• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Steuerpolitik Sprengsatz der Koalition? Reform auch zugunsten der freien Berufe schon für 1979 zu erwarten" (29.06.1978)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Steuerpolitik Sprengsatz der Koalition? Reform auch zugunsten der freien Berufe schon für 1979 zu erwarten" (29.06.1978)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Die Information:

Bericht und Meinung NACHRICHTEN

sache hervor: In einem der großen Mailänder Krankenhäuser, dem

„Fatebenefratelli", haben 12 von 13 in Frage kommenden Ärzten er- klärt, daß sie von der „Gewissens- klausel" Gebrauch machen wer- den. Unter den 12 sind nicht nur praktizierende Katholiken, son- dern auch Angehörige von Links- parteien. Erläuternd fügten sie ih- rer Entscheidung jedoch die Er- klärung hinzu, daß sie den echten therapeutischen Abort im Fall der schweren Gefährdung des Lebens der Mutter auszuführen bereit sind.

Die Exkommunikationsdrohung der Kirche trifft jedoch auch auf diesen Fall zu.

In Rom liegt die nach einer Woche gezählte Zahl der Ablehnungen bei 90 Prozent der Ärzte; aus der Region Molise wurde gemeldet, daß sämtliche Ärzte aller sechs Krankenhäuser der Region sich bereits in die Listen derjenigen eingetragen haben, die keine Schwangerschaftsabbrüche aus- führen wollen.

Diese Listen, die den Gesundheits- direktoren der Regionen bzw. dem Krankenhauschef vorgelegt wer- den müssen, werden am 6. Juli abgeschlossen.

Der Verband der italienischen Ärz- tekammern hat in einer nach lan- gen Beratungen zustande gekom- menen Erklärung aufgefordert, erst einmal diesen Termin abzu- warten.

Die Ärztekammern werden sich, so heißt es in dieser Erklärung, dafür einsetzen, daß das Gesetz durch- geführt wird, und zwar auch hin- sichtlich der „Gewissensklausel".

Die Kammern wollen sorgfältig darauf achten, daß die Gewissens- entscheidungen nach beiden Richtungen frei und unbeeinflußt getroffen werden; sie kündigen an, daß sie jeden ihnen bekannt- werdenden Fall, in dem Druck auf Ärzte ausgeübt wird, mit Strafan- zeigen beantworten werden. bt

Im nächsten Jahr sind neue Steuer- entlastungen zu erwarten. Die Ab- sicht des Bundesfinanzministers, mit Steuersenkungen erst im Wahl- jahr 1980 zu kommen, wird sich nicht durchhalten lassen. Dafür gibt es vier Gründe:

Das wirtschaftliche Wachstum ist matt und ohne Kraft. Das Sozialpro- dukt dürfte 1978 real nur um etwa 2,5 Prozent steigen, also um einen Prozentpunkt weniger als von der Regierung erwartet. Für neue Kon- junkturprogramme besteht zwar kein Bedarf, dennoch zeigt sich, daß mehr für die Verbesserung der wirt- schaftlichen Rahmenbedingungen getan werden muß. Dafür bieten sich Steuersenkungen an.

Q Mitte Juli treffen sich die Staats- und Regierungschefs der sieben wichtigsten Industrienationen zum

„Wirtschaftsgipfel" in Bonn. Wich- tigstes Thema: Was kann zur Bele- bung der Weltkonjunktur und zur Abwehr des Protektionismus getan werden? Allgemein herrscht in der Welt die Auffassung vor, daß vor al- lem die Überschußländer, also die Bundesrepublik und Japan, für mehr Wachstum sorgen müssen. Unsere Partner am Weltmarkt empfehlen uns, die Steuern zu senken. Kanzler Schmidt kann sich dem Druck des Auslandes nicht völlig entziehen: Als Gastgeber kann er sich einen Fehl- schlag der Konferenz politisch kaum leisten; außerdem darf Schmidt den anderen Ländern keine Vorwände liefern, mit Protektionismus ihre Handelsbilanzdefizite zu bekämp- fen.

O Schmidt hätte keine Chance, das Wachstum mit Ausgabenprogram- men zu beleben. Es gibt keine kurz- fristig realisierbaren öffentlichen In- vestitionsprojekte mehr. Die CDU/

CSU könnte zudem eine solche Poli- tik mit ihrer nach den jüngsten Wah- len gefestigten Mehrheit im Bundes-

rat blockieren. Die Union hat sich eindeutig auf Steuersenkungen von 1979 an festgelegt; die Regierung kann dies bei der bestehenden Machtverteilung nicht ignorieren.

Die FDP hat aus den vernichten- den Wahlniederlagen in Hamburg und Niedersachsen den Schluß ge- zogen, daß sie mehr für ihr eigenes Profil tun muß, nachdem sie es im letzten Jahr zugelassen hatte, daß die Regierung in ihrer Politik auf die linke Minderheit in der SPD Rück- sicht nahm. Die FDP will sich nun vor allem in der Steuerpolitik profi- lieren. Sie muß damit zwangsläufig von der SPD abrücken und der CDU/

CSU näherkommen. Die FDP hat, was zu begrüßen ist, ihr Herz für eine Steuerpolitik entdeckt, die lei- stungsbezogen und wachstums- freundlich sein soll. Das aber sind Reizwörter für die Linken in der SPD.

Die Schlüsselfrage der deutschen Innenpolitik heißt derzeit: Lassen es die linken Flügelmänner in der SPD zu, daß die FDP zu ihren Lasten Pro- fil gewinnt? Nur dann, so meint die FDP-Führung, hat die FDP eine Überlebenschance; nur dann kann Schmidt weiter regieren. Die Ant- wort dürfte freilich erst nach der Hessenwahl Anfang Oktober gege- ben werden; erst dann kann es zum Schwur im Bundestag kommen. Bis dahin wird sich die FDP mit Ankün- digungseffekten zu retten suchen.

Ob nach der Hessenwahl die Linken und die FDP noch mitzureden ha- ben, wird der Wähler entscheiden.

Schmidt, daran kann es keinen Zweifel geben, muß auf das politi- sche Überleben der FDP setzen. Er muß der FDP in der Steuerpolitik Profil gestatten, also Steuersenkun- gen zustimmen. Bis Mitte Juli hat der Kanzler Zeit sich zu entscheiden.

Die politischen Daten für diese Ent- scheidung aber stehen schon heute fest.

Steuerpolitik

Sprengsatz der Koalition?

Reform auch zugunsten der freien Berufe schon für 1979 zu erwarten

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 26 vom 29. Juni 1978 1537

(2)

Die Information:

Bericht und Meinung Steuerpolitik

Mit welchen Maßnahmen kann gerechnet werden?

Alle drei Parteien haben sich inzwi- schen darauf festgelegt, daß der Ta- rif der Lohn- und Einkommensteuer korrigiert werden muß. Immer mehr Arbeitnehmer wachsen mit ihren Einkommen in die Zone des Steuer- tarifs, wo die Progression am stärk- sten zunimmt. Am Ende der propor- tionalen Eingangsstufe des Tarifs, bei zu versteuernden Einkommens- beträgen ab 16 000/32 000 Mark (Le- dige/Verheiratete), schnellt der Steuersatz von 22 auf 30,8 Prozent.

Und auch danach steigt der Pro- gressionstarif steil an. Hier muß der Tarif geglättet werden, wenn die Bürger leistungsbezogen besteuert werden sollen.

Die größten Chancen hat ein Tarif, der, wie bisher, mit einer Proportio- nalzone beginnt. Der Steuersatz könnte bei 20 oder 21 Prozent lie- gen. Danach begänne die Progres- sionszone ohne Belastungssprung;

die Steuersätze stiegen stetig an.

Bei zu versteuernden Einkommen von knapp 50 000/100 000 Mark mündete der neue Tarif in den bis- herigen Tarif ein. Die Kosten einer solchen Tarifreform, deren Entla- stungseffekt höchstens einen Be- trag von etwa 800/1600 Mark (Ledi- ge/Verheiratete) im Jahr erreichen würde, ist auf annähernd 12 Milliar- den Mark zu veranschlagen. In der Steuerpolitik gilt leider immer das Gesetz der großen Zahl: hoher Steuerausfall bei kleinem Nutzen für den einzelnen Steuerzahler. Die Fra- ge ist wohl nur noch, wann die Tarif- reform kommt. Die politische Kon- stellation und die sachlic-hen Zwän- ge sprechen für den 1. Januar 1979.

FDP will Nachteile

der freien Berufe abbauen

In der FDP werden aber wesentlich weiter reichende Pläne diskutiert.

Was am Ende daraus wird, läßt sich noch nicht absehen. Festgelegt hat sich die FDP auf die Forderung, die steuerliche Benachteiligung der Selbständigen und der freien Berufe gegenüber den Arbeitnehmern ab-

zubauen. Dies zielt vor allem auf die Ungleichbehandlung bei der steuer- lichen Berücksichtigung von Auf- wendungen für die Altersversor- gung. Ähnliche Initiativen des rhein- land-pfälzischen Finanzministers Gaddum (CDU) hatte die Koalition bislang nicht aufgegriffen. Die FDP schlägt nun vor, den zusätzlichen Sonderausgabenhöchstbetrag, den sogenannten Vorwegabzug (§ 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG) zu verdoppeln. Er betrüge damit für Ledige 3000 Mark und für Verheiratete 6000 Mark.

Nach geltendem Recht ist der Ar- beitgeberbeitrag zur Rentenversi- cherung steuerfrei; er kann 1978 bis zu 3996 Mark betragen. Dieser Be- trag muß beim Arbeitnehmer aller- dings auf den Vorwegabzug ange- rechnet werden. Da der Vorwegab- zug derzeit beim Ledigen 1500 Mark und bei Verheirateten 3000 Mark be- trägt, ist bei Ledigen die Arbeitge- berleistung bis zu 2496 Mark und bei verheirateten Arbeitnehmern bis zu 996 Mark steuerfrei. Sind beide Ehe- gatten Arbeitnehmer, so erhöhen sich die steuerfreien Arbeitgeberbei- träge sogar bis auf 4992 Mark. In dieser Höhe besteht ein steuerlicher Vorteil des Arbeitnehmers gegen- über dem Selbständigen. Ohne Kor- rektur der steuerlichen Vorschriften würde die Begünstigung des Arbeit- nehmers wegen der Dynamik der Rentenbeiträge von Jahr zu Jahr steigen. Eine Verdoppelung des Vorwegabzugs könnte die steuer- liche Diskriminierung der Selbstän- digen und Freiberufler wesentlich mildern.

Der Steuerausfall wird allerdings mit 2 Milliarden Mark beziffert. Es bleibt abzuwarten, ob die SPD eine solche Steuerinitiative mittragen wird. Bei der Opposition kann die FDP auf Un- terstützung rechnen.

Die FDP bezieht auch die Gewerbe- steuer in ihre Überlegungen ein. Da- bei geht es entweder darum, die Freibeträge noch einmal zu erhö- hen, was der Gewerbesteuer immer mehr den Charakter einer Großbe- triebssteuer geben würde, oder aber die Steuersätze bei der Gewerbeka- pital- und Lohnsummensteuer abzu-

bauen. Auch wird daran gedacht, die Anrechnung der Dauerschuldzin- sen, die gegenwärtig wie Eigenkapi- talerträge behandelt werden, zu ver- ringern. Solche Korrekturen lägen auf der Linie der Steuerharmonisie- rung in der Europäischen Gemein- schaft. Das bedeutet zugleich, daß ein Teil der Steuerausfälle durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer aus- geglichen werden könnte. Eine sol- che Operation wird bei der FDP nicht ausgeschlossen. Es ist aber anzunehmen, daß solche Punkte am Ende nicht an der Spitze der Priori- tätenliste stehen werden.

Auch steht zur Diskussion, das Ehe- gatten-Splitting für unterhaltspflich- tige Geschiedene wieder einzufüh- ren und den Freibetrag für Beamten- pensionen zu erhöhen. Der Steuer- freibetrag im Rahmen der Ausbil- dungsförderung, das Kindergeld für die über 18 Jahre alten Schüler und Studenten sowie die Zahlungen im Rahmen der Berufsausbildung sol- len in einen festen Sockelbetrag und einen einkommensabhängigen Zu- satzbetrag umgewandelt werden.

Geplant ist auch die Erhöhung des Kindergeldes, und zwar für das erste Kind um 10 Mark und vom zweiten Kind an um je 20 Mark. Außerdem wird erwogen, die Kinderzuschläge bei den Vorsorgeaufwendungen ab- zuschaffen und statt dessen das Kin- dergeld stärker anzuheben. Dies erinnert an die 1974 gescheiterten Pläne der Koalition, Vorsorgeauf- wendungen nur noch mit einem ein- heitlichen Prozentsatz von der Steu- erschuld abziehen zu lassen. Das hätte einen nivellierenden und die Progression verschärfenden Effekt.

Wie das in das erste FDP-Papier hin- einkommen konnte, ist unverständ- lich. Profil gegenüber der SPD ge- winnt die FDP damit jedenfalls nicht.

Die nächsten Monate werden nicht nur zeigen, was aus diesen Plänen wird. Im Spätherbst wird man auch wissen, ob die SPD/FDP-Koalition noch eine Chance hat, bis zum Herbst 1980, bis zur nächsten Bun- destagswahl also, die Mehrheit und damit die Macht zu behaupten. wst

1538 Heft 26 vom 29. Juni 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Zwar habe das IFO-Institut für Wirt- schaftsforschung (München) die volkswirtschaftliche Bedeutung von Kunst und Kultur durch die Feststel- lung unterstrichen, von den

Eine Alternative zu einem gerin- geren Beitragssatz sieht der Hausärz- teverband darin, die Versicherten, die nicht die hausärztliche Versorgung wählen, auf die Kostenerstattung

Es ist nicht damit getan, den Freien Berufen immer wieder zu bescheinigen, sie seien ein „Syn- onym" für persönliche Leistun- gen, Engagement, Kreativität und

Gleichzeitig wurde jedoch eine Pauscha- lierung eingeführt: die Ge- samtvergütung der Ersatz- kassen für zahnärztliche Leistungen für 1986 darf 97,75 Prozent der Ausga- ben

Zum Export müssen oft auslän- dische Zubehörteile wie Kragenhalter für Hemden, Reißverschlüsse für Hosen, Bügel für Handtaschen oder Synthetikfasern für Gewebe verwendet

Selbstbeteiligungen (zum Bei- spiel eine prozentuale Beteili- gung an den Arzneimitteln), ei- ne neue Rolle für die Konzer- tierte Aktion (die Teilnehmer sollen nicht mehr stur

• gen zur Einbeziehung der Freien Berufe in die geplante Dienstleistungshaftungsrichtlinie der Europäischen Gemeinschaften" so- wie alle "Bemühungen zur

In diesem Kontext führte die Sächsi- sche Landesärztekammer im Januar 2014 eine Befragung berufstätiger sächsischer Ärzte mit einem Eig- nungsnachweis für den ärztlichen