Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
tische Anfangssymptomatik ver- ängstigter Patient sollte auf die gün- stige Prognose, das heißt auf die an- fangs schnelle, später langsamere, aber stetige Besserung der Be- schwerden hingewiesen werden.
Nach Abklingen der Übelkeit sollte der Patient frühzeitig aufstehen und mit den ersten Spaziergängen be- ginnen. Die subjektive Erholung ver- läuft nach unseren elektronystag- mographischen Untersuchungen wegen der guten zentralen Kompen- sation unabhängig von der fehlen- den objektiven Erholung des peri- pheren Vestibularorgans. Darstel- lung 3 zeigt, daß auch Jahre nach dem akuten Ausfall trotz subjektiver Beschwerdefreiheit die Nystagmus- reaktion auf dem kranken Ohr nach kalorischer Reizung erheblich abge- schwächt ist. Wie zu erwarten, bleibt nach einem primär kompletten Aus- fall ein gewisser bleibender Defekt des peripheren Vestibularapparates bestehen.
Die Erholung der Gleichgewichts- funktionen erfolgt über unterschied- liche Mechanismen:
a) Spezifisch vestibuläre Kompen- sation („Ausgleich")
Es entwickelt sich eine spezifisch vestibuläre Kompensation („Aus- gleich"), unter anderem über die ef- ferente Innervatian des verbleiben- den gesunden Gleichgewichtsor- gans, die die Verringerung der To- nusdifferenz zwischen dem rechten und dem linken Vestibulariskern be- wirkt. Tierexperimentell konnte ge- zeigt werden, daß bei zweifacher Erdbeschleunigung die Kompensa- tion nach peripher-vestibulärem De- fekt erheblich schneller eintritt als unter normalen Bedingungen, also einfacher Erdschwere. Die Schnel- ligkeit der Kompensation ist dem- nach belastungs- beziehungsweise trainingsabhängig.
b) Umstellung der Stützmotorik auf visuelle und somatosensible Rege- lungen
Neben der spezifischen Kompensa- tion („Ausgleich") tritt eine Anpas- sung an den Zustand des einseitigen
Neuronitis vestibularis
Gleichgewichtsorganausfalls ein.
Die Sicherheit der Motorik hängt nicht nur vom Vestibularis —, son- dern auch ganz wesentlich vom pro- priozeptiven (somatosensiblen) Sy- stem sowie von der visuellen Orien- tierung ab. Die optische Orientie- rung tritt nunmehr in den Vorder- grund. Für die ersten Gehübungen und Spaziergänge des Patienten ist demnach das Üben bei Tageslicht wichtig. Auch dieser Anteil der Kom- pensation, das heißt Verlagerung des Schwerpunktes der Gleichge- wichtsregulierung auf visuelle und somatosensible Regelung, ist trai- ningsbedürftig.
Zusammenfassung
Sinn dieses Artikels war es, einen Überblick über die häufig auftreten- de, aber oft nicht erkannte akute iso- lierte Vestibularisstörung zu geben.
Obwohl die diagnostischen Mög- lichkeiten des Nicht-HNO-Arztes na- turgemäß begrenzt sind, vermag er gerade im Falle der Neuronitis, ebenso wie beim Morbus Meniäre, häufig schon auf Grund der typi- schen Anamnese und der spontanen Augenbewegungen des Patienten die Diagnose zu stellen. Die oto- logischen Untersuchungsmethoden sind, überspitzt ausgedrückt, zweit- rangig: sie bestätigen in den mei- sten Fällen nur die von dem gewis- senhaften Erstuntersucher ausge- sprochene Verdachtsdiagnose.
Literatur
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Akute isolierte Vestibularisstörung, HNO (Berl.) 25 (1977) 122 - Stenger, H. H.: Isolierter einsei- tiger Vestibularisausfall. In Handbuch der Hals- Nasen-Ohrenheilkunde, Berendes-Link-Zöll- ner III, 3 (1966) 1726 Thieme, Stuttgart
Anschrift des Verfassers:
Dr. Ulrich Reker
Zentrum Operative Medizin II der Universität Kiel
Abteilung Hals-, Nasen- und Ohren- krankheiten
Hospitalstraße 20 2300 Kiel
FÜR SIE GELESEN
Chronisches Magengeschwür im Tierexperiment durch Gallenzufluß
Im Hinblick auf die Bedeutung des Gallerefluxes für die Entstehung ei- ner chronischen Gastritis oder von Rezidivulzera beim operierten Ma- gen werden tierexperimentelle Un- tersuchungen am Minischwein vor- genommen.
Bei den Versuchstieren wird eine breite Verbindung zwischen Gallen- blasenfundus und der Magenvorder- wand hergestellt und statt dessen vor der Papille der Gallengang un- terbunden. Bei den Kontrolltieren wird statt dessen nur der Gallenzu- fluß in die Gallenblase unterbro- chen, die Cholezystogastrostomie aber vorgenommen.
Bei den Tieren mit Passage der ge- samten Galle durch den Magen tritt im Gegensatz zu den Kontrolltieren ohne Gallepassage des Magens ein Magengeschwür auf. Die Ge- schwürserwartung der Versuchstie- re ist signifikant höher als die der Kontrolltiere (p<0,05). Da die Ver- suchstiere gegenüber den Kontrol- len keine Magenentleerungsverzö- gerung erleiden, kann deren Dispo- sition zu Magengeschwüren nicht über den Mechanismus einer relati- ven Stase der Kongesta erklärt wer- den.
Die galleführende Cholezystoga- strostomie führt zu einer signifikan- ten Umwandlung der Fundusdrü- senareale in solche vom Typ der Py- lorusdrüsen. In letzterer Zone wur- den auch die Magengeschwüre ge- funden. Man nimmt an, daß die Galle die Schleimbarriere der Magenwand beeinträchtigt und so H-lonen das unterliegende Gewebe schädigen
(H. H. Lawson). Ls
Rokkjaer, M., Sogaard, H., Kruse, A., und Am- drup, E.:
Bile induced chronic gastric ulcer in swine World J. Surg. 1, 371-379 (1977)
Hugh H. Lawson: (Invited commentary) World J. Surg. 1,378-379 (1977)
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 4 vom 26. Januar 1978 183