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Archiv "EBM-Reform: Auf schwierigem Gelände" (06.07.2007)

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Deutsches ÄrzteblattJg. 104Heft 276. Juli 2007 A1949

P O L I T I K

W

enn Dr. med. Andreas Köh- ler von den Arbeiten am neuen Einheitlichen Bewertungs- maßstab (EBM) berichtet, kann ei- nem die Tour de France einfallen.

Zwar sind die Gebührenordnungs- experten um den Vorstandsvorsit- zenden der Kassenärztlichen Bun- desvereinigung (KBV) wie die des gegnerischen Krankenkassenteams schon im April an den Start gegangen und beraten seither im Bewertungs- ausschuss – damit haben sie den Radsportlern, die am 8. Juli loslegen, einiges voraus –, doch hier wie dort drängt im Gelände die Zeit, sind schwierige Etappen zu bewältigen, darf man auf allerlei Ausreißversu- che und Alleinfahrten gespannt sein.

Zwar wurden die ersten beiden Etappen auf dem Weg zum neuen EBM im Zeitplan bewältigt. Das In- stitut des Bewertungsausschusses ist gegründet. Wer in den nächsten Mo- naten welche Aufgaben übernehmen wird, haben Kassen und KBV ge- klärt. Doch die nächsten Abschnitte werden beschwerlicher – wegen des Disputs in der KBV, wegen der Pro- bleme infolge eines einheitlichen Orientierungspunktwerts für Haus- und Fachärzte und wegen grundver- schiedener finanzieller Ziele von Kassen und KBV.

Sorge vor Führungslosigkeit

„Wir sind trotz innerärztlicher Strei- tigkeiten im Zeitplan“, betonte Köhler Ende Juni in Berlin und wies damit auf das erste akute Hindernis hin: Bei der nächsten Sitzung der KBV-Vertreterversammlung am 5.

und 6. Juli wird über die Abwahl des KBV-Vorstands diskutiert werden (DÄ, Heft 26/2007). Bliebe die Dach- organisation der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten länge- re Zeit führungslos, wäre der enge EBM-Zeitplan zusätzlich gefährdet;

ebenso wenn sich ein neuer Vor-

stand erst längere Zeit einarbeiten würde. Denn bis zum 31. Oktober muss die Grundstruktur der neuen Gebührenordnung beschlossen sein.

Erschwert wird dies dadurch, dass sich die Hoffnungen der KBV auf unterschiedliche Orientierungs- punktwerte für Haus- und Fachärzte so gut wie zerschlagen haben. Für diese Variante hätte die Große Ko- alition das GKV-Wettbewerbsstär- kungsgesetz umgehend ändern müssen. Das hat die Union nach Darstellung Köhlers abgelehnt.

Denn dann hätte man auch Ände- rungswünsche der Krankenkassen berücksichtigen müssen, hieß es.

Die wiederum unterstützten die KBV nicht in ihrem Änderungs- wunsch, im Gegenteil: Weil es dabei ums Geld und um die alten Vertei- lungskämpfe zwischen Haus- und

Fachärzten gehe, schauten die Kas- sen zu und wollten die Konflikte lie- ber innerärztlich ausgetragen wissen, berichtete Köhler.

Ringen um Balance

Der Orientierungspunktwert ist des- halb so wichtig, weil er als Basis für die regionalen Punktwertverhandlun- gen dienen wird, wenn 2009 auf eine echte Eurogebührenordnung umge- stellt wird. Das Gesetz sieht derzeit die Bildung eines einheitlichen Ori- entierungspunktwerts vor, nach dem sowohl haus- wie fachärztliche Leis- tungen zu bemessen sind. Allerdings werden die beiden Versorgungsberei- che vom 1. Januar 2009 an schon auf- grund der gesetzlichen Vorgaben so unterschiedlich strukturiert sein, dass es bei nur einem Orientierungspunkt- wert zu erheblichen finanziellen Nachteilen entweder von Haus- oder von Fachärzten kommen würde, denn die Vergütung der Hausärzte wird mit dem neuen EBM viel stärker pauschaliert als zuvor. Zugleich soll ihnen die wesentliche Säule ihrer Ge- bührenordnung, die Versichertenpau- schale, deutlich besser bezahlt wer- den (Kasten).

Bliebe es bei einem Orientie- rungspunktwert, stünde die KBV vor einem Dilemma. Das hatte Köhler schon bei der Vertreterversammlung im Mai verdeutlicht: „Wir müssten entweder die Vergütung der Haus- ärzte abwerten, damit hätten wir ei- nen irrsinnigen Konflikt und den Hausärzten nichts Gutes getan. Wenn wir das bei den Fachärzten aber ge- nau so hoch bewerten, dann steht da ein finanzieller Mehrbedarf in zwei- stelliger Milliardenhöhe im Raum.

So viel Geld wird es realistisch be- trachtet nicht geben.“

Mittlerweile hat Köhler seine Aussage präzisiert: Würden die Vor- schläge des hausärztlichen wie des fachärztlichen Beratungsausschus-

EBM-REFORM

Auf schwierigem Gelände

Bis zum 31. Oktober muss die Struktur des neuen EBM beschlossen sein. Doch Kassen und KBV ringen: um Details der Reform, aber auch um mehr Geld für Ärzte.

DIE BASIS

Vorschlag des Beratenden Fach- ausschusses Hausärzte:

cvier alters-/versorgungsabhängige Versichertenpauschalen:

– für Patienten bis 19 Jahre:

85 Euro,

– für Patienten zwischen 19 und 46 Jahre: 75 Euro, – für Patienten zwischen 46

und 71 Jahre: 85 Euro, – für Patienten ab dem

71. Lebensjahr: 110 Euro cein Zuschlag Multimorbidität/

chronische Erkrankung c13 Vorhaltungs-/Qualifikations-

zuschläge

cKombination aus Einzelleistungen und halber durchschnittlicher Versicherungspauschale für unvorhergesehene Inanspruch- nahme und Notfall(dienst) cEinzelleistungen und Leistungs-

komplexe

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ses der KBV umgesetzt, entspräche dies bei einem Orientierungspunkt- wert von 5,11 Cent Honorarmehr- forderungen von jeweils rund neun Milliarden Euro. Zusammen ergäbe sich ein Honorarplus von rund 18 Milliarden Euro – was einem An- stieg des durchschnittlichen Bei- tragssatzes in der GKV um 1,8 Pro- zentpunkte gleichkäme.

Kassen geben sich zugeknöpft

Die Kassen wollen eine solche Sum- me nicht zahlen. Nach Köhlers Ein- druck würden sie es sogar am liebs- ten sehen, wenn der neue EBM kostenneutral eingeführt würde.

Köhler wiederum verweist darauf, dass das Honorarvolumen aufge- stockt gehöre. Relevante Parameter sind für ihn die Erhöhung der Mehr- wertsteuer, die Tariferhöhungen für die Ärzte an Krankenhäusern und der Mehrbedarf an Praxismitarbeite- rinnen infolge der gestiegenen An-

forderungen in der ambulanten Ver- sorgung. Vor diesem Hintergrund kann man unterstellen, dass KBV und Kassen in den nächsten Wochen keinesfalls friedlich miteinander verhandeln werden. Köhler geht da- von aus, dass Mitte Oktober der Er- weiterte Bewertungsausschuss ein- greifen müsse, eine Art Schiedsamt.

Vonseiten der Kassen hat es auch bereits strukturelle Kritik am Vor- schlag des Beratenden Fachaus- schusses Hausärzte gegeben. Sie stoßen sich unter anderem daran, dass es für Hausärzte zusätzlich zur Versichertenpauschale einen Zu- schlag Multimorbidität/chronische Erkrankung geben soll. Auch dass Hausbesuche in Zukunft im Rah- men der Versichertenpauschale ab- gegolten sein sollen, finden sie falsch. Die Kassen würden nach Köhlers Darstellung eine Einzelleis- tungsvergütung bevorzugen, weil sie befürchteten, dass Hausärzte sonst kaum mehr Hausbesuche machten.

Kritik gibt es offenbar auch am Vor- schlag der Hausärzte, immer dann einen Zuschlag zu zahlen, wenn ein Kollege bestimmte Geräte vorhält oder anwendet beziehungsweise über eine bestimmte Qualifikation verfügt (Kasten links).

Da nutzt es offenbar auch nichts, dass die KBV ihre geplante Labor- reform vorantreibt und hofft, dabei Wirtschaftlichkeitsreserven von 100 bis 130 Millionen Euro abzuschöp- fen. Dieses Geld sollte dann in die Fi- nanzierung der hausärztlichen Versi- chertenpauschale fließen. Doch die Kassen wollen nach dem Eindruck Köhlers damit lieber neue Leistun- gen einführen.

Dass es zu den strukturellen Vor- schlägen für den fachärztlichen Ver- sorgungsbereich derzeit noch weni- ger kritische Anmerkungen gibt, mag daran liegen, dass es sich dabei eher „um eine evolutionäre Weiter- entwicklung“ des bisherigen EBM handelt. Darauf wies Dr. med. Bern- hard Rochell hin, KBV-Dezernent für Gebührenordnung und Vergü- tung. Außerdem seien die Vorschlä- ge noch nicht sehr konkret.

In Zukunft wird es facharztgrup- penspezifische Grundpauschalen, Zusatzpauschalen und Einzelleis- tungen geben. In die Grundpau-

schale sollen die bisherigen Leistun- gen Ordinationskomplex, Gesprächs- leistung, Konsultationskomplex und gegebenenfalls diagnostische Leis- tungen einfließen. Damit würden al- le Leistungen vergütet, die üblicher- weise von den entsprechenden Arzt- gruppen in jedem Behandlungsfall erbracht werden. Die Besonderhei- ten kooperativer Versorgungsfor- men werden berücksichtigt.

Allerdings solle nach Darstellung von Rochell die Gesprächsleistung nicht bei allen Arztgruppen in die Pauschale einfließen. Ausnahmen werde es da geben, „wo die Zuwen- dung das entscheidende Element der medizinischen Versorgung ist“, be- tonte er. Dies treffe zu bei Neurologen, Nervenärzten, (Kinder- und Jugend-) Psychiatern, im Bereich der (Kinder- und Jugendlichen-)Psychotherapie und der Psychosomatik.

Berufsverbände gefragt

Arztgruppenspezifische Zusatzpau- schalen sollen für einen besonderen Leistungsaufwand gezahlt werden, der sich entweder aus dem Angebot des Arztes ergibt oder in bestimmten Behandlungsfällen geboten ist. Ro- chell zufolge werde es bis Oktober 2007 aber nicht möglich sein, bereits flächendeckend Zusatzpauschalen zu definieren. Man habe die Berufs- verbände um Vorschläge gebeten und werde sie möglichst einarbeiten, sagte Rochell. Im Einzelnen halte er rasche Abstimmungen für möglich, beispielsweise im Bereich Schmerz- therapie/chronisch schmerzkranke Patienten.

Mittelfristig wiederum ließen sich aus den Grundpauschalen, den Zusatzpauschalen und erforderli- chen Einzelleistungsvergütungen die geforderten Fallpauschalen für Fachärzte konstruieren. Damit würde sich die Abrechnung im am- bulanten Sektor der in den Kran- kenhäusern stärker annähern. Doch dies ist Zukunftsmusik – wie die nächsten Tour-de-France-Veranstal- tungen. Die Tour de France wird von Fans übrigens auch „grande boucle“ genannt, große Schleife.

Mal sehen, welchen Spitznamen die aktuelle EMB-Reform am Ende aller Etappen bekommt. n Sabine Rieser

13 ZUSCHLÄGE

Zuschläge für zusätzliche Investitionen und/oder Qua- lifikationen, die Hausärzte vorhalten oder anwenden, das heißt für

cSonografie

cproktorektoskopische Diagnostik entsprechend der Leistung nach Nummer 13257

cKleinchirurgie entsprechend den Leistungen nach den Nummern 02300 bis 02302

cLangzeit-EKG entsprechend der Leistung nach Nummer 13252

cLangzeitblutdruckmessung gemäß der Leistung nach Nummer 13254

cSpirometrie

cErgometrie (Belastungs-EKG) entsprechend der Leis- tung nach Nummer 123251

cChirotherapie entsprechend der Leistungen des Abschnitts 30.2

cTympanometrie

ckindgerechte Hilfen, Erbringung orientierender entwick- lungsneurologischer Untersuchung, Untersuchung/

Beurteilung der funktionellen Entwicklung oder Erhebung des vollständigen Entwicklungsstatus in der Kinder- und Jugendmedizin

corientierende Untersuchung der Sprachentwicklung in der Kinder- und Jugendmedizin

cErbringung der funktionellen Entwicklungstherapie in Einzel- oder Gruppenbehandlung in der Kinder- und Jugendmedizin

cdie Qualifikation Psychosomatik

Der Zuschlag wird einmal je Behandlungsfall/Arztfall fällig.

Referenzen

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