1914: Zwei Rot-Kreuz-Schwestern harren ihrer Aufgabe im OP
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ungerechten Vorwurf, Vorberei- tung auf mögliche Katastrophen bedeute „Vorbereitung von Kon- flikten", weist er zurück. Der Vor- wurf treffe schon gar nicht das Ro- te Kreuz. Es gebe wenige Organi- sationen, die mehr für den Frieden getan hätten. Das Rote Kreuz be- kenne sich zum Friedensdienst, dennoch müsse es auch mit krie- gerischen Auseinandersetzungen rechnen. Immerhin habe es nach 1945 rund 140 Kriege oder kriegs- ähnliche Zustände gegeben. Die Teilnehmer der Jubiläumsfeier klatschen Beifall, als Sayn-Witt- genstein den Kritikern etwas „von der Toleranz, die die Rotkreuz- helfer und -schwestern bei Kata- stropheneinsätzen auszeichnet", wünscht.
Der nordrhein-westfälische Ar- beitsminister Friedhelm Farth- mann ist einer der wenigen Politi- ker, die Zeit gefunden haben, zur 100-Jahr-Feier nach Godesberg zu kommen. Daneben ist noch Irm- gard Karwatzki, die neue „Parla- mentarische" aus dem Bundesge- sundheitsministerium da. Andere Geladene haben Entschuldigun- gen oder Grußworte geschickt oder sind grußlos ferngeblieben, wohl in der beruhigenden Gewiß- heit, daß die Rot-Kreuzler schon da sein werden, wenn Not am Mann ist. Farthmann lobt die frei- gemeinnützigen Krankenhausträ- ger, zu denen ja auch das Rote Kreuz zählt. Der Staat, so sagt Farthmann, würde geradezu un- menschlich handeln, wenn er sei- nen Bürgern das Engagement der Freien vorenthalten wolle. Farth-
mann grenzt ab: Dem Staat kom- me die Planungsverantwortung zu, die Durchführung vor Ort kön-
ne er den freien Trägern über- lassen.
Die Rot-Kreuz-Schwesternschaf- ten sind so emanzipiert, daß sie einen Mann als Vizepräsidenten ihres Spitzenverbandes bestellen, Dr. Anton Schlögel. Er hebt in ei- nem Referat über die Geschichte der Schwesternschaften zwei Ta- ten hervor:
1. Die Rot-Kreuz-Schestern haben um die Jahrhundertwende zu ei- nem wesentlichen Wandel des Pflegedienstes maßgeblich beige- tragen. Früher war Krankenpflege Aufgabe religiöser Gemeinschaf- ten oder, wenn von Laien gelei- stet, eine weitgehend ehrenamtli- che Tätigkeit. Mit der Rot-Kreuz- Schwester kam — außerhalb der konfessionellen Orden, wenn auch häufig auf christlicher Grundlage — die „weltliche"
Schwester, die in der Pflege ihren Lebensberuf sah.
2. Die Schwesternschaften haben sich mit Geschick dem Versuch der Nazis widersetzt, sie mit der NS-Volkswohlfahrt gleichzu- schalten.
Dem Roten Kreuz haben die Schwestern schließlich noch ei- nen augenfälligen Dienst gelei- stet: Sie haben das rote Kreuz als Zeichen auf der Tracht eingeführt und den einheitlichen Namen „Ro- tes Kreuz" durchgesetzt.
Norbert Jachertz
KURZBERICHTE
Pharmaindustrie weist Anschuldigungen zurück
Mit einer ungewöhnlichen Doku- mentation über „Arzneimittel und Dritte Welt" setzt sich der Bundes- verband der Pharmazeutischen In- dustrie (BPI) mit den zum Teil „ge- hässigen" — so der BPI — Anschul- digungen der Pharmamultis we- gen ihrer angeblichen Rolle im Nord-Süd-Konflikt auseinander.
Als Beispiel nennt der Bundesver- band den Bundeskongreß soge- nannter entwicklungspolitischer Aktionsgruppen (BUKO). Dessen Vorwurf lautet: Die internationalen Pharmakonzerne würden die Ent- wicklungsländer ausbeuten und seien für die dort herrschende Un- terversorgung mit Medikamenten verantwortlich, weil sie überhöhte Preise verlangt.
Dem hält der Pharma-Bundesver- band entgegen, daß die Hauptur- sache für die gravierenden Versor- gungsengpässe im Zustand des Gesundheitswesens in den Ent- wicklungsländern selbst liege:
„Trotz ausreichenden Impfstoffan- gebots bei schärfster Konkurrenz und zu niedrigsten Preisen ster- ben jährlich fünf Millionen Kinder in Entwicklungsländern, weil Fachpersonal und Kühlketten feh- len." Hinzu komme, daß viele Ent- wicklungsländer trotz ihrer meist sehr knapp bemessenen Etatmittel Rüstungsausgaben und teuren Prestigeprojekten (eigene Luft- fahrtgesellschaften und industriel- le Großprojekte) Vorrang vor der dringend notwendigen strukturel- len Verbesserung des Gesund- heitswesens einräumten.
Der desolate Zustand des Gesund- heitswesens sei auch auf die Han- delspolitik der Entwicklungslän- der zurückzuführen: hohe Import- zölle, die das relativ hohe Inlands- niveau der Arzneimittelpreise schützten, oder Belastung der Wirkstoffeinfuhr durch Zölle (wo- durch die eigene Industrie durch zu teuere Vorprodukte belastet werde). ck
Ausgabe B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 1/2 vom 10. Januar 1983 51