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Archiv "Halluzinogene: LSD, Psilocybin und Mescalin" (12.02.1981)

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(1)

Halluzinogene:

LSD, Psilocybin und Mescalin

Heribert Konzett

Aus dem Pharmakologischen Institut der Universität Innsbruck

LSD, Psilocybin und Mescalin verändern nach peroraler Ein- nahme vorübergehend ausge- prägt Wahrnehmung, Empfin- den, Persönlichkeits- und Zeitgefühl im Sinn einer Mo- dellpsychose mit euphori- scher, gelegentlich aber auch dysphorischer Stimmung. Ihre Psychotoxizität ist nicht unbe- trächtlich. Experimentelle Un- tersuchungen weisen auf eine Vielzahl von Wirkungen im Zentralnervensystem hin.

Die Faszination, die von LSD, Psilo- cybin und Mescalin auf viele Men- schen, besonders auf Jugendliche, ausstrahlt, hängt nur zum Teil mit ihrer halluzinatorischen, also Sinnestäuschungen hervorrufenden Wirkung zusammen.

Mit der Bezeichnung „Halluzino- gene" wird lediglich ein Aspekt des komplexen Wirkungsbildes dieser Substanzen angedeutet. Andere Na- men, wie

• Phantastika = phantastische Sin- nestäuschungen, Illusionen, Visio- nen hervorrufend, nach Lewin

• Psychotomimetika = Psychosen nachahmend

• Psychedelika = die Psyche offen- barend, nach Osmond

• Psychodysleptika = Störungen im psychischen Bereich bewirkend, nach Delay

weisen auf die Besonderheit solcher exquisit psychotropen Substanzen hin. Gegenüber den Wirkungen an- derer Rauschmittel ist für diese Stof- fe das Erleben der gestörten Wahr- nehmung der Umgebung, eines an- dersartigen Bewußtseins und Emp- findens, eines Verlustes des ge- wohnten Raum- und Zeitsinnes und eines veränderten Persönlichkeits- gefühls, also der Vorstoß in eine ir- reale Welt, typisch.

Zur Geschichte der Halluzinogene Psychotrope Stoffe mit einem solch differenzierten Wirkungsbild kom- men in Pflanzen und Pilzen ver- schiedener geographischer Berei- che vor; sie wurden frühzeitig er- kannt und sind seit langem in Magie und Zauberei, bei Kulthandlungen und medizinischen Praktiken und auch als,Rauschmittel in Gebrauch (1)*). In Mexiko wurden schon zur Zeit der spanischen Eroberer und werden bis in die Gegenwart beson- ders drei solche Zauberdrogen ver- wendet, nämlich die Peyotl-Kaktee, der Pilz Teonanacatl und Ololiuqui, der Samen einer Windenart. Sie wur- den in den 50er Jahren in den be- nachbarten USA „wiederentdeckt"

und allgemein bekannt. Ihre Rein- Wirkstoffe, nämlich Mescalin in der Kaktee, Psilocybin im Pilz und Lys- ergsäure-Derivate in den Samen sind chemisch eindeutig definiert und synthetisch beziehungsweise halbsynthetisch im Laboratorium herstellbar (2).

Drogen beeinflussen

die höchsten Funktionen des menschlichen Gehirns

Schriftsteller, Künstler, Psychiater, Psychologen und neugierige Intel- lektuelle haben diese natürlichen Drogen oder ihre Wirkstoffe in der Absicht benutzt, eine Bewußtseins- erweiterung und eine Förderung der Kreativität zu erleben beziehungs-

weise um neue psychische Erfah- rungen im naturwissenschaftlichen Sinn zu machen. A. Huxley hat seine interessanten Erlebnisse mit Mesca- lin in zwei bekannten Büchern (The Doors of Perception, 1954; Heaven and Hell, 1956) ausführlich beschrie- ben. Die zunächst nur einzeln oder im kleinen Kreis aus Abenteuer- oder Erkenntnisdurst geübte, nicht- wissenschaftliche Verwendung der- artiger psychotroper Substanzen zu neuen Erfahrungen des eigenen In- nern fand weite Verbreitung, als eine neue, noch viel wirksamere Sub- stanz mit solchen Eigenschaften be- kannt wurde: Lysergsäurediäthyl- amid (abgekürzt LSD), ein halbsyn- thetischer Stoff, dessen auffallende psychische Wirkungen bei sehr niedriger Dosierung (wenige hun- derttausendstel Gramm) durch ei- nen Zufall vom herstellenden Che- miker Dr. Albert Hofmann 1943 in Basel entdeckt wurden (2). LSD ge- langte in den 60er Jahren besonders in den USA zu ungeheurer Publizi- tät, gepriesen als Schlüssel zur inne- ren Welt und gleichzeitig angepran- gert als gefährlichste Droge des Jahrhunderts. Mit LSD wurde da- mals ein weltanschauliches Element verbunden; die Öffnung zu transzen- dentalen Erfahrungen sollte den Geist aus den Fesseln der Gesell- schaft lösen. LSD wurde ein Mittel des Protestes gegen den American Way of Life, ein Wegbereiter und -begleiter der Hippie-Bewegung (2).>

*) Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis.

(2)

3

\ /

N \ C,H.

C 2H 5

HO 0

N-CH3 \p/

0 0

e.>

0

CH 3

LSD Psilocybin Mescalin

H CH 3

\+

CH 3

Darstellung: Die dickeren Striche deuten bei LSD (Lysergsäurediäthylamid) und Psilo- cybin (4-Phorphoryloxy-N, N-dimethyltryptamin) das Tryptamin-Strukturelement, bei Mescalin (3,4,5-Trimethoxyphenyläthylamin) das Phenyläthylamin-Strukturelement an.

Die reinen Wirkstoffe

LSD, Psilocybin und Mescalin Die vorliegende Darstellung der Hal- luzinogene beschränkt sich absicht- lich auf LSD, Psilocybin und Mesca- lin, weil diese drei Wirkstoffe die Psyche des Menschen ähnlich be- einflussen — allerdings mit der Ein- schränkung, daß Psilocybin etwa 100- bis 150mal und Mescalin etwa 3000- bis 5000mal höher dosiert wer- den muß als LSD — und weil sie sich gegenüber anderen Substanzen mit halluzinogenen Eigenschaften (zum Beispiel Amphetamin, Tetrahydro- cannabinol, Muscimol, Cocain, Phencyclidin u. a.) chemisch, wir- kungsmäßig und in der Praxis des Mißbrauches unterscheiden. Die drei Substanzen stellen auch inso- weit eine Einheit dar, als bei wieder- holter Applikation einer der drei Substanzen rasch eine gekreuzte Toleranz entsteht, also eine Wir- kungsabnahme gegenüber allen drei Substanzen, die sich aber nicht auf andere Halluzinogene erstreckt.

Chemie

Nach ihrer chemischen Grundstruk- tur sind LSD und Psilocybin Trypta- min-Derivate, während Mescalin ein Phenyläthylamin-Derivat ist. Trotz einer gewissen Ähnlichkeit der bei-

den Grundstrukturen, die auch in den körpereigenen Nervreiz-Über- trägersubstanzen Serotonin, Dop- amin und Noradrenalin steckt, läßt sich die ähnliche Wirkung der drei Drogen nicht auf eine identische chemische Struktur zurückführen, wenn auch sterische Entsprechun- gen zwischen dem aromatischen Ring von Phenyläthylamin und dem Pyrrol-Teil des Tryptamins bestehen (Darstellung).

Befunde am Tier

So komplexe Wirkungen, wie sie die drei Halluzinogene im gesamten wirksamen Dosisbereich auf die menschliche Psyche ausüben, ha- ben am Tier kein entsprechendes, eindeutiges und meßbares Aequiva- lent, wenn auch typische Verhal- tensänderungen nach höheren Do- sen an verschiedenen Tierspezies beobachtet wurden (3).

LSD aber, das wegen seiner hohen Wirksamkeit am Menschen allge- mein großes wissenschaftliches In- teresse gefunden hat, wurde als Mo- dellsubstanz (tool) experimentell ausgedehnt in der Absicht und Er- wartung verwendet, auf diesem Weg ein erweitertes Verständnis für phy- siologische und pathologische Ge- hirnvorgänge gewinnen zu können.

Einfluß auf die Biochemie

und Neurophysiologie des Gehirns Die zunächst gehegte Hoffnung, ei- ne ausreichende Erklärung der auf- fallenden Gehirnwirkung von LSD über einen zentralen Anti-Serotonin- Effekt zu finden, wurde enttäuscht.

Aus den zahlreichen Untersuchun- gen ergibt sich vielmehr, daß seine Wirkung am Gehirn sehr komplex ist (4). LSD wirkt offenbar im Zentral- nervensystem auf verschiedenen Ebenen vom Rückenmark bis zum Kortex über verschiedene Mechanis- men; es interferiert wahrscheinlich nicht nur mit dem serotonergen, sondern auch mit dem noradrener- gen, dem dopaminergen und dem hypothetischen tryptaminergen Sy- stem, also mit den entsprechenden Reizüberträgerstoffen, und zwar teils als Agonist, teils als Antagonist.

Da aber nicht nur die absolute Kon- zentration der natürlichen „Trans- mitter" an den Wirkstellen im Ge- hirn, sondern auch ihr gegenseitiges ausbalanciertes Zusammenwirken für die zerebralen Funktionen wich- tig ist, wird es verständlich, daß Stö- rungen durch die vielfältige LSD- Wirkung in verschiedenen Regionen zur Beeinträchtigung der höchsten Gehirnleistungen führen können.

Der Wirkort von LSD wird im Bereich der Reizübertragung lokalisiert, also an den Synapsen, wo LSD an Rezep- toren direkt oder indirekt (modulie- rend) wirken dürfte; dafür spricht auch der morphologische Befund, daß unter LSD an einem Modellprä- parat vermehrt synaptische Kontak- te und Exozytose-Vorgänge festge- stellt werden konnten (5). Außerdem ist auch ein Einfluß auf die enzymati- schen Vorgänge bei der Entstehung und dem Abbau der Neurotransmit- ter-Substanzen (turnover) nachge- wiesen.

Auf sensorische Reize kommt es un- ter LSD durch Reizschwellenernied- rigung meistens zu verstärkten Re- aktionen, die durch das Elektro- enzephalogramm beziehungsweise durch direkte Ableitung des Aktions- potentials bestimmter Hirnteile er- faßbar sind. Dadurch wird der Me- chanismus der Selektion und Inte-

(3)

Die Verantwortung der Intellektuellen für den Mißbrauch von Rauschmitteln

Die Szene hat sich geändert. Frü- her waren bestenfalls Ärzte und das klinische Personal gefährdet.

In Künstlerkreisen galt der Ge- brauch von Rauschmitteln mehr als Kavaliersdelikt. Heute ma- chen uns die Rauschmittel viel zu schaffen, und die Halluzinogene haben dabei ganz besondere Probleme aufgeworfen.

Ihr Suchtpotential ist gering; sie machen nicht im eigentlichen Sinne der WHO-Definition süch- tig und demnach auch weder physisch noch psychisch abhän- gig. Wen verwundert es darum, daß die Barden der Erweiterung des Gefühlslebens, des Bewußt- seins und der Gedankenwelt in den Halluzinogenen endlich die

„erlaubte" Droge zu finden hoff- ten? Sie berufen sich dabei auf so klingende Namen wie Baude- laire, Maupassant, Benn, A. Hux- ley und E. Jünger.

In den 60er Jahren nahm folge- richtig mit Dr. Leary und der von ihm propagierten „wissenschaft- lich" kontrollierten Anwendung von LSD die Hippie-Bewegung im psychologischen Seminar von Harvard ihren Ausgang!

Man kann angesichts dieser Tat- sachen die Verantwortlichkeit der Intellektuellen in dieser Frage schlechthin nicht leugnen. Wie soll man da, allemal jungen Men- schen, begreiflich machen, daß das, was anerkannte Heroen der Geisteswelt und der Literatur als bewußtseinserweiternd, Einsich- ten vermittelnd und befreiend von den Fesseln jedweden Zwan- ges so großartig beschreiben, nicht für den allgemeinen Ge- brauch bestimmt sein kann?

Jünger meint zwar, daß die

„Phantastika", wie die Halluzino- gene synonym der Literatur be- zeichnet werden, nicht zu einer

Massenbedrohung werden könn- ten wie Tabak, Alkohol, Tabletten und Morphium. Hier irrt er: Wir finden immerhin gelegentliche Hinweise auf LSD und ähnliche Stoffe in der Kiste der Kampfstof- fe unter der Bezeichnung „Sabo- tagegifte". Wer kennt in diesem Zusammenhang nicht die Alp- träume der Verantwortlichen für die Trinkwasserversorgung?

Rauschmittel und Gefährdungen durch sie sind ubiquitär. Wir kön- nen uns vor ihnen auch nicht schützen wie etwa vor Infek- tionskrankheiten. Wer weiß ei- gentlich, wo die Grenze zu unge- fährlichen Stoffen zu ziehen ist?

Alle Mittel, die in der Lage sind, die Psyche und die Befindlichkeit des Menschen zu beeinflussen, sind prinzipiell in Gefahr, miß- braucht zu werden. Auf dem Bo- den dieser Einsicht entgleitet das Problem der Prävention der ärzt- lichen Kontrolle und geht über in die der Administration unserer Gesellschaft. Ärztliches Handeln ist hier nur noch in Verbindung mit therapeutischem Vorgehen bei der akuten Vergiftung mög- lich; allenfalls noch bei der Reha- bilitation, soweit körperliche Dys- funktionen zu beheben sind.

Prävention dagegen wird Sache des Verschlusses einschlägiger Stoffe und der Aufklärung und Überzeugung gefährdeter Perso- nenkreise im menschlichen Um- feld. — Zu unklar formuliert, zu wenig präzise? Das menschliche Umfeld, das sind die Familie, die Schule, der Ausbildungsplatz, der Arbeitsplatz. Schnelle Erfolge sind da nicht zu erringen, und der Weg wird lang und dornig sein, bis so etwas wie eine Prävention der Rauschmittelsucht erreicht sein wird. Es bedarf nämlich der Bewußtseinsänderung.

A. Huxley, der Prophet der Hallu- zinogene, hat zuviel, zu optimi-

stisch und zu mißverständlich Prophetien über den Einsatz von Drogen zur Steigerung der visio- nären Erlebnisfähigkeit des Men- schen in die Welt gesetzt, gar noch ihren Einsatz propagiert, wo die Aufgaben der Zukunft der Menschheit auf diesem Planeten bewältigt werden müssen.

Viel nüchterner wird das von E.

Jünger gesehen: „Die Drogen sind Schlüssel, sie werden frei- lich nicht mehr erschließen, als unser Inneres verbirgt." Traurig ist wohl der dran, der im Inneren nichts vorfindet: da muß der Trip zur Frustration führen, und das ist, nach allem, was wir wissen, die Erfahrung des Durchschnitts- menschen.

Um nicht mißverstanden zu wer- den: Die Freiheit, zu tun und zu lassen, was man will, sofern es nicht mit den Gesetzen kollidiert oder die Freiheiten anderer be- einträchtigt, ist ein hohes Gut, das in unserer Verfassung garan- tiert wird. Das gilt nicht zuletzt für die Freiheit des Forschers, des Künstlers und Literaten. Damit aber gerade diese Freiheit erhal- ten bleiben kann, bedarf es wohl neuer Strategien, die letztlich im Verantwortungsbewußtsein der Erfahrenen gründen. Wer Visio- nen verbreitet, muß sich auch darüber Rechenschaft ablegen, wie derlei bei Individuen an- kommt, die der allgemeinen menschlichen Erfahrung nach als für sich nicht voll verantwort- lich betrachtet werden können;

zu dieser Gruppe kann einer auch noch lange nach der Ertei- lung des aktiven Wahlrechts ge- hören! Wolfgang Forth

Literatur

(1) Hofmann, A.: LSD, mein Sorgenkind, Klett-Cotta, Stuttgart (1979) — (2) Jünger, E.: Annäherungen, Klett-Cotta im Ullstein Taschenbuch (1980) — (3) Heim, U., und Weger, N.: Grundzüge der Wehrtoxikolo- gie, in: Wehrmedizin (E. Rebentisch Hgb.), Urban & Schwarzenberg, München/Wien/

Baltimore (1980) — (4) Lewin, L.: Phantasti- ka, 2. Auflage, G. Stilke, Berlin (1927), Nachdruck bei Gerstenberg, Hildesheim (1973)

(4)

Bration von Sinnesinformationen gestört. Unbedingte mono- und po- lysynaptische Reflexe werden ver- stärkt.

Verhaltensänderungen

In Verhaltensstudien, etwa bei Ver- wendung von Versuchsanordnun- gen zum Erlernen von bedingten Re- flexen, zeigen Halluzinogene auch Wirkungen, wie zum Beispiel eine Beeinträchtigung des Lernvermö- gens, Veränderungen der Reak- tionszeit und dergleichen. Aus solchen Kond itionieru ngs-Untersu- chungen geht hervor, daß die Stö- rung der integrativen Funktion in ge- wissen Hirnabschnitten, etwa durch den Verlust einer Unterscheidung zwischen wichtigen und unwichti- gen Reizen, ein Charakteristikum der Halluzinogene ist (6).

Vegetative Effekte

Leicht erfaßbar durch Beobachtung der Wirkungen auf peripher inner- vierte Organe und Strukturen sind im Tierexperiment Effekte auf die zentrale Regulation des vegetativen Nervensystems. Auf halluzinogene Substanzen in ausreichender Dosie- rung erfolgt ein zentral ausgelöstes sympathisches Erregungssyndrom mit Mydriase, Tachykardie, Hyper- thermie, Hyperglykämie und Blut- drucksteigerung, das aber auch pa- rasympathische Zeichen wie Miose, Bradykardie, Hypothermie, Hypo- glykämie und Hypotonie aufweisen kann (7, 8).

Motorik und periphere Effekte Die motorische Motilität ist gleich- falls über eine zentrale Wirkung mei- stens gesteigert. — Periphere Effek- te, die durch höhere Dosen von LSD zum Beispiel an glattmuskeligen Or- ganen auftreten, sind für die zentra- le Wirkung bedeutungslos.

Insgesamt geben die mit LSD (und den anderen Halluzinogenen) durchgeführten Tierexperimente nur gewisse Erklärungsmöglichkei- ten für die komplexe psychotrope Wirkung am Menschen, ohne diese aber im Kern erhellen zu können.

Wirkungsbild am Menschen Aus den zahlreichen Schilderungen körperlicher und psychischer Verän- derungen nach Einnahme wirksa- mer Dosen von LSD, Psilocybin und Mescalin durch geistig Gesunde er- gibt sich das komplexe Wirkungs- bild eines Rauschzustandes, der als Modellpsychose, also als ein den Geisteskrankheiten ähnliches Zu- standsbild bezeichnet werden kann.

Das „Psychotische" meint in diesem Zusammenhang Störungen der Wahrnehmung im Sinn von Halluzi- nationen und Illusionen, Denkstö- rungen, Stimmungsschwankungen, Veränderungen des Persönlichkeits- und Zeitgefühls sowie Entrücktheit.

Somatische und vegetative Effekte Hält man sich an die von erfahrenen Psychiatern beschriebene Sympto- matik der LSD-Wirkung (auf Dosen von 30 bis 100 Mikrogramm), so han- delt es sich um einen Verlauf in Pha- sen, die auch mit einer ausdrucks- phänomenologischen Methode er- faßbar sind (9, 10). 15 bis 30 Minuten nach der peroralen Aufnahme von Dosen im mittleren Wirkungsbereich treten zunächst motorische Störun- gen auf, wie zum Beispiel ataktische Symptome, Gangstörungen, auch undeutliche Sensationen in Körper- teilen und ein fremdartiges Leib-Er- leben. Der Patellarsehnenreflex ist verstärkt. Dazu gesellen sich bald vegetative Symptome, wie zum Bei- spiel leichter Brechreiz, Schwindel, Hitze- oder Kältegefühl und Schweißausbruch; außerdem wer- den objektiv Mydriase, Temperatur- steigerung, Tachykardie, Atemfre- quenzzunahme und Blutdruckstei- gerung beobachtet.

Die komplexe psychische Wirkung Die „psychotischen" Symptome, die innerhalb der ersten Stunde nach der Einnahme einsetzen, dann — je nach der Dosis — nach etwa ein bis zwei Stunden ihren Höhepunkt er- reichen und in der Folge allmählich abklingen, werden spontan oder auf Befragen geäußert. Optische Sin- nestäuschungen stehen im Vorder- grund. Die Elemente dieser Halluzi-

nationen sind vielgestaltig und zahl- reich, oft bewegt, meistens farbig;

sie treten bei offenen, besonders aber bei geschlossenen Augen auf.

Akustische und optische Sinnesein- drücke können verschmelzen (Syn- ästhesien). Es kommt zu illusionärer Verkennung der Umgebung. Die Halluzinationen und Illusionen sind streng genommen meistens Pseudo- Halluzinationen und Pseudo-Illusio- nen insofern, als die Unwirklichkeit und artifizielle Auslösung bewußt bleibt. Das Zeitgefühl ist beeinflußt, und zwar verlangsamt oder be- schleunigt, das Persönlichkeitsge- fühl wird im Sinne einer Entfrem- dung, einer Depersonalisation ver- ändert. Die Stimmung ist vorwie- gend euphorisch, kann aber auch labil sein und ins Dysphorische um- schlagen. Der Gedankengang ist ge- stört; Ideenflucht, Konzentrations- schwäche, Perseveration werden auffällig. Die sexuelle Sphäre wird meistens kaum angesprochen. Bei leistungspsychologischen Untersu- chungen wird eine Verschlechte- rung bemerkt. Letztlich tritt Versun- kenheit in sich oder in die Ferne ein, so daß Grenzen der Person und der Situation verschwimmen. Das Nach- lassen der Wirkung erfolgt häufig wellenförmig, gelegentlich schlagar- tig. 4 bis 5 Stunden nach der Einnah- me (bei sehr hoher Dosierung etwas später) ist die Wirkung in der Regel abgeklungen. Müdigkeit, Abge- schlagenheit, eventuell Störungen der mnestischen Funktionen kön- nen in den folgenden 24 bis 48 Stun- den noch bemerkt werden.

So regelmäßig und einheitlich vege- tative und motorische Symptome so- wie Störungen der optischen Wahr- nehmung auftreten, so vielfältig und verschiedenartig werden die psychi- schen Veränderungen in den sehr zahlreichen, von Medizinern und Laien beschriebenen Auswirkungen der Halluzinogene geschildert, etwa das Erlebnis von Bildern und Gestal- ten, die Bereitschaft zu illusionisti- scher Verkennung der Umgebung, das Erleben des Zeitablaufes und der Ausdehnung des Raumes, das Versunkensein mit Derealisations- und Depersonalisations-Phänome- nen, die Distanz und Loslösung vom

(5)

Mitmenschlichen. Dieser Zustand, der das Icherleben tiefgreifend ver- ändert, kann wie eine innere Be- reicherung, geradezu als mystisches Erlebnis, als visionäre Erleuchtung oder aber auch als entleerend, er- schreckend, „verrückt machend" er- lebt werden, wenn die gestaltete Welt in ihrer Ganzheit verlorengeht, wenn Raum und Zeit sich irgendwie auflösen und wenn dann alles sinn- los wird.

Der Grund für die große Vielfalt des Wirkungsbildes der Halluzinogene liegt wohl darin, daß jede menschli- che Psyche eben einmalig und hochdifferenziert ist, daß neben den interindividuellen Unterschieden der Persönlichkeitsstruktur auch die in- traindividuelle Ausgangslage und Erwartung stark wechseln und daß die aktuelle Umwelt von beträchtli- chem Einfluß sein kann.

So können etwa phantasiebegabte, musisch veranlagte und ästhetisch differenzierte Persönlichkeiten bei wohlgeplanten Versuchen in schö- ner harmonischer Umgebung durch ein Halluzinogen einen beglücken- den Zustand ästhetischen Hochge- nusses und intuitiver Kraft durch das Entrücktsein in die Ferne oder in eine kosmisch-mystische Versun- kenheit nach innen erleben.

Psychotoxizität

Es gibt aber genug Beispiele, daß durch die Halluzinogene auch ein höchst dysphorischer Zustand mit häßlichen und fratzenhaften Verzer- rungen der Umgebung, mit furchter- regenden Transfigurationen und grauenhaften Visionen ausgelöst werden kann, der sich in Angst und Verzweiflung bis zu suizidalen Wün- schen und Akten hin steigern kann.

Solche Erfahrungen haben Tausen- de mit LSD gemacht, darunter auch Personen, die bei anderer Gelegen- heit in günstiger Gemütsverfassung einen Zustand gesteigerter Euphorie erlebt haben.

Die Psychotoxizität zeigt sich auch darin, daß zusätzlich zum akuten Ab- lauf nach einmaliger oder wieder-

holter Einnahme von Halluzinoge- nen chronisch psychopathologische Zustände auftreten können. Manch- mal kommt es erst Wochen oder Mo- nate nach der Einnahme zu schwe- ren Angstzuständen oder auch zu plötzlich auftretenden psychoti- schen Zuständen (flash backs, echos), als wäre wieder LSD einge- nommen worden.

Bei solchen Komplikationen durch LSD und andere Halluzinogene (Er- regungs- beziehungsweise Panik- Zustände, suizidale Gefährdung) sind Chiorpromazin, Diazepam, Pro- pranolol zur Behandlung des akuten Zustandes, eventuell Lithium zur Be- handlung mehr chronischer Verläu- fe angezeigt.

Bei wiederholtem Gebrauch der HaI- lüzinogene in kurzen Zeitabständen (zum Beispiel täglich), stellt sich

bald Toleranz ein. Nach einigen hal- luzinogenfreien Tagen tritt dann aber wieder die ursprüngliche Wir- kung ein. Eine gewisse psychische Abhängigkeit kann entstehen, doch fehlt die physische Abhängigkeit, das heißt, Abstinenzsymptome tre- ten nicht auf.

Wenn somit im Vergleich zu anderen Psychopharmaka das Suchtpotenti- al dieser Halluzinogene auch nicht allzu hoch ist, so haben doch die beträchtliche Psychotoxizität und die weitverbreitete mißbräuchliche Verwendung besonders von LSD et- wa auch im Rahmen einer Polytoxi- komanie, bei der mehrere psycho- trope Substanzen gleichzeitig ge- nommen werden, den Gesetzgeber auf Grund der international gelten- den Suchtgiftkonvention veranlaßt, diese Substanzen als Suchtgifte ein- zustufen. Da die gelegentliche thera-

GLOSSAR LSD ist in den Vereinigten Staaten und in Europa im Jargon unter den Namen „acid" (offenbar mit Anspielung auf die Lysergsäure) und „mikes"

(wahrscheinlich wegen der Mikrogramm-Dosie- rung) bekannt; weitere Bezeichnungen wie

„white Iightning", „blue caps" und „pink wedge" beziehen sich offenbar auf die Farbe von Handelspräparaten des Schwarzmarktes!

Acid trip LSD-Rausch, wörtlich LSD-„Reise"

Good trip angenehmer LSD-Rausch Bad trip unangenehmer LSD-Rausch

Horror trip LSD-Rausch mit Schrecken und Entsetzen Flippen Erleben von Fehlreaktionen nach Einnahme von

Drogen

Flash back, unangenehmer Spät- oder Nachrausch nach LSD Echo

LSD-freaks für die Gesellschaft,durch LSD-Mißbrauch verlo- rene Typen

Freak out unerwünschte psychotische Reaktion nach LSD mit hochgradiger Angst (Paniksituation)

(6)

peutische Verwendung als Hilfsmit- tel bei der psychoanalytischen The- rapie von Neurosen beziehungswei- se zur Milderung der Todesangst keine allgemein überzeugenden Er- folge gezeitigt hat (11), wurden die- se Mittel auch nicht in den Arznei- schatz eingegliedert; ihre Verschrei- bung als Arzneimittel ist verboten.

Lobpreis und Warnung

Wenn bekannte Autoren über ihre Erlebnisse mit diesen Drogen inter- essant und anregend im Sinne einer Erweckung schöpferischer und ei- ner Steigerung künstlerischer Kräfte sowie einer Förderung der Kreativi- tät berichten, so muß darauf hinge- wiesen werden, daß diese Autoren sich auch ohne Drogen in ihrem CEuvre über Phantasie, Einfallsreich- tum und Kunst der Darstellung hin- reichend ausgewiesen haben.

Es wäre eine gefährliche Täu- schung, aus dem literarischen Lob- preis solcher Drogen etwa zu schlie- ßen, die ihrer Umgebung ungenü- gend Angepaßten, sozial nicht Inte- grierten oder die durch unsere Kon- sum- und Leistungsgesellschaft fru- strierten Jugendlichen hätten in die- sen Mitteln gewissermaßen ein ein- faches Vehikel zur Erfahrung eines tragenden Sinnes der eigenen Exi- stenz oder zur Realisierung unreali- stischer Wunschvorstellungen.

Durch Halluzinogene können wohl bei entsprechender Veranlagung und unter günstigen Umständen Be- reicherungen des ästhetischen Erle- bens im Sinne innerer Gesichte so- wie neue Erfahrungen der Entrük- kung und Entkörperlichung zuteil werden, nicht aber werden Gestal- tungskräfte geweckt oder erfolgs- sichere Anleitungen zu einem sinn- vollen Leben und zum Sichbewäh- ren in schwierigen Lagen gegeben.

Die Probleme des Alltags, denen die meisten Halluzinogen-Konsumenten ausweichen oder nicht gewachsen sind, werden durch diese psychotro- pen Pharmaka nicht verändert und nicht aus der Welt geschafft, son-

dern nur vorübergehend wie mit ei- nem buntschillernden Vorhang ver- hüllt.

Ausblick

Zu hoffen bleibt, daß Ärzte, Medien und Öffentlichkeit aufgrund der Kenntnis der Psychotoxizität der Halluzinogene durch Aufklärung da- zu beitragen, den Mißbrauch dieser Wirkstoffe einzudämmen. Die Frage, ob in der Zukunft doch noch das eine oder andere Halluzinogen Vor- teile für wissenschaftliche Untersu- chungen oder Nutzen für die Psy- chotherapie bringen könnte, ist offen.

Literatur

(1) Lewin, L.: Phantastika, 2. erweiterte Aufla- ge, Verlag von Georg Stilke in Berlin (1927) — (2) Hofmann, A.: LSD — mein Sorgenkind, Klett-Cotta, Stuttgart (1979) — (3) Siegel, R. K.;

Brewster, 1. M., and Jarosk, M. E.: An oberser- vational study of halluzinogen-induced beha- vior in unrestrained Macaca mulatta, Psycho- pharmacology 40 (1974) 211-223 — (4) Martin, W. R., and Sloan, J. W.: Pharmacology and classification of LSD-like hallucinogens, in Handbook of experim. Pharmacology 45/11 (1977) 304-368 — (5) Kemali, and Kemali, D.: Lysergic acid diethylamide: Morphological study of its effects on synapses: Psychophar- macology 69 (1980) 315-317 — (6) Waser, P. G., Martin, A., and Heer-Carcano, L.: The effect of A 9-Tetrahydrocannabinol and LSD on the ac- quisition of an active avoidance response in the rat, Psychopharmacology 46 (1976) 249-254 — (7) Rothlin, E.; Cerletti, A.; Konzett, H.; Schalch, W. R., und Taeschler, M.: Zentrale vegetative LSD-Effekte, Experimentia 12 (1956) 154-155 — (8) Weidmann, H.; Taeschler, M., und Konzett, H.: Zur Pharmakologie von Psilocybin, einem Wirkstoff aus Psilocybe me- xicana, Heim, Experientia 14 (1958) 378-379 — (9) Stoll, W. A.: Lysergsäure-diäthylamid, ein Phantastikum aus der Mutterkorngruppe, Schweizer Arch. f. Neurol. und Psychiatrie 60 (1947) 1-45 — (10) Heimann, H.: Ausdrucksphä- nomenologie der Modellpsychosen (Psilocy- bin), Psychiat. Neurol., Basel 141 (1961) 69-100 — (11) Fanchamps, A.: Some com- pounds with hallucinogenic activity, in Hand- book of experim. Pharmacology 49 (1978) 567-614

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med.

Heribert Konzett

Pharmakologisches Institut der Universität

Peter-Mayr-Straße 1 A-6020 Innsbruck

Epilepsie

und Schwangerschaft

Es besteht kein Zweifel darüber, daß die Verabreichung von Antiepilepti- ka mit einer Schwangerschaft inter- feriert, der Grad des Risikos hängt jedoch von zahlreichen Faktoren ab.

Leidet ein Elternteil aufgrund eines Hirntraumas an Epilepsie, so ist das Risiko für das Neugeborene nur leicht erhöht; liegt eine genuine Epi- lepsie vor, so steigt die Gefahr, daß auch das Neugeborene an Epilepsie leiden wird, nochmals geringfügig an. Ist jedoch bei beiden Partnern eine genuine Epilepsie vorhanden oder besteht bei einem eine genuine Epilepsie und bei dem anderen eine entsprechende Familienanamnese, so ist das Risiko für das Kind deut- lich erhöht.

Die teratogenen Wirkungen der An- tiepileptika scheinen hinreichend bekannt und relativ gering. Man kann wohl davon ausgehen, daß bei kleinstmöglicher Dosierung des ent- sprechenden Präparates und guter Beherrschung der Anfälle kein Anlaß besteht, eine Epileptikerin mit Kin- derwunsch zu entmutigen. Dabei sollte jedoch beachtet werden, daß möglichst nur eine Medikation ein- gesetzt wird.

Nach neueren Ergebnissen emp- fiehlt es sich, bei mangelnder Be- herrschung der Attacken, eher das Präparat zu wechseln als ein zusätz- liches einzusetzen.

Es besteht jedoch die Möglichkeit, daß die Anfälle der Patientin wäh- rend der Gravidität in kürzeren Inter- vallen auftreten. Die diesbezügli- chen Angaben in der Literatur schwanken und liegen bei bis zu 45 Prozent der untersuchten Frauen.

Werden wiederholt schwere Anfälle beobachtet, so erscheint es empfeh- lenswert, die Dosierung des einge- setzten Präparates vorsichtig zu er- höhen.

Als Schwangerschaftsepilepsie wer- den Anfälle bezeichnet, die nur wäh- rend der Schwangerschaft und im

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