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Archiv "Fehlerhafte Brustimplantate: Auch die Ärzte fühlen sich betrogen" (17.02.2012)

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A 300 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 7

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17. Februar 2012

FEHLERHAFTE BRUSTIMPLANTATE

Auch die Ärzte fühlen sich betrogen

Wie gehen betroffene Krankenhäuser und Operateure mit dem Skandal um die minderwertigen Brustimplantate um? Das Beispiel des Uniklinikums Heidelberg zeigt: Nur Transparenz hilft gegen die Verunsicherung bei den Patientinnen.

S

eit Mitte Januar bekanntwur- de, dass auch am Universi- tätsklinikum Heidelberg Brustim- plantate der Firma Rofil zum Ein- satz gekommen sind, die Produkte des Herstellers Poly Implant Pro- thèse (PIP) enthielten, herrscht gro- ße Aufregung und Unsicherheit unter den Patientinnen. An der Hei- delberger Universitätsfrauenklinik hat man sich für eine offensive Informationspolitik entschieden.

Schnell wurden eine Hotline und ein E-Mail-Dienst eingerichtet, eine eigene Sprechstunde zur Beratung etabliert und eine Informationsver-

anstaltung für betroffene Frauen an- beraumt. Für Patientinnen mit Ro- fil-Implantaten, die fraglich sind, werden zeitnahe Operationstermine zur Explantation angeboten.

Der Andrang im Hörsaal der Uni- frauenklinik kurz nach Bekanntwer- den des Skandals war groß, die Fra- genliste der Patientinnen lang. Der Ärztliche Direktor, Prof. Dr. med.

Christof Sohn, sein Stellvertreter und die Riege der Oberärzte standen den Frauen Rede und Antwort. Alle Fakten, sagte Sohn, wolle man auf den Tisch legen. Der Klinikchef machte keinen Hehl daraus, dass sich die Ärzte und Operateure selbst massiv betrogen fühlten – nicht nur von der Skandalfirma PIP, sondern auch vom Hersteller Rofil Medro GmbH, „den wir für einen Herstel- ler hochwertiger Markenimplantate gehalten haben“. Beide Firmen sind mittlerweile insolvent. Dass in den Markenprodukten mit CE-Siegel billiges Industriesilikon stecken könnte, habe man erst kürzlich er- fahren und sofort mit eigenen Re- cherchen begonnen, versicherte Sohn. Zur Aufklärung des Sachver- halts hat die Unifrauenklinik Straf- anzeige gegen Unbekannt gestellt.

Zu den Fakten: Infrage stehen et- wa 350 Brustimplantate, die in den Jahren 2001 bis 2010 an der Heidel- berger Unifrauenklinik in erster Linie zur Brustrekonstruktion bei Mammakarzinom eingesetzt wor- den sind. Mittels eines Implantatre- gisters, das seit 2004 geführt wird, können zumindest für diesen Zeit- raum alle Betroffenen identifiziert werden. Danach stammten 236 der aufgelisteten Prothesen von der Fir- ma Rofil, elf davon wurden schon während der Operation verworfen, und 41 sind inzwischen wieder ex- plantiert worden. Häufig war eine Kapselfibrose der Grund dafür.

Zwei Patientinnen sind inzwischen gestorben. Somit stehen noch 182 Prothesen bei 131 Patientinnen infrage . Die Betroffenen wurden mittlerweile informiert und zu ei- nem Gespräch beziehungsweise ei- ner Untersuchung eingeladen.

Schwieriger gestaltet sich die Aufarbeitung der Fälle von 2001 bis 2004. Oberarzt Priv.-Doz. Dr.

med. Jörg Heil zufolge wurde bei 800 Patientinnen in diesem Zeit- raum ein rekonstruktiver Eingriff vorgenommen. Nun würden alle OP-Berichte überprüft. Derzeit ge- he man davon aus, dass nur ein klei- ner Teil Rofil-Implantate erhalten habe. Eine Liste der Betroffenen werde in Kürze fertiggestellt sein.

Ob alle Implantate gefährlich sind, ist unklar

Da die Patientinnen in Heidelberg nach der Operation einen Implan- tatpass mit Dokumentation des Her- stellers und der Chargennummer ausgehändigt bekommen, konnten sie auch selbst überprüfen, ob sie ein fragliches Produkt erhalten ha- ben. Bei sechs der Rofil-Implantate wurde laut Priv.-Doz. Dr. med. Flo- rian Schütz klar PIP-Material ver- Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

(BfArM) warnt mittlerweile auch vor Implantaten, die unter dem Namen „TiBREEZE“ vermarktet wurden. Sie enthalten das Silikongel der Firma Poly Implant Prothèse (PIP). Zu- nächst hatte das BfArM nur die Entfernung von Produkten der Hersteller PIP und Rofil empfohlen. Wie viele Frauen in Deutschland betroffen sind, ist nach wie vor unklar.

Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburts- hilfe hat gemeinsam mit anderen Fachgesellschaften eine Empfehlung zur Explantation erarbeitet (www.dggg.de). BH

DER AKTUELLE STAND

Die Operateure verließen sich auf das CE-Zeichen.

In den Brustim - plantaten war aber

Industriesilikon .

Foto: dpa

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17. Februar 2012 wendet, denn der Firmenname ist

auf dem Implantatetikett aufgelis- tet. „Was bei den anderen Rofil- Implantaten letztlich dahintersteckt, wissen wir nicht“, erklärte der Stellvertreter des Chefarztes. Man gehe davon aus, dass es nur einige wenige minderwertige seien. Den- noch raten die Ärzte zur Explan - ta tion fraglicher Silikonkissen, was bei den Zuhörerinnen in Heidel - berg Unruhe auslöste. Fragen zur Kostenübernahme wurden gestellt und um nähere Hinweise auf verdäch tige Implantate gebeten.

Drei Seriennummern wurden ge- nannt, die auf Rofil-Implantate mit minderwertigem PIP-Silikon hin- weisen: IMGHC-TX; IMGHC- MX; IMGHC-LS. Diese waren vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bereits im Juni 2010 veröffentlicht worden.

Erste Rückrufaktion schon im April 2010

Warum wurden die implantierenden Ärzte nicht eher hellhörig? Es habe im April 2010 lediglich eine Rück- rufaktion der Firma Rofil zur ak - tuellen Charge gegeben bezie- hungsweise die Aufforderung, kei- ne Rofil-Prothesen mehr zu benut- zen, erklärte Sohn. Diese sei an den Einkauf des Klinikums gerichtet gewesen und an das OP-Personal weitergeleitet worden, welches die Implantate verwaltet. Ärztliche Mitarbeiter seien nicht involviert gewesen. Gründe für den Rückruf seien nicht angegeben worden. Man habe also nichts über „verdächtige Implantate“ gewusst und auch kei- nen Verdacht geschöpft, da derlei Rückrufaktionen bei fehlerhaften Chargen immer einmal vorkommen könnten.

Seit der Rückrufaktion im April 2010 wurden an der Heidelberger Universitätsfrauenklinik keine Ro- fil-Prothesen mehr benutzt und noch vorhandene zu diesem Zeit- punkt aus dem Verkehr gezogen.

Erst Mitte Januar dieses Jahres habe man dann erst die eigentlichen Hin- tergründe erfahren und die Empfeh- lung vom BfArM zur Explantation der fraglichen Rofil-Implantate er-

halten.

Ingeborg Bördlein

INFEKTIONSKRANKHEITEN

Melden per Mausklick

Über ein elektronisches Verfahren können

meldepflichtige Krankheitsdaten künftig schneller die Gesundheitsbehörden erreichen.

Z

uletzt sorgte im Frühjahr 2011 der Darmkeim EHEC für Schlagzeilen: Nahezu 3 000 Men- schen infizierten sich damit, und mehr als 850 Patienten erkrankten zusätzlich an dem gefährlichen hämolytisch-urämischen Syndrom.

Experten kritisierten damals unter anderem die Verzögerungen bei der Registrierung der Fälle. In der Fol- ge wurden die gesetzlichen Melde- fristen bei Infektionskrankheiten von zehn auf drei Tage verkürzt. Ei- ne entscheidende Schwachstelle im Meldesystem liegt jedoch weiter darin, dass Ärzte, Labore und Kran- kenhäuser derzeit herkömmliche Kommunikationswege wie Brief oder Fax für ihre Meldungen an die Gesundheitsbehörden nutzen. Das ist umständlich und zeitaufwendig.

Dagegen werden die bei den Ge- sundheitsämtern eingehenden Mel- dungen in der Regel bereits seit 2001 elektronisch an die zuständi- gen Landesbehörden und gegebe- nenfalls an das Robert-Koch-Insti- tut weitergeleitet.

Bundesweit erste Initiative

In einem gemeinsamen Pilotprojekt haben das Gesundheitsamt Rhein- Kreis Neuss, das Zentrum für Tele- matik im Gesundheitswesen (ZTG), die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein und der Software- hersteller Duria eG unter Leitung des nordrhein-westfälischen Ge- sundheitsministeriums erstmals ein elektronisches Verfahren für die Meldung von Infektionskrankhei- ten auf den Weg gebracht. Ziel ist es, den vorhandenen Medienbruch zwischen meldepflichtigen Ärzten und Krankenhäusern und den amtli- chen Meldestellen zu beseitigen und die Meldungen künftig ver- schlüsselt per Mausklick zu über- mitteln. An dem seit knapp einem Jahr laufenden Projekt beteiligen

sich derzeit 18 niedergelassene Ärzte und zwei Krankenhäuser.

„Für das Verfahren haben wir bewährte Sicherheitsmechanismen und Standardtechnologie aus dem KV-System eingesetzt“, erläuterte Gilbert Mohr, KV Nordrhein. Tech- nische Komponenten sind ein KV- SafeNet-Anschluss sowie D2D (Doctor to Doctor)-Technologie für den verschlüsselten Nachrichten- versand der sensiblen Daten.

Erstellung im Hintergrund

Die Daten werden direkt aus dem Praxisverwaltungssystem bezie- hungsweise dem Laborsystem an die Meldestellen übermittelt: Wenn das System die meldepflichtige ICD-Diagnose anzeigt, wird auto- matisiert ein elektronischer Arzt- brief nach dem VHitG-Standard generiert. Semantische Grundlage für die Meldung ist ein vom ZTG definierter Datensatz, der in die Praxissoftware implementiert wur- de. „Die technischen Fragen sind alle geklärt“, betonte Dr. med. Mi- chael Dörr, der Leiter des Kreisge- sundheitsamtes. Nachdem bislang nur „Dummy-Datensätze“ erfolg- reich registriert worden seien, er- warte man in den nächsten Wochen erste echte Meldungen. Das Kreis- gesundheitsamt verzeichnet etwa 2 000 meldepflichtige Fälle jähr- lich.

„Wir hoffen, dass die Akzeptanz für Telematik durch das Projekt steigt“, betonte Rainer Beckers, Ge- schäftsführer des ZTG. Durch den sehr überschaubaren Aufwand für die Ärzte und Krankenhäuser könn- te sich zudem die schlechte Melde- quote verbessern. Experten schät- zen, dass die Gesundheitsämter bislang überhaupt nur etwa über ein Fünftel aller meldepflichtigen Krankheiten informiert werden.

Heike E. Krüger-Brand

P O L I T I K

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