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Archiv "Rabattverträge: Präparatewechsel mit Nebenwirkungen" (29.04.2011)

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A 934 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 17

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29. April 2011

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ut-idem-Substitutionen sollen die Verordnung von Arznei- mitteln wirtschaftlicher machen, die aufgrund von abgelaufenen Pa- tenten von verschiedenen Herstel- lern angeboten werden können.

Erste Regelungen dazu brachte 2002 das Arzneimittelausgaben-Be- grenzungsgesetz. Es verpflichtete Apotheker, ein preisgünstiges Prä- parat abzugeben, wenn der Arzt dies nicht ausschließt. Zum Aus- tausch im großen Stil kommt es aber erst seit 2007 durch das GKV- Wettbewerbsstärkungsgesetz. Seit- her muss der Apotheker Produkten den Vorzug geben, für die ein Ra- battvertrag nach § 130 a Abs. 8 SGB V zwischen der Krankenkasse des Patienten und einem pharma- zeutischen Unternehmen besteht.

Von Beginn an befürchteten Ex- perten, dass der Austausch von Arz- neimitteln durch wirkstoffgleiche Präparate anderer Hersteller negati- ve Auswirkungen auf die Therapie- treue der Patienten haben könnte.

Mit einer Medikation verbundene Alltagsroutinen würden gestört. Pa- tienten müssten sich auf zwar wirk- stoffgleiche, aber oft verschieden aussehende Produkte einstellen. Ab- lehnung, Verwechslungen, erhöhte Empfindung von Nebenwirkungen und fehlerhafte Einnahmen mit dem Risiko von Unter- oder Überdosie- rungen seien die Folgen. All dies gefährde langfristige Therapieziele.

Mit den Rabattverträgen haben Präparatewechsel deutlich zugenom- men. Welche Folgen dies für die Compliance und die Häufigkeit von Nebenwirkungen hat, ist Thema ei- nes von der Bundesärztekammer ge- förderten Forschungsprojekts des IGES Instituts.* Erste Ergebnisse der

qualitativen Exploration von Patien- ten und Ärzten in Form von 90-mi- nütigen Interviews liegen nun vor.

Befragt wurden 24 Diabetes-Typ- II-Patienten sowie 20 behandelnde Hausärzte in der ersten Jahreshälf- te 2010. Alle der bundesweit ausge- wählten Teilnehmer hatten seit 2007 Erfahrungen mit Rabattverträgen.

Als methodischer Zugang wurden qualitative Interviews deshalb ge- wählt, weil sie durch ihre offene und flexible Gesprächsführung er- möglichen, bei den Befragten um- fassend Motive, Barrieren und Ein- stellungen zum jeweiligen Untersu- chungsgegenstand zu ergründen.

In der Studie wird zunächst deutlich, dass die Patienten nach einem Präparatewechsel verstärkt

Nebenwirkungen verspüren. Den- noch nehmen sie ihre Medikamen- te weiter ein. Doch die Lebens - qualität wird aufgrund stärkerer Nebenwirkungen und nachhaltiger Verunsicherung teils erheblich ein- geschränkt.

Umstellung des Präparats verunsichert die Patienten

Eine wesentliche Ursache für die Verunsicherung der Patienten ist, dass sie in der Apotheke meist völ- lig unvorbereitet ein anderes Präpa- rat als das gewohnte erhalten. In den wenigsten Fällen werden die Patienten vom verordnenden Arzt, dem als maßgeblich eingeschätzten Entscheider, auf die Möglichkeit ei- ner Umstellung aufmerksam ge- RABATTVERTRÄGE

Präparatewechsel mit Nebenwirkungen

Rabattverträge haben bei Ärzten und Patienten einen schlechten Ruf. Beide fühlen sich Pharmaherstellern und Krankenkassen ausgeliefert. Dabei halten Patienten an ausgetauschten Präparaten fest, wenn sie bestärkt werden.

Austausch im großen Stil: Seit 2007 müssen Apo- theker bevorzugt Rabattarzneimittel abgeben.

* „Auswirkung von Rabattverträgen nach

§ 130 a SGB V auf die Compliance und die Häufigkeit von Neben- wirkungen“, Projekt im Rahmen des Pro- gramms zur Förderung der Versorgungs - forschung durch die Bundesärztekam- mer, Projektleitung:

Dr. med. Ariane Höer, IGES Institut GmbH, kontakt@iges.de

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29. April 2011 A 935 macht. Und auch in der Apotheke

wird oft zunächst wortlos das neue Präparat überreicht. Erst als Reakti- on auf ihre Verwirrung erhalten Pa- tienten eine Information, der sie oftmals wenig Vertrauen schenken.

Die nachfolgenden Beruhigungs- und Informationsversuche des Apo- thekers oder des Arztes erscheinen den Patienten wenig glaubwürdig.

Eine Rücksprache mit dem Arzt erfolgt in den meisten Fällen, aller- dings trotz der Verunsicherungen

nicht immer unmittelbar. Dabei kristallisieren sich der Studie zufol- ge bei den Patienten drei Verhal- tensweisen heraus:

Aggressive Konfrontation:

Hierbei haben Patienten eine sub- jektiv so starke Bindung an das ge- wohnte Präparat, dass die Umstel- lung massive Verunsicherung aus- löst. Sie bestehen meist von Beginn an vehement auf der Verordnung ih- res gewohnten Präparats.

Ängstliche Diskussion: Patien- ten zeigen sich den Argumenten des Arztes gegenüber zwar offen, weil sie sich als vermeintlich teure Pa- tienten in einer Bringschuld sehen.

Doch trotz der damit einhergehen- den Einnahme des neuen Präparats ist das Vertrauen in dieses nur ein-

geschränkt gegeben. Sie fühlen sich unsicher und schlechter versorgt.

Pragmatische Rückversiche- rung: Diese Verhaltensweise zeigt sich, wenn das Präparat im Erleben der Patienten eine nur untergeord- nete subjektive Bedeutung hat. Die- se Patienten vergewissern sich nur, ob alles seine Richtigkeit hat, und akzeptieren den Wechsel. Im Ex- tremfall nehmen sie sogar stärkere Nebenwirkungen hin.

Insgesamt wird deutlich, dass die Studienteilnehmer die verstärkt empfundenen Nebenwirkungen hin- nehmen, insbesondere wenn der Arzt sie unterstützt, etwa durch ei- nen Hinweis auf den erwartet tem- porären Charakter einer Nebenwir- kung. Die Wertigkeit eines Präparats wird allerdings oft infrage gestellt.

Viele Ärzte sehen sich über ver- unsicherte Patienten erstmals real mit den Rabattverträgen konfron- tiert. Sie fühlen sich durch den bü- rokratischen Mehraufwand über- rumpelt. Dieses Gefühl hat sich seit der Einführung bis heute nicht ge- ändert. Die Zahl der Rabattverträge erscheint ihnen unüberschaubar und die Inhalte dieser Verträge in- transparent. So sehen sie sich in vielen Fällen selbst dann nicht zu einer detaillierten Information der Patienten in der Lage, wenn sie in- formieren wollten.

Eine weitere Quelle für Unsi- cherheiten ist der Umstand, dass die Ärzte nur über die Patienten von ei- ner Umstellung erfahren, die davon berichten. Eventuelle unerwünschte Wirkungen könnten dadurch nicht zuverlässig auf einen Präparate- wechsel zurückgeführt werden. Die Möglichkeit, die Compliance und das richtige Einnahmeverhalten zu beurteilen, wird im Erleben der Ärzte dadurch eingeschränkt.

Viele Ärzte erleben Rabattverträ- ge zudem als kränkenden Angriff auf die ärztliche Verordnungshoheit.

Nicht selten sind sie auch verärgert, da dem Patienten ein Präparat gern als besonders wertig dargestellt wird, um die Compliance zu stei- gern und somit nun ein als wichtig wahrgenommenes Instrument ent- fällt. Insgesamt führen die mit Ra- battverträgen einhergehenden Ein- griffe in die ärztliche Entscheidung

zu einer deutlichen Ablehnung die- ses Instruments. Auf ärztlicher Seite kristallisieren sich drei verschiedene Umgangsweisen in der Gesprächs- situation mit den Patienten über ei- ne Medikationsumstellung heraus:

Aktive Ablehnung: Ärzte sind von den Rabattverträgen so wenig überzeugt, dass sie weiterhin an den gewohnten Präparaten festhalten.

Notgedrungene Akzeptanz:

Ärzte sehen die Umsetzung der Ra- battverträge als zwanghafte Pflicht an und versuchen, ihre Patienten vom Sinn der Präparateumstellung zu überzeugen. Aufgrund eigener Verunsicherungen versuchen sie je- doch, Ausnahmen von der Rabatt- vertragsregelung weitestmöglich auszunutzen.

Distanzierung: Ärzte distanzie- ren sich vom Versorgungsgesche- hen, belassen es bei den Umstellun- gen und weisen ihre Patienten auf die eigene Machtlosigkeit hin. Eine Rückumstellung der Medikation nehmen sie lediglich bei sehr ag- gressiv agierenden Patienten vor.

Es entsteht ein Gefühl schlechterer Versorgung

Patienten und Ärzte fühlen sich von den Rabattverträgen im Alltag über- rascht. Sie sehen sich eher als Zu- schauer, die dem erlebt willkürli- chen Treiben der Pharmahersteller und der Krankenkassen schutzlos ausgeliefert sind. Die Umstände des Kennenlernens, die Einordnung als intransparenter Teil des Reformpro- zesses im GKV-System, aber auch das Gefühl der Fremdbestimmung und schlechterer Versorgung führen bei den Patienten dazu, dass stärke- re Vorbehalte entstehen. Ähnliches ist auch bei Ärzten der Fall, die Ra- battverträge als weitere Einschrän- kung ihres Entscheidungsspiel- raums interpretieren. Die Studie zeigt, dass für eine erfolgreiche Pharmakotherapie unter den Bedin- gungen der Rabattverträge vor al- lem die Patientenkommunikation verbessert werden sollte. Die Betei- ligten sollten darauf hinwirken, dass die Patienten nicht unvorbereitet in die Situation kommen, dass ihnen ein anderes als das gewohnte Präpa- rat ausgehändigt wird. ■ Sandra Jessel, IGES Institut GmbH

Foto: Fotolia

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