Lohnfortzahlung:
SPD will Korrekturen
BONN. Die SPD-Bundes- tagsfraktion hat Ende Januar einen Gesetzentwurf zur
„vollen Absicherung von Ar- beitnehmerinnen und Arbeit- nehmern im Krankheitsfall“
eingebracht, in dem die Ände- rungen im arbeitsrechtlichen Gesetz zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung (vom 25. September 1996) wieder zurückgenommen wer- den sollen. Der Entwurf sieht vor, die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wieder auf 100 Prozent des Arbeitsentgelts festzusetzen, die Anrechnung von Urlaubstagen auf Krank- heitstage zurückzunehmen, die vierwöchige Wartezeit bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall aufzuheben und die Anrechnung eines Teils der Kurdauer und an- dere Rehabilitationsmaßnah- men auf den Jahresurlaub zu kippen. In der Begründung heißt es, vor allem Beschäftig- te aus Klein- und Mittelbetrie- ben seien von der Kürzung der Entgeltfortzahlung auf 80 Prozent betroffen, weil dort entsprechende Tarifverträge fehlten und die gewerkschaft- lichen Vertretungen in den Betrieben unterrepräsentiert
seien. HC
Arzthelferinnen:
1996 weniger Ausbildungsverträge
BONN. Die Anzahl der neu abgeschlossenen Ausbil- dungsverträge im Bereich Freie Berufe ist 1996 gegen- über dem Vorjahr in den al- ten Bundesländern um insge- samt 3,1 Prozent und in den neuen Bundesländern um 7,7 Prozent zurückgegangen.
Dies teilte der Bundesver- band der Freien Berufe mit.
Bei den Arzthelferinnen be- trug der Rückgang der Aus- bildungsverträge im Westen 10,2 Prozent und im Osten 4,5 Prozent.
Nach Ansicht der Bundes- ärztekammer ist dies eine Re-
aktion der niedergelassenen Ärzteschaft auf die Auswir- kungen der Gesundheitsge- setzgebung und die andau- ernde Diskussion über anste- hende Änderungen im Ge- sundheitswesen. Insbesonde- re die Einführung des neuen EBM im Januar 1996 habe in vielen Praxen zu finanziellen Engpässen geführt. Offen- sichtlich werde im Bereich Ausbildung noch ein gewisses Sparpotential ausgemacht, heißt es weiter. SG
Ärztekammer Hessen ernennt Beauftragten für Menschenrechte
FRANKFURT. Die Lan- desärztekammer Hessen hat mit Dr. med. Ernst Girth erst- mals einen Beauftragten für Menschenrechte ernannt.
Nach Angaben der Kammer bestehen die Aufgaben des Beauftragten in der Informa- tion und Beratung des Präsi- diums über mögliche Ver- wicklungen von Ärzten in Verstöße gegen das Men- schenrecht.
Daneben soll Girth die Zusammenarbeit mit Organi- sationen pflegen, die gleich- falls in der Wahrung der Men- schenrechte engagiert sind.
Der Kammerbeauftragte für
Menschenrechte soll ferner die hessischen Ärzte insge- samt für Menschenrechtspro- bleme sensibilisieren. JM
Heidelberger Erklärung zur Tabakprävention für Kinder und Jugendliche
HEIDELBERG. Nam- hafte Wissenschaftler und Ärzte fordern eine deutlich bessere Tabakprävention für Kinder und Jugendliche in Deutschland. In einer Hei- delberger Erklärung, die vom Deutschen Krebsforschungs- zentrum verbreitet wird, be- klagen die Unterzeichner, daß die seit Jahren vorliegen- den Erkenntnisse über die Gefahren des Rauchens bis heute nicht zu ausreichenden gesetzlichen Maßnahmen ge- führt haben. Sie fordern des- halb unter anderem ein Ver- kaufsverbot für Tabakpro- dukte an Minderjährige, die Abschaffung aller frei zu- gänglichen Zigarettenauto- maten und ein Verbot der di- rekten und indirekten öffent- lichen Tabakwerbung.
Ferner setzen sich die Wissenschaftler für eine stär- kere Prävention ein. So solle ein bundesweiter Tabakinfor- mationsdienst über die ge- sundheitlichen Folgen des
Rauchens aufklären und Hin- weise zum Abgewöhnen ge- ben. Präventionsprogramme sollen aus dem Steuerauf- kommen aus Tabakverkäu- fen finanziert werden.
Die Wissenschaftler und Ärzte plädieren zugleich für die Einrichtung einer For- schungsstelle. Dort sollen Daten zur Prävalenz des Rau- chens, zum Rauchverhalten und zur Einstellung zum Rau- chen dokumentiert und aus- gewertet werden. Auf dieser Basis sollen zusätzliche Maß- nahmen für eine zielgruppen- und schichtspezifische Auf- klärung von Kindern und Ju- gendlichen erarbeitet wer- den. Mit Blick auf den Ge- setzgeber endet die Er- klärung mit den Worten:
„Die Zeit der freiwilligen Vereinbarungen ist aus unse- rer Sicht vorbei.“ JM
Vilmar wirft Kassen und Politikern
„Sozialdefätismus“ vor
KÖLN. „Mit Horrorsze- narien, die in den jetzigen Reformbemühungen die Zer- schlagung der Eckpfeiler un- serer sozialstaatlichen Ord- nung sehen, kann man zwar kurzfristig populistische Er- folge erzielen, aber keine strukturellen Probleme lö- sen“, mahnte Bundesärzte- kammer-Präsident Dr. med.
Karsten Vilmar die Kranken- kassen und Parteifunktio- näre.
Es grenze an „Sozialde- fätismus“, alles wie bisher weiterlaufen zu lassen und nur da und dort ein wenig
„eingreifen“ zu wollen. Die Probleme im Gesundheitswe- sen seien struktureller Art und gefährdeten ohne ver- nünftige Reformschritte den Solidarpakt der gesetzlichen Krankenversicherung. Es sei deshalb zu begrüßen, wenn nun die bisherige Politik staatlicher Eingriffe mit Re- glementierung und Budgetie- rung von mehr Verantwor- tung für die gemeinsame Selbstverwaltung von Kran- kenkassen und Ärzten ab-
gelöst werde. EB
A-710 (18) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 12, 21. März 1997
P O L I T I K NACHRICHTEN
Aus Bund und Ländern
Ein Angleichungspro- zeß im wiederver- einigten Deutschland findet nicht nur in be- zug auf Wirtschafts- leistung, Einkommen und Preise statt, son- dern auch bei Krank- meldungen. Nach ei- ner Statistik der Betriebskrankenkassen waren Arbeitnehmer in den neuen Ländern 1991 im Durchschnitt zehn Tage arbeits- unfähig, 1995 brach- ten sie es auf 19 Tage pro Jahr und damit fast auf den west- lichen Durchschnitts- wert von 21 Tagen.