und Alternativen nochmals zu durchdenken, die überhaupt die Forderung nach einer zeitlichen Ausweitung der Ausbildung zum Arzt haben entstehen lassen. Es handelt sich im wesentlichen um zwei Komplexe:

Die große Zahl an Medizinstu- denten überlastet die Ausbil- dungskapazitäten unserer Hoch- schuleinrichtungen nunmehr seit Jahren. Vor allem die Zahl der für die ärztliche Ausbildung zur Verfü- gung stehenden Patienten stellt einen limitierenden Faktor dar. Ei- ne klinisch-praktische Ausbildung findet somit nicht oder nur in un- zureichendem Maße statt. Die Sammlung einer gewissen ärztli- chen Berufserfahrung für den ein- zelnen Studienabsolventen ist da- mit nicht gewährleistet.

e

Die Approbationsordnung sieht erstmals in Deutschland vor, daß ein Arzt ausschließlich durch ein Studium an der Universität bzw. an den der Universität ange- schlossenen Einrichtungen aus- gebildet wird. Alle früheren Ausbil- dungsordnungen hatten nach dem Universitätsstudium noch ei- ne mehr oder weniger curricular strukturierte praktische Ausbil- dungsphase, durch die ein gewis- ses Maß an ärztlicher Erfahrung vermittelt werden konnte. Das Fehlen eines derartigen Ausbil- dungsanteiles in der gültigen Ap-

probationsordnung wird mittler- weile mehrheitlich als Mangel empfunden.

Nun sah der vom Vorstand der Bundesärztekammer in den 82.

Deutschen Ärztetag eingebrachte Antrag zur „Ausbildung zum Arzt"

sogar eine dreijährige klinisch- praktische Ausbildungsphase vor, wobei sowohl die Beibehaltung des noch mehr in das Studium zu integrierenden Praktischen Jahres als auch die Alternative einer drei- jährigen „Medizinalassistenten- zeit" offengehalten wurde. Dieser Vorstandsantrag wurde aber wäh- rend der Beratungen des Ärzteta- ges durch einen Änderungsantrag der Kollegen Dr. Bourmer, Dr.

Roos, Dr. Ital und weiterer auf zwei Jahre reduziert, so daß es heute verwundert, wenn deren Verbände nun wieder eine insgesamt drei- jährige klinisch-praktische Tätig- keit des angehenden Arztes for- dern.

Wieso keine letzte Prüfung vor der Approbation?

Da gibt es aber noch ein beson- ders schwieriges Kapitel, die Fra- ge nach dem Zeitpunkt und der Ausgestaltung der letzten Prüfung vor der Approbation zum Arzt:

Der 82. Deutsche Ärztetag hatte klar und deutlich gefordert, der angehende Arzt müsse am Schluß der Gesamtausbildung in einer mündlich-praktischen Prüfung nachweisen, daß er imstande ist, ärztlich zu handeln. Am Schluß der gesamten Ausbildung soll al- so überprüft werden, ob die in der Ausbildungszieldefinition ge- steckten Ziele erreicht worden sind. Unverständlicherweise und ohne im einzelnen nachvollzieh- bare Begründung hat sich die

„Kleine Kommission" mehrheit- lich gegen eine Prüfung am Schluß des zusätzlichen siebten Jahres ausgesprochen, obwohl sie selbst dieses Jahr zum Zwecke der Einübung ärztlicher Handlungs- weisen gefordert hat. Demnach sollen doch wesentliche Ausbil-

dungsinhalte in diesem Zeitraum erlernt werden, die auch in der Ausbildungszieldefinition veran- kert sind, die dann aber wegen des Fehlens einer Abschlußprüfung überhaupt nicht mehr nachgeprüft werden können. Es ergibt sich al- so das Kuriosum, daß der Wechsel von der Phase der Ausübung ärzt- licher Tätigkeiten ausschließlich unter Aufsicht zum Zwecke der Ausbildung in den Status des ei- genverantwortlich handeln dür- fenden Arztes ohne eine Prüfungs- Zäsur verläuft, daß jedoch bei ei- ner freiwilligen Spezialisierung die Erlaubnis zur Führung der ent- sprechenden Gebietsbezeichnung nur nach erfolgreich bestandener Prüfung erreicht werden kann.

Diese Empfehlung der Kleinen Kommission ist schlicht unlo- gisch, sie kann nur interessenpoli- tisch begründet sein.

Interessenpolitik statt Ausbil- dungsverbesserung: Darin scheint überhaupt der Kern der Misere zu liegen. So schließt sich auch der Kreis der Überlegungen zur Ent- wicklung des Themas „Ausbil- dung zum Arzt" nach dem 82.

Deutschen Ärztetag. Das Problem ist zu einem typischen Politikum geworden, bei dem, angefacht durch die befürchtete sogenannte Ärzteschwemme, widerstreitende Interessen aufeinanderprallen.

Obwohl, wie die Anhörung am 6.

März 1978 vor dem Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit des Deutschen Bundestages er- gab, nahezu alle Beteiligten und Sachverständigen die derzeitige Ausbildung zum Arzt mangelhaft finden, neutralisieren sich die ver- schiedenen, aus ganz unter- schiedlichen Beweggründen ent- standenen politischen Aktivitäten gegenseitig, so daß sich — zur Zeit wenigstens — nichts bewegt.

Verschiedenheit der Interessen Der Staat möchte keine Neuerun- gen, die organisatorische oder fi- nanzielle Mehrbelastungen mit sich bringen, obwohl er nicht nur moralisch dafür verantwortlich ist,

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 8 vom 21. Februar 1980 433

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Approbationsordnung

daß alle Studierenden der Medizin die Möglichkeit haben, ihre Aus- bildung zum Arzt erfolgreich abzu- schließen.

Die Hochschullehrer fürchten um ihre alleinige Kompetenz bei der Ausbildung zum Arzt, obwohl sie ebenso wie wir wissen, daß in Deutschland bis zum Inkrafttreten der heutigen Approbationsord- nung ein Arzt noch nie allein durch ein Studium an der Univer- sität entstanden ist, sondern im- mer erst nach zusätzlicher kli- nisch-praktischer Ausbildung. Mit Recht fürchten die Hochschulpro- fessoren überdies, daß eine Entla- stung der Universitäten durch die Einbeziehung von Lehrkranken- häusern schon im klinischen Stu- dienabschnitt unsere Gerichte zu dem Fehlschluß einer Kapazitäts- ausweitung für zusätzliche Medi- zinstudenten führen könnte.

Die Studenten nun lehnen jede Veränderung ab, die eine Er- schwerung der Qualifikation zur Folge hat oder eine Verlängerung der Ausbildung bedeutet. Sie ar- gumentieren, daß eine exakt den Vorschriften der Approbationsord- nung entsprechende Ausbildung genüge, die Qualifikation eines Arztes innerhalb des Studiums zu erreichen (vielleicht wäre dies tat- sächlich bei einer ganztägigen und ganzjährigen klinisch-prakti- schen Ausbildung parallel zum

theoretisch-wissenschaftlichen Studium möglich, also unter Auf- gabe der Semester-Struktur).

Die Verbands-Organisationen der niedergelassenen Ärzte streben unverkennbar Lösungen an, die unsere neu hinzukommenden Kol- legen möglichst lange vom ärztli- chen Arbeitsmarkt fernhalten sol- len. Deshalb setzen sie ihre Kraft auch nicht für eine Verbesserung der Ausbildung, sondern für eine Erschwerung der Zulassung zur kassenärztlichen Tätigkeit ein.

Die angestellten Ärztewehren sich gegen jeden Versuch, die Arbeit von in der Weiterbildung befindli- chen Ärzten, meist Krankenhaus-

ärzten, als Ausbildungsmaßnahme abzuwerten.

Die Krankenhausträger finden sich in der Zwickmühle, einerseits auf dem Wege einer längeren Pflichtassistentenzeit als teilap- probierter Arzt relativ preisgünsti- ge ärztliche Arbeitskraft erreichen zu können, andererseits aber da- mit möglicherweise unzufriedene und den inneren Frieden im Kran- kenhaus störende Mitarbeiter ein- zuhandeln.

Die gesetzliche Krankenversiche- rung scheint überhaupt nicht an Ausbildungsfragen interessiert.

Sie fördert alle Bestrebungen, von denen sie glaubt, eine Unterstüt- zung ihrer Kostendämpfungspoli- tik erhalten zu können. Dabei wird sie vom Bundesministerium für Ar- beit und Sozialordnung nicht nur ideell unterstützt.

Nehmen wir dazu die immer noch nicht in allen Konsequenzen völlig durchschaute Forderung nach ei- ner Pflichtweiterbildung für jeden Arzt, der sich niederlassen will, so wird das Spektrum der Vorschläge vollständig.

Was bedeutet die

„Pflicht zur Spezialisierung"?

Pflichtweiterbildung für jeden Arzt würde bedeuten, daß zukünftig je- der Absolvent des ärztlichen Staatsexamens erst unabhängig und eigenverantwortlich ärztlich tätig werden darf, wenn er zusätz- lich eine Gebietsbezeichnung, wie sie in unseren Weiterbildungsord- nungen verankert ist, erreicht hat.

Die Mindestzeiten, eine solche Weiterbildung zu absolvieren, be- tragen vier bis sechs Jahre. Die Weiterbildung schließt bekannt- lich mit einer Prüfung ab.

Selbstverständliche Konsequenz wäre, daß sich künftig kein Arzt mehr ohne Führung einer Gebiets- bezeichnung (früher Facharztbe- zeichnung) eigenverantwortlich und unabhängig betätigen darf.

Ein Arzt für Innere Medizin darf

sich z. B. dann nicht mehr nur als

„Arzt" niederlassen. Auch den

„Praktischen Arzt" soll es nicht mehr geben, selbst wenn dieser im Individualfall einen viel geeignete- ren Bildungsgang absolviert ha- ben mag, als ihm die Weiterbil- dung zum Arzt für Allgemeinmedi- zin vorschreibt.

Daß eine Pflicht zur Spezialisie- rung, durch die die Gesamtaus- und Weiterbildung des Arztes für jeden verbindlich auf mindestens zehn bis zwölf Jahre festgelegt wäre, unweigerlich den Ruf nach einer Verkürzung dieser Bildungs- phase und damit nach einer Spe- zialisierung schon während des Medizinstudiums folgen lassen müßte, durch die notwendigerwei- se eine Aufspaltung des Arztberu- fes überhaupt entstünde, wird

noch nicht überall ausreichend bedacht. Mit diesen Argumenten hat sich nach dem Nürnberger Ärztetag, wo sie ausgiebig vorge- tragen wurden, niemand ernsthaft auseinandergesetzt, allenfalls an- gedeutet von Professor Häussler in einem Artikel „Die Ausbildung zum Arzt in Deutschland" in Nr.

109/110 der Beilage zur „Zeit- schrift für Allgemeinmedizin — der Landarzt", Heft 27 vom 30. Sep- tember 1979. Der von ihm angezo- gene Vergleich mit dem öster- reichischen Turnus-Modell ist mit seiner Forderung nach einer Pflichtweiterbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin in der Bundes- republik Deutschland überhaupt nicht statthaft. Gleichwohl hat die österreichische Ordnung tatsäch- lich einige Ansätze, die für eine Neuregelung bei uns als Vorbild dienen könnten, wenn bei uns ge- währleistet bliebe, daß jeder Arzt die gleiche Ausbildung absolviert.

(Bekanntlich ist der „Turnus" in Österreich nur Pflicht für diejeni- gen Ärzte, die als praktische Ärzte tätig werden wollen.)

Festzustellen ist somit ein Tauzie- hen von allen Seiten, wodurch das eigentliche Problem, die Gestal- tung einer qualifizierten Ausbil- dung zum Arzt, auf der Strecke bleiben muß. Zu fordern ist des-

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halb Vernunft auf allen Seiten und damit die eindeutige Anerkennung des Vorranges der Bildungsfra- gen, ein Weg, den der 82. Deut- sche Ärztetag 1979 schon einmal mit Erfolg gewiesen hat.

Konsens in Grundsätzen noch zu erhoffen

Auf diesem Wege sollten wir Ärzte in der Weiterentwicklung der Dis- kussion und des Beschlusses die- ses Ärztetages zunächst die ge- meinsame Basis suchen bzw. wie- derherstellen. Nach sorgfältiger Analyse der Beschlüsse und Ver- öffentlichungen aus den Kreisen ärztlicher Körperschaften und Ver- bände müßte es möglich sein, für folgende Grundsätze einen brei- ten Konsens zu finden:

0

Die aus der großen Zahl neu hinzukommender Ärzte erwach- senden Probleme müssen von al- len Gruppen der Ärzteschaft getra- gen werden. Sie dürfen - auch nicht überwiegend - nur einer Gruppe aufgelastet werden, auch nicht nur dem Nachwuchs.

f) Der Beruf des Arztes ist nicht teilbar. Die Spezialisierung in der Medizin darf nicht zu einer Auf- spaltung des Arztberufes in zahl- reiche Spezialistenbranchen füh- ren.

f) Gesundheits- und berufspoli- tisch ist es deshalb unabdingbar, daß alle Ärzte eine gleichwertige wissenschaftliche und klinisch- praktische Ausbildung erhalten.

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Alle Gruppen der Ärzteschaft sollten bereit sein, ihre eigenen

"Essentials" selbst noch einmal zu überdenken und im Gespräch mit anderen zur Diskussion zu stellen.

Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe Vorsitzender des Ausschusses

"Ausbildung zum Arzt"

der Bundesärztekammer Haedenkampstraße 1 5000 Köln 41 (Lindenthal)

Einheitliche therapiegerechte Packungen

Die deutschen Arzneimittelherstel- ler werden künftig ihre Präparate in bestimmten Packungsgrößen anbieten, die den Ärzten eine the- rapiegerechte Verordnung von Medikamenten erleichtern sollen.

Dies haben die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenversiche-

rung, die Kassenärztliche Bundes-

vereinigung, der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie und die Arbeitsgemeinschaft der Berufsvertretungen Deutscher Apotheker nach längeren Ver- handlungen vereinbart, die noch vor lnkrafttreten des "Krankenver-

siche ru ngs-Kostendämpfu ngsge- setzes" aufgenommen worden waren.

Bei der Festlegung der einheitli- chen Packungsgrößen wurden drei Normen aufgestellt:

..". N 1 als kleinste Größe für den Test der Verträglichkeit eines Me- dikamentes (bei einem Patienten) sowie zur Behandlung von Patien- ten mit Krankheiten von erfah- rungsgemäß kurzer Dauer (z. B.

Kopfschmerzen);

..". N 2 als mittlere Größe für die Behandlung von Krankheiten mit durchschnittlicher Dauer (z. B. In- fektionen);

..". N 3 für die Behandlung lang- wieriger und chronischer Erkran- kungen (z. B. Zuckerkrankheit).

Die Vereinbarung gilt zunächst nur für feste Arzneimittel, die durch den Mund eingenommen werden wie Tabletten und Dra- gees.

Je nach Anwendungsgebiet sollen die einzelnen Normpackungen nach einer Übergangszeit eine un- terschiedliche Anzahl von Einzel- dosen enthalten. So beinhaltet die Packung N 1 bei Schmerzmitteln zehn Tabletten! N 2 enthält zwan-

zig bis dreißig. Eine größere Pak- kung ist hier nicht erwünscht.

Demgegenüber gibt es bei Medi- kamenten gegen erhöhten Blut- zucker nur eine Packung zur Ein- stellung der Patienten (N 1) mit dreißig Dosiseinheiten und eine Dauerpackung (N 3) mit einhun- dert. ln diesem Fall ist N 2 nicht erforderlich.

Unabhängig davon wird es weiter- hin Kalenderpackungen, zum Bei- spiel für Antibabypillen, und Pak- kungen mit abweichendem Inhalt für bestimmte Beschwerden wie hormonelle Störungen der weibli- chen Regelblutungen geben.

Die Vereinbarung gilt nur für die ambulante Behandlung von Pa- tienten. Für die nichtfesten For- men wie Salben, Tropfen und Lö- sungen sollen -falls möglich- zu einem späteren Zeitpunkt Richt- werte abgestimmt werden. Ho- möopathische Arzneimittel sind von der Vereinbarung nicht betrof-

fen. WZ

Berufsgenossenschaften informieren

über Asbestgefahren

Mit einer bundesweiten Informa- tionsveranstaltung über die Ge- fährdung durch Asbeststaub und die Möglichkeiten der Bekämp- fung dieser Gesundheitsgefahren wollen die gewerblichen Berufs- genossenschaften am 6. und 7 . März 1980 das Interesse der Bevöl- kerung wecken. Hersteller und Verwender von Asbest, Fachleute der Unfallversicherungsträger, der Sozialpartner, der Ärzteschaft, der Gewerbeaufsichtsbehörden sowie Vertreter von wissenschaftlichen Fachvereinigungen erläutern be- rufsbedingte Erkrankungen, Prä- ventions- und therapeutische Maßnahmen, medizinische und maßtechnische Überwachung, persönliche und technische Schutzmaßnahmen. Sie erörtern das Kernproblem, ob und wie As- best durch andere Werkstoffe er- setzt werden könnte. EB

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