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Archiv "EBM 2000plus: Widerstand bis zuletzt" (21.05.2004)

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er neue EBM 2000plus tritt am 1. Januar 2005 in Kraft. Mit diesem Beschluss des gemeinsamen Be- wertungsausschusses von Krankenkas- sen und Ärzten vom 13. Mai hat ein Re- formprojekt einen (vorläufigen) Ab- schluss gefunden, das die niedergelasse- nen Ärzte seit mehr als sechs Jahren be- schäftigt. Anfangs getragen von einer breiten Mehrheit und allgemeinem Op- timismus, sind die Arbeiten an

der neuen Gebührenordnung immer mehr in die Mühlen der innerärztlichen Diskussion ge- raten – bis hin zu einem fulmi- nanten Finale unmittelbar vor der entscheidenden Sitzung des Bewertungsausschusses.

Dr. med. Wolfgang Hoppen- thaller, stellvertretender Vor- sitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, hatte we- nige Tage vor der abschlie- ßenden Verhandlung den Kran- kenkassen und dem Bundes- gesundheitsministerium eine Analyse der KV über die Aus- wirkungen des neuen EBM und der Regelleistungsvolu-

men zugespielt. Der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Verhandlungsfüh- rerin für die niedergelassenen Ärzte, lagen diese Zahlen nicht vor. Der Tenor der bayerischen Analyse: Der EBM 2000plus zöge innerhalb einzelner Fach- gruppen erhebliche Honorarverwer- fungen nach sich, die Gebührenord- nung würde zu einem „Chaos unvor- stellbaren Ausmaßes“ führen.

Hoppenthaller, der sein Vorgehen in einer höchst erregten Diskussion in der Vertreterversammlung zu rechtfertigen suchte, hatte die KBV damit in eine fata- le Situation gebracht. „Aufgrund der bayerischen Zahlen“, berichtete KBV- Hauptgeschäftsführer Dr. med. Andreas

Köhler den Delegierten,„haben die Kran- kenkassen versucht, die Bewertung ver- schiedener Leistungen nochmals ab- zusenken. Wir konnten das in den mei- sten Fällen dann doch noch verhindern.“

Dr. med. Manfred Richter-Reichhelm verurteilte den bayerischen Vorstoß in seinem Bericht zur Lage mit ungewöhn- lich scharfen Worten: „Das ist undemo- kratisch, das ist skandalös, das ist nicht

akzeptabel!“ Der KBV-Vorsitzende wies darauf hin, dass das EBM-Konzept (übrigens die 67. Fassung seit Beginn der Beratungen im Jahr 1998) sowohl im Vorstand als auch im Länderaus- schuss der KBV mit großer Mehrheit beschlossen worden war. Die Bayern, genauer gesagt Hoppenthaller, wollten dies offenbar nicht akzeptieren und ha- ben einen letzten Anlauf unternom- men, den aus ihrer Sicht schlechten EBM doch noch zu verhindern.

Bei den Delegierten kam dies nicht gut an. Bei aller Kritik am EBM-Ent- wurf herrschten überwiegend Entset- zen und Fassungslosigkeit über einen Vorgang, den viele hinter vorgehaltener

Hand als „Verrat an der eigenen Sache“

bezeichneten. Einer, der ohne zu zögern persönliche Konsequenzen aus dem Desaster zog, war Dr. med.Axel Munte.

Der bayerische KV-Chef erklärte sei- nen Rücktritt aus dem KBV-Vorstand.

Munte, der nach seinen eigenen Worten nichts von der Übermittlung der Zahlen an die Kassen und das BMGS gewusst hatte, übernahm gleichwohl dafür die Verantwortung. Eine Entscheidung, der sowohl Richter-Reichhelm als auch die Delegierten mit Respekt begegneten.

Dennoch, der eskalierende Streit über die Auswirkungen des EBM war nicht dazu angetan, den niedergelasse- nen Ärzten Zuversicht im Hinblick auf die neue Gebührenordnung zu vermit- teln. Die bayerischen Zahlen, verdeut- lichten deshalb Richter-Reichhelm und Köhler, seien nicht ohne weiteres auf al- le KV-Bereiche zu übertragen. Köhler:

„Die Honorarverteilungsmaß- stäbe in den 23 KVen sind völ- lig unterschiedlich. Da kann man nicht die Ergebnisse einer einzelnen KV hochrechnen.“

Richter-Reichhelm erinner- te in seinem Bericht zur Lage an die unveränderten Ziele des EBM 2000plus: „Wir wollen im Dreigestirn Budget, Leistungs- menge und Punktwert die Lei- stungsmenge an das Geld an- passen und deutlich machen, dass für eine qualitativ hoch- wertige, medizinisch ausrei- chende Versorgung der Bevöl- kerung das derzeit von den Krankenkassen zur Verfügung gestellte Geld eben nicht aus- reicht.“ Allen Kassenärzten sollte klar sein, sagte der KBV-Vorsitzende, dass die neue Gebührenordnung zunächst nicht mehr Geld bringe. Solange die Honorarbudgets bestünden, ändere sich an der Gesamtvergütung nicht viel.

Allerdings ist dieser EBM nach ei- nem Standardbewertungssystem be- triebswirtschaftlich kalkuliert und somit geeignet, bei Ablösung der Budgets (ab 2007) einen festen Preis für eine feste Leistungsmenge zu garantieren. Richter- Reichhelm weiter: „Der EBM 2000plus beseitigt bisherige Ungerechtigkeiten und bringt Leistungsbewertungen ins richtige Verhältnis zueinander.“ Der KBV-Vorsitzende räumte ein, dass dies P O L I T I K

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A1466 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 2121. Mai 2004

EBM 2000plus

Widerstand bis zuletzt

Die neue Gebührenordnung tritt am 1. Januar 2005 in Kraft. Vor dem Beschluss sorgte eine bayerische Analyse über Honorarverwerfungen für einen Eklat.

KBV-Hauptgeschäftsführer Dr. med. Andreas Köhler: Leistungsab- wertungen durch die Krankenkassen gerade noch verhindert

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mit Umverteilungen verbunden sei.

Dennoch: „Wer Gerechtigkeit will, kann nicht die Ungerechtigkeiten der Vergan- genheit auf ewig perpetuieren.“ Er lehn- te deshalb auch den negativ besetzten Ausdruck Verwerfungen, den EBM- Gegner gerne verwenden, strikt ab.

Die Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigungen sei es nun, in den anste- henden Verhandlungen mit den Kran- kenkassen vor Ort die bestmögliche Ausgangslage für die Zeit nach der Bud- getablösung herzustellen. Bis dahin wer- de der kalkulierte Punktwert von 5,11 Cent wahrscheinlich nicht erreicht.

Richter-Reichhelms Appell an die Dele- gierten: „Jetzt sind der EBM und die Re- gelleistungsvolumen beschlossen. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, dass die KVen wieder zusammenrücken und ge- meinsam ihrer Pflicht gegenüber den Ärzten nachkommen. Die wollen Pla- nungssicherheit, wollen wissen, wie es weitergeht und was auf sie zukommt. Si- cherheit schaffen und nicht Verunsiche- rung ist das Gebot der Stunde. Hören wir doch auf mit der innerärztlichen Nabel- schau und arbeiten am gemeinsamen Ziel: weg mit den Budgets und Kopfpau- schalen, hin zu einer leistungsgerechten Vergütung in Euro und Cent!“

Köhler erläuterte im Folgenden den Delegierten die Eckpunkte der Be- schlüsse des Bewertungsausschusses.

Das Gremium hat nicht nur die Ent- scheidung über die neue Gebührenord- nung getroffen, sondern auch über die Festlegung von Regelleistungsvolumen zur Mengensteuerung der ärztlichen Leistungen. Außerdem beschloss der Bewertungsausschuss die Verlängerung der jetzt geltenden Honorarverteilungs- maßstäbe (HVM) bis zum 31. Dezember 2004 und die wissenschaftliche Beglei- tung zur Einführung des EBM 2000plus, mit der das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI) und das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) beauftragt worden sind. Schließ- lich beinhaltet das Beschlusspaket noch vorbereitende Maßnahmen für die Ein- führung von morbiditätsbezogenen Re- gelleistungsvolumen (ab 2007).

Mit den Regelleistungsvolumen, die zur Mengensteuerung der ärztlichen Leistungen dienen, werden erstmals bundesweite Vorgaben gemacht. Bisher war dies nur bei der Trennung der Ge-

samtvergütung in einen hausärztlichen und fachärztlichen Anteil der Fall. Erst- mals sitzen auch die Krankenkassen mit am Tisch, wenn die regionalen Honorar- verteilungsmaßstäbe aufgestellt werden.

Insgesamt führen aber die bundesweiten Vorgaben zu einer Neubestimmung der Vergütungen, die kaum noch etwas mit den bestehenden HVM-Strukturen zu tun haben. Honorarumverteilungen müssen daher die Folge sein.

Wie Köhler ausführte, basiert die neue Mengensteuerung über die Regel- leistungsvolumen nicht mehr – wie ur-

sprünglich vorgesehen – auf einer Zeit- taktung, sondern sie ist fallzahlabhän- gig. In so genannten Arztgruppentöp- fen werden die Honoraranteile abgebil- det, die den jeweiligen Arztgruppen un- ter den Bedingungen des neuen EBM zur Verfügung stehen. Bei der Vertei- lung der Honorare kommen dann die fallzahlabhängigen Regelleistungsvolu- men zum Zuge. Bei der Bildung und Veränderung dieser Töpfe haben die Kassenärztlichen Vereinigungen jedoch aufgrund vereinbarter Öffnungsklau- seln einen gewissen Spielraum.

Das Regelleistungsvolumen setzt sich aus der Fallpunktzahl multipliziert mit der Fallzahl zusammen. Da die Fallzahl als durchgängiges Kriterium für die Bemessung des Regelleistungsvolumens dient, erhalten kleine Praxen ein niedri-

geres Regelleistungsvolumen, größere ein höheres. Unter anderem sehen die Regelungen vor, dass für jeden Fall einer Arztpraxis, der über 150 Prozent der durchschnittlichen Fallzahl der Arzt- gruppe hinausgeht, die jeweilige Fall- punktzahl um 25 Prozent gemindert wird. Gemeinschaftspraxen und medizi- nische Versorgungszentren erhalten eine erhöhte Fallpunktzahl um 130 Punkte für arztgruppen- und schwerpunktglei- che Gemeinschaftspraxen und 30 Punk- te je Fachgebiet oder Schwerpunkt in ei- ner arztgruppen- oder schwerpunkt- übergreifenden Gemeinschaftspraxis oder einem Medizinischen Versorgungszen- trum, jedoch mindestens 130 Punkte und höchstens 220 Punkte.

Den gesamten EBM und die dazu- gehörenden Regelungen wird die KBV in der kommenden Woche auf ihren Seiten im Internet (www.kbv.de) veröf- fentlichen. Dann können sich die Kas- senärzte ein genaueres Bild von der neuen Gebührenordnung machen.

Im Anschluss an die KBV-Vertreter- versammlung zeigte sich Köhler im Ge- spräch mit dem Deutschen Ärzteblatt überzeugt davon, dass weder einzelne Ärzte noch einzelne Arztgruppen infol- ge des EBM 2000plus in existenzielle Schwierigkeiten geraten können. „Die von uns beschlossene Mengensteue- rung wird das über die regionalen Ho- norarverteilungsmaßstäbe so abpuf- fern, dass eine solche Gefahr nicht be- steht“, sagte der KBV-Hauptgeschäfts- führer. Auch sei nicht zu erwarten, dass der neue EBM zu einer Art Dauerbau- stelle werde. Köhler: „Es geht jetzt nur noch um die Feinjustierung. Daneben werden wir allerdings regelmäßig die Bewertungen überprüfen. Das können wir jetzt, weil der neue EBM betriebs- wirtschaftlich kalkuliert ist. Insofern wird dies dann tatsächlich, vielleicht in jährlichen Abständen, zu geänderten Bewertungen führen können. Aber das ist keine Dauerbaustelle.“ Was die

„Haltbarkeit“ des EBM 2000plus an- geht, meinte Köhler: „Ich glaube, dass dieser neue EBM, der eine tief greifen- de Veränderung gegenüber allen bis- herigen Gebührenordnungen darstellt, mindestens zehn Jahre halten wird, zu- mal er auch die Grundlage der morbi- ditätsgewichteten Regelleistungsvolu- men sein wird.“ Josef Maus P O L I T I K

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A1468 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 2121. Mai 2004

Dr. med. Wolfgang Hoppenthaller gab die bayerischen Zahlen an die Krankenkassen und das Bundesgesundheitsministerium.

Alle Fotos:Bernhard Eifrig

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