A 1120 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 25|
20. Juni 2014EBM-REFORM
Das Geld für Neues reicht nicht
Erste Analysen zeigen: Noch haben sich die Hausärztinnen und Hausärzte nicht an alle Änderungen gewöhnt. Doch ist schon jetzt absehbar, dass die Finanzspritze für förderungswürdige Leistungen offenbar zu gering ausgefallen ist.
K
eine großen Verwerfungen – wenn dies die erste Bilanz nach Veränderungen am Einheitli- chen Bewertungsmaßstab (EBM) ist, sind die Verantwortlichen meist erleichtert. Das gilt auch für Dipl.- Med. Regina Feldmann, Vorstand der Kassenärztlichen Bundesverei- nigung (KBV). Sie sei mit den Er- gebnissen der ersten Abrechnungen nach dem neuen Hausarztkapitel im EBM zufrieden, erklärte Feldmann Anfang Juni vor Journalisten.Neue Gesprächsziffer wurde noch selten abgerechnet
Der Leistungsbedarf der Hausärztin- nen und Hausärzte im neu gestalte- ten Kapitel drei hat sich im vierten Quartal 2013 im Vergleich zum Vor- jahresquartal um 4,1 Prozent erhöht.Die Spanne reicht von 0,8 Prozent in Hessen bis zu 6,4 Prozent in Meck- lenburg-Vorpommern. Der gesamte Leistungsbedarf ist um 2,3 Prozent gestiegen – auch weil die Änderun- gen auf Wunsch der Krankenkassen weitgehend punktsummenneutral er- folgen mussten. Zu welchen Hono- rareffekten dies bei den Hausärzten in den einzelnen Bundesländern ge- führt hat, konnte Feldmann nicht sa- gen, weil überall andere Honorar- verteilungsmaßstäbe gelten.
Bei der Analyse hat sich gezeigt, dass das von den Kassen zusätzlich bereitgestellte Geld für die neuen Leistungen wohl nicht ausreichen wird. Außerdem rechnen die Haus- ärzte die neue Gesprächsziffer bis- lang seltener ab als angenommen, offenbar vor allem aus Sorge davor, in Plausibilitätskontrollen aufzufal- len. Feldmann verwies aber darauf, dass es sich um ein „Umstellungs - quartal“ handele. Das erste Quartal 2014 werde „sicher ein aussage - kräftigeres Quartal als das erste nach einer EBM-Reform“.
Im Einzelnen zeigt sich bei- spielsweise, dass die neue Ziffer für das hausärztlich-geriatrische Basis - assessment (03360) mehr als zehn- mal so häufig abgerechnet wurde wie zuvor die alte, schlechter be- wertete Ziffer (03240). Zusammen mit den abgerech neten neuen pal- liativmedizinischen Leistungen führt dies nach Angaben der KBV dazu, dass die Unterfinanzierungsquote bei 220 Prozent liege, also mehr als doppelt so viel Honorar, wie finan- ziert wird, benötigt werde.
Daran zeige sich auch, „welchen Bevölkerungsanteil Hausarztpraxen vor allem versorgen“, erläuterte Feldmann – nämlich ältere Patien- ten. Sie gab aber auch zu bedenken, dass das Basisassessment nicht je- des Quartal abgerech net werden kann. Deshalb könnten die nächsten Quartalsergebnisse wieder anders aussehen.
Was die neue Gesprächsziffer an- belangt, so haben zwischen 53 und 76 Prozent der Hausärzte ihr Bud- get dafür gar nicht ausgeschöpft.
Dies sei der Umstellung geschuldet,
meinte Feldmann. Erstens müssten sich die Ärzte daran gewöhnen, die- se neue Ziffer abzurechnen, wenn sie die Gesprächsleistung erbracht haben. Zweitens hätten sie wegen Unklarheiten zum Teil bis Ende 2013 noch befürchtet, durch eine zu häufig angesetzte Gesprächsziffer bei Plausibilitätsprüfungen aufzu- fallen. Feldmann geht davon aus, dass die neue Ziffer in Zukunft häu- figer abgerechnet wird, aber man auch „keine explosionsartigen Ent- wicklungen“ zu erwarten habe.
Bei den neuen Chronikerpauscha- len sind die ersten Ergebnisse schein- bar wider sprüchlich: Einerseits hat die Leistungshäufigkeit in allen Län- dern zugenommen, andererseits ist das Honorarvolumen dieser Ziffern um bundesdurchschnittlich zehn Pro- zent gesunken.
Geld für Chronikerpauschale blieb im Topf liegen
Feldmann erklärte das damit, dass die zweite Pauschale mit 15 Euro zu niedrig angesetzt sei. Deshalb kön- nen etwa 40 Millionen Euro an Ho- norar nicht abgerufen werden, ob- wohl sie eigentlich in den Honorar- töpfen der Hausärzte bereit liegen.
Hier sei man in Nachbesserungsge- sprächen mit den Krankenkassen, so Feldmann. Aktuell geht es um eine Erhöhung von 15 Euro auf 17 Euro.
Der Deutsche Hausärzteverband nutzte die ersten Analysen, um sei- ne Forderung nach einer umfassen- den Kurskorrektur am EBM zu be- kräftigen. „Es hat sich gezeigt, dass im letzten Jahr hochgelobte Re- formelemente wie die Gesprächs- ziffer den Hausärzten nicht gehol- fen haben“, kritisierte der Bundes- vorsitzende Ulrich Weigeldt. Vor ei- ner unkritischen Weiterentwicklung des EBM wie geplant warnte er.
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Sabine Rieser
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Das ausführliche hausärztliche Gespräch, das im Zusammenhang mit einer lebensverändernden Erkran- kung steht, kann separat abgerechnet werden. Es muss mindestens zehn Minuten dauern (9 Euro).●
Der Chronikerzuschlag wurde in zwei Zuschläge aufgesplittet: Zuschlag eins (13 Euro) kann bei einem per- sönlichen Arzt-Patient-Kontakt abgerechnet werden, Zu- schlag zwei (15 Euro) ab zwei persönlichen Kontakten.●
Darüber hinaus wurden neue Leistungen eingeführt oder bestehende verbessert, wofür die Krankenkassen im hausärztlichen Bereich rund 125 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich bezahlen. Beispiel: die geriatrische Versorgung.Neu ist der geriatrische Betreuungskomplex (15,90 Euro) einmal im Behandlungsfall, verbessert wurde das Honorar des geriatrischen Basisassessments (12,20 Euro).