MEDIZIN
Das „französische Paradox" — die niedrige Inzidenz kardiovaskulä- rer Erkrankungen bei gleichzeitiger Ernährung mit einer Cholesterin-rei- chen und an gesättigten Fettsäuren reichen Diät — wurde mit dem Rot- weinkonsum in bestimmten Regio- nen Frankreichs in Verbindung ge- bracht. Ob dieser Zusammenhang auf den Alkoholgehalt oder auf an- dere Komponenten des Rotweins zu- rückzuführen ist, wurde nicht ge- klärt.
Frankel und Mitarbeiter konn- ten nun in einem kürzlich erschiene- nen Artikel in der Zeitschrift Lancet dem „französischen Paradox" ein be- merkenswertes Detail hinzufügen und damit möglicherweise zu seiner Aufklärung beitragen: Die Autoren zeigten, daß Rotwein der Rebsorte Petite Sirrah auch nach Entfernung des Alkohols ausgeprägte antioxida- tive Eigenschaften gegenüber der in vitro Oxidation von atherogenen Low Density Lipoproteinen (LDL) hat.
Die antioxidative Eigenschaft von Rotwein ist besonders im Lichte der „Oxidationshypothese" der Pa- thogenese kardiovaskulärer Erkran- kungen von Steinberg und Mitarbei- tern interessant, die davon ausgeht, daß LDL in der Arterienwand oxi- diert wird und dann atherogene Ei- genschaften erhält (Steinberg et al.
1989). Die oxidative Modifikation von LDL, das per se nicht atherogen ist, findet unter bisher ungeklärten Bedingungen in fortgeschrittenen atherosklerotischen Läsionen statt (Habenicht et al. 1993). Es ist gezeigt worden, daß oxidiertes LDL in vitro und nach Extraktion aus erkrankten Arterienwänden über eine Reihe von biologischen Aktivitäten verfügt, die mit seiner angenommenen atheroge- nen Rolle in Übereinstimmung steht (Steinberg et al. 1989). In experimen- tellen Tiermodellen konnte gezeigt werden, daß lipophile Antioxidan- zien die Cholesterin-induzierte Arte- riosklerose zu hemmen in der Lage sind Hinzu kommt, daß die Ernäh- rung mit Vitamin-C-reicher und Vit- amin-E-reicher Diät negativ mit der
NOTIZ / FÜR SIE REFERIERT
Inzidenz kardiovaskulärer Erkran- kungen korreliert (Gey et al. 1987).
Die biochemische Analyse des Rotweins durch Frankel et al. zeigte nun hohe Konzentrationen von Phe- nolen (Flavonoide, Katechine, Tan- nine), also Substanzen mit ausge- prägten antioxidativen Eigenschaf- ten, die die biologische Aktivität von Vitamin E teilweise sogar noch über- treffen. Die Pharmakokinetik der Phenole nach Rotweinkonsum wurde allerdings bisher nicht genau unter- sucht. Es ist auch noch nicht geklärt, ob antioxidativ aktive Phenole des Rotweins in der Arterienwand vor- kommen und dort akkumulieren.
Trotz dieser fehlender Informatio- nen ist die Spekulation von Frankel und Mitarbeitern zunächst plausibel, daß die antiatherogene Aktivität von Rotwein auf seine antioxidativen Phenolkomponenten zurückgeführt werden könnte. Weitere epidemiolo- gische und biochemische Untersu- chungen sind notwendig, um die In- terpretationen der Daten zu stützen.
Seit 1960 werden halluzinogene Pilze, die Psilocybin und Psilocin, ei- ne dem LSD ähnliche Substanz ent- halten, von jungen Leuten eingenom- men. In Europa ist es in erster Linie der Pilz Psilocybe semilanceata, der für diesen Zweck mißbraucht wird.
Die Autoren führten eine Um- frage unter dänischen Studenten durch. 33 (7,2 Prozent) der Ange- schriebenen gaben zu, mit halluzino- genen Pilzen experimentiert zu ha- ben. Allerdings scheint die gemachte Erfahrung, was halluzinogene Erleb- nisse anlangt, meist auf wenige Ver- suche beschränkt zu bleiben, da nur 15 Studenten, die meist auch Erfah- rungen mit Marihuana gewonnen hatten, dem Pilzkonsum treu geblie- ben waren. Offensichtlich ist es in ge- wissen Kreisen „in", auch mit diesem LSD-ähnlichen Halluzinogen Erfah- rungen zu gewinnen, da die meisten
Inzwischen dürfte der Genuß ei- nes Glases Rotwein dadurch weiter erhöht werden, indem er im Bewußt- sein getrunken wird, die Arteri- enwand vor der schädlichen oxidati- ven Modifikation von LDL zu schüt- zen. Voraussetzung ist, die Leber macht mit.
Referenzen:
Frankel, E. N., J. Kanner, J. B. German, E.
Parks, J. E. Kinsella: Inhibition of oxidation of human low density lipoprotein by phenolic substances in red wine. Lancet 341 (1993) 454-457
Gey, L. F., G. B. Brubacher, H. B. Stahelin:
Plasma levels of antioxidant vitamins in rela- tion to ischemic heart disease and cancer. Am.
J. Nutr. 45 (1987) 1368-1377
Habenicht, A. J. R., P. Salbach, U. Janßen- Timmen: Interaction between lipoproteins and the arterial wall. In Principles and Treatment of Lipoprotein Disorders, Handbook of Phar- macology 109 (Schettler, G., and Habenicht, A. J. R. eds.) Springer Verlag Heidelberg Ber- lin New York, im Druck
Steinberg, D., S. Parthasarathy, T. E. Carew et al.: Beyond cholesterol: modification of low density lipoproteins that increases its athero- genicity. N. Engl. J. Med. 320 (1989) 915-924
Prof. Dr. med. Dr. med. h.c. mult.
Gotthard Schettler
Medizinische Klinik — Klinikum der Universität
Bergheimer Straße 58 69115 Heidelberg
Studenten über Freunde aus der Subkultur mit der Droge in Berüh- rung gebracht wurden. Auch wenn der Kreis der Pilzkonsumenten rela- tiv gering zu sein scheint, macht der freie Zugang zu dem Halluzinogen es sehr schwierig, die Einnahme zu un- terbinden, die doch gelegentlich zu medizinischen und psychiatrischen Problemen führen kann
Die Autoren empfehlen, bei In- toxikationen nicht nur nach Substan- zen wie Marihuana, Amphetamin, LSD, Kokain und Heroin, sondern auch nach der Einnahme von halluzi- nogenen Pilzen zu fahnden.
Lassen, J. F., N. F. Lassen, K. Skov: Hal- lucinogenic mushroom use by Danish students: pattern of consumption. J Int Med 1993; 223: 111 — 112
Department of Medicine, Vejle County Hospital, Vejle, Dänemark
Rotwein und Herzinfarkt:
Eine protektive Wirkung?
Halluzinogene Pilze als LSD-Ersatz
Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 31/32, 9. August 1993 (43) A1-2131