Aufsätze -Notizen
Neuordnung der Ausbildung
zeitliche Verringerung des Studiums auf fünf Jahre bei Wegfall des wenig ergiebigen „Praktischen Jahres" be- fürwortet, daß der Hartmannbund außerdem unverändert ein Kranken- pflegepraktikum vor Beginn des Stu- diums als zweckmäßig ansieht.
Herr Kollege Hoppe ist anscheinend der Meinung, daß er persönlich und der Marburger Bund in dieser Frage eine Niederlage erlitten haben. Ich habe dafür Verständnis, wenn ich an seine sehr kämpferische Haltung auf dem 82. Deutschen Ärztetag und auch seine zahlreichen Stellungnah- men danach denke. Nur ist mit Pres- semeldungen, die den wirklichen Sachverhalt nicht wiedergeben, oder mit Interpretationen von Erklä- rungen bzw. Beschlußvorlagen, die aus unzulässigen Verknüpfungen bestehen, auf Dauer keine Politik zu machen. Die Glaubwürdigkeit auch eines ärztlichen „Berufspolitikers"
hängt letztlich davon ab, daß er der Wahrheit den Vorrang vor der Taktik gibt. Im übrigen: Wenn man Kom- promißbereitschaft erwartet oder so- gar fordert, dann sollte man selbst auch kompromißfähig sein.
Dr. med. Horst Bourmer
Vorsitzender des Hartmannbundes — Verband der
Ärzte Deutschlands e. V.
Godesberger Allee 54, 5300 Bonn 2
Diskussion
über Ausbildung und Weiterbildung
muß fortgesetzt werden
Obwohl Hoppe sich bemüht, in sei- nem Statement zu Aus- und Weiter- bildungsfragen im Ton kulant zu bleiben, ist die Diktion an mehreren Stellen bestimmt von seiner Funk- tion als Vorsitzender des Marburger Bundes und damit als Repräsentant einer bestimmten Interessenpolitik.
Zunächst muß der Vorstellung wi- dersprochen werden, als handele es sich bei Ärztetagsbeschlüssen quasi um Gesetze, die jedermann loyal zu vertreten habe. Der Ärztetag als nicht öffentlich-rechtliches Gre-
mium kann bekanntlich nur Empfeh- lungen geben, die Ausdruck der je- weiligen Mehrheitsverhältnisse sind.
Mehrheitsverhältnisse werden wie- derum bestimmt von Einstellungen, die sich veränderten Umständen an- passen.
Nach dem Ärztetag in Nürnberg hat die Diskussion gezeigt, daß die dort gefaßten Beschlüsse zu Aus- und Weiterbildungsfragen offenbar nicht den Forderungen der Zukunft ge- recht werden und daher revisionsbe- dürftig sind. Es ist also legitim, ja geradezu notwendig, die Diskussion darüber fortzusetzen und erneut den Ärztetag damit zu beschäftigen, auch wenn Herr Hoppe aus nahelie- genden Gründen gern an den 79er Beschlüssen festhalten möchte.
Es fällt weiter auf, daß Hoppe kein Wort über die Notwendigkeit der Qualitätssicherung in der ambulan- ten Medizin verliert. Das scheint ihm offenbar eine zweitrangige Frage zu sein. Dafür wird um so mehr von Tarif- und Einkommenspolitik ge- sprochen. Man sollte aber das Kern- problem, um das es geht, nicht über- sehen, nämlich: Wie kann in Zukunft der berechtigte Anspruch der Versi- cherten auf eine qualifizierte kas- senärztliche Versorgung garantiert werden. Dieses Ziel kann nur er- reicht werden, wenn nur weitergebil- dete Ärzte an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmen, wie es in al-
len Fächern vorgeschrieben ist, nur par'adoxweise im sozialökonomisch wichtigsten Fach Allgemeinmedizin nicht.
Der Einwand, daß ein einheitliches Arztbild zerstört wird, ist nicht be- rechtigt, da die Vorschrift einer ge- nerellen Weiterbildung nur für den kassenärztlichen Bereich gilt, und nicht für andere Bereiche, in denen der Arzt nach der Approbation wei- terhin tätig sein kann. Das Ausbil- dungsziel „Arzt" bleibt also beste- hen; andererseits wird das ohnehin seit der neuen Bundesärzteordnung und Approbationsordnung nicht mehr existente Berufsbild „prakti- scher Arzt" gestrichen. Der Begriff
„Pflichtweiterbildung" ist irrefüh- rend, weil er fälschlicherweise sug-
geriert, daß jeder Arzt eine Weiterbil- dung absolvieren muß. Tatsächlich soll jeder kassenärztlich tätige Arzt eine Weiterbildung nachweisen, was die Freiheit der ärztlichen Berufs- ausübung in keiner Weise tangiert.
Der in einer gesetzlichen Kranken- kasse Versicherte jedoch muß davon ausgehen können, daß jeder Kas- senarzt ohne Ausnahme eine etwa gleich hohe berufliche Qualifikation hat.
Hoppe stellt weiterhin die abenteu- erliche Behauptung auf, daß es ei- nen „Bildungsgang" zum Praktiker"
geben könne, der geeigneter sei als die jetzige Weiterbildung zum Allge- meinarzt. Vielleicht ist er bereit, ei- nen solchen Vorschlag zu konkreti- sieren und in die ärztlichen Be- schlußgremien einzubringen. Hoppe ist offenbar immer noch nicht bereit, den in allen Weiterbildungsordnun- gen klar definierten Weg zum Allge- meinarzt anzuerkennen. Er gehört offenbar in dieser Frage zu den ewig Gestrigen. Sollte er jedoch mit sei- ner Bemerkung zum Ausdruck brin- gen wollen, mehr Praxisbezogenheit in die Weiterbildung zum Allgemein- arzt einzubauen, so wird er alle All- gemeinärzte als Verbündete haben.
Eine Forderung von Hoppe werden alle Ärzte unterschreiben können, nämlich die, daß alle Arztgruppen die Lasten der zukünftigen Medizi- nerschwemme tragen müssen. Er verkennt jedoch, daß der noch im Raum stehende Ärztetagbeschluß von 1979, diese Last nicht den ange- stellten Ärzten, sondern den Haus- ärzten aufbürdet. Und daher muß es zu einer Revision dieses Beschlus- ses kommen. Die Allgemeinärzte werden dabei als Sachwalter der In- teressen der Patienten auftreten, und diese haben Anspruch auf eine optimale medizinische Versorgung durch weitergebildete Ärzte. Den Marburger Bund jedoch muß man auffordern, endlich tarifpolitische Dogmen zurückzustellen und den Patienten wieder in den Mittelpunkt ärztlichen Denkens zu rücken.
Dr. med. H. Warnecke Arzt für Allgemeinmedizin Scharnhorststraße 31 3062 Bückeburg
1148 Heft 17 vom 24. April 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT