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“Logische Grundlagen der Mathematik”, WS 2014/15

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“Logische Grundlagen der Mathematik”, WS 2014/15

Thomas Timmermann 26. Januar 2015

Zur Erinnerung

• Eine Menge α heißt Ordinalzahl, falls sie

(i) transitiv ist, also aus y ∈x ∈αfolgt: y ∈α oder, äquivalent, ausx ∈α folgt: x ⊆α;

(ii) durch x ≤y :⇔ (x ∈ y)∨(x =y) eine totale Ordnung auf α definiert wird, d.h. für alle x , y ∈α gilt x ∈y, y ∈x oder x =y.

• Prinzip der transfiniten Induktion: Sei φ eine Eigenschaft von Ordinalzahlen und es gelte:

(i) φ(0) ist wahr,

(ii) (α Nachfolgezahl, d.h. α =s(β), und φ(β) wahr) ⇒ φ(α) wahr (iii) (λ Limeszahl und ∀α < λ:φ(α) wahr) ⇒ φ(λ) wahr.

Dann gilt φ(α) für alle α∈On.

• Jede Ordinalzahl α ist wohlgeordnet, d.h. jede Teilmenge β ⊆ α hat ein Minimum.

Wir wollen zeigen, dass Ordinalzahlen gerade die wohlgeordneten Mengen bis auf Ordnungs-Isomorphie repräsentieren. Dazu benötigen wir einige Vorbereitungen.

Lemma. Sei a eine wohlgeordnete Menge.

(i) Ist b ⊆ a und f: a → b ein Ordnungs-Isomorphismus, so gilt f(x) ≥ x für alle x ∈a. Insbesondere ist im Fall b =a automatisch f = ida.

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(ii) Ist x ∈a, so ist a<x :={y ∈a:y < x} nicht Ordnungs-isomorph zu a. Beweis. (i) Sei die Menge c :={x ∈a:f(x) < x} nicht leer und y := minc. Fallsf(y) ∈c, folgt f(y)≥y aus der Minimalität vony, im Widerspruch zuy ∈c. Falls f(y) 6∈ c, folgt f(f(y)) ≥ f(y) und, weil f Ordnungs-Isomorphismus ist, f(y)≥y im Widerspruch zu y ∈c.

(ii) Istf : a→a<x ein Ordnungs-Isomorphismus, folgtf(x)< x aus f(x)∈a<x im Widerspruch zu (i).

Folgerung. Istf : α→β ein Ordnungs-Isomorphismus von Ordinalzahlen, so folgt α=β und f = idα.

Beweis. Angenommen, β 6= α. Dann ist β ∈ α oder α ∈ β. Falls β ∈ α, folgt

β = α<s(β) und ein Widerspruch zu (ii). Analog α 6∈ β, also α = β. Aus (i) folgt

f = idα.

Nun unser wichtiger Satz:

Satz. Seia eine wohlgeordnete Menge. Dann gibt es genau eine Ordinalzahlα, die ordnungs-isomorph zu A ist, und genau einen Ordnungs-Isomorphismusf : a→α. Beweis. Die Eindeutigkeit folgt aus obiger Folgerung. Zur Existenz. Sei a6=∅. Für x ∈a und ξ∈On betrachten wir die Aussage

φ(x , ξ) : es gibt einen Ordnungs-Isomorphismus f : a<x →ξ.

Sei

b :={x ∈a:∃ξ ∈On s.d. φ(x , ξ) wahr ist}.

Für jedes x ∈a gibt es höchstens einξ ∈On so, dass φ(x , ξ) gilt; darum ist α :={ξ∈On :∃x ∈b s.d. φ(x , ξ) wahr ist}

eine Menge.

Fall 1:b =a: Definieref : a →α durch x 7→ξ:⇔φ(x , ξ) gilt. Zu zeigen ist:

(i) α ist eine Ordinalzahl,

(ii) f ist ein Ordnungs-Isomorphismus.

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6 DAS AUSWAHLAXIOM, DAS LEMMA VON ZORN UND DER WOHLORDNUNGSSATZ

Zu (i): Transititivität: Sei ξ ∈η∈α. Dann gibt es einen Ordnungs-Isomorphismus

η→a<y für einy ∈a. Dieser bildet ξ ∈η auf einx ∈a<y ab und schränkt sich zu

einem Ordnungs-Isomorphismus ξ =η→a<x ein.

Weilα eine transitive Menge von Ordinalzahlen ist, istαtotal geordnet, also selbst eine Ordinalzahl.

Zu (ii): Angenommen, x < y und ξ := f(x) ≥ f(y) =: η. Dann gibt es einen Ordnungs-Isomorphismus

a<y →f(y) =η=ξ →a<z (a<x (a<y mit η7→z unterξ ∼=a<x

im Widerspruch zum obigen Lemma.

Fall 2: b 6=a: Dann existiert y := min(a\b). Dann ist a<y wohlgeordnet und nach Fall 1 ordnungs-isomorph zu einem α∈On, Widerspruch zu y 6∈b.

Folgerung. Ist aeine Menge, so bilden die α ∈On, für die es eine injektive Abbil- dung α→a gibt, eine (echte) Menge H(α) (und nicht nur eine Klasse).

Beweis. Ist α eine Ordinalzahl und ι: α→a injektiv, so definiert ι(ξ)≤ι(η) :⇔ξ≤η

eine Wohlordnung auf dem Bild ι(α). Die Wohlordnungen auf Teilmengen von a bilden aber eine Menge, und somit auch die Ordinalzahlen, die zu solchen Wohl- ordnungen isomorph sind.

Diese Folgerung benötigen wir zum Beweis des Lemmas von Zorn, welches eine sehr praktische Variante der transfiniten Induktion darstellt.

6 Das Auswahlaxiom, das Lemma von Zorn und der Wohlordnungssatz

Wir sahen, dass die Kontinuumshypothese (CH) mit den Axiomen der Mengenleh- re nach Zermelo-Fraenkel weder bewiesen noch widerlegt werden kann, man also Mathematik mit oder ohne CH betreiben kann. Gleiches gilt für das von Zermelo und Fraenkel später zu ihren Axiomen hinzugefügte

Auswahlaxiom (AC) Ist a eine nicht-leere Menge, so existiert eine Auswahlfunk- tion für a, d.h. eine Abbildung c: a→S

a mit c(x)∈x für alle x ∈a.

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6 DAS AUSWAHLAXIOM, DAS LEMMA VON ZORN UND DER WOHLORDNUNGSSATZ

Zermelo führte dieses Axiom ein zum Beweis von folgendem

Wohlordnungsprinzip (WOT)Jede Menge besitzt eine Wohlordnung.

Dieser Aussage wurde um 1883 von Cantor postuliert, 1904 mit Hilfe des Auswahl- axioms von Zermelo bewiesen und erzeugte eine heftige Kontroverse zwischen den führenden Mathematikern.

Tatsächlich sind Auswahlaxiom und Wohlordnungssatz äquivalent zueinander und zu dem sehr praktischen

Lemma von Zorn Sei a halbgeordnete Menge mit folgender Eigenschaft:

• Jede total geordnete Teilmenge b ⊆ a (=Kette) hat eine obere Schranke, also ein x ∈a mit y ≤x für alle y ∈b.

Dann enthälta einmaximales Element m∈a (d.h. es gibt keinx ∈amit m < x.) Wir beweisen nächste Woche zum Abschluss der Vorlesung die Implikationen

Auswahlaxiom +3Lemma von Zorn

qyWohlordnungsprinzip

dl

Auswahlaxiom, Wohlordnungsprinzip und Zorns Lemma

The axiom of choice is obviously true, the well-ordering principle obviously wrong,

and who can tell about Zorn’s lemma? (J. Bona)

Tarski tried to publish his theorem (the equivalence between AC and “every infinite set A has the same cardinality as A x A”) in Comptes Rendus, but Fréchet and Lebesgue refused to present it. Fréchet wrote that an implication between two well known (true) propositions is not a new result, and Lebesgue wrote that an implication between two false propositions is of no interest. (J. Mycielski)

Banach-Tarski-ParadoxonSeien X, Y ⊆R3 mit nicht-leerem Inneren. Dann gibt es eine natürliche Zahl n und disjunkte Zerlegungen X =X1∪ · · · ∪Xn, Y =Y1∪ · · · ∪Yn derart, dass für jedesi = 1, . . . , n die Menge Xi und Yi durch eine Drehung und Verschiebung ineinander überführt werden können.

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