“Logische Grundlagen der Mathematik”, WS 2014/15
Thomas Timmermann 22.10.2014
Als Beispiel zur Aussagenlogik untersuchen wir die logische Struktur folgender Aussagen und versuchen, die Negation dieser Aussagen zu formulieren:
(i) Hunde, die bellen, beißen nicht.
Formal handelt es sich um eine Implikation, die für alle Hunde gilt:
∀x ∈Hunde:bellt(x)→ ¬beißt(x).
Die Negation dieser Aussage ist dann gegeben durch
∃x ∈Hunde:¬(bellt(x)→ ¬beißt(x))
Hier ist “bellt(x)→ ¬beißt(x)” (semantisch, d.h. logisch) äquivalent zu “(¬bellt(x))∨
(¬beißt(x))” und die Negation davon ist “bellt(x)∧beißt(x)”. Die Negation von (i) ist also
∃x ∈Hunde:bellt(x)∧beißt(x), das heißt: Es gibt einen Hund, der beißt.
(ii) Wenn man nachts ohne Licht fährt, sieht man nichts, es sei denn, es ist Vollmond.
Der erste Teil des Satzes ist offenbar eine Implikation, der zweite schränkt ein, dass diese Implikation nur gilt, wenn kein Vollmond ist:
(¬Vollmond)→((Nacht∧Fahren∧ ¬Licht)→ ¬Sehen).
Da “A→B” äquivalent zu “(¬A)∨B” ist, ist (ii) äquivalent zu Vollmond∨((Nacht∧Fahren∧ ¬Licht)→ ¬Sehen) und zu
Vollmond∨(¬Nacht)∨(¬Fahren)∨Licht∨(¬Sehen),
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2 DIE ZERMELO-FRAENKEL-AXIOME DER MENGENLEHRE
und die Negation davon ist
(¬Vollmond)∧Nacht∧Fahren∧(¬Licht)∧Sehen, also:Man kann nachts ohne Vollmond und ohne Licht fahren und sehen.
(iii) Entweder es regnet oder die Glocken läuten, und wenn beides zusammenfällt, ist Sonntag.
Hier sieht man, wie die mathematische und die umgangsprachliche Verwendung der Begriffe “oder” und “entweder oder” auseinanderfallen können. Die Voraussetzung
“und wenn beides zusammenfällt” tritt nämlich nie ein, wenn es entweder regnet oder die Glocken läuten. Gemeint ist mit (iii) wohl:
(Regen∧(¬Läuten))∨((¬Regen)∧Läuten)∨(Regen∧Läuten∧Sonntag).
Die Formulierung der Negation dieser Aussage bleibt eine Übungsaufgabe.
2 Die Axiome der Mengenlehre nach Zermelo-Fraenkel plus Auswahlaxiom (kurz ZFC)
Ernst Zermelo (1871-1953)
Adolf Abraham Fraenkel (1891-1965)
Wir benutzen im Folgenden die Sprache der Prädikatenlogik:
• Die einzigen mathematischen Objekte, die wir betrachten werden, sind Mengen. Diese bezeichnen wir mit Buchstaben.
• Die Symbole ¬,∧,∨,→,↔ haben die gewohnte Bedeutung.
• ∀x und ∃x bedeutet “für alle Mengenx” und “es gibt eine Menge x”.
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2 DIE ZERMELO-FRAENKEL-AXIOME DER MENGENLEHRE
• x ∈X bedeutet “die Mengex ist ein Element der Menge X”;
x 6∈X bedeutet “die Mengex ist kein Element der MengeX”;
• a=b bedeutet “a und b sind gleich”;
a6=b bedeutet “a und b sind nicht gleich”.
Das erste Axiom sagt, dass jede Menge durch ihre Elemente bestimmt ist.
2.1 ExtensionalitätsaxiomZwei Mengenaundbsind genau dann gleich, wenn sie dieselben Elemente haben: ∀a∀b:a=b↔ ∀x : (x ∈a)↔(x ∈b).
Wir nennen a eine Teilmenge vonb und schreiben a⊆b, wenn alle Elemente vona auch in b liegen:
a⊆b :⇔ ∀x : (x ∈a)→(x ∈b).
Es gilt dann also: a=b ⇔ (a⊆b)∧(b ⊆a).
Die nächsten vier Axiome geben einfache Möglichkeiten an, Mengen zu bilden.
2.2 NullmengenaxiomEs gibt eine Menge, die keine Elemente hat: ∃a∀x : (x 6∈a). Diese Mengea ist nach 2.1 eindeutig und heißt leere Menge und wird als
a=∅ oder a={}
geschrieben.
Es gilt (ÜA):
∀b:∅ ⊆b.
2.3 Paarmengenaxiom Sind a und b Mengen, so gibt es eine Menge c, deren Elemente genau aund b sind: ∀a∀b∃c∀x : (x ∈c)↔((x ∈a)∨(x ∈b)).
Diese Mengec ist nach 2.1 wieder eindeutig und wird als c={a, b}
geschrieben. Im Spezialfall a = b schreiben wir {a, b} = {a, a} = {a}. Ganz wichtig:
{∅} 6=∅! Es folgt (ÜA):
∀a∀b∀c∀d : ({a, b}={c , d})↔(a=c∧b =d)∨(a=d∧b=c).
Dasgeordnete Paar zweier Mengen a undb können wir dannn definieren als (a, b) :={{a},{a, b}}.
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2 DIE ZERMELO-FRAENKEL-AXIOME DER MENGENLEHRE
Es folgt (ÜA):
∀a∀b∀c∀d : ((a, b) = (c , d))↔(a=c∧b=d).
(ÜA) Wie kann man zu gegebenen Mengena1, . . . , an ein geordnetesn-Tupel (a1, . . . , an) definieren? Indem man induktiv fürn >2definiert:
(a1, . . . , an) := ((a1, . . . , an−1), an).
2.4 Vereinigungsaxiom Für jede Menge a gibt es eine Menge c, deren Elemente genau die Elemente der Elemente vona sind: ∀a∃c∀x : (x ∈c)↔(∃b: (b ∈a)∧(x ∈b)) Diese Mengec heißtVereinigung(smenge) vona und wird als
c =[ a
geschrieben.
Beispiel. • a={{p, q},{{r}}} ⇒ S
a={p, q,{r}},
• S∅=∅, S{∅}=∅, S{{∅}}={∅}.
Sind a und b Mengen, so existiert nach 2.3 die Paarmenge {a, b} und nach 2.4 deren Vereinigungsmenge
a∪b:=[ {a, b}, d.h. ∀a∀b∃c∀x : (x ∈c)↔((x ∈a)∨(x ∈b)).
(ÜA) Wie kann man zu gegebenen Mengena1, . . . , an eine Menge{a1, . . . , an}definieren, deren Elemente genau dieai sind? Indem man induktiv fürn >2definiert:
{a1, . . . , an}:=[
{{a1, . . . , an−1},{an}}.
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