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Archiv "AIDS Das Acquired Immune Deficiency Syndrome Epidemiologie, Diagnose, Klinik und Therapie" (01.07.1983)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

ÄRZTEBLATT

Heft 26 vom 1. Juli 1983

AIDS

Das Acquired Immune Deficiency Syndrome

Epidemiologie, Diagnose, Klinik und Therapie

Hans Jäger*)

Aus dem Psychiatry Service

(Chefärztin: Jimmie Holland, M. D.)

des Memorial Sloan-Kettering Cancer Center New York City, N. Y., U.S.A.

Die AIDS-Epidemie weitet sich aus. Opportunistische Infektionen und Kaposi-Sar- kom führen in fünf Risiko- gruppen in oft weniger als zwei Jahren zum Tode. Die ungeklärte Ätiologie trägt dazu bei, daß therapeutische Interventionen bisher unbe- friedigende Ergebnisse zei- gen. Neben somatischen Komplikationen sind erhebli- che psychosoziale Belastun- gen für die am stärksten be- troffene Risikogruppe ho- mosexuell aktiver Männer beobachtet worden. Mög- licherweise ist die generali- sierte persistierende Lymph- adenopathie eine Vorstufe der Erkrankung. Unter der Annahme, daß sexueller Kontakt und Blut als Über- tragungswege in Frage kom- men, scheint es sinnvoll, ne- ben genetischen Gesichts- punkten den sero-/virologi- schen und immunologischen Aspekten schwerpunktmä- ßig forschend nachzugehen.

1. Anmerkungen zur Epidemiologie

Mehr als 1500 Patienten sind seit 1979 an AIDS, dem Acquired Im- mune Deficiency Syndrome, er- krankt. Was zunächst nur wie ein wichtiges, medizinisch neues Pro- blem aussah, hat sich zu einer Epi- demie ausgeweitet, die in ihrem Ausmaß bisher noch nicht abzuse- hen ist. Zwei Patienten werden pro Tag neu diagnostiziert, mehr als die Hälfte aller Erkrankten hat eine Lebenserwartung von weniger als zwei Jahren. Bei einer angenom- menen Latenzzeit von 6 bis 36 Mo- naten ist möglicherweise erst die Spitze eines Eisberges aufge- taucht. Andere Einschätzungen gehen davon aus, daß der Kulmi- nationspunkt erreicht ist.

50 Prozent aller Fälle wurden in New York diagnostiziert, dreivier- tel aller Erkrankten sind männli- che Homosexuelle, meist Mitdrei- ßiger mit einer relativ hohen Zahl sexueller Kontakte. San Franzisko, Los Angeles, Miami, Newark, Hou- ston sind die US-Städte mit eben- falls relativ hohen Fallzahlen. Pu-

blizierte Kasuistiken aus Europa geben ein fragmentarisches Bild, die Erkrankung scheint jedoch bisher deutlich weniger häufig zu sein. Neben Homosexuellen sind Bewohner Haitis, sowohl dort le- bende, als auch solche, deren Im- migration in die USA zwischen drei Monaten und acht Jahren zurückliegt (13)**), als Risikogrup- pe definiert worden (Tabelle 1).

Darüber hinauswurde AIDS bei i. v.

Drogenabhängigen und Blutern (meist Hämophilie A) diagnosti- ziert. In bisher geringer Zahl und erst in jüngster Zeit sind Frauen und Kinder an AIDS erkrankt.

Ein Kind hatte im Rahmen von Transfusionen wegen Rhesusun- verträglichkeit Plasma eines spä- ter an AIDS erkrankten Blutspen- ders erhalten. Erste Berichte über ein mögliches Carrierstadium — Übertragung durch selbst nicht er- krankte Personen — liegen vor. Die vermutete Form der Ansteckung

") Stipendiat der Deutschen Krebshilfe

**) Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis.

Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 26 vom 1. Juli 1983 23

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Erfahrungen mit AIDS aus den USA

durch Blut oder sexuelle Kontakte legt, wie die relativ lange Latenz- zeit (20), epidemiologisch den Ver- gleich mit Hepatitis B nahe.

2. Diagnose

Selbst zwischen größeren ameri- kanischen Krebszentren bestehen unterschiedliche Auffassungen darüber, welche exakten Kriterien der Diagnose AIDS zugrunde ge- legt werden sollen. Diese termino- logische Grauzone hat ihre Be- gründung in der Tatsache, daß möglicherweise mehr gesund er- scheinende homosexuelle Männer sowohl Lymphknotenveränderun- gen als auch virologische und im- munolgische Auffälligkeiten ha- ben, als bisher angenommen wurde.

Die diesem Artikel zugrunde ge- legte Definition basiert auf dem Verständnis der Centers for Dis- aase Control (CDC), Atlanta, einer nationalen Behörde, die vor Jah- ren auch die erfolgreiche Erfor- schung und Bekämpfung der Le- gionärskrankheit koordiniert hatte und unter anderem für die zentrale Datenerfassung von Infektions- krankheiten zuständig ist.

..,.. Die CDC verstehen AIDS als ei- ne Erkrankung, die mit einem De- fekt zellständiger Immunvorgänge einhergeht bei Personen, die ei- ne derartige Resistenzminderung nicht erwarten lassen.

Der Begriff AIDS schließt Kaposi- Sarkom (KS) sowie Pneumocystis- carinii-Pneumonien (PCP) und an- dere gefährliche opportunistische Infektionen (01) ein.

Die Diagnosestellung aufgrund von spezifischen Laborparame- tern ist nicht möglich, da es bisher keinen AIDS-Marker gibt. Thymo- sin Alpha I wird als möglicher Sur- rogatmarker ("Ersatzmarker") dis- kutiert (4). PCP kann durch trans- bronchiale oder offene Lungen- biopsie gesichert werden. Bei den bisher diagnostizierten Fällen lag in 51 Prozent eine Pneumocystis-

carinii-Pneumonie ohne Kaposi- Sarkom vor, in 30 Prozent der Fäl- le wurde KS ohne PCP, in 7 Pro- zent wurden beide Krankheitsbil- der und bei 12 Prozent andere opportunistische Infekte ohne KS oder PCP gefunden.

Personengruppen mit erhöhtem Risiko für AIDS

... sexuell aktive

männliche Homosexuelle

...

i. v. Drogenabhängige

... Haitianer

... Hämophilie-Patienten

...

Personen in enger Lebens-

gemeinschaft mit den erst- genannten Gruppen Tabelle 1

fälle, abdominelle krampfartige Schmerzen, Phasen von hohem oder lowgrade Fieber, Lymphkno- tenschwellungen, die oft im Hals- bereich auftreten.

f) Mundschleimhaut-Beläge, pe- rianale (19) oder nasolabiale Ulze- rationen, Herpes Zaster, Dyspnoe und Husten ohne Sputumproduk- tion sowie eventuell pleu ritische Beschwerden engen das d iffe- rentialdiagnostische Spektrum ein.

8

Bei den meisten Patienten fin- den sich eine milde Anämie und zu Beginn normale Granulozyten- und Thrombozytenzahlen ebenso wie eine Lymphopenie und im wei- teren Verlauf auftretende Leuko- penien. Ein geringer Transamina- senanstieg auf meist weniger als das Doppelte des Normwertes so- wie eine leichte Hypalbuminämie sind ebenfalls häufig anzutreffen- de Laborveränderungen.

Abbildungen 1 und 2: AIDS- Hautläsionen bei Patienten mit Kaposi-Sarkom (Wieder- gabe mit freundlicher Genehmigung von B. Safai, M. D., Leiter der dermatologischen Abteilung des Memorial Siean-Kettering Cancer Center, New York, N. Y. 10021, U.S.A.) 2.1 Opportunistische Infektionen 2.2 Kaposi-Sarkom

Zum Zeitpunkt der Diagnosestel- lung berichten Patienten häufig über eine seit Wochen oder Mona- ten andauernde Vielfalt von Sym- ptomen, die aus vorherigem Wohl- befinden heraus auftraten:

O

Zur zunächst unspazifischen Symptomatik gehören ein allge- meines Krankheitsgefühl, Ge- wichts- und Appetitverlust, Durch-

Moritz Kaposi (7) beschrieb 1872 das multiple idiopathische pig- mentierte Hämangiosarkom als ei- ne seltene Hauterkrankung älterer Männer. Er war sich bereits der Möglichkeit viszeralen Befalls und des potentiell fatalen Verlaufs be- wußt.

Geographische Verteilungsmu- ster, z. B. die hohe lnzidenz in

(3)

Äquatorialafrika, lassen Verglei- che mit dem Burkitt-Lymphom zu.

Zwar liegen Parallelen zur virolo- gischen Situation - Epstein-Barr- Virus (EBV) beim Burkitt-Lym- phom, Zytomegalievirus (CMV) beim Kaposi-Sarkom - vor; es wä- re jedoch unberechtigt, CMV als monokausalen Faktor zu verste- hen (17).

Das Kaposi-Sarkom tritt etwa zehn- bis fünfzehnmal häufiger bei Männern als bei Frauen auf, bis vor wenigen Jahren vor allem im siebten und achten Lebensjahr- zehnt.

Relativ lange Verläufe von acht bis dreizehn Jahren waren die Regel.

Eine besonders hohe lnzidenz für Verläufe mit Lymphknotenbefall wurde bei Kindern in Afrika ge- funden.

Safai und Mitarbeiter (10) haben 1980 darauf hingewiesen, daß bei 92 KS-Patienten, die zwischen 1949 und 1975 am Memorial Sloan-Kettering Cancer Center be- handelt worden waren (mittleres Lebensalter 63 Jahre), in 37 Pro- zent der Fälle zumindest ein Zweit- tumor gefunden wurde. Sie stell- ten ein zwanzigfach erhöhtes Risi- ko für lymphoretikuläre Erkran- kungen bei KS-Patienten fest. Wie andere Tumoren tritt KS bei im- munsuppressiver Behandlung, et- wa nach Nierentransplantationen, häufiger auf als bei einer gesun- den Vergleichsgruppe.

Opportunistische Infektionen, ei- ne ebenfalls nicht unbekannte Komplikation immunsuppressiver Behandlung, wie etwa bei der The- rapie von Autoimmunerkrankun- gen, sind bisher insbesondere bei angeborenen Immundefizienzen und bei Kindern mit schweren Er- nährungsstörungen sowie als postoperative Komplikation be- schrieben worden. T-Zell-Defizite, etwa bei unbehandeltem M. Hodg- kin oder bei Sarkoidose, stellen einen weiteren bekannten Risiko- faktor für opportunistische Infek- tionen dar.

Bei acht männlichen Homosexuel- len mit Kaposi-Sarkom, die zwi- schen 1979 und 1981 in drei New Yorker Zentren behandelt wurden (6), lag das mittlere Lebensalter bei 34 Jahren. Die mit der Erkran- kung verbundenen Hautverände- rungen traten eher generalisiert als lokal, zum Beispiel auf die un- teren Extremitäten begrenzt, auf.

Alle Patienten hatten positive Ana- mnesen für multiple, durch sexu- elle Kontakte übertragbare Er- krankungen.

Die Verläufe waren wesentlich ag- gressiver - mittlere Überlebenszeit weniger als 20 Monate - als beim

„klassischen" Kaposi-Sarkom. Die Hautläsionen waren weich, pur- purfarben, nicht ulzerierend und hatten einen Durchmesser von mehreren Millimetern bis zu meh- reren Zentimetern (Abbildungen 1 und 2).

Bei allen Patienten ließ sich histo- logisch eine Lymphknotenbeteili- gung nachweisen, fast alle wiesen eine generalisierte Lymphadeno- pathie auf. Bei sechs Patienten lag eine Erkrankung viszeraler Orga- ne (Milz, Leber, Knochen, Lunge, Pleura oder Gastrointestinaltrakt) vor.

Eine Frontallappenbeteiligung wurde computertomographisch bei einem Patienten vermutet.

CMV-Titer wurden bei vier Patien- ten bestimmt und waren bei allen vier Patienten positiv. Eine geeig- nete, auf dem klinischen Erschei- nungsbild basierende Klassifizie- rung des Kaposi-Sarkoms wurde von Taylor (11) vorgeschlagen (Ta- belle 2).

3. Klinische Komplikationen Neben einer ausgeprägten derma- tologischen und gastrointestina- len Symptomatik stellen Augen- und ZNS-Symptome wichtige Be- reiche möglicher Komplikationen dar. Während pathologische Ver- änderungen der Augenlider und Konjunktiven selten und Erkran- kungen der Kornea bisher nicht beobachtet wurden, können oft peripher beginnende Blutungen der Retina zu teilweisem oder voll- ständigem Sehverlust führen. Nur 45 Prozent von 51 AIDS-Patienten, die subjektiv keine Augenbe- schwerden angaben, wiesen eine normale Netzhaut auf. 20 Prozent

Klinischer Typ Verlauf Alter Knochenbe- Lymphknoten- Prädominierende teiligung beteiligung Hautläsionen

nodulär indolent > 25 selten selten nodulär, Plaques

florid lokal > 25 häufig selten pilzartig

aggressiv exophytisch

infiltrativ lokal > 25 immer selten diffuse

aggressiv Infiltration

lymph- disseminiert < 25 selten immer selten

adenopathisch aggressiv

Tabelle 2: Kaposi-Sarkom - Klinische Klassifikation nach Taylor (11)

Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 26 vom 1. Juli 1983 25

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

AIDS

Neue Krankheit oder plurikausales Syndrom?

Beginnen wir mit der Nomen- klatur: AIDS ist die Abkürzung von „Acquired Immune Defi- ciency Syndrome". In einigen deutschsprachigen Publikatio- nen wird es sinnvoll als „Erwor- benes Immun-Defekt-Syn- drom" = EIDS bezeichnet. Wei- tere Bezeichnungen sind „gay compromise syndrome (GCS) oder „gay related immunodefi- ciency (GRID). Aufgrund des in- ternationalen Sprachge- brauchs dürfte sich aber auch bei uns die Bezeichnung AIDS durchsetzen.

AIDS ist seit 1981 aus der merk- würdigen Kombination von ver- schiedenen Kasuistiken allmäh- lich zum Begriff geworden und wird bei uns seit einigen Mona- ten nicht nur in der Fachpresse, sondern auch in der Presse und im Fernsehen, hervorgehoben.

Das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT veröffentlicht zur eingehenden Information seiner Leser eine Übersicht anhand der umfang- reichen amerikanischen Erfah- rungen — die in den Centers for Disease Control (CDC) in Atlan- ta, USA, gesammelt werden (siehe Beitrag Jäger in diesem Heft) — und aufgrund eigener Fälle aus dem Vinzenz-Palotti- Hospital, Bergisch Gladbach- Bensberg, sowie aus der I. Me- dizinischen Universitätsklinik Köln (siehe Beitrag Breker in diesem Heft)*). Die Fälle zeigen, daß AIDS inzwischen auch auf die Bundesrepublik Deutsch- land übergegriffen hat. War es in England 1981 noch ein ein- zelner Fall nach längerem US-

Aufenthalt (6), so dürften in der Bundesrepublik Deutschland inzwischen ein bis zwei Dut- zend gesicherter und vielleicht ein Mehrfaches an unentdeck- ten Fällen vorliegen. In den USA wird der Zuwachs gegen- wärtig auf zwei Fälle pro Tag geschätzt, die Zahl der Betrof- fenen, vorwiegend Homose- xuelle, auf 1000 bis 1500.

Die Kenntnis von AIDS ist bei einer geschätzten Letalität von etwa 40 Prozent sowie ganz un- klarer Infektiosität von gößter Bedeutung. Die deutschen Fäl- le werden von der Abteilung für Virologie, Robert-Koch-Institut des Bundesgesundheitsamtes, Nordufer 20, 1000 Berlin 65, ge- sammelt, die mit den CDC in Atlanta in enger Verbindung steht und auf Anforderung Fra- gebogen verschickt. Wie schon betont, begann AIDS ganz all- mählich: 1981 veröffentlichten Gottlieb und Mitarbeiter (4) fünf Fälle von Pneumocystis-carinii- Infektionen bei vorher gesun- den jüngeren Homosexuellen.

Schon aus 1976 stammt der Be- richt von Sterry, Konrad und Laaser von der Kölner Universi- täts-Hautklinik über das gleich- zeitige Auftreten von Kaposi- Sarkom und Panzytopenie bei einem homosexuellen Patien- ten (7). Wenig später hat sich das Spektrum auf 26 Fälle glei- cher sexueller Gewohnheiten mit ungewöhnlich schwerem, Haut und Lymphknoten betref- fenden Kaposi-Sarkom ausge- dehnt. Neben Pneumocystis- carinii-Infektionen sind inzwi- schen weitere, in Verbindung mit AIDS beobachtete Infektio- nen wie Zytomegalie, Hepatitis, Kryptokokkosis, Kandidiasis, Lues und Tuberkulose be- schrieben worden (siehe auch die beiden nachfolgenden Ar- beiten).

Die zunächst im Zusammen- hang mit Homosexualität und

Promiskuität beobachtete AIDS-Erkrankung hat sich in- zwischen auf Familien, auf AHG-behandelte Hämophile, auf Kleinkinder nach einer Blut- transfusion und andere ausge- dehnt. In Haiti und bei von dort ausgewanderten Nichthomo- sexuellen tritt das Syndrom ge- häuft auf (genetische Disposi- tion, Durchseuchung?) und wird auch mit Blut übertragen.

Interessant ist die Feststellung, daß die meisten dieser Perso- nen einen ausgesprochenen Immundefekt aufweisen: ver- minderte Reaktion auf be- stimmte Mitogene und vor al- lem eine Inversion der T-Helfer- und T-Suppressorzellen bei den Lymphozyten (normal etwa 65:35). Die —auch bei unseren Patienten durchweg erhobenen

— Befunde gelten bis auf weite- res als typisch, wenn auch nicht spezifisch für AIDS. Wie kommt es zu diesem schweren Immun- defekt und zu Infektionen mit Erregern, die man (mit Ausnah- me von Hepatitis, Lues und Tu- berkulose) sonst nur bei Systemerkrankungen der blut- bildenden Organe, aplasti- schen Syndromen, Antikörper- mangel-Syndromen und im- munsuppressiver Behandlung beobachtet? Bis heute gibt es darüber noch keine verbindli- chen Vorstellungen. Drei Mittei- lungen aus jüngster Zeit sind dabei von besonderem Inter- esse:

0 Soweit bis jetzt übersehbar, bleibt das Gros der Erkrankun- gen auf Homosexuelle be- schränkt.

Ähnlich wie beim sogenann- ten Delta-Agens, scheint eine besondere Affinität vorzu I ie-

*) Siehe auch L'age-Stehr, J., und Koch, M. A.: Unbekannter Krankheitserreger als Ursache von tödlich verlaufenden erworbenen Immundefekten, Dtsch.

Ärztebl. 7 (1983) 46 (Ausgabe A), 36 (Ausgabe C)

(5)

den ist (3).

€)

Carol Harris veröffentlichte in einem der neuesten Hefte des New England Journal of Medicine (5) eine Untersu- chung, nach der von sieben un- tersuchten weiblichen Sexual- partnern von AIDS-Patienten ei- ne das Vollbild der Erkrankung, eine Prodromi und vier weitere Lymphozytenanomalien hatten.

Ohne entsprechende klinische Erscheinungen zeigten sich bei fünf der untersuchten Frauen hohe Titer gegen Epstein-Barr- Virus (Mononukleose) und bei zwei gegen Zytomegalie. Bei sechs Frauen gelang es nicht, ein Virus zu isolieren.

Als sicher kann gelten, daß sich Infektionen mit verschiedenen, sogenannten opportunisti- schen (also beim Gesunden we- nig virulenten) Erregern nur auf der Basis des vorbestehenden erworbenen Immundefekts ent- wickeln. Gibt es einen neuen Erreger, der diese Immunsi- tuation herbeiführt? Immerhin leidet ein Teil der Kranken an unklaren, zum Teil über Jahre rezidivierenden Fieberschüben und Drüsenschwellungen, oh- ne eine der genannten Kompli- kationen aufzuweisen, oder die Symptome treten Jahre nach korrekt behandelter Lues bzw.

Hepatitis auf. Andere sind der Meinung, daß die genannten Standardinfektionen nicht für die allgemeine Abwehrschwä- che genügen und daß Zusatz- faktoren (Mediatoren) wie die Häufigkeit von Infektionen, ge- netische Disposition,

Medikamentenabusus dazu- kommen müssen. Hier bleibt den CDC in Atlanta noch ein geradezu klassisches Beispiel epidemiologischer Studien.

Eine Sonderstellung unter den potentiellen Erregern nehmen

Gruppe um Gallo bearbeitete und mit verschiedenen Unterty- pen charakterisierte Virus der menschlichen T-ZeII-Leukämie (HTLV) ein. Schon lange ist be- kannt, daß in Äquatorial-Afrika etwa 10 Prozent der Tumoren (im Gegensatz zur außerordent- lichen Rarität der Erkrankung zum Beispiel in Europa) Kapo- si-Sarkome sind, vorzugsweise die lymphatischen Organe, we- niger die Haut befallend und rasch zum Tod führend, Un- terschied zur reinen Hautlokali- sation. Studien an Amerikanern mit Kaposi-Sarkomen erbrach- ten rund 15mal häufiger positi- ve CMV-Tests als bei der gesun- den Bevölkerung. Neuerdings haben Carney und Mitarbeiter (1) auch CMV-DNS in Kaposi- Tumorzellen nachgewiesen. So ist das Zytomegalievirus zwei- fellos ein verdächtiger Kandidat für den Immundefekt. In ameri- kanischen Untersuchungen wurde das Virus bei über 90 Prozent der Homosexuellen, bei 54 Prozent der Hetero- sexuellen mit häufig wechseln- den Geschlechtspartnern und bei 43 Prozent gesunder männ- licher Blutspender nachgewie- sen (2). Kein geringeres Interes- se kommt dem HTLV-Virus zu.

Gallo und Mitarbeiter (8) haben dieses Retrovirus (= reverse transcriptase oncogenic virus) bei zwei AIDS-Patienten nach- gewiesen, die Pariser Gruppe ein ähnliches Virus. Umgekehrt konnten Essex und Mitarbeiter (9) gegen Oberflächenantigene von HTLV gerichtete Antikörper nur bei 19 von 75 AIDS-Patien- ten nachweisen. Einen weiteren wesentlichen Einwand bedeu- tet die Tatsache, daß unseres Wissens bisher von über 1000 AIDS-Patienten kein Fall von T-Zell-Leukämie bekannt wur- de. Gallo betonte auch, daß ge- rade aus Südjapan, wo die

fig ist, bisher keine AIDS-Fälle mitgeteilt wurden. Wiederum die Kardinalfrage: Ursache oder Folge?

Offensichtlich ist die Durchseu- chung der Bevölkerung mit in- apparenten Infektionen häufi- ger als früher angenommen.

Dazu würden auch —zumindest teilweise — die im erwähnten Beitrag Jäger zitierten „Car- rier-Fälle als potentielle Infek- tionsquelle zählen. So scheint das Syndrom nach den bisheri- gen Kenntnissen bevorzugt durch sexuelle Kontakte, aber auch durch Blut und Blutderi- vate übertragen zu werden.

Was aus der latenten Infektion eine manifeste mit den geschil- derten Erscheinungen oder Folgen des AIDS macht, bleibt bisher unbekannt. „Sicher wis- sen wir nur, daß wir nichts wis- sen", heißt es (leicht modifi- ziert) in einer der sich über- schlagenden Publikationen über AIDS. Unter dem Druck der öffentlichen Meinung ha- ben die US-Gesundheitsbehör- den jetzt besondere Mittel für die Erforschung von Ursache und Epidemiologie zur Verfü- gung gestellt (Nature, 2. 6. 83:

365-377). Man muß AIDS ken- nen; dazu zwingen schon die hohe Letalität, die Zunahme der Erkrankungen, die psychoso- zialen Konsequenzen und eine mögliche direkte Infektionsge- fahr. Zu bedenken wäre aber auch, daß es sich vielleicht eher um eine „Neubegegnung mit alten Bekannten" handelt als um eine neue Krankheit oder um einen neuen Erreger.

Literatur beim Sonderdruck Professor Dr. med.

Rudolf Gross Haedenkampstraße 5 5000 Köln 41

Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 26 vom 1. Juli 1983 27

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Erfahrungen mit AIDS aus den USA

hatten bereits eine Retinitis ent- wickelt, die in den meisten Fällen irreversibel verlief.

Neurologische Komplikationen können im Schweregrad von mil- den Persönlichkeitsveränderun- gen bis zum Koma variieren. Sie werden in bis zu 75 Prozent der

AIDS-Patienten beobachtet und

treten häufiger im Endstadium der Erkrankung auf.

Der neuropathologische Befund kann nicht immer das klinische Bild erklären. Enzephalitiden (CMV, Toxoplasmose) sind ver- gleichsweise häufig, ebenso eine durch Cryptococcus neoformans, gemischte Bakterienflora oder Aspergillus fumigatus hervorgeru- fene Meningitis. Neben Infektio- nen werden neoplastische (Lym- phome) und vaskuläre ZNS-Kom- plikationen gefunden.

3.1 Generalisierte Lymphadenopathie

Die AIDS-Epidemie hat die persi- stierende generalisierte Lymph- adenopathie bei männlichen Ho- mosexuellen verstärkt in den Blickpunkt medizinischen Interes- ses gerückt, da dieses klinische Bild möglicherweise als Vorläufer von AIDS anzusehen ist. Die Fall- zahlen in dieser nicht zum eigent- lichen Acquired Immune Deficien- cy Syndrome zu rechnenden Pa- tientengruppe steigen so stark an - wobei ein verstärktes Bewußt- sein dazu nicht unerheblich bei- trägt -, daß bei einer bisher unsi- cheren Bewertung des tatsächli- chen Risikos gegenwärtig von ei- ner zentralen Erfassung abgeraten wird (Tabelle 3).

Abweichend von der CDC-Defini- tion wird in einigen Zentren für prospektive Untersuchungen eine zeitliche Mindestdauer von sechs Monaten zugrunde gelegt. Viele Patienten berichten über seit Jah- ren bestehende, oft im Laufe der Zeit in der Größe wechselnde Lymphknoten. ln einer 57 P~ltien­

ten umfassenden Studie (3) hatten

Diagnostische Kriterien für persistierende, generalisierte Lymphknotenadenopathie (3)

....

Lymphknotenschwellun-

genvon mindestens drei Monaten Dauer

....

zwei oder mehr extraingui-

nale betroffene Lymphkno- tengruppen

....

durch klinischen Befund

des behandelnden Arztes gesichert

....

gegenwärtig keine Erkran-

kung oder medikamen- töse Behandlung, die die Lymphknotenschwel- Iungen erklären würden

....

reaktive Hyperplasie des

Lymphknotens, falls Biop- sie durchgeführt wurde

Tabelle 3

95 Prozent der Betroffenen drei befallene Lymphknotengruppen, meist zervikal, axillär, inguinal. Bei etwa 70 Prozent lagen klinische Symptome vor (Müdigkeit, Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust oder Hepatosplenomegalie).

T-Zeii-Untersuchungen bei männ- lichen Homosexuellen zeigen eine graduelle Abnahme des OKT-4-/

OKT -8-(T -Helfer-/T -Su ppresso rze 1- len-)Verhältnisses von monogam lebenden Versuchspersonen über sich selbst als promiskuitiv ein- schätzende gesunde Homosexuel- le bis hin zu Patienten mit Lymph- adenopathie und AIDS-Kranken (14). Etwa ein Viertel der im Rah- men der CDC-Studie (3) mit ln-vi- vo-Hauttests untersuchten Patien- ten zeigte Anergie gegenüber zu- mindest zwei nicht mit PPD (gerei- nigtes Tuberkulin-Derivat) identi- schen Antigenen. 44 Prozent der Kaposi-Sarkom-Patienten und 25 Prozent der an opportunistischen Infektionen Erkrankten wiesen zum Diagnosezeitpunkt Lymph- knotenschwellungen auf.

..,.. Ist die generalisierte Lymph- adenopathie eine AIDS-Vorstufe?

ln einer Studie der Cornell Univer- sity entwickelten sechs Prozent der Lymphadenopathie-Patienten KS, vier Prozent opportunistische Infektionen, sieben Prozent Non- Hodgkin-Lymphome. Eine sponta- ne Lymphknotenrückbildung ist möglicherweise eher als ein pro- gnostisch ungünstiger Übergang zu einer verminderten Immunkom- petenz zu werten.

Eventuell stellen Lymphozyten- funktionstests (PHA, Pokeweed, Kandida, mitogene monoklonale Antikörper, NK-Aktivität) labordia- gnostisch bessere Parameter dar als das relativ großen interindivi- duellen Schwankungen ausge- setzte Verhältnis der Helfer- und Suppressorzellen.

3.2 Immunologie bei AIDS Einer deutlichen Beeinträchtigung zellulärer Immunfunktionen ste- hen normale Komplementspiegel und eine normale Phagozytoseka- pazität ebenso gegenüber wie die bei vielen Fällen zu findende Erhö- hung aller oder einzelner Immun- globuline (meist lgA).

ln-vivo-Hauttests zeigten in einer Studie (5) Anergie gegenüber al- len getesteten Antigenen. Diese Anergie war sowohl während der akuten Krankheitsphase als auch nach Abklingen der klinischen Symptome festzustellen. Phyto- hämagglutinin, Concanavalin A und Pokeweed-Mitogen- unspezi- fische ln-vitro-Lymphozytenstimu- lationstests - zeigten eine deutli- che Abschwächung der Lympho- zytenfunktion im Vergleich zu ei- ner altersentsprechenden Kon- trollgruppe. Weiterhin abge- schwächt waren Lymphozytensti- mulationstests mit Candida albi- cans, Staphylococcus au reus, Escherichia coli und Tuberkulin. Während Natural Killer-Gell-Es- says (Target-Zellen: Herpes-sim- plex-Virus I und K 562) keine signi-

(7)

fikanten Unterschiede zwischen Kontrollpersonen und Patienten mit AIDS zeigten, ließen sich KS- Patienten mit opportunistischen Infektionen durch signifikant ver- minderte lnterferon-Aipha-in-vitro- Generationsfähigkeit von KS-Pa- tienten ohne opportunistische In- fekte unterscheiden.

Die festzustellende Verminderung der Gesamt-T-Lymphozyten-Popu- lation korreliert nicht eindeutig mit dem Ausmaß der gemessenen Einschränkung der T-Lympho- zyten-Funktion.

Als hilfreich, wenn auch nicht spe- zifisch, hat sich die Bestimmung von peripheren T-Zeii-Funktionen mit Hilfe monoklonaler Antikörper erwiesen. Das Verhältnis von Hel- fer- zu Suppressorzellen - Norm etwa 2:1 - liegt bei den meisten Patienten um etwa 0,5 oder darun- ter, häufig verbunden mit einer ab- soluten Verminderung beider Zell- fraktionen.

Ähnliche Inversionen des Helfer-/

Suppressor-Verhältnisses sind in letzter Zeit bei Zytomegalieinfek- tionen beschrieben worden (1 ), wobei eine kausale Beziehung nicht etabliert ist.

.... Die Lymphozyten der AIDS- und Lymphadenopathie-Patienten produzieren signifikant weniger Interleukin 2 als Lymphozyten ei- ner heterosexuellen gesunden Kontrollgruppe.

4. Therapie

Zur Behandlung von Pneumocy- stis-carinii-Pneumonie wird Trime- thoprim-Sulfamethoxazol (z. B.

Bactrim®, Eusaprim®) als Mittel der ersten Wahl angesehen, bei Nichtansprechen Pentamidin. Die Behandlung eventueller zusätzli- cher Infekte oder anderer opportu- nistischer Infektionen erfolgt, falls möglich, erregerspezifisch. Auch bei einem Ansprechen der Erstinfektion ist mit rezidivieren- den Schüben zu rechnen, die die

Erfahrungen mit AIDS aus den USA

Prognose ungünstig beeinflussen;

eine prophylaktische Dauerthera- pie hat daran wenig ändern können.

Bei der Behandlung des Kaposi- Sarkoms zeichnen sich mehrere Ansätze ab:

...,.. Neben einer zytostatischen Kombinationstherapie, etwa mit Doxorubizin, Bleomycin, Vinbla- stin und Dacarbazin oder VP-16 (Epipodophyllotoxin),

...,.. stellt Interferon eine wirksame Behandlungsalternative dar (16).

Fünf von 31 Patienten, die im Me- morial Sloan-Kettering Cancer Center mit Recombinant Interfe- ron A behandelt wurden, zeigten für mindestens einen Monat nach Behandlung keine Anzeichen mehr von Erkrankung (complete response), fünf Patienten wiesen ein teilweises Ansprechen mit Rückbildung von mindestens 50 Prozent der meßbaren Läsionen auf (partial response), und fünf weitere Patienten sprachen auf die Therapie an, erreichten jedoch nicht die Kriterien einer partial re- sponse.

.,... Hochgereinigtes Interferon wurde vier Wochen lang täglich hochdosiert verabreicht. Die PHA- Stimulation der Lymphozyten er- wies sich in dieser Studie als La- borparameter, der am besten mit dem therapeutischen Ansprechen korrelierte.

Bei Patienten, die nach vier Wo- chen nicht ansprachen, wurde die Behandlung abgebrochen, in den übrigen Fällen mit drei Injektionen pro Woche fortgesetzt.

...,.. Im experimentellen Stadium befindet sich die Therapie mit ln- terleukin 2 (T cell growth factor).

5. Vermutungen zur Ätiologie Die Ätiologie des Acquired Im- mune Deficiency Syndrome ist un- bekannt. Da sexueller Kontakt und

Blut als Übertragungswege ange- nommen werden, scheint es sinn- voll, sero-/virologischen und im- munologischen Aspekten neben genetischen Gesichtspunkten schwerpunktmäßig forschend nachzugehen.

.,... Liegt ein bisher unbekanntes Virus der Erkrankung zugrunde?

Zwar weisen KS-Patienten Anti- körper gegen das Zytomegalievi- rus auf, dieser Befund wird jedoch durch die Tatsache relativiert, daß sich bei vielen männlichen Ho- mosexuellen Anzeichen von Zyto- megalieinfektionen finden lassen und zwischen sieben und vierzehn Prozent dieser Gruppe Zytomega- lievirusausscheider sind.

Falls homosexueller Lebensstil mit relativ hoher Promiskuität, mit dem zumindest zeitweisen Ge- brauch von Drogen (z. B. Amyi/Bu- tylnitraten), mit der Anwendung von Kortisonsalben und mit einem möglichen Übertritt von immun- suppressiven Spermafaktoren ins Blut ätiologische Auswirkungen hat (8, 9, 15, 18), läßt sich dies schwer für Erklärungen in ande- ren Patientengruppen heranzie- hen (z. B. Haitianer (13) oder Säug- linge (2)) .

Das Risiko für Hämophiliepatien- ten, an AIDS zu erkranken, scheint durch Faktor-VIli-Konzentrate ge- steigert zu werden. Diese Konzen- trate werden aus einer relativ ho- hen Zahl von Spendereinheiten gepoolt. Möglicherweise liegt in der Rückkehr zu Kryopräzipitaten präventive Potenz. Manche Hämo- philieexperten gehen davon aus, daß der mit AIDS verbundene Symptomenkomplex bei ihren Pa- tienten nicht neu ist und bereits längere Zeit beobachtet wurde.

6. Psychosoziale Konsequenzen

AIDS ist ein Stigma, das weitaus stärker ausgeprägt ist, als bei an- deren bösartigen Erkrankungen.

Dazu tragen der infektiöse Cha- Ausgabe A DEUTSCHES ARZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 26 vom 1. Juli 1983 29

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

FÜR SIE GELESEN Erfahrungen mit AIDS aus den USA

rakter und der möglicherweise ur- sächlich beteiligte Lebensstil in erheblichem Maße bei. Der histori- sche Vergleich mit Aussätzigen oder Pestkranken entbehrt leider nicht aktueller Bedeutung. Angst und Aussichtslosigkeit der Situa- tion werden durch die mit der Er- krankung verbundene soziale Iso- lierung verstärkt.

Klassische Supportsysteme, wie Eltern oder Kinder, sind bei ho- mosexuellen Patienten oft entwe- der nicht vorhanden oder weniger effektiv. Ob der durch Selbsthilfe- initiativen vermittelte emotionale Beistand ähnliche Funktionen übernehmen kann, bedarf der Überprüfung.

Da die Angst vor der Erkranküng nicht auf die bekannten Risiko- gruppen beschränkt ist, werden AIDS-Patienten auch im Kranken- haus mit Situationen konfrontiert, die das Gefühl der Isolation ver- stärken können und einer emotio- nalen Bewältigung entgegenwir- ken. Eine tatsächliche Ansteckung des Personals im Krankenhaus wurde bisher nicht beschrieben.

Daß sich diese Möglichkeit nicht ausschließen läßt, geht aus den entsprechenden CDC-Richtlinien hervor. Diese Empfehlungen äh- neln Richtlinien zum Umgang mit Blut oder anderen Ausscheidun- gen von Hepatitiskranken.

Ob ein sich anbahnender Trend zu

weniger promiskuitiven Beziehun- gen als Reaktion auf die Erkran- kung gewertet werden kann, ist unklar.

Bisherige empirische Erfahrungen belegen einen relativ hohen, teil- weise zu panischen Reaktionen führenden Grad an Angst bei Pa- tienten mit generalisierter Lymph- adenopathie. Die hohe Unsicher- heit der Situation, verbunden ei- nerseits mit der Möglichkeit einer Besserung, andererseits aber auch mit der Gefahr der Entwick- lung zum AIDS-Patienten, stellt ei- nen erheblichen psychosozialen Streß dar.

Die Wirksamkeit und auch die ethische Problematik eines jetzt diskutierten, teilweise bereits in Kraft getretenen Ausschlusses der bekannten Risikogruppen vom Blutspenden wird unterschiedlich beurteilt.

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Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Hans Jäger Psychiatry Service Memorial Sloan-Kettering Cancer Center

1275 York Avenue

New York, N. Y. 10021, U.S.A.

Mißbrauch phenacetinhal- tiger Analgetika —

Nierenmorbidität und Nierenmortalität

Eine Untersuchungsgruppe von 623 berufstätigen Frauen im Alter von 30 bis 49 Jahren mit objektivem Nachweis der Einnahme phen- acetinhaltiger Analgetika und eine gleiche Kontrollgruppe von 621 Frauen ohne Einnahme phenace- tinhaltiger Arzneimittel im Jahre 1968 wurden von 1969 bis 1978 sechs Mal im Labor auf Nieren- und Harnwegserkrankungen un- tersucht.

Die beiden Gruppen unterschie- den sich hinsichtlich der Entwick- lung von Bakteriurie, Hämaturie oder Proteinurie nicht. In der Un- tersuchungsgruppe (P < 0,001) waren jedoch ein geringeres spe- zifisches Uringewicht (Untersu- chungs- zu Kontrollgruppe, 23:7 Prozent) und erhöhte Serumkrea- tinin-Werte (6,7:0,9 Prozent) be- trächtlich häufiger. Berichtigte Mortalitätsanalysen über 11 Jahre zeigten deutliche Unterschiede in der Gesamtmortalität zwischen beiden Gruppen (Untersuchungs- zu Kontrollgruppe, 39:13 Todesfäl- le; P < 0,001), Letalität aufgrund von Harnwegserkrankungen (P = 0,0033) und Kreislauferkrankun- gen (P = 0,008).

Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß bei intensiver Anwen- dung analgetischer Mixturen mit Phenacetingehalt im Verlauf eines Jahrzehnts sowohl anomale Nie- renfunktion als auch Letalität in- folge von Nierenerkrankungen häufiger auftreten als bei gele- gentlicher Anwendung oder Nicht- einnahme; die absolute lnzidenz bleibt jedoch — selbst bei intensi- ver Anwendung phenacetinhalti- ger Analgetika — gering. Dpe

Dubach, U. C.; Rosner, B.; Pfister, E.:

Epidemiologic Study of Abuse of Analgesics Containing Phenacetin — Renal Morbidity and Mortality (1968-1979), The New England Jour- nal of Medicine 308 (1983) 357-362, Prof. U. C.

Dubach, Medizinische Universitäts-Poliklinik, Kantonsspital Basel, Petersgraben 4, 4031 Basel, Schweiz

Referenzen

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