Psilocybin-Vision. Tuschzeichnung von Li Gelpke aus dem hier besprochenen Buch
Leserdienst
Hinweise •Anregungen
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Heft 11
vom 19. März 1982
LSD helfende Droge in der Hand des Arztes?
Mehr durch Zufall stieß Albert Hofmann (Foto aus dem Jah- re 1979) auf die halluzinogene Wirkung von LSD. Die phar- makologische Prüfung hatte zunächst lediglich eine starke Wirkung auf die Gebärmutter ergeben. Pharmakologen und Mediziner zeigten zunächst kein Interesse an LSD. Als sich dann die Psycho-Wir- kung der Droge herausstellte, machte LSD innerhalb von zwanzig Jahren Karriere un- ter Aussteigern und in der Schickeria, unter Drogen-Ex- perimentatoren, die damit aufhören konnten, und sol- chen, die nicht mehr aufzuhö- ren vermochten. Hofmann wurde mit den ethischen Kon- sequenzen seiner Entdek- kung konfrontiert. Sein Buch zeugt auch davon
Im Verlauf von Versuchen zur Herstellung kreislauf- anregender Substanzen synthetisierte der Schwei- zer Chemiker Dr. Albert Hofmann Lysergsäurediä- thylamid, die als 25. Sub- stanz einer Versuchsreihe die Bezeichnung LSD-25 erhielt. Erst fünf Jahre spä- ter entdeckte er deren hal- luzinogene Wirkung, be- reits nach Einnahme von nur 0,025 mg. LSD wirkt sti- mulierend auf Zentren des sympathischen Nervensy- stems im Zwischenhirn, er- zeugt keine Suchtgefahr und besitzt bei richtiger Dosierung eine außerge- wöhnlich gute Verträglich- keit.
Albert Hofmann nennt sei- nen Bericht über die Ent- deckung von LSD-25 und seine Erfahrungen mit die- ser Droge „LSD — Mein Sorgenkind". LSD verän- dert das Bewußtsein und damit das Wirklichkeitser- leben. So können unter
dem Einfluß der Droge ver- gessene oder verdrängte Erlebnisse rasch ins Be- wußtsein zurückgebracht werden. Hier sieht Hof- mann eine Möglichkeit zur medikamentösen Unter- stützung der Psychoanaly- se und Psychotherapie so- wie zur Anwendung in ex- perimentellen Untersu- chungen über das Wesen der Psychosen. Die letztere Indikation beruht darauf, daß die mit LSD bei gesun- den Versuchspersonen ex- perimentell erzeugten psy- chischen Ausnahmezu- stände Erscheinungen bei gewissen Geisteskranken ähnlich sind.
Eine an die Grundlagen der ärztlichen Ethik rührende medizinische Anwendung von LSD ist die Verabrei- chung an Sterbende. Nach Erfahrungen amerikani- scher Ärzte vermag LSD ganz besonders schwe- re Schmerzzustände von Krebskranken zu mildern
oder aufzuheben. Dieser Effekt kommt dadurch zu- stande, daß sich der Pa- tient unter dem Einfluß von LSD psychisch derart von seinem Körper löst, daß der Schmerz nicht mehr ins Bewußtsein dringt.
Dem möglichen Nutzen der Droge LSD und ihrer in der Hand des verantwortungs- bewußten Arztes gefahrlo- sen Anwendung steht je- doch ein hohes Risiko ge- genüber, wenn LSD in fal- sche Hände gerät. Keines- wegs läßt sich die psychi- sche Wirkung von LSD vor- aussehen. So kann es Eu- phorie genauso wie De- pressionen hervorrufen. • Beide Wirkungen haben zu Unglücksfällen geführt, zum Beispiel zu Sprüngen aus dem Fenster, entweder zum Zwecke des Selbst- mords oder unter der Vor- stellung, fliegen zu kön- nen. Hofmann konstatiert, daß bei der Einnahme von LSD keine Suchtgefahr be- steht. Wenn LSD aber Eu- phorien erzeugt, die jen- seits von Realismus und Materialismus das Erleben einer tieferen glückliche- ren Wirklichkeit vermitteln, dann besteht unzweifelhaft die Gefahr der Flucht aus der Wirklichkeit und damit eine Abhängigkeit von der Droge. Angesichts dieser Risiken und der unkontrol- lierten Verbreitung von LSD in der Drogenszene er- hebt sich die Frage, ob es nicht andere, gefahrlose Wege gibt, um die „Einheit des Lebendigen" wieder- zuerleben.
Hans Reuter, Köln Albert Hofmann: LSD — Mein Sorgenkind, Verlagsgesell- schaft Klett-Cotta, Stuttgart, 232 Seiten; einige, teils farbige Abbildungen, Leinen, 22 DM>
Ausgabe A/B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 11 vom 19. März 1982 85