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Archiv "Neuropsychiatrische Notfälle durch Psychopharmaka" (19.01.1978)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin NOTFALL IM BEREITSCHAFTSDIENST

Neuropsychiatrische Notfälle durch Psychopharmaka

Psychopharmaka werden nicht nur zur Therapie psychiatrischer Akutsituationen verordnet, sie können auch selbst Ursache eines neuropsychiatrischen Notfalls sein. Deshalb ist bei jedem neuropsychiatri- schen Notfall eine genaue Medikamenten-Anamnese erforderlich. Neben neuropsychiatrischen Notfäl- len können nach Gabe von Psychopharmaka auch weitere Komplikationen wie zum Beispiel Herz- Kreislauf-Störungen oder paralytischer Ileus auftreten, die zum sofortigen Absetzen der Medikation zwingen. — Im folgenden werden nur die neuropsychiatrischen Notfälle dargestellt, die durch Antide- pressiva, Neuroleptika oder Tranquilizer auftreten können. Notfälle durch Hypnotika, Psychostimulan- tien oder andere psychotrop wirksame Pharmaka bleiben hier unberücksichtigt, ebenso wie Bewußt- seinsstörungen nach toxischen Dosen von Psychopharmaka.

Symptomatik

Suizidalität

Suizidalität kann im Rahmen depressiver Verstimmungen vorwiegend nach hohen, über längere Zeit verordneten Neu- roleptika auftreten (=pharma- kogene Depression). Aber auch schon geringe Dosen können, besonders bei älteren Patienten, depressive Ver- stimmungen mit Suizidalität hervorrufen.

Erregungszustände Psychomotorische Erre- gungszustände können nach Einnahme von Antidepressiva und Neuroleptika auftreten.

Nur sehr selten kommt es zu Erregungszuständen im Rah- men paradoxer Reaktionen nach Tranquilizern. Antide- pressiva mit antriebssteigern- der Komponente (zum Bei- spiel Imipramin [Tofranil®], Desimipramin [Pertofran®], Monoami nooxydase-Hemmer [Jatrosom®]) können am ehe- sten, besonders auch bei älte- ren Patienten, zu einer Erregt- heit führen.

Delirien

Pharmakogene Delirien kön- nen unter der Medikation von Antidepressiva und Neurolep-

Diagnose

Die Medikamenten-Anamne- se, insbesondere Dauer und Höhe von Neuroleptika, muß genau erhoben werden. Dif- ferentialdiagnostisch kann die Abgrenzung zwischen einer pharmakogenen Depression und einem depressiven Syn- drom bei Schizophrenie unter neuroleptischer Behandlung schwierig sein.

Unter einer Neuroleptika-Me- dikation ist die diagnostische Unterscheidung zwischen ei- ner Akathisie und psychomo- torischer Erregtheit als Ne- benwirkung der Medikation und einem primär bestehen- den schizophrenen Unruhezu- stand schwierig.

Eine Medikamenten-Anamne- se — auch Dosisänderungen! — wird erhoben. Die Abgren-

Therapie

Bei Suizidalität im Rahmen ei- ner pharmakogenen Depres- sion müssen die gleichen Vor- sichtsmaßnahmen wie bei Suizidalität anderer Genese getroffen werden. Strenge Be- obachtung des Patienten und Einweisung in eine Psychiatri- sche Klinik sind bei hochgra- diger Suizidalität notwendig.

Die Medikation muß reduziert oder abgesetzt werden. Ist der Erregungszustand auch nach Absetzen noch stark ausge- prägt, kann ein schnell dämp- fend wirkendes Neurolepti- kum (zum Beispiel Laevome- promazin [Neurocil®]) verord- net werden; Injektionen dür- fen aber nur gegeben werden, wenn kein Herz-Kreislauf-Ri- siko besteht.

Sofortiges Absetzen oder star- ke Reduktion der Pharmaka, entsprechend dem Schwere-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 3 vom 19. Januar 1978 115

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Aktuelle Medizin

Neuropsychiatrische Notfälle

Symptomatik

tika entstehen. Die deliranten Zustände treten vorwiegend zu Beginn der Therapie mit sehr hohen Dosen oder später bei plötzlicher Erhöhung der Me- dikation auf. Auch Empfind- lichkeitssteigerungen (zum Beispiel interkurrente Infek- tionskrankheiten) können das Auftreten von Delirien begün- stigen. Häufiger treten Delirien bei gleichzeitiger Verabrei- chung mehrerer Psychophar- maka auf, insbesondere wenn zusätzlich Antiparkinsonmittel verordnet werden.

Hyperkinesien

In den ersten Tagen einer Neuroleptika-Medikation, aber auch schon nach einer einzigen Dosis, können soge- nannte Frühdyskinesien auf- treten. Sie sind gekennzeich- net durch krampfartiges Her- ausstrecken der Zunge, Blick- krämpfe, Opisthotonus, Hy- perkinesien der mimischen Muskulatur, Trismus, Ver- krampfungen der Schlund- muskulatur, tortikollisartige, choreatisch-athetoide und auch torsionsdystone Bewe- gungsabläufe in der Muskula- tur des Halses und der oberen Extremitäten.

Krampfanfälle

Sehr selten können unter An- tidepressiva und Neuroleptika generalisierte Krampfanfälle auftreten. Schnelle Dosisän- derungen und zerebrale Vor- schädigungen begünstigen das Auftreten.

Diagnose

zung zu Delirien anderer Ur- sache (zum Beispiel Alko- hol, Rauschmittel, Hypnoti- ka, Stoffwechselkrankheiten, hirnorganische Krankheiten) ist im allgemeinen nur in der Klinik möglich.

Hyperkinesien bei Beginn ei- ner Neuroleptika-Therapie oder bei schneller Dosisstei- gerung sprechen für Frühdys- kinesien. Die Diagnose kann differentialdiagnostisch durch i. v. oder i. m. Injektion von Biperidin (Akineton®) abgesi- chert werden.

Neben der genauen Medika- menten-Anamnese ist der Ausschluß hirnorganischer Krankheiten notwendig. Nach bestehenden Anfallsleiden muß gefragt werden.

Therapie

grad des Delirs, ist notwendig.

Nur in der Klinik kann bei star- ker Ausprägung zusätzlich für kurze Zeit Chlormethiazol (Di- straneurin®) verordnet wer- den.

Therapeutisch sind Antipar- kinsonmittel gut wirksam (zum Beispiel 1/2-1 i. v. oder i. m. Injektion von Biperidin [Akineton®]). Die Antiparkin- sonmittel können für einige Tage oral weiter verordnet werden, dann sollte versucht werden, sie abzusetzen.

Eine Dosisreduktion ist not- wendig. Eventuell kann auf ein Antidepressivum bezie- hungsweise Neuroleptikum aus einer anderen chemi- schen Gruppe umgesetzt werden.

Anschrift des Verfassers:

Privatdozent Dr. 0. Benkert Oberarzt der

Psychiatrischen Klinik der Universität München Nußbaumstraße 7 8000 München 2

116 Heft 3 vom 19. Januar 1978

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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