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Archiv "EBM 2000plus: Jetzt wird abgerechnet" (25.03.2005)

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esucher der Kassenärztlichen Bun- desvereinigung (KBV) werden in diesen Tagen kaum den Eindruck haben, dass hinter der Fassade des Berli- ner Amtssitzes außergewöhnliche Hek- tik herrscht. Die übliche Geschäftigkeit kann jedoch nicht darüber hinwegtäu- schen, dass ein für die KBV bedeutsa- mes Datum näher rückt: Am 1. April tritt – neun Jahre nach der letzten großen Gebührenordnungsreform – der EBM 2000plus in Kraft. Rund 130 000 niedergelassene Ärzte werden von diesem Tag an mit einer neuen Ab- rechnungssystematik konfrontiert, von der noch niemand mit Sicher- heit sagen kann, wie sie sich in der täglichen Praxis auswirken wird.

Noch herrscht Unsicherheit

Nie zuvor ist eine kassenärztliche Ge- bührenordnung so intensiv und auf so breiter Front diskutiert worden wie der EBM 2000plus. Das umfang- reiche Werk ist in mehr als 70 Zwi- schenstadien gereift, wobei die Kritik und Anregungen der ärztlichen Be- rufsverbände, der beratenden Fachaus- schüsse von Hausärzten, Fachärzten und Psychotherapeuten sowie des Länderaus- schusses und der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung immer wieder eingeflossen sind. Zwar stellen die meisten ärztlichen Berufsver- bände dem Reformwerk unmittelbar vor dem Start überwiegend gute Noten aus, doch ist die Unsicherheit unter den nie- dergelassenen Ärzten naturgemäß noch groß. Die bange Frage in vielen Praxen lautet: Wird der EBM 2000plus zu Ho- norareinbußen führen?

Dass es Gewinner und Verlierer ge- ben wird, liegt auf der Hand. Die neue Gebührenordnung schreibt nämlich

nicht nur den bisherigen EBM mit ak- tualisierten Zahlen fort, sondern sie ba- siert erstmals auf einer durchgängigen betriebswirtschaftlichen Kalkulation.

Wissen, was die Leistung wert ist: Dies war Dreh- und Angelpunkt aller Vorar- beiten, und dies ist der Kern der auf die Zukunft gerichteten KBV-Strategie in Sachen Honorarpolitik.

Die ambulanten ärztlichen Leistun- gen, so die Zielrichtung der KBV, sollen mittelfristig wieder angemessen vergütet

werden. Dabei soll der EBM 2000plus den Weg aus dem fatalen Hamsterrad (immer mehr Leistungen für immer we- niger Geld) weisen, in dem die niederge- lassenen Ärzte seit Beginn der gesetzlich verordneten Honorarbudgetierung ge- fangen sind. Die neue Gebührenord- nung soll die Grundlage dafür bilden, dass mit der Abschaffung der Budgetie- rung im Jahr 2007 eine morbiditätsorien- tierte Vergütung nach festen Preisen greifen kann. Das Krankheitsrisiko wäre damit wieder da angesiedelt, wo es hin- gehört: bei den Krankenkassen.

Die strategische Ausrichtung auf das Jahr 2007 bedeutet im Umkehrschluss:

Solange die Budgetierung der Honorare

noch Bestand hat, wird kein neues Geld in die ambulante Versorgung kommen.

Bis dahin wird auch der EBM 2000plus kaum mehr bewirken können, als den Mangel so gut es geht zu verteilen. Aber dies wird – so die Hoffnung der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung – nicht mehr wie bisher in einer Art Blackbox geschehen. Die Zeiten, in denen die Krankenkassen unbegrenzte Leistungen für begrenztes Geld fordern konnten, sollen vorbei sein.

Der Beschluss, eine betriebswirtschaft- lich orientierte Gebührenordnung zu schaffen, stammt bereits aus dem Jahr 1993. Der erste Anlauf, der EBM aus dem Jahr 1996, konnte diese Vorgabe nicht er- füllen. Der zweite Versuch – dieses Mal mit einem Blick über die Schweizer Gren- ze – soll nun endlich den Durchbruch brin- gen. Ausgehend von dem so genannten TarMed, dem Tarifmodell der eidgenös- sischen Ärzte, entwickelte die KBV- Honorarabteilung ein Standardbewer- tungssystem, bei dem alle Leistun- gen und alle Arztgruppen nach den- selben Kriterien bewertet werden.

Im Kern prägen drei Prinzipien den EBM 2000plus:

>die Trennung in einen hausärzt- lichen und fachärztlichen Bereich und innerhalb des fachärztlichen Bereichs in 23 Arztgruppen-Kapitel;

>die (auch gesetzlich geforder- te) Einführung von Komplexen und Pauschalen;

>die Trennung zwischen einem ärztlichen und technischen Lei- stungsanteil.

Letzteres meint: Es wird konse- quent unterschieden zwischen der eigentlichen Arztleistung (AL) und den technischen Leistungskomponenten (TL) – unter anderem dem Einsatz von Geräten und Räumen. Zu klären waren Fragen wie: Was wird in unterschiedli- chen Praxen geleistet? Wie viel Zeit benötigt der Arzt oder die Ärztin für die anfallenden Aufgaben? Welche Ausgaben hat die Praxis?

Um die Kostensätze der Arztpraxen in betriebswirtschaftlicher Hinsicht zu analysieren, nutzte die KBV unter ande- rem Studien vom Statistischen Bundes- amt und vom Zentralinstitut für die kas- senärztliche Versorgung. Daran entzün- dete sich Kritik. Diese Studien, so hieß es, seien nicht hinreichend repräsentativ P O L I T I K

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A798 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 12⏐⏐25. März 2005

EBM 2000plus

Jetzt wird abgerechnet

Am 1. April tritt die neue vertragsärztliche Gebührenordnung

in Kraft. Der EBM 2000plus ist nach betriebswirtschaftlichen

Kriterien kalkuliert und soll mittelfristig zu festen Preisen führen.

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und somit nicht aussagekräftig. „Besse- re Daten gibt es aber nicht“, erwidert KBV-Referent Dr. Ulrich Casser. „Wir haben alles genutzt, was verfügbar war.“

Gleichwohl beschloss die KBV, die Da- tenlage nach dem In-Kraft-Treten des EBM gründlich zu evaluieren und gege- benenfalls Korrekturen anzubringen.

Am Ende einer jahrelangen Detailar- beit stand die Ausschlüsselung von Ko- stenarten (Materialkosten, Personalko- sten, Miete et cetera) und deren Umle- gung auf so genannte Kostenstellen. Da- mit ist bis ins Detail transparent, wo wel- che Kosten in der Arztpraxis entstehen.

Ein weiterer wichtiger Punkt waren die Auslastungszeiten der Geräte. Je nach angenommener Betriebsdauer stellen sich nämlich ganz unterschiedli- che Folgen ein. Sind zum Beispiel die vorgegebenen Auslastungszeiten für ein Gerät relativ hoch, bekommt ein Arzt je- den Einsatz eher gering vergütet. In der Konsequenz kann das bedeuten, dass manche Ärzte und Ärztinnen in Zukunft

eine technische Leistung, die sie nur ge- legentlich erbringen, nicht mehr so gut vergütet bekommen wie zuvor.

Nachvollziehbare Bewertung

Als Folge dieser und weiterer Parame- ter ist der technische Leistungsanteil definiert und mit Kostensätzen belegt.

Was noch fehlt, ist der kalkulatorische Arztlohn für die Bewertung des ärztli- chen Leistungsanteils. Hier haben sich die KBV und die Spitzenverbände der Krankenkassen nach zähen Verhand- lungen auf einen kalkulatorischen Wert von 77,9 Cent für die „Arztminute“ ge- einigt. Das ist jedoch nicht die tatsächli- che Vergütung eines Arztes pro Minute, weil ja der technische Leistungsanteil noch hinzugerechnet wird.

Das Ergebnis all dieser komplexen Berechnungen bringt KBV-Honorarre- ferent Ulrich Casser auf einen kurzen Nenner: „Es ist jetzt belegbar, warum ei-

ne Leistung mit 1 000 Punkten und eine andere mit 2 000 Punkten bewertet ist.“

Die Anwendung der neuen Ge- bührenordnung ist einfacher als je zu- vor. Das liegt vor allem daran, dass der EBM 2 000plus von Ärzten mit PC so genutzt werden kann wie die meisten browsergestützten Internetanwendun- gen. Das Gebührenverzeichnis gibt es auf CD, zum Herunterladen und – für diejenigen Ärzte, die nach wie vor kei- nen Praxiscomputer verwenden – in Buchform. Der EBM gliedert sich in sechs Bereiche: in die allgemeinen Be- stimmungen, in die arztgruppenüber- greifenden allgemeinen Leistungen, in die arztgruppenspezifischen Leistungen (die eigentlichen Kernleistungen der verschiedenen Arztgruppen), in die arzt- gruppenübergreifenden speziellen Lei- stungen und in drei Anhänge.

Die Anhänge bestehen aus einem Ver- zeichnis der nicht gesondert abrech- nungsfähigen, in Komplexen erhaltenen Leistungen, aus der Zuordnung der ope- rativen Prozeduren (OPS-301) zu den Leistungen des Kapitels 31 und aus Anga- ben darüber, welcher Zeitaufwand für die Erbringung der Leistungen durch den Vertragsarzt erforderlich ist. Letzteres ist wichtig für die Plausibilitätsprüfung der vertragsärztlichen Abrechnungen.

Das Prinzip der Plausibilitätsprüfun- gen ist einfach. In den Richtlinien heißt es dazu: „Für jeden Tag der ärztlichen Tätigkeit wird im Hinblick auf die ange- forderten Leistungen . . . ein Tageszeit- profil und ein Quartalszeitprofil ermit- telt. Beträgt bei den Vertragsärzten und -therapeuten . . . die ermittelte arbeits- tägliche Zeit bei Tageszeitprofilen an mindestens drei Tagen im Quartal mehr als zwölf Stunden oder im Quartalszeit- profil mehr als 780 Stunden, erfolgen weitere Überprüfungen.“ Die Richtli- nien sind in Heft 38/2004 unter „Be- kanntgaben“ im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht worden.

Der einfache Aufbau des EBM 2000plus kommt vor allem bei der elek- tronischen Fassung zum Tragen. Sie bie- te die größten Vorteile bei der Handha- bung. Alle berechnungsfähigen Einzel- leistungen und Leistungskomplexe, aber auch Leistungsausschlüsse lassen sich per Mausklick oder über verschie- dene Suchfunktionen aufspüren. Neu, und aus Sicht der EBM-Macher unum- P O L I T I K

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A800 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 12⏐⏐25. März 2005

DÄ:Herr Dr. Weichmann, Sie haben in der Hotline-Aktion Fra- gen zum EBM beantwortet. Was interessierte die Ärztinnen und Ärzte am meisten?

Weichmann:Etwa die Hälfte der Fragen waren reine Abrech- nungsfragen, die andere Hälfte grundsätzliche Fragen.

DÄ:Das heißt?

Weichmann:Es ging ganz grundsätzlich um die Vergütung und Abrechnung ärztlicher Lei- stungen und um Beschwernisse damit. Sehr viele Fragesteller be- zogen sich gar nicht auf den neuen EBM, sondern auf die Honorarverteilungsmaßstäbe der Kassenärztlichen Vereinigungen.

Deshalb lautete jede vierte, fünf- te Frage: Wann gibt es im Zusam- menhang mit dem neuen EBM mehr Honorar?

DÄ:Was interessierte diejeni- gen besonders, die Abrechnungs- fragen stellten?

Weichmann:Die Fragen wa- ren bunt gemischt. Sie betrafen alle Positionen.

DÄ: Sind den Ärzten auch Fehler oder Widersprüchlichkei- ten aufgefallen?

Weichmann:Es gibt einige Dinge im EBM, die schwer ver- ständlich sind, und einige, die an- gepasst werden müssen. So sind beispielsweise in den Facharztka- piteln kleine Bagatelleingriffe aufgeführt, die nicht nebeneinan- der abgerechnet werden dürfen.

Bei den HNO-Ärzten wurde da ein entsprechender Ausschluss nicht aufgenommen. Ein zweites Bei- spiel: Bei der präventiven Kolo- skopie hat man eine Anmerkung eingefügt, die bei der kurativen Koloskopie fehlt.

DÄ: Sehen die Ärzte dem neuen EBM eher besorgt entge- gen oder eher gelassen?

Weichmann: Wenn man von kleinen Fehlern wie den ge- nannten absieht, bildet der neue EBM grundsätzlich die Besonder-

heiten der Fachgebiete besser ab als der alte. Man kann auch gut verdeutlichen, dass die Umstel- lung auf fünfstellige Leistungs- positionen keine Erschwernis ist, weil die neue Systematik besser ist. Was teilweise auf Unver- ständnis stößt, sind Abrech- nungsbegrenzungen. Hierzu muss man vielleicht noch das ein oder andere fachlich klarstellen. Dazu muss man wissen, dass die KBV nicht für jedes Fachgebiet medi- zinische Experten beschäftigen kann, die Formulierungshilfen liefern. Und die hinzugezogene- nen Fachleute wiederum sind nicht geübt darin, ihr Fachwissen in Form einer schlüssigen Lei- stungslegende des EBM zu for- mulieren. Deshalb sind ein paar Unachtsamkeiten entstanden, die einer Korrektur bedürfen.

DÄ:Was raten Sie allen, die mit dem neuen EBM arbeiten müssen?

Weichmann: Sie sollten er- brachte Leistungen abrechnen wie bisher und keine Leistungsbegren- zungen vornehmen, die nicht vertretbar sind. Und sie sollten alle erbrachten Leistungen abrechnen, unabhängig von der Vergütungs- frage. Nur so entsteht ein Spiegel- bild dessen, was in der Praxis er- bracht wird und was erforderlich ist. Fragen: Sabine Rieser Nachgefragt

KBV-Referent: Dr. med.

Heinrich Weichmann

Foto:KBV

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gänglich, ist der nunmehr durchgängige fünfstellige Abrechnungsschlüssel für die vertragsärztlichen Leistungen. Was auf den ersten Blick nach einem erheb- lichen Mehraufwand aussieht, dürfte sich in der Abrechnungspraxis schnell relativieren. Die ersten beiden Ziffern des „Fünfstellers“ bezeichnen generell das jeweilige Kapitel, nur die letzten drei Ziffern definieren die eigentliche Leistung. Notwendig wurde der fünf- stellige Abrechnungsschlüssel, damit neue Leistungen in den EBM aufge- nommen werden können. In dieser Hin- sicht war das alte Leistungsverzeichnis an seine Grenzen gelangt.

Wenn der EBM 2000plus am 1.

April in Kraft tritt, dürfte die neue Ge- bührenordnung für die meisten Ver- tragsärztinnen und -ärzte ohnehin kein Buch mit sieben Siegeln mehr sein. Bereits seit Ende vergangenen Jahres bieten die Kassenärztlichen Vereinigungen und auch die meisten ärztlichen Berufsverbände intensive Seminare zum Umgang mit dem EBM 2000plus an. Allein die KVen haben mehr als 400 solcher Veranstaltungen durchgeführt.

Hausärzte und Fachärzte, so der Ein- druck nach den Schulungen, werden mit dem neuen Gebührenverzeichnis wohl

leben können. Dafür sprechen auch ein- zelne Stellungnahmen von ärztlichen Berufsverbänden. „Insgesamt glaube ich, dass es in dem hausärztlichen Kapi- telteil gelungen ist, die hausärztliche Leistungsbreite besser und vollständi- ger abzubilden, als dies im EBM ‘96 der Fall gewesen ist“, sagt beispielsweise Ulrich Weigeldt, bis Ende vergangenen Jahres noch Vorsitzender des Deut- schen Hausärzteverbandes und seit Fe- bruar dieses Jahres Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung. „Ich sehe eine gute Chance, das Geschehen in der Praxis künftig auch über die Abrechnung abzubilden, was P O L I T I K

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A802 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 12⏐⏐25. März 2005

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b in Baden-Württemberg, Nordrhein oder Rheinland Pfalz, in Thüringen oder Meck- lenburg-Vorpommern – die Ansprechpartner der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) in Sachen EBM 2000plus berichten über ähnliche Erfahrungen. Die Zahl der Anfragen zur neuen Gebührenordnung steigt, je näher der Termin ihres In-Kraft-Tretens rückt, und zwar quer durch alle Fachgebiete. „Seit den letzten zwei Wochen klingelt das Telefon den ganzen Tag“, sagt Peter Busch von der KV Baden-Württem- berg. Die Fragen sind überwiegend sachlich und detailliert. „Häufig geht es den Ärztinnen und Ärzten darum, wo sich ihre alten Lei- stungspositionen im neuen EBM wiederfinden beziehungsweise ob und wenn ja, wo alte Ab- rechnungsgenehmigungen verlängert werden müssen“, schildert Dr. Patricia Shadiakhy von der Hauptstelle der KV Nordrhein in Düsseldorf ihren Eindruck. Insbesondere fachärztlich täti- ge Internisten und Ärzte mit mehreren Ge- bietsbezeichnungen hätten Fragen zur Abre- chenbarkeit ihrer Leistungen. Außerdem er- kundigten sich viele über die Zukunft ärztlicher Kooperationsformen wie Praxisgemeinschaf- ten oder Medizinische Versorgungszentren.

Überwiegend Sachfragen erhält auch Fried- rich-Wilhelm Lihsek von der KV Rheinland- Pfalz. Ebenso wie bei den Kollegen in Nord- rhein sind unter den Anrufern viele Facharzt- Internisten, „die mit das schwierigste Kapitel haben“. Werden die Fragen zu komplex, kön- nen die Niedergelassenen sich in der Bezirks- stelle persönlich beraten lassen. „Doch viele Ärztinnen und Ärzte sind besorgt, weil man keine Prognose wagen kann, wie sich das Ho- norar entwickelt“, sagt Lihsek. Er rechnet –

wie die meisten seiner Kollegen auch – damit, dass der Ansturm der Anfragen nach dem 1. April noch einmal deutlich zunimmt.

300 telefonische Anfragen täglich zum neu- en EBM – das ist derzeit die Bilanz von Steffen Göhring, in der KV Thüringen Abteilungsleiter für den Abrechnungsbereich. Seit die Dienst- auflagen der neuen Gebührenordnung an die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte ausge- geben wurden, stehen die Telefone nicht mehr still. Göhring rechnet damit, dass die Anfragen noch zunehmen: „Zu den Hochzeiten der Pra- xisgebühr hatten wir rund 700 Anrufe pro Tag – damit rechnen wir auch jetzt.“ Zahlreiche Anrufer haben Fragen zur Schmerztherapie, zu den Anträgen auf Erteilung eines Schwer- punkts oder zu den Formularen, die auszufül- len sind, wenn ein Arzt in Zukunft besondere Zugangsvoraussetzungen nachweisen muss, bevor er eine Leistung abrechnen kann.Anson- sten betreffen die Fragen ganz unterschiedli- che Bereiche.

Die Anrufe werden derzeit von zehn bis 15 KV-Mitarbeitern bearbeitet. „Bisher haben wir noch jede Frage beantworten können“, betont Göhring.Viele Ärzte seien beruhigt, dass wenig- stens der Honorarverteilungsmaßstab weiter gelte und es so eine gewisse Planungssicherheit gebe. „Stressig“ sei der Telefonservice, gibt Göhring zu, aber auch wichtig: „So bekommen wir doch mit, was an der Basis los ist.“

Gezählt hat das Team um Maren Gläser die Anfragen noch nicht, doch die Abteilungsleite- rin Abrechnung bei der KV Mecklenburg-Vor- pommern ist sich sicher: „Es sind sehr viele.“

Vor allem Fachärzte meldeten sich. Fragen zu Leistungsbestandteilen in Komplexgebühren

und zum ambulanten Operieren würden häu- fig gestellt, aber auch zahlreiche Änderungs- vorschläge unterbreitet. Immer wieder fragen Ärzte zudem nach, ob die ein oder andere Vor- gabe tatsächlich in Zusammenarbeit mit ihrem Berufsverband entstanden ist. Manche Anrufer sind ärgerlich, weil sie zum Beispiel nicht mehr alle Leistungen wie zuvor abrechnen können.

Aber auch Lob gebe es, betont Gläser: dafür, dass der organisierte Notfalldienst extra ver- gütet wird oder spezifische Leistungen geson- dert abgerechnet werden können. Und dafür, dass mancher Fehler noch rechtzeitig vor dem 1. April durch die Vertragspartner ausgebügelt wurde. Als Service hat die KV damit begonnen, jedem Arzt eine auf ihn zugeschnittene Über- sicht zum EBM („Positivliste“) zuzuschicken.

Diese enthält erstens eine Liste der Leistun- gen, die der betreffende Arzt abrechnen kann, zweitens eine Zusammenstellung der Leistun- gen mit Kurzbezeichnungen und drittens einen formlosen Antrag, damit bei Bedarf Genehmi- gungen beantragt werden können, um be- stimmte Leistungen abrechnen zu dürfen.

Dass das Telefon andauernd klingelt – die- sen Eindruck hat längst auch Ursula Lorenz, stellvertretende Abteilungsleiterin Abrech- nungswesen bei der Leipziger Bezirksstelle der KV Sachsen. Wie in anderen KVen auch wur- den zahlreiche Informationsveranstaltungen zum EBM angeboten, in Leipzig allein rund 20.

Doch gleichwohl häufen sich nun die Anfra- gen, „umso mehr, je mehr sich die Ärzte mit dem EBM beschäftigen“, sagt Lorenz. Viele Anrufer erkundigen sich nach Einzelheiten zu Besuchen und zu Visiten im Pflegeheim, aber auch zu unvorhergesehenen Inanspruchnah- men. In der Bezirksstelle Leipzig sind sechs Mitarbeiter bemüht, auf alle Fragen zutreffend zu antworten. Lorenz hat Verständnis für man- chen Unmut und lobt die Ärzte ausdrücklich:

„Man kann sehr vernünftig mit den Anrufern diskutieren.“ Heike Korzilius, Sabine Rieser

Anfragen zum EBM 2000plus

Sachlich – und besorgt

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bislang nicht unbedingt möglich war.

Auch die Leistungsbewertung im hausärztlichen Kapitel ist stimmig.“

Weigeldt betont insbesondere den Umstand, „dass viele Dinge, die im Zuge der letzten EBM-Reform für die hausärztliche Versorgung – zumindest abrechnungstechnisch – verloren waren, nun wieder zurückgekehrt sind“ – ein Umstand, der vor allem Hausärzte mit einem breiten Leistungsspektrum freut.

Heftige Kritik kommt hingegen von den Schmerztherapeuten. Im EBM

2000plus sind erstmals offiziell schmerz- therapeutische Leistungen aufgenom- men. Bislang gab es dazu lediglich Son- derverträge einiger Krankenkassen.

Dass diese Leistungen nun von allen Krankenkassen finanziert werden müs- sen, ist zwar ein Fortschritt, allerdings um den Preis einer restriktiven Qua- litätssicherungsvereinbarung.

Die sieht unter anderem die regel- mäßige Teilnahme an interdisziplinären Schmerzkonferenzen vor. Wenn es im Verlauf der schmerztherapeutischen Behandlung im Verlauf von sechs Mo- naten zu keiner nachweisbaren Verbes- serung der Beschwerdesystematik kommt, soll der Schmerztherapeut prü- fen, ob der Patient von einer psychiatri- schen oder psychotherapeutischen Mit- behandlung profitiert. Die Behandlung von chronisch schmerzkranken Patien- ten soll einen Zeitraum von zwei Jahren nicht überschreiten. Hinzu kommt, dass die Berechnung der Leistungen nach den Nummern 30700 (Basisabklärung und schmerztherapeutische Versorgung

im ersten Quartal) und 30701 (Fort- führung der Schmerztherapie in den Folgequartalen) auf 300 Behandlungs- fälle je Arzt begrenzt ist.

Die Schmerztherapeuten kritisieren, dass die neuen EBM-Positionen das schmerztherapeutische Behandlungs- spektrum nicht abdecken und die Kran- kenkassen kaum mehr zahlen werden, als sie müssen. Die schmerztherapeuti- sche Versorgung, so die Befürchtung der betroffenen Ärzte, ist in Gefahr. In ei- nem Brief an das Bundesgesundheitsmi-

nisterium deutet die KBV die zugrunde liegende Problematik an: Bei dem Be- schluss des Bewertungsausschusses habe es sich um einen „Kompromiss zwischen den begründeten Forderungen der Lei- stungsträger (gemeint sind die Ärzte) und dem von den Kostenträgern einzu- haltenden Wirtschaftlichkeitsprinzip bei der Bereitstellung der ausreichenden und notwendigen Gesundheitsversor- gung“ gehandelt. Falls es aber dennoch zu Problemen bei der Sicherstellung kom- men sollte, haben die Vertragspartner in einer Protokollnotiz zu dem Beschluss des Bewertungsausschusses „notwendige Änderungen“ in Aussicht gestellt.

Bisherige Mengensteuerung

Unterm Strich bleibt jedoch: Die meisten Arztgruppen scheinen mit dem neuen EBM gut leben zu können. Problemati- scher gestalten sich hingegen die Rege- lungen zur Mengenbegrenzung der ärzt- lichen Leistungen. Ursprünglich war

vorgesehen, dass die neue Gebühren- ordnung zeitgleich mit den so genann- ten Regelleistungsvolumen eingeführt werden sollte. Nach der Definition des Bewertungsausschusses sind Regel- leistungsvolumen „arztgruppenspezifi- sche Grenzwerte, bis zu denen die von einer Arztpraxis oder einem Medi- zinischen Versorgungszentrum im je- weiligen Kalendervierteljahr erbrach- ten ärztlichen Leistungen mit einem . . . festen Punktwert zu vergüten sind“. Für den Fall der Überschreitung der Regel- leistungsvolumen wird die überschrei- tende Leistungsmenge nur noch mit ab- gestaffelten Punktwerten honoriert.

Gegenüber der bisherigen Praxis hat dieses Verfahren zwei Vorteile: Der feste Punktwert für das jeweils verein- barte Regelleistungsvolumen gibt dem Arzt endlich wieder Kalkulationssi- cherheit und – Mehrleistungen werden nicht mehr einfach „abgeschnitten“, sondern wenigstens abgestaffelt vergü- tet. Das Problem für die Vertragspart- ner besteht allerdings darin, Regel- leistungsvolumen zu definieren, die den vielfältigen Praxisformen und den Anforderungen der unterschiedlichen Arztgruppen gerecht werden. Die bis- herigen Modelle für die Ausgestaltung von Regelleistungsvolumen konnten dies nicht leisten, woran die verbindli- che Einführung der Regelleistungsvo- lumen zum 1. April scheiterte.

Stattdessen fanden die Vertragspart- ner eine ebenso pragmatische wie ak- zeptable Lösung: Die Kassenärztlichen Vereinigungen, die zum 1. April 2005 noch keine Regelleistungsvolumen ein- führen können, können im Einverneh- men mit den Krankenkassen bis zum 31.

Dezember 2005 die bisherigen Regelun- gen in den Honorarverteilungsverträgen beibehalten. Das bedeutet in den mei- sten Fällen: Die bisher praktizierten Mengensteuerungskonzepte werden – leicht modifiziert – fortgeführt.

Dieser Beschluss ist klug, denn KBV und KVen auf der einen und die Kran- kenkassen auf der anderen Seite haben die erforderliche Zeit gewonnen, Re- gelleistungsvolumen zu entwickeln, mit denen die Ärztinnen und Ärzte von Ja- nuar 2006 an zurechtkommen können.

Dabei können die ersten Abrechnungs- ergebnisse nach dem neuen EBM eine wertvolle Hilfe sein. Josef Maus P O L I T I K

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A804 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 12⏐⏐25. März 2005

Ruft man den EBM am Bildschirm auf, ist das Fenster zweigeteilt. Links erscheint die Gliederung, rechts der Inhalt mit Leistungsbeschreibung und weiteren Angaben.

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