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unächst die „formalen“ Nachrich- ten zum neuen Einheitlichen Be- wertungsmaßstab für ärztliche Lei- stungen (EBM): Mit dieser Ausgabe des Deutschen Ärzteblattes wird der Be- schluss über die Einführung des EBM 2000plus zum 1. Januar 2005 in der Teil- auflage für niedergelassene Ärzte offi- ziell bekannt gegeben. Zeitgleich infor- miert die Kassenärztliche Bundesver- einigung (KBV) neben den Vertrags- ärzten auch alle weiteren Ärzte über die neue Gebührenordnung auf einer eigens dafür eingerichteten Internetsei- te www.ebm2000plus.de. Formal sind damit die Weichen für das In-Kraft- Treten des EBM zu Beginn des kom- menden Jahres gestellt.Gleichwohl hält die Kritik an der neuen Gebührenordnung an: Die KV Nord-Württemberg lehnt
sie ebenso ab wie die KV Schleswig-Holstein, die vor dem Berliner Sozialge- richt eine Feststellungs- klage gegen die KBV und die Spitzenverbände der Krankenkassen eingereicht hat. Das Gericht soll prü- fen, ob „die systematisch ungleiche Verteilung der Honorartopfbildung und die damit verbundene Ver- schlechterung der Rah- menbedingungen mit der Berufsausübungsfreiheit
vereinbar ist“. Die schärfste Kritik kommt aus Bayern. Dr. med. Wolfgang Hoppenthaller, stellvertretender Vor- sitzender der KV Bayerns und Vorsit- zender des bayerischen Hausärztever- bandes, wirft der KBV eine unseriöse Kostenerhebung vor, in deren Folge es
zu „einer gigantischen Honorarumver- teilung insbesondere für die Hausärz- te“ komme. Hoppenthaller spricht von
„Fantasiezahlen“, mit denen sich die KBV die gewünschten Ergebnisse her- beigerechnet habe.
Als Kronzeugen benennt der bayeri- sche Hausärztefunktionär das Statisti- sche Bundesamt. Allgemeine Aussagen des Amtes zur Verwendbarkeit seiner Daten für Hochrechnungen interpre- tiert er so: „Das Statistische Bundesamt hat sich klar geäußert, dass diese Anwendung unzulässig ist und zu sinn- losen Ergebnissen führt.“ Auch ein von Hoppenthaller bei Prof. Ludwig Fahr- meir von der Ludwig-Maximilians-Uni- versität München in Auftrag gegebenes Gutachten kommt zu dem Schluss, die von der KBV ermittelten Schätzungen der durchschnittlichen Kosten pro Arzt wiesen unter statistischen und methodischen Gesichts- punkten gravierende Män- gel auf. Diese Kritik kann KBV-Hauptgeschäftsfüh- rer Dr. med. Andreas Köhler nicht nachvoll- ziehen: „Das Statistische Bundesamt hat diese Aussage so nicht getrof- fen. Wir haben den ent- sprechenden Hochrech- nungsrahmen benutzt,spä- ter dann auch andere und kamen bei allen zu denselben stabilen Ergebnissen.“ Köhler verweist gegen- über dem Deutschen Ärzteblatt auf eine umfassende Dokumentation der syste- matischen Methodik bei der Ermittlung der Praxiskosten, die auch allen Kritikern zugänglich war. „Wir haben alle verfüg-
baren Daten validiert und zertifiziert“, sagt der KBV-Hauptgeschäftsführer.
„Wir haben insgesamt vier Kostenstudi- en genutzt und diese mithilfe von 15 weiteren Kostenstudien von Berufsver- bänden, Steuerberatern und betriebs- wirtschaftlichen Unternehmensberatern überprüft. Darüber waren alle infor- miert – auch die Hausärzte.“
Für die Darstellung Köhlers spricht, dass die Unternehmensberatung Mc- Kinsey auf Initiative der KV Bayerns im Jahr 2003 das gesamte Datenmateri- al für den EBM 2000plus gesichtet und nach der Analyse als „robuste und soli- de betriebswirtschaftliche Datengrund- lage“ bezeichnet hat. Dass es mit dem neuen EBM zu Honorarumverteilun- gen kommen wird, bestreitet Köhler nicht. Diese folgten aber den Kosten- strukturen der Praxen, was überdies bei einem betriebswirtschaftlich kalkulier- ten EBM auf der Hand liege. Honorar- verschiebungen zwischen Haus- und Fachärzten schließt Köhler jedoch aus:
„Wir haben bereits auf Initiative von Herrn Dr. Hoppenthaller die Kosten für Hausärzte nachkorrigiert. Sie sind angemessen hoch, und dasselbe stellen wir auch für die Fachärzte fest.“
Köhler ist also unverändert von der Solidität des EBM 2000plus überzeugt.
Zweifel daran waren Kritikern aus den eigenen Reihen Mitte vergangener Wo- che gekommen, als bekannt wurde, dass sich der KBV-Hauptgeschäftsführer mit Wechselabsichten zum AOK- Bundesverband trug. Dort war er als stellvertretender Vorstandsvorsitzender im Gespräch. Für die Kassenärztliche Bundesvereinigung wäre dies, so deren Zweiter Vorsitzender Dr. med. Leon- hard Hansen, „einer Katastrophe gleichgekommen“. Köhlers Weggang hätte – auch über den EBM hinaus – tatsächlich eine erhebliche Schwächung der KBV bedeutet. In intensiven Ge- sprächen ist es dem KBV-Vorstand aber doch noch gelungen, Köhler zum Bleiben zu bewegen.
Unterdessen gab die Kassenärztliche Bundesvereinigung bekannt, dass Dr.
med. Bernhard Rochell am 1. Oktober neuer Honorardezernent werden wird.
Rochell kommt von der Bundesärzte- kammer und gilt als Fachmann für Ent- geltsysteme, insbesondere für die Fall- pauschalen im Krankenhaus. Josef Maus P O L I T I K
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A2498 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 3817. September 2004
Kassenärztliche Bundesvereinigung
Köhler weist Kritik am neuen EBM zurück
Vorwürfe gegen die Kostenerhebung und Berichte über Wechselabsichten des KBV-Hauptgeschäftsführers zum AOK-Bundesverband sorgten für Irritationen.
Steht zum EBM 2000plus und bleibt bei der KBV: Dr.
med. Andreas Köhler
Foto:KBV